Wenn die alte Welt verlernt wird

Umgang mit Demenz als gemeinsame Aufgabe, EKD-Text 120, Hrg. EKD und Diakonie Deutschland, Februar 2014, ISBN 978-3-87843-031-5

6 Aufgaben für die Zukunft Kopie von Vorwort

6.1 Gesellschaftliche Aufgaben

Wer sich mit dem Thema Demenz beschäftigt, bemerkt schnell, dass sich Fragen auf ganz unterschiedlichen Ebenen stellen. Durch das Phänomen Demenz werden wir in vielfältiger Weise herausgefordert, uns mit Fragen der Zukunft, Fragen der Gerechtigkeit und Fragen des guten Lebens zu beschäftigen. Insbesondere folgende Themenaspekte sind der evangelischen Kirche wichtig:

Demenz ist eine Frage der Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft und der Gerechtigkeit zwischen den Generationen.

Für das Jahr 2050 wird mit über 2 Millionen demenzkranker Menschen allein in Deutschland gerechnet. Dies ist eine eminente Herausforderung für die Gesundheits- und Sozialpolitik in unserem Land sowie für unsere ganze Gesellschaft. Der zunehmende Pflegebedarf dementiell erkrankter Menschen konkurriert mit den Anforderungen eines zunehmend verdichteten Arbeitsalltag. Wie diese Herausforderung gemeistert werden kann, ohne die jüngeren Generationen über Gebühr zu belasten, ist eine noch offene Frage, die entschlossen angegangen werden muss.

Demenz ist eine Frage der Geschlechtergerechtigkeit.

Das Leben von Frauen wird durch die Krankheit Demenz bedeutend häufiger verändert als das Leben von Männern. Frauen übernehmen einen Großteil der häuslichen und professionellen Pflege (ca. 75%). Und: Sie erkranken aufgrund ihres längeren Lebensalters häufiger selbst an Demenz. Frauen stehen heute unter einem dreifachen Imperativ: Sie sollen erwerbstätig sein, (mehr) Kinder bekommen und großziehen und den zunehmenden Pflegebedarf decken. Dieses Ungleichgewicht im Geschlechterverhältnis lässt sich langfristig nur durch politische Weichenstellungen beseitigen: durch geeignete Maßnahmen zu einer neuen Kultur selbstverständlicher Vereinbarkeit von Pflege und Beruf gleichermaßen für Männer und Frauen sowie durch größere Wertschätzung und gute Beschäftigungsbedingungen für Menschen in Pflegeberufen, die diese auch für Männer interessanter machen. Es muss zu denken geben, dass eine hohe Nachfrage nach Fachkräften in den Pflegeberufen nicht unbedingt zu besseren Arbeitsbedingungen führt, sondern den Ruf nach vermeintlich kostengünstigeren Fachkräften aus Osteuropa und neuerdings auch aus Asien weckt.

Demenz ist nicht nur ein nationales Problem, sondern eine Herausforderung für das Miteinander in Europa und im weltweiten Kontext, also eine Frage der Gerechtigkeit zwischen reichen und armen Ländern.

Manche Familien versuchen die Lebenssituation ihre Angehörigen durch die Beschäftigung von Haushaltshilfen als osteuropäischen Ländern,zu verbessern deren Arbeitsverhältnisse rechtlich und menschlich problematisch sind und eine enorme Belastung für die osteuropäischen Frauen bedeuten. Oft werden sie durch Agenturen in prekäre Arbeitsverhältnisse vermittelt. Trotzdem werden osteuropäische Haushaltshilfe beschäftigt, weil viele betroffene Familien keinen andere Möglichkeit sehen einen Umzug in eine stationäre Pflegeinrichtung zu vermeiden und den vertrauten Lebensraum zu erhalten. Andere Familien suchen auch eine Betreuungslösung in der Slowakei oder in Thailand, was wiederum andere Probleme mit sich bringt. Hier muss nach bezahlbaren Alternativen gesucht werden, die ohne strukturelle Ausbeutung von Arbeitskräften aus dem Ausland funktionieren und die rechtstreue Bürgerinnen und Bürger nicht zu halblegalen Lösungen ihres Betreuungsproblems greifen lassen. Auch die ärmeren Länder werden durch die Krankheit Demenz vor zunehmende Probleme gestellt.

Demenz ist eine Frage an die Menschlichkeit, sowohl was den Umgang mit dementiell erkrankten Menschen als auch was unser Selbstverständnis als Menschen angeht.

Die geistige Leistungsfähigkeit sowie die Möglichkeit zur Selbstbestimmung sind wesentliche Merkmale des Menschseins, die uns zu Recht mit dem Gefühl von Würde und Stolz erfüllen. Die Krankheit Demenz konfrontiert uns aber mit dem zunehmenden Verlust dieser Fähigkeiten und stellt uns vor die Frage, was von einem Menschen bleibt, wenn er nicht mehr klar denken und entscheiden kann, und warum dementiell erkrankten Menschen trotzdem eine menschenwürdige Behandlung zusteht. Dadurch werden grundsätzliche Fragen nach dem Verhältnis von Personalität und Bewusstsein sowie von Abhängigkeit und Selbstbestimmung aufgeworfen. Auf diese Fragen hat die evangelische Anthropologie Antworten, die wichtige Impulse für das Verständnis des Phänomens Demenz geben können und die sozialpolitische Konsequenzen haben.

Demenz ist aufgrund ihrer weiten Verbreitung für jeden Menschen eine Frage der individuellen Lebensgestaltung und Lebensplanung.

In der Debatte um das Thema Demenz hört man immer wieder die beunruhigende Aussage, dass jeder Mensch an Demenz erkranken wird, wenn er nur lange genug lebt. Auch wenn diese Aussage die Problemlage nicht richtig darstellt, macht sie doch deutlich, dass sich niemand sicher sein kann, nicht an Demenz zu erkranken. Jeder Mensch muss seinen eigenen Weg finden, mit dieser Verunsicherung umzugehen. Dabei können der christliche Glaube und eine christlich fundierte Lebenshaltung bzw. Lebenspraxis sehr hilfreich sein.

Das gemeinsame Leben mit dementiell erkrankten Menschen zu gestalten ist eine gesellschaftliche Aufgabe.

Noch immer ist die Demenz für die Betroffenen und ihre Angehörigen mit dem Erleben von Scham verbunden. Damit diese Krankheit besser bewältigt werden kann, muss der Prozess der Enttabuisierung der Erkrankung Demenz weitergehen. Nicht nur Angehörige, sondern auch Verkäufer, Bankangestellte, Ärztinnen, Schaffnerinnen, Angestellte im Öffentlichen Dienst sollten Regeln für den respektvollen Umgang mit demenzkranken Menschen kennen. Schon Kindern müsste vermittelt werden, »dass das Altwerden und Auf-die-Hilfe-angewiesen-Sein zum Leben gehört wie das Jungsein und das Unabhängigsein« [60].

6.2 Politische Aufgaben

Die evangelische Kirche hat sich schon mehrfach mit Stellungnahmen aus dem Bereich der EKD [61] und aus dem Bereich der Diakonie [62] zu den sozialpolitischen Maßnahmen geäußert, die sie zur Verbesserung der Pflege für notwendig erachtet. Im Hinblick auf die Situation von Menschen mit Demenz sind dies insbesondere folgende Punkte:

Familien stärken

Angesichts der Tatsache, dass die meisten Menschen mit Demenz über große Zeiträume hinweg in ihren Familien betreut und versorgt werden, sind die Familien als »Orte verlässlicher Sorge« [63] zu stärken. Diese Stärkung kann erreicht werden durch eine gute wohnortnahe Pflegeinfrastruktur mit bedarfsgerechten entlastenden Angeboten, Angebote zum gegenseitigen Austausch pflegender Angehöriger in Gesprächsgruppen, Fortbildungsangebote für pflegende Angehörige, Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Pflege und Beruf für Männer und Frauen (das Familienpflegezeitgesetz reicht noch nicht), Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen für pflegende Angehörige durch die Krankenkassen, finanzielle Unterstützung und die Übernahme von Rentenversicherungsbeiträgen für Angehörige, die einen Menschen mit dementieller Erkrankung pflegen.

Pflegebedürftigkeit neu definieren

Der durch das Pflege-Neuausrichtungsgesetz beschrittene Weg der Besserstellung von dementiell erkrankten Menschen ist fortzusetzen und in den verschiedenen Bundesländern einheitlich umzusetzen. Es wäre wünschenswert, wenn derzeit noch bestehende Unklarheiten im Hinblick auf den Begriff der Pflegebedürftigkeit, die auch Konsequenzen für die Abrechnung von Pflegemaßnahmen haben, durch eine baldige grundlegende Reform des Pflegebedürftigkeitsbegriffs beseitigt würden. Ein Begriff von Pflegebedürftigkeit, der gerontopsychiatrische und palliativpflegerische Hilfebedarfe vernachlässigt, wird den Bedürfnissen von Menschen mit Demenz nicht gerecht. Diese Anforderungen stellen sich auch in Bezug auf die Finanzierung der stationären und ambulanten Pflege: auch hier dürfen nicht nur körperlich-pflegerische Verrichtungen, vielmehr müssen auch Zeiten für einfühlende Zuwendung, die gerade bei Menschen mit Demenz für alle Pflegetätigkeiten unabdingbar sind, dem realen Bedarf entsprechend abgerechnet werden können.

Qualität der Pflege sichern

Es ist eine gesundheitspolitische Aufgabe, die Qualität der Pflege zu sichern. Die Qualität der Pflege und die Lebensqualität der pflegebedürftigen Menschen hängen unmittelbar zusammen. Eine besondere Herausforderung besteht darin, dass die Pflege eine eigene Professionalität aufweist. In der gegenwärtigen Politik finden wir ein widersprüchliches Schwanken zwischen Professionalisierungs- und Deprofessionalisierungstendenzen. Neben regulär beschäftigten Fachkräften findet sich in erheblichem Maße gering bezahlte, informelle Beschäftigung von osteuropäischen Haushaltshilfen. Es kommt aber darauf an, gute Pflege «Hand in Hand« in einem vielseitigen Kooperationszusammenhang von professioneller und nicht beruflich Pflegenden regulär zu organisieren und durchzuführen. Dazu bedarf es besonders für osteuropäischer Haushaltshilfen der Durchsetzung guter Beschäftigungsformen mit üblichen Standards, die nicht gegen hierzulande geltendes Arbeits- und Sozialrecht verstoßen und ihrer Einbindung in die Unterstützungsnetzwerke.

Alternative Wohnformen fördern

Die Förderung von ambulanten Wohngruppen durch das Pflege-Neuausrich tungs-Gesetz ist ein wichtiger Beitrag zur Selbstbestimmung und Wahlfreiheit von Menschen mit Demenz im Hinblick auf mögliche Wohnformen. Solche alternativen Wohnformen sollten nach und nach flächendeckend ausgebaut werden und für jeden Menschen bezahlbar sein.

Teilhabe stärken

Die Zielvorgabe für die Betreuung und die Pflege dementiell erkrankter Menschen muss, ähnlich wie in der Behindertenhilfe, deren Inklusion in das gemeinsame Leben sein. Gesellschaftliche Teilhabe ist ein Recht von Menschen mit Demenz und grundlegend für ihre Lebensqualität. Dies macht zum einen bewusstseinsbildende Maßnahmen erforderlich, die der Stigmatisierung von Menschen mit Demenz entgegen wirken, und zum anderen Veränderungen in der Ausbildung von Pflegekräften und Betreuungspersonen sowie in der Ausgestaltung der Pflegeversicherung.

Bildung: Für Pflege qualifizieren

Dementielle Erkrankungen werden als gesellschaftliche Herausforderung und Bedrohung zugleich erlebt. Neben der Informationsvermittlung sollte diese Ambivalenz von den verschiedenen Fortbildungsträgern im Schulbildungs-, Erwachsenenbildungs- und Gesundheitswesen in die Aus-, Fort- und Weiterbildungen aufgenommen werden. Hier ist insbesondere darauf hinzuwirken, geeignete Informations- und Partizipationsformate über den Umgang mit dementiellen Erkrankungen zu entwickeln, die Bürgern und Bürgerinnen Informationen vermitteln und Mitwirkungsmöglichkeiten bieten. Dieser Bedarf wird sich noch verstärken, sollten präklinische Diagnostikverfahren (breiten) Eingang in die Routinediagnostik erhalten. Es sollten zudem grundsätzliche Überlegungen zur Qualifizierung wie zur Kontrolle der hauptamtlichen rechtlichen Betreuer und Betreuerinnen angestellt werden, um den Schutz und die Rechte der an Demenz erkrankten Menschen dauerhaft zu gewährleisten.

Forschung intensivieren

Es besteht erheblicher Forschungsbedarf auf verschiedenen Ebenen (diagnostisch, therapeutisch, pflegerisch, ethisch und zu Versorgungsangeboten und -konzepten). Die Kenntnisse über dementielle Erkrankungen, deren Präventionsmöglichkeiten, geeignete diagnostische und therapeutische Verfahren sind trotz großer Forschungsanstrengungen in den letzten Jahren bisher äußerst lückenhaft. Sollten zukünftig Medikamente für den präklinischen Zeitraum zugelassen werden, stellen sich Fragen, ab wann eine Therapie begonnen werden soll und wie die Finanzierung sichergestellt wird. Für die unterschiedlichen Forschungsvorhaben müssen finanzielle Mittel bereitgestellt werden und entsprechende Vorhaben unterstützt werden.

Vor Diskriminierung schützen

Es sind gesetzliche Regelungen zu überprüfen und ggf. neu zu erarbeiten, um an Demenz Erkrankte wie auch diejenigen, bei denen ein erhöhtes Risiko für Demenz nachgewiesen wurde, vor Diskriminierung am Arbeitsplatz wie bei Versicherungsabschlüssen zu schützen und ihre Selbständigkeit soweit möglich zu erhalten. Hier sind Gesundheits- und Sozialwesen zu übergreifender interdisziplinärer Zusammenarbeit aufgerufen.

6.3 Aufgaben für die evangelische Kirche

Evangelische Theologie und Kirchen sollten ihrem Verständnis von Menschsein und von Menschenwürde in der öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Demenz ausreichend Gehör verschaffen, weil es wichtige Impulse für den respektvollen Umgang mit dementiell erkrankten Menschen gibt und dazu beitragen kann, einen konstruktiven Umgang mit der Angst vor Demenz zu finden.

Seelsorge und Gottesdienst auf demenzkranke Menschen ausrichten

Demenz sollte nicht nur ein Thema bei der Ausbildung von Fachkräften in der Diakonie sein, sondern auch bei der Ausbildung von Pfarrern und Pfarrerinnen. Die Seelsorgeausbildung hat sich inzwischen den spirituellen und geistlichen Bedürfnissen von Menschen mit Demenz verstärkt geöffnet. Auch die gottesdienstlichen Formen und ihre Sprache sind daraufhin zu überprüfen, ob sie Menschen mit Demenz im Blick haben und ihre Beteiligung ermöglichen. Die vielen gelungenen Beispiele des Zusammenlebens in den Gemeinden müssen breiter kommuniziert und zum Gegenstand von Pfarrerfortbildungen gemacht werden.

Gemeindediakonie stärken

Gerade wegen ihrer lokalen und regionalen Verankerung sind die Kirchengemeinden Orte, an denen neue Wege im Umgang mit demenzerkrankten Menschen begangen werden können. Die jüngsten Überlegungen zur Gestaltung lokaler Sozialräume und zur Quartiersentwicklung ermutigen die Gemeinden, lokale Partnerschaften zu bilden und vernetzte diakonische Angebote zu entwickeln. Kirchengemeinden brauchen Konzepte und Ideen, die ihnen Wege aufzeigen, wie das Zusammenleben mit dementiell erkrankten Menschen verbessert werden kann. Die Zunahme der Zahl von Menschen mit Demenz inmitten der Gemeinden ist nicht nur eine Herausforderung für deren Angehörige, sondern auch eine gemeindediakonische Aufgabe. Pflegende Angehörige brauchen mehr Entlastung und Unterstützung. Diese beginnt beim Wecken von Verständnis für die an Demenz erkranken Menschen bei Jung und Alt, benötigt Schulung im Umgang mit dementiell Erkrankten bei allen kirchlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sowie bei Personen mit Aufgaben im öffentlichen Leben (Verkäufern und Verkäuferinnen, Bankangestellten, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Behörden etc.) und sollte ihren Ausdruck auch in organisierten Formen des ehrenamtlichen Engagements bei der Betreuung von Demenzkranken finden.

Lebensfreude entdecken

Um der Komplexität des Themas Demenz zu entsprechen, sollte die Kirche nicht nur die Belastungen und Herausforderungen dieser Krankheit betonen, sondern auch öffentlich von Momenten gemeinsamer Lebensfreude sprechen, von gelungenem Geben und Nehmen im Zusammenleben mit dementiell erkrankten Menschen und von der geistlichen Dimension des Helfens und Hilfe-Annehmens. In kirchlichen Institutionen ist darauf zu achten, dass dementiell erkrankte Menschen nicht nur organisatorisch als Hilfeempfänger in den Blick kommen, sondern auch als Menschen, die etwas zu geben haben.

Innovative Projekte fördern

Die Senioren- und Pflegeeinrichtungen sowie die Sozialstationen der Diakonie sollten in die Lages versetzt werden ihre Angebote für demenzkranke Menschen erweitern. Insbesondere in den frühen Phasen der Demenz fehlt es an geeigneten unterstützenden Maßnahmen. In den stationären Pflegeinrichtungen sind die Angebote einer betreuten Tagesstruktur noch immer unzureichend, auch wenn der Gesetzgeber das Angebot der sozialen Betreuung erweitert hat. Die Kirche muss den zuständigen Politikern immer wieder mitteilen, was aus ihrer Sicht und aufgrund ihrer Erfahrungen nötig ist, um die Qualität der ambulanten und stationären Pflege zu sichern und zu verbessern. Aber sie muss engagiert innovative Projektideen entwickeln und erproben. Nur wenn die Kirche im Umgang mit dementiell Erkrankten mit guten Beispielen vorangeht, hat ihre Stimme in der Politik Gewicht. Dasselbe gilt natürlich für den Umgang mit den Pflegekräften, die im Bereich der Diakonie arbeiten.

6.4 Schlusswort

Die Krankheit Demenz stellt die Betroffenen und ihr soziales Umfeld vor große Aufgaben und Probleme. Nicht selten sind einzelne Menschen mit der Pflege eines demenzkranken Menschen derart überfordert, dass es zu schrecklichen Missbrauchsfällen kommt, die dann auch durch die Medien gehen und uns aufrütteln. Aber auch manche Pflegeeinrichtung und Krankenhausstation arbeitet am Limit und kann ihre demenzkranken Patienten nicht so versorgen, wie es wünschenswert wäre. Viele Beschäftigte der Heilberufe leisten am Rande ihrer persönlichen Belastungsfähigkeit Großes für die ihnen anvertrauten Menschen. Dieser Einsatz ist mit hohem Respekt zu würdigen. Demenz ist eine große gesellschaftspolitische Aufgabe. Sie erfordert kreative Ideen und Engagement, vom Gesetzgeber genauso wie von den Kirchen, von professionellen Helfern und Helferinnen genauso wie von ehrenamtlich engagierten Menschen, von Bildungseinrichtungen genauso wie von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern. Einige gesetzliche Veränderungen weisen bereits in die richtige Richtung, sie müssen aber hinsichtlich der Demenz noch präzisiert und vor allem umgesetzt werden. Das Ziel aller gemeinsamen Anstrengungen kann ähnlich wie bei der Aufgabe der Inklusion von Menschen mit Behinderungen nur sein: so viel Hilfe wie nötig, so viel Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben wie möglich. Diesem Ziel haben auch die Kirchen mit ihrem Reden und Handeln zu dienen. Je näher wir diesem Ziel kommen, desto reicher wird unser gemeinsames Leben.

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