Passionsandacht im Konrad-Adenauer-Haus
Psalm 43
Liebe Hausgemeinde,
„Judica me, deus“ – „Schaffe mir Recht, Gott!“. Mit diesem Hilferuf wendet sich der Psalmbeter verzweifelt an Gott. Die ganze Welt hat sich gegen ihn verschworen.
Die verachtenden Worte sowie die Falschheit der Menschen, die ihn umgeben, machen ihm zu schaffen. Keiner seiner Schritte bleibt von Missgunst verschont. Beklemmung und Angst keimen in ihm hoch. Das Entsetzen in seinen Augen und der Schweiß auf seiner Stirn zeigen seine Not. Er steht förmlich mit dem Rücken zur Wand. Niemand ist da, der zu ihm hält. So behandelt zu werden ist bitter. Vor allem, wenn es um mich selbst geht.
Sich ungerecht behandelt zu fühlen, das kennen wir alle. Wir finden es ungerecht, wenn wir abgelehnt werden, ohne uns einer Schuld bewusst zu sein. Ist es der Ruf, der einem vorauseilt, der genau festlegt wie man sei, ist es die eigene politische oder religiöse Überzeugung? Liegt es an dem Trikot, das man am Samstag trägt?
Für die eigenen Überzeugungen kann man nicht nur abfällige Blicke ernten, manchmal muss man auch Ungerechtigkeiten erdulden. Wer Positionen einnimmt, die nur wenige teilen, steht unter Druck. Das ist das Leben, auch und gerade in der Politik.
Und manchmal verletzen uns vielleicht sogar genau die Leute, die uns eigentlich Unterstützung zugesagt haben. Plötzlich werden Handlungsspielräume geringer und die Umwelt hat uns im Griff. Enge und Bedrückung lässt kaum Platz zum Atmen.
Geschieht dies in beruflichen Zusammenhängen ist Professionalität gefordert. Emotionale Äußerungen gelten als Schwäche. Wir tun also so, als würden wir die Ablehnung nicht wahrnehmen, geben den oder die Selbstbewusste, bewahren die Fassung.
Aber was passiert wirklich mit uns?
Wie gehen wir eigentlich persönlich, tief in unserem Innern, damit um?
Ist es vielleicht nur eine Täuschung, der wir aufliegen, wenn wir glauben, dass wir Anfeindungen ignorieren und einfach so wegstecken müssen?
Andererseits gelingt uns genau das manchmal überhaupt nicht. Wie oft passiert es, dass im Gegenteil unsere Emotionen die Oberhand gewinnen. Dass wir keinen kühlen Kopf bewahren, sondern uns von unseren Gefühlen überwältigen lassen. Ja, es passiert: Wir schreien zurück. Unsere Wut hat uns im Griff, mit hochrotem Kopf und rachevollen Gedanken poltern wir los.
Der Umgang des Beters mit den Anfeindungen, die er erlebt, spricht jedoch eine andere Sprache: In seiner Not sieht er keinen Ausweg, den er selbst ansteuern könnte. Obwohl er sich von Gott verstoßen fühlt, wendet er sich an ihn. Bei Gott, so hofft er, wird sich sein Unrecht in Recht verwandeln. Er weiß: Ihm bleibt nichts außer seinem Gottvertrauen.
Es wäre verständlich, wenn unser Beter bei all den Anfeindungen, unter denen er leidet, auf Vergeltung sinnen würde. Wir wissen es selbst: Rache ist süß – zumindest vordergründig.
Rache ist für den Psalmbeter jedoch keine Option. Er bittet um das Licht und die Wahrheit Gottes. Sie sollen ihn leiten und weiterbringen. Sie sollen ihm Weggefährten sein hin zu dem Ort, an dem er Gott begegnen kann, raus aus der gefühlten Gottverlassenheit. Nicht seine Bauchgefühle, nicht die Gefühle der Verletzung, nicht die aufkeimende Wut sollen ihn beherrschen. Das ist der Inhalt seines Gebetes!
Wie der Beter im Psalm befinden auch wir uns auf einem Weg hin zu Gott. In unserer Vorbereitung auf Ostern machen wir uns immer wieder bewusst: Durch das Kreuz sind Licht und Wahrheit in Jesus Christus für uns Realität geworden.
Das Licht Christi, das wir in der Osterkerze symbolisch wiederfinden, begleitet uns auf unserem Weg. Es erleuchtet auch die Bereiche in uns, die dunkel sind. Auch unser persönlicher Umgang mit erfahrenem Unrecht in unserem Leben wird dadurch vor uns und Gott offenbar.
Auf dem Weg auf Ostern zu, ist mein Blick ganz auf Christus gerichtet. Durch ihn erkenne ich, dass Licht und Wahrheit mir den Blick weiten. Durch mein Gottvertrauen wird mein Gesicht gewahrt. Gott lässt mich nicht gesichtslos werden. Nicht vor ihm und nicht vor mir selber. Deswegen kann ich erkennen: Wenn ich den kalten Wind der Ablehnung, der mir entgegen bläst, nicht so leicht wegstecken kann, bin ich deswegen nicht gescheitert, denn Gott ist da, der meine Ohnmacht hört. Bei ihm hat meine Klage ihren Platz. Hier darf meine Wut ihren Ruheplatz finden. Hier darf ich einfach sein. Emotional, direkt, aufschäumend und frustriert, klagend, das Unrecht herausschreiend. Er erkennt mich an –trotz und alledem.
Durch ihn wird meine Person ins rechte Licht gerückt. Mir ist zugesagt: Trotz der Ungerechtigkeit, die ich erlebt habe, bin ich richtig vor Gott.
Durch die Rechtfertigung allein aus Glauben bin ich gut in den Augen Gottes. Habe ich meine Unrechtserfahrungen vor mir und Gott ins reine gebracht, kann ich gestärkt in die Zukunft blicken.
Der Psalmbeter macht es uns vor: Er nimmt das Unrecht, das ihm angetan wird, wahr, aber diese Erfahrung rückt in den Hintergrund. Durch seine Reflektion und seine Bitte um die Hilfe Gottes in Licht und Wahrheit gelingt es ihm, Hoffnung zu gewinnen und sich einem Perspektivwechsel zu unterziehen.
Und so betet er das, was auch uns immer wieder gut tut bei all den Belastungen, die wir im Alltag erfahren: „Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.“
Amen.