Präsentation des Sonderpostwertzeichens "Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche"

Grußwort

Begrüßung,

sie war der Dreh- und Angelpunkt für diejenigen, die in Berlin-West lebten: die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. In der Berliner Abendschau strahlte früher das Blau ihrer Waben jeden Abend in die Wohnzimmer und das angestrahlte goldene Turmkreuz ließ innere Wärme spüren. Der „hohle Zahn“ wie die Berliner zu der Ruine der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche sagten, prägt auch heute noch das Stadtbild. Von allen Seiten ist er zu sehen, und seit dem das Schimmelpfennig Haus abgerissen wurde, ergeben sich auf „KWG“ wie der protestantische Insider den kaiserlichen Namen zusammenzuziehen pflegt, wieder ganz neue Perspektiven. Diese gesellen sich zu den althergebrachten Sichtachsen jetzt dazu. Wer könnte schon am U-Bahnhof Wittenbergplatz aussteigen, ohne die Augen über den Tauentzien schweifen zu lassen, der am Horizont seinen Anfangs- bzw. gleichsam seinen Endpunkt an dem schlanken blauen Turm findet, der auf dem Breitscheidplatz steht, welcher von dort den Anstoß bekommt, zum Kurfürstendamm zu werden. Der Neubau nimmt gleichsam die Ruine in seine Mitte, umgibt sie von allen Seiten, und doch ist und bleibt sie dominant in Aussehen und Farbe. Als Berlinerinnen und Berliner haben wir uns an dieses Stück Kriegserinnerung gewöhnt. Die Ruine gehört genauso wie die Waben der neuen Kirche Eiermanns zum Markenzeichen dieser einzigartigen Kirche in Deutschland.

Doch was heißt das? Das heißt, dass selbst Ruinen zur Normalität werden können und diejenigen, die für ihr Zeugnis stehen, sich immer wieder fragen müssen, wie man diese Geschichte der Zerstörung Berlins und dieser Kirche den nachwachsenden Generationen erzählt. Aber dieser Teil der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche ist älter als 50 Jahre und damit eigentlich nicht unmittelbarer Bestandteil der Würdigung des heutigen Tages - und doch gehört er zum Ensemble dazu. Und wenn diese Ruine endlich wieder von ihrer schrecklich hellen - massiv wirkenden aber sicherlich nötigen - Ummantelung befreit wird, haben wir unsere Kirchenruine wieder, die jetzt so sehr im Stadtbild fehlt.

Wie eh und je tobt der Verkehr um diese Kirche. Von allen Seiten saust und braust es. Autos im stop and go, Linienbusse in ungewohnter Vitesse durch Busspur bevorzugt, Menschenmassen, die sich auf dem Trottoir des Boulevards entlangschieben. Wer diesem alltäglichen Irrsinn entkommen will, der kann, ja: der muss die Flucht in den achteckigen Eiermannbau antreten. Die Kirche steht als Rettungsstation der von der Großstadt gestressten Seelen bereit, ohne Entgelt diese aufzunehmen und in ihrem Inneren zu bergen. Wer diese Kirche betritt, verlässt für die Zeit, die er sich selbst und seiner Seele gönnt, das Hamsterrad des Sammelns und Jagens und wird gleichsam auf sich und seine Existenz zurückgeworfen. Er taucht ein in die göttliche Ruhe, in eine Vorschattung des Ewigen über der Jesus Christus als der Gekreuzigte schwebt. Seine Arme umfassen jeden. Er nimmt keinen aus. Wie genial, wie einzigartig präsentiert er sich zu all dem anderen, was ihn umgibt. Kein Wunder, dass hier niemand laut sein will, kein Wunder, dass hier die Kerzen für andere brennen. Kein Wunder, dass hier die Töne die Seele berühren und die biblischen Worte Eingang in die Herzen der Menschen finden. Wenn auch heute in Berlin scheinbar der Berliner Dom den ersten Platz unter Berlins Kirchen einnimmt, so ist und bleibt diese Kirche für sehr viele Berlinerinnen und Berliner ein entscheidender Teil der Seele Berlins. Hier wurde und wird gelacht und geweint. In keiner anderen Kirche Berlins haben sich so viele Prominente einen evangelischen Trauergottesdienst gewünscht wie in Kaiser Wilhelm, gleichsam als beginne mit dieser bergenden Kirche die Fahrt in das himmlische Jerusalem.

Sehen Sie es mir als einem geborenen Berliner nach, wenn ich so über die mir ans Herz gewachsene KWG schwärme.

Jedoch, weit über die Grenzen Berlins hinaus hat dieses Ensemble von alter und neuer Kirche auch für den gesamten Protestantismus in Deutschland große Bedeutung. Dass der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland dem Bundesministerium der Finanzen die Herausgabe eines Sonderpostwertzeichens für die KWG empfohlen hat, unterstreicht dies.

Sie gehört mit zu den bedeutendsten Gotteshäusern im Bereich der EKD, nicht zuletzt auch deshalb, weil sie uns in ihrer eigenen und besonderen Weise an unsere Geschichte, an Krieg, Zerstörung, Wiederaufbau und Hoffnung erinnert.

Auf einen besonderen Schatz dieser Kirche möchte ich abschließend hinweisen. Seit 1987 ist die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche Nagelkreuzzentrum. Das Nagelkreuz von Conventry, das wir hier in der Kirche finden, trägt die Botschaft der völkerweiten Versöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg in die Welt.

Die Geschichte des Nagelkreuzgedankens begann im November 1940 mit der deutschen Bombardierung Coventrys und der Zerstörung der dortigen Kathedrale. Bei den Aufräumarbeiten der Kirchentrümmer wurden drei große mittelalterliche Zimmermannsnägel aus dem Dachstuhl zu einem Kreuz zusammengesetzt. Weltweit haben sich viele Glaubensgemeinschaften in dieser Nagelkreuzgemeinschaft zusammengeschlossen, um damit ihre Friedens- und Versöhnungsarbeit zu stärken. Als äußeres Zeichen der Verbundenheit erhält jedes Nagelkreuzzentrum ein Kreuz aus drei Nägeln von Coventry, das dem Original nachgebildet ist.

Dieser Schatz ist in diesem Gotteshaus zu finden, und darüber hinaus und vor allem wird jeden Freitag um 12.00 Uhr zum Versöhnungsgebet von Coventry eingeladen, das mit den Worten endet: „VATER, VERGIB! Den Hochmut, der uns verleitet, auf uns selbst zu vertrauen und nicht auf Gott: Vater, Vergib! `Seid untereinander freundlich, herzlich und vergebt einer dem anderen, gleichwie Gott Euch vergeben hat in Christus (Eph. 4,32). AMEN.“

Es gibt also genug Gründe, warum uns als EKD die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche ans Herz gewachsen ist. Deshalb überbringe ich mit großer Freude auch Grüße des Ratsvorsitzenden, Präses Schneider, und des gesamten Rates der EKD.

Dem Sonderpostwertzeichen als Botschafter vom Herzen Berlins eine gute Reise rund um die Welt und der Gemeinde der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche unsere herzlichen Glückwünsche zum Sonderpostwertzeichen und für ihren Dienst im Zeichen des Friedens und Versöhnung Gottes Segen.

Ich danke Ihnen.