Gottesdienst zum Ökumenischen Treffen der Sportschiffer zum Saisonende in der Havelbucht an der "Heilandskirche am Port" zu Potsdam-Sacrow

Motto: Bei Gott gehe ich nicht unter!

Liebe Motorbootfahrer und Segler, liebe Paddler, Ruderer, Kanuten, liebe Schlauchbootkapitäne, kurz liebe Freunde der Sportschifffahrt, liebe Gemeinde!

Das ist ein Traum. Ein Boot zu haben, ist ein Traum. Ruhig liegt das Boot auf dem Wasser. In ruhigem Takt schwankt es hin und her. Gleichmäßig plätschern die Wellen gegen die Planken. Die Landschaft zieht langsam vorüber. Der Lärm der Stadt bleibt zurück.  Das Boot zieht beständig seine Bahn. Es treibt in die Ferne. Und mit sich nimmt es die Menschen an Bord. Zieht sie weg aus ihrem Alltag, von der Hektik der Arbeit und den Sorgen des Haushalts. Hier auf dem Boot haben die Menschen endlich Zeit, über das Leben nachzudenken, haben Zeit, mit der Familie oder Freunden ein tiefes Gespräch zu führen über Gott und die Welt. Ein Boot ist ein Traum. Maler haben diese Szenerie sehnsuchtsvoll auf Leinwand gebannt. Spaziergänger am Flussufer blicken gedankenverloren den Schiffen nach. Sie, liebe Sportschiffer, haben sich diesen Traum verwirklicht. Sie gehören zu den 4,8 Millionen Menschen deutschlandweit, die in der Freizeitschifffahrt aktiv sind.

Daher wissen Sie aber auch, dass es nicht immer so idyllisch zugeht auf dem Wasser. Wasser ist ein starkes Element. Es kann richtig gefährlich werden. Das wird uns nicht nur deutlich, wenn wir die erschütternden Bilder aus dem Hochwassergebiet in Pakistan sehen. Auch an unseren Küsten, auf unseren Flüssen und Kanälen zeigt das Wasser immer wieder seine zerstörerische Kraft, wenn der Wind die Wellen hoch peitscht und die Schiffe unbarmherzig hin- und herwirft. Da kann ein Schiff auch auf einem Fluss in Seenot geraten, wenn es nicht einen sicheren Hafen angelaufen hat. Die Rettungswesten haben Sie alle nicht umsonst an Bord. Manchmal allerdings kommt jede Rettung zu spät. Auch in dieser Saison hat es Unfälle gegeben und auch dieses Jahr starben Menschen beim Wassersport.
Offene Gewässer sind nicht nur Idyll, sie sind auch Gefahr.
 
Das erleben auch die Jünger in der Geschichte aus dem Matthäusevangelium, die wir vorhin gehört haben. Jesus hat seine Jünger aufs Boot geschickt. Sie sollen schon einmal über den See Genezareth vorausfahren. Er kommt dann nach, aber erst wird er sich noch um die Menschen kümmern, die heute zu ihm gekommen sind. Mehr als 5.000 Männer, Frauen und Kinder waren da, um ihn zu hören. Und er hat ihnen nicht nur Gottes Wort gegeben, sondern auch zu essen. Mit fünf Broten und zwei Fischen hat er alle diese Menschen satt gemacht. Ich bin mir sicher, dass die Jünger jetzt, am Abend auf dem Boot, kein anderes Gesprächsthema kennen als dieses unerhörte Ereignis.
Lange allerdings können sie sich nicht darauf konzentrieren, denn es kommt ein heftiger Sturm auf. Mit nur wenigen Strichen zeichnet der Evangelist Matthäus die Szenerie: „Das Boot war schon weit vom Land entfernt und kam in Not durch die Wellen; denn der Wind stand ihm entgegen.“ (V. 24) Das Boot der Jünger ist in Seenot geraten. Der Wind und die Wellen bedrängen das kleine Schiff.

Während die Jünger um das Boot kämpfen, kommt plötzlich Jesus mitten im Sturm über das Wasser auf sie zugelaufen. Die Jünger erschrecken fürchterlich. Sie erkennen Jesus nicht, sie glauben, da kommt ein Gespenst. Nur Petrus, der erkennt Jesus. Und er spürt: Wenn Jesus kommt, dann ist Rettung da. Petrus muss nicht lange nachdenken darüber, was er zu tun hat. Er weiß, dass das Schiff, das mit dem Sturm kämpft, kein sicherer Ort mehr für ihn ist. Seine Rettung liegt nicht auf dem Schiff, sondern bei Jesus. Deswegen ruft Petrus Jesus zu: „Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser.“ Da streckt Jesus seine Hand aus und fordert ihn auf: „Komm.“ Und so verlässt Petrus das Boot und läuft los.

Das Vertrauen des Petrus ist hier beeindruckend. Er weiß, dass Jesus ihn aus dem Sturm retten wird. Deswegen denkt er zuerst einmal nicht lange nach, sondern geht auf Jesus zu, fixiert auf den Ort, an dem er geborgen sein wird. Die anderen Jünger dagegen bleiben auf dem Boot. Die Angst verstellt ihnen den Blick. Sie sehen nicht, dass da Jesus kommt, der gerade das Wunder vollbracht hat, 5.000 Menschen zu sättigen. Sie denken, es ist ein Gespenst – denn wie soll ein Mensch übers Wasser laufen? Und so wird ihre Angst noch größer. Nicht nur vor dem Sturm fürchten sie sich nun, sondern auch vor diesem vermeintlichen Gespenst.

Petrus aber lässt sich nicht ablenken. Er ist auf Jesus fixiert, von dem er weiß, dass er ihn retten wird. Er schaut nicht auf sich und seine Angst, und er schaut auch nicht auf den Sturm. Sein Blick hängt an Jesus.

Mit einem großartigen Bild beschreibt hier der Evangelist Matthäus, was Glaube ist. In den Stürmen des Lebens auf Gott vertrauen, das ist Glaube, sagt Matthäus. Wer an Gott glaubt, ist nicht gefeit davor, in turbulentes Fahrwasser zu kommen. Der Glaube an Gott ist keine Garantie für ein immer glückliches Leben, in dem alles gut läuft. Nein, Matthäus ist da ganz realistisch: Auch Christen haben in ihrem Leben mit Schwierigkeiten zu kämpfen, mit Krankheiten, mit Unglücksfällen, mit gebrochenen Beziehungen – jeder von uns kennt seine eigenen Lebensstürme. Die Bedenkenträger schauen da nur auf den Sturm und lassen sich von diesem Anblick gefangen nehmen. Dadurch verlieren sie ihre Handlungsfähigkeit. Der Glaube dagegen ist das Vertrauen darauf, dass wir von Gott durch diese turbulenten Zeiten geleitet werden. Der Glaube setzt seine Zuversicht darauf, dass Gott bei uns Menschen ist auch und gerade dann, wenn es schwierig wird. So entwickelt der Glaube seine ganze Kraft und führt Menschen über sich hinaus. Für Petrus heißt das, dass er auf einmal etwas machen kann, das er sich selbst nie zugetraut hätte: Er geht über das Wasser, weil er sich ganz auf Jesus konzentriert und die Rettung, die er dort finden wird.

Der Evangelist Matthäus hätte hier die Geschichte beenden können. Dann hätte sie ein Happy-End gehabt und Petrus wäre als unangefochtenes Vorbild im Glauben dagestanden. Doch die Erzählung geht weiter. Denn so einfach ist das eben nicht mit Glauben.

Petrus lässt sich schließlich doch ablenken. Er beginnt darüber nachzudenken, was er da eigentlich tut. Matthäus beschreibt das so: „Als Petrus aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken und schrie: Herr, hilf mir!“ (V. 30) Die Stimmen um ihn herum werden für Petrus zu laut. Der Sturm peitscht an sein Ohr, die Angst der anderen Jünger beeinflusst ihn, seine Vernunft raunt ihm zu, dass er da gerade etwas Unmögliches macht, das aus ihrer Erfahrung nicht gut gehen kann. Die Stimmen des Zweifels werden so laut, dass Petrus den Mut verliert, ganz auf Jesus zu vertrauen. Und da beginnt er zu sinken. Später wird Jesus zu ihm sagen: „Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“ (V. 31).

Die Antwort darauf lautet: Weil Glaube kaum mehr ist als Kleinglaube. Das erleben wir Menschen immer wieder. Der Glaube wagt sich im Vertrauen auf Gott an Großes, traut sich an etwas heran, was doch eigentlich über die eigene Kraft hinausgeht. Der Glaube ist mutig. Aber der Zweifel schleicht sich doch immer wieder ein und stellt den Glauben in Frage. Glaube ist eben kein Besitz, den ein Mensch ein für alle Mal hat. Sondern Glaube ist eine Mischung aus Gewissheit und Zweifel, Vertrauen und Angst, Hören auf Gott und Schauen auf den Sturm. Wir Menschen wollen oft glauben, doch können wir es nicht immer. Das ist die andere Seite des Glaubens, die der Evangelist Matthäus uns vor Augen führt.

Doch: Petrus geht nicht unter. Jesus lässt das nicht zu. Er hätte sich enttäuscht von Petrus abwenden können, als der es mit der Angst zu tun bekommt. Er hätte leicht sagen können: „Schade, Petrus, dass du nicht genug Vertrauen in mich hast. Na gut, wenn du meinst, dass ich dir nicht helfen kann, dann hilf dir eben selbst.“ Doch das tut Jesus nicht. Er lässt Petrus nicht versinken, sondern zieht ihn aus dem Wasser, bevor die Wellen über ihm zusammenschlagen. „Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn.“ (V. 31).

Das ist die wirklich frohe Botschaft der Erzählung vom Seewandel des Petrus: Dass Gott auch unseren kleinen Glauben trägt. Dass er sich nicht enttäuscht von uns abwendet, wenn wir nicht genug Vertrauen in ihn haben. Es gibt Zeiten, da fällt es uns leicht zu glauben. Da ist es für uns selbstverständlich, dass wir auf Jesus blicken. Aber es gibt eben auch Zeiten, in denen wir zaudern und in denen der Zweifel an uns nagt, ob Gott uns wirklich helfen kann. Wie gut ist es da zu wissen, dass Gott uns auch in diesen Zeiten nicht untergehen lässt. Dass er sich nicht zweifelnd und zaudernd von uns abwendet, sondern dass er an unserer Seite bleibt und immer wieder die Hand nach uns ausstreckt, damit wir nicht untergehen, auch wenn wir es nicht zu glauben wagen. Amen.