Ein Sieg für den Weltfrieden? Transatlantische Beziehungen unter der neuen US-Präsidentschaft - Schlusswort

Abendforum in der Französischen Friedrichstadtkirche

Sehr geehrte Damen und Herren,

seit dem 20. Januar, dem Tag des Amtsantritts von US-Präsident
Donald Trump, erleben wir fast täglich neue Überraschungen.
Die ersten Amtshandlungen des neuen Präsidenten haben weltweit
Fassungslosigkeit oder sogar Entsetzen hervorgerufen.

Mindestens stellen sich nach nicht einmal einem Monat schwerwiegende Fragen,  Fragen, die nicht allein die Vereinigten Staaten von Amerika, sondern die globale politische Statik betreffen. Die meisten dieser Fragen sind heute Abend angeklungen:

Gelten in den USA noch die grundlegenden Werte der westlichen Welt oder sind Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenwürde in Gefahr?

Können Menschen, die unter Krieg und Verfolgung leiden, noch darauf bauen, in den USA aufgenommen zu werden? Wenn nein, wie wird sich das auf die Europäische Union auswirken, die in dieser Frage ja auch keineswegs einig ist?

Ist die Religionsfreiheit in den Vereinigten Staaten noch gewährleistet? Immerhin wurde das pauschale Einreiseverbot für Bürgerinnen und Bürger aus sieben mehrheitlich muslimischen Ländern durch ein Gericht aufgehalten, aber Trump hat ja bereits im Wahlkampf aus seiner ablehnenden Haltung gegen den Islam keinen Hehl gemacht.

Sodann: Was wird eigentlich aus den Prozessen, die von der Weltgemeinschaft angestoßen wurden und bei denen es auf die Mitwirkung der Vereinigten Staaten ankommt? Können ohne die USA die nachhaltigen Entwicklungsziele der Agenda 2030 erreicht und die Verabredungen des Pariser Klimagipfels umgesetzt werden?

Ferner: Was bedeutet es eigentlich, dass die USA die Rolle des Weltpolizisten nicht mehr spielen wollen? Was heißt das für Europa und welche Rolle spielt künftig die NATO?

Und schließlich: Sind die Kontrollmechanismen der amerikanischen Verfassung stark genug, um dem Präsidenten und seinen Beratern wirksam Grenzen zu setzen? Und wie einflussreich ist eigentlich die Zivilgesellschaft in den USA?

Auch über diesem Abend steht eine Frage, die allerdings bereits vor der US-Wahl formuliert wurde: „Ein Sieg für den Weltfrieden? Transatlantische Beziehungen unter der neuen US-Präsidentschaft“.

Wenn es um die Frage des Weltfriedens geht, so ist für mich und viele andere in der evangelischen Kirche noch immer die Friedensdenkschrift des Rates der EKD „Aus Gottes Frieden leben – für gerechten Frieden sorgen“ maßgebend. Sie wird in diesem Jahr zehn Jahre alt, und auch wenn vieles aktualisiert und anderes besser erforscht werden muss, so ist sie doch nach wie vor lesenswert.

Mein Exemplar, das ich hier bei mir habe, ist inzwischen ziemlich zerlesen. Als ich es jetzt zur Hand nahm, um dieses Schlusswort vorzubereiten, fand ich ein Lesezeichen und besonders viele Markierungen in dem Abschnitt mit der Überschrift „Rechtserhaltende Gewalt statt ‚gerechter Krieg‘“.  Die Frage nach der Legitimität der Androhung und Anwendung von Gewalt beschäftigte mich nämlich sehr, als ich von 2008 bis 2014 als Militärbischof die Evangelische Seelsorge in der Bundeswehr leitete. In zahlreichen Vorträgen und Interviews musste ich auf diese Fragen antworten: Ist der ISAF-Einsatz der NATO in Afghanistan ethisch vertretbar? War es richtig, dass die Bundesrepublik Deutschland sich im UN-Sicherheitsrat der Stimme enthielt, als dort über die Bombardierung Libyens entschieden wurde? Wie ist der Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der EU-Ausbildungsmission in Mali ethisch zu beurteilen? Darf die Bundesrepublik Deutschland Waffen an die kurdischen Peschmerga liefern, damit diese damit den so genannten „Islamischen Staat“ bekämpfen?

Wenn ich die Friedensdenkschrift heute auf dem Hintergrund der neuen US-Präsidentschaft noch einmal durchblättere, werden mir andere Abschnitte und andere Aussagen wichtig. So trägt das erste Kapitel die Überschrift „Friedensgefährdungen“ und einer von fünf Unterabschnitten behandelt die Friedensgefährdung durch Schwächung des Multilateralismus. Dort heißt es: „Während Unilateralismus sich an den nationalen Interessen eines Staates orientiert, die aus eigener Kraft oder mit einem ‚Bündnis von Willigen‘ verfolgt werden, steht Multilateralismus für kooperatives Handeln auf der Grundlage regelgeleiteter  Beziehungen, innerhalb derer die Interessen aller Partner Berücksichtigung finden. Mutilateralismus ist auch deshalb erforderlich, weil die Lösung vieler Probleme nicht oder nicht mehr von einzelnen Staaten bewältigt werden kann.“ (S.25) Wie notwendig doch diese Erinnerung ist angesichts von Parolen wie „Let’s make America great again“ oder „America first!“

Unter dem Abschnitt „Politische Friedensaufgaben“ findet sich in der Denkschrift ein Unterabschnitt „Universale Institutionen stärken“. Dort wird die Bedeutung der Vereinten Nationen für den Weltfrieden ausführlich beschrieben. Angesichts der Verächtlichmachung der UN durch Donald Trump als „Schwatzbude“ kann man das nicht oft genug wiederholen.

Schauen wir schließlich auf die in der Denkschrift entfalteten Dimensionen des gerechten Friedens: Schutz vor Gewalt. Förderung der Freiheit. Abbau von Not. Anerkennung kultureller Verschiedenheit. Wen will der neue US-Präsident eigentlich vor Gewalt schützen, wessen Freiheit fördern und wessen Not abbauen? Die Anerkennung kultureller Verschiedenheit jedenfalls gehört ganz sicher nicht zu seinen Prioritäten …

Ich lasse es bei diesen wenigen Andeutungen. Sie haben es bemerkt: Ich bezweifle, dass die neue US-Präsidentschaft einen Sieg für den Weltfrieden darstellt. Umso wichtiger ist es, die Kräfte zu stärken, die „dem Frieden der Welt dienen“ wie es in der Präambel unseres Grundgesetzes heißt. Die Evangelische Kirche in Deutschland wird das auf unterschiedliche Weise tun. Zum einen werden wir mit den politisch Verantwortlichen in Berlin und Brüssel im Gespräch bleiben und sie darin bestärken, ihr Handeln auch künftig an den Werten Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenwürde auszurichten. Auch werden wir davor warnen, dem Schlachtruf „America first!“ ein „Europe first!“ oder gar ein „Germany first!“ entgegenzusetzen, wie es verschiedentlich schon zu hören war. Solche Rhetorik dient dem Frieden nicht. Zum anderen werden wir mit unseren Partnern in den Vereinigten Staaten – ganz besonders auch mit der United Church of Christ – in Verbindung bleiben und sie unterstützen, wenn sie aus christlicher Überzeugung dem neuen Präsidenten und seiner Administration Kritik oder auch Widerstand entgegensetzen. Und schließlich: Die EKD beteiligt sich am zivilgesellschaftlichen Diskurs in Deutschland und setzt der Schwarz-Weiß-Rhetorik der Populisten diesseits und jenseits des Atlantik eine dem christlichen Glauben verpflichtete und differenzierte Auseinandersetzung über das politisch Gebotene entgegen. Dazu hat dieser Abend einen Beitrag geleistet und ich danke allen, die ihn vorbereitet und mitgestaltet haben.