Kirche und Bildung

Grußwort zum Treffpunkt Gendarmenmarkt

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

Kirche und Bildung finden zum Glück immer wieder öffentliche Aufmerksamkeit  -  erst recht in dieser Kombination:

Einerseits ist diese Verbindung ein „Aufregerthema“, wie gerade im letzten Jahr das Volksbegehren zum Religionsunterricht in Berlin gezeigt, und dabei große und auch offen bekannte Leidenschaften geweckt hat.

Andererseits sind Kirche und Bildung eine immer häufiger angestrebte Verknüpfung. Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach in fast allen Bundesländern ist subsidiär genauso ein Erfolg  wie der stetig wachsende Zustrom zu kirchlich geprägten Schulen und das kräftige Wachstum z.B. der Schulstiftung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz beweisen. Dieser Boom ist ungebrochen  -  auch angesichts der in diesem Jahr bekannt gewordenen schrecklichen Vorfälle besonders im Bereich katholischer Schulen.

Kirche hat also eine erhebliche Bedeutung im Bildungswesen unseres Staates und in unserer Gesellschaft. Bedeutung heißt hier aber auch Verantwortung. Nehmen die Kirchen, insbesondere die evangelischen, diese Verantwortung wahr? Oder wie sollten sie sich dieser Verantwortung stellen?

In meiner Einladung zum heutigen Treffpunkt Gendarmenmarkt hatte ich die vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland herausgegebene Orientierungshilfe „Herausforderungen, Grundsätze und Perspektiven evangelischer Bildungsverantwortung und kirchlichen Bildungshandelns“ erwähnt, die hier für Sie zur Mitnahme ausliegt. Ich freue mich, dass dieser Text vielfältige Beachtung gefunden und Anregungen auch für den heutigen Abend gegeben hat.

In der Einladung hatte ich auf die Schlüsselfunktion von Bildung im Blick auf die aktuellen sozialen und gesellschaftlichen Herausforderungen hingewiesen. Wie dieser Schlüssel von Staat und Kirche für mehr Bildungsgerechtigkeit und weniger Bildungsarmut in unserem Land eingesetzt werden kann und sollte, dazu gibt es sicherlich un-terschiedliche, auch konträre Auffassungen. Gespannt bin ich, welche Anregungen wir heute dazu erhalten.

Darüber hinaus sollten wir aber auch fragen, was mit den von diesem Schlüssel betroffenen Kindern und Jugendlichen passiert. Sind sie mehr Objekte als Subjekte im Bildungs“geschäft“?

Was passiert, wenn sich die Öffentlichkeit damit zufrieden gibt, die Verantwortung für die Heranwachsenden auf Lehrkräfte und Erzieherpersonal zu delegieren, und auf Ganztagsbetreuung und Ganztagsunterricht als ideale Lösung zu vertrauen? Und was passiert, wenn Eltern ihre Kinder frühmorgens in den Einrichtungen abgeben, um sie spätnachmittags „erzogen“ wieder in Empfang zu nehmen? Auch wenn diese Fragen am heute Abend nicht im Vordergrund stehen, sollten sie nicht völlig außer acht gelassen werden.

Der Bundespräsident hat mit seiner Feststellung, dass auch der Islam zu Deutschland gehört, erhebliche Debatten in Gang gesetzt. In der Orientierungshilfe der EKD ist es allgemeiner formuliert: „Andere Kulturen und Religionen sind längst nicht mehr fern und exotisch, sondern haben auch in Deutschland eine alltägliche Präsenz gewonnen, zumindest im Bewusstsein vieler Menschen.“ (S. 20)  Wenig später heißt es zu den Folgen: „Ohne dass dabei von einer geplanten Umstellung gesprochen werden könnte, beziehen sich Bildungsangebote in kirchlicher Trägerschaft, etwa in evangelischen Kindertagesstätten, faktisch vielfach auf Angehörige nichtchristlicher Religionsgemeinschaften. Die Kirche muss sich mit anderen Kulturen und Religionen auseinandersetzen.“ (S. 21) Und ich füge hinzu: Sie muss sich auseinandersetzen wie schon zu früheren Zeiten auch mit Atheismus und religiöser Gleichgültigkeit. Die Aussage der Orientierungshilfe ist erfreulich klar, und ich denke, dass wir diese Auseinan-dersetzungen weder im gesamtgesellschaftlichen noch im Bildungsbereich zu scheuen brauchen.

Abschließend darf ich Ihnen kurz unser Podium vorstellen: Ich freue mich, dass „Vater Staat“ heute von der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Professorin Dr. Annette Schavan, vertreten wird.

Als Sprecher von „Mutter Kirche“ - wie ich als Protestant dieses Mal gern formuliere  -  begrüße ich Frau Professorin Dr. Annette Scheunpflug, die so freundlich war, kurzfristig für den Präsidenten des Kirchenamtes der EKD, Herrn Dr. Hermann Barth, einzuspringen, der aus gesundheitlichen Gründen leider heute nicht dabei sein kann. Frau Scheunpflug ist stellvertretende Vorsitzende der EKD- Kammer für Bildung (und Erziehung, Kinder und Jugend) und Professorin für Allgemeine Pädagogik an der Friedrich- Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Ich danke Ihnen beiden ganz herzlich, dass Sie in den heutigen Treffpunkt Gendarmenmarkt Ihre Gedanken zu Verantwortung und Handeln von Kirche und Staat im Bildungsbereich einbringen.

Für den weiteren Ablauf schlage ich vor, dass als Auftakt Frau Dr. Scheunpflug in einer kurzen Einführung Stellung bezieht. Im Anschluss daran wäre ich Frau Dr. Schavan für ein Eingangsstatement dankbar.

Die danach vorgesehene Diskussion auf dem Podium wird von dem Direktor der Evangelischen Akademie zu Berlin, Herrn Dr. Rüdiger Sachau, moderiert.

Auch Ihnen danke ich vielmals für Ihre Mitwirkung.

Herr Dr. Sachau wird in der zweiten Hälfte der Diskussion Sie, sehr verehrte Gäste, bitten, mit Fragen an Frau Dr. Schavan und an Frau Dr. Scheunpflug die Debatte zu bereichern.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit, wünsche uns allen einen interessanten Abend und gebe nun das Wort weiter an Frau Dr. Scheunpflug.