Predigt anlässlich der Einweihungsfeier der Hauptstadtrepräsentanz des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter

Anrede,

wenn es gilt, neue Räume zu betreten, große Räume wie der politische Betrieb in Berlin einer ist, dann gehört viel dazu. Sie alle wissen, wie es sich anfühlt, als relativ kleine Dienststelle neu anfangen zu dürfen aber auch zu müssen auf großem, weitgehend unbekanntem Terrain. An dieser Stelle, in diesem heute vielleicht noch undurchschaubaren Betrieb werden Sie von nun an die Interessen Ihres Verbandes vertreten. Da kann dem einen oder der anderen schon mal verzagt ums Herz werden. Aber es gibt ein Wort, das Gott uns gesagt hat, und an das zu erinnern in solchen Situationen hilfreich ist:

„Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ (2. Tim 1,7)

Schauen wir uns diesen Trostspruch einmal in aller Ruhe an. Dort steht zunächst: Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht.
Verzagtheit ist keine Gnadengabe Gottes. Gott entflammt uns. Er möchte, dass diese Flammen das Leben der Menschen erhellen und erwärmen. Das Evangelium funzelt nicht vor sich her. Jeder, der mit Gottes Wort in Berührung kommt, weiß, dass er Freiheit gewonnen hat. Freiheit aufzutreten, zu sprechen, hinauszugehen und niederzureißen, was ihn und andere klein macht.

Die Furcht hingegen lässt kaum Wege finden. Sie lässt nur kurze Schritte zu, lässt uns nur durch angstvolles Tasten vorankommen und bringt uns schnell aus dem Gleichgewicht. Der Geist der Feigheit, der Geist der Furcht ist uns nicht von Gott gegeben. Vielmehr gilt: Was dich einengt, das kommt aus dir selbst. Und so ist der Ruf: „Fürchte dich nicht“, die christliche Hymne schlechthin. Dieser Ruf ist nötig, weil er lebensspendend und hoffnungstragend ist. Er ist nötig, weil er sich gegen die allzu berechtigten Gefühle und die ängstliche Vernunft, all die Unsicherheiten und Unabwägbarkeiten zur Wehr setzt, die aus uns herausströmen, ob wir es nun wollen oder nicht. Er ist nötig, weil er das göttliche Ja zu uns immer wieder als Fermate gegen unsere aufgeregte Orchestrierung einsetzt.

Nein, Gott hat uns nicht den Geist der Furcht gegeben. Von ihm kommt anderes und dieser guten Dinge sind drei. Er gibt uns den Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit

Der Geist der Kraft lässt uns gemeinsam um einen guten Weg ringen. Diese Kraft brauchen wir, wenn wir etwas Gutes erkennen und zustande bringen wollen. Der Geist der Kraft braucht viele Trägerinnen und Träger im gesellschaftlichen Leben. Es ist eine Kraft, die dem Anderen nicht schadet, ihn nicht niederringt, sondern im Blick behält und als Gegenüber braucht und befragt. Ein solcher Geist sprengt die engen Grenzen der Furcht. Er macht die Räume weit und schenkt neue, unverkrampfte Ideen.

Dann ist da der Geist der Liebe. Wer denkt da nicht gleich an das Hohelied des Paulus im 13. Kapitel des Korintherbriefes? Auf Hochzeiten wird es ständig gelesen. Paulus aber hält die Liebe nicht für eine „rosarote Gefühlsregung“. Er sieht in ihr eine akzeptierende, eine wertschätzende und anerkennende Haltung. Die Liebe denkt positiv, sie verhält sich konstruktiv. Ohne Liebe ist alles nichts. Sie verhält sich angemessen und bewahrt diejenige Haltung, die mir die Furcht kurz zuvor gerade noch rauben wollte. Die Liebe fällt nicht aus der Rolle. Die Liebe legt dem Leben und allen Dingen gegenüber eine eigene, feste und geklärte Haltung an den Tag. Sie arbeitet nicht mit Maßeinheiten. Sie rechnet nicht zu und nicht ab. Wer diese nüchterne Liebe übt, betritt einen Raum, in dem Offenheit und Vertrauen miteinander in Frieden leben. Eine solche Liebe bekommt keine weichen Knie, sie hat Bestand, denn Furcht ist nicht in der Liebe.
Schließlich die Besonnenheit – eine Kardinaltugend im alten Griechenland und eine Grundeinstellung, die das rechte Maß zu halten weiß. Bescheidung und Begrenzung charakterisieren sie. Aber diese Beschränkung ist nicht aus Furcht erzwungen, sondern eine aus Kraft und Liebe gewonnene politische Haltung. Besonnen verhält sich, wer in schwierigen Situationen mit Umsicht handelt. Begierde nach größtmöglichem Ansehen, oder Kalkül zur Wahrung der eigenen Interessen sind für den Geist der Besonnenheit vielleicht nicht immer die am meisten geeigneten Berater.

Verehrte Anwesende,

„Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ – dieser Trostspruch wurde vielfach weiter gesagt, abgeschrieben, in den Kanon der Bibel aufgenommen, unzählige Male vorgelesen, in Versen zu Taufen und Konfirmationen, zu Trauungen und Beerdigungen, zu Predigten und als ganz privater Trost gelesen. Denn er wirkt. Er hat seine Gültigkeit längst bewiesen.

Somit können wir darauf vertrauen: Gott will erkennbar in unseren beruflichen und privaten Zusammenhängen wirken. Dass wir in uns die Gott gegebenen Ressourcen heben, der Angst entgegenzustehen, die Furcht zu besiegen und uns unseres Glaubens nicht zu schämen.

Amen