Gemeinsame Stellungnahme des Bevollmächtigten des Rates der EKD und des Kommissariats der deutschen Bischöfe

zum Diskussionsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes

 

Gemeinsame Stellungnahme

des Kommissariats der deutschen Bischöfe

– Katholisches Büro in Berlin – und

des Bevollmächtigten des Rates der EKD

bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union

         

zum Diskussionsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes (Stand: 24. Juni 2020)

 

Die Kirchen halten den vorgelegten Diskussionsentwurf grundsätzlich für geeignet, bei der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/790 über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt den berechtigten Belangen der unterschiedlichen Akteure angemessen Rechnung zu tragen.

Auf folgende kirchliche Anliegen möchten wir aber zum jetzigen Zeitpunkt ausdrücklich hinweisen und um Berücksichtigung im weiteren Gesetzgebungsverfahren bitten:

 

  1.       Zu § 52 UrhG

 

Nach § 52 Absatz 2 UrhG ist die öffentliche Wiedergabe eines erschienenen Werkes auch bei einem Gottesdienst oder bei einer kirchlichen Feier der Kirchen oder Religionsgemeinschaften zulässig. Den Urhebern wird eine angemessene Vergütung gezahlt, deren Entrichtung durch Verträge mit der GEMA geregelt und gesichert sind.

 

Die Vorschrift ist für die Gestaltung der Messen und Gottesdienste, Stundengebete, Andachten, Vespern oder Taufen, Trauungen und Bestattungen sowie andere liturigsche actiones, das religiöse Leben schlechthin, von sehr großer Bedeutung.

 

Von der Privilegierung des § 52 UrhG sind jedoch nach § 52 Absatz 3 UrhG öffentliche Zugänglichmachungen (§ 19a UrhG) und das Senderecht (§ 20) derzeit ausgeschlossen. Dies betrifft damit nicht nur die von § 52 Absatz 1 UrhG umfassten Sachverhalte, sondern auch die die kirchlichen Gottesdienste und sonstige religiöse Feiern betreffende Privilegierung nach § 52 Absatz 2 UrhG.

 

In der Corona-Pandemie konnten und können die Kirchen Gottesdienste und kirchliche Feiern vor Ort nicht beziehungsweise mit Blick auf die Teilnehmerzahl nur eingeschränkt durchführen. Sie sind daher vermehrt dazu übergegangen, Gottesdienste, Messen und Andachten sowie andere liturgische actiones zu streamen oder zum Abruf bereit zu stellen. So ist es den Mitgliedern einer Kirchengemeinde wie der Diözese möglich, auch in Pandemiezeiten mit ihrer jeweiligen lokalen Gemeinde oder ihrem Bischof beziehungsweise ihrer Bischöfin Gottesdienst zu feiern und ihre Religion auszuüben. Mit der GEMA ist vereinbart, dass für diese Zeit, in denen die Gottesdienste oder kirchliche Feiern nicht oder nur eingeschränkt vor Ort durchgeführt werden können, die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Musikwerken im Rahmen des Streamings oder des Downloadens über die kircheneigenen Websites durch die bestehenden Pauschalverträge als abgegolten zu betrachten sind. Dies ist auch folgerichtig, da ansonsten die Kirchen während der Pandemie von der Privilegierung nach § 52 Absatz 2 UrhG keinen oder nur eingeschränkt Gebrauch machen könnten mit Auswirkungen gegebenenfalls auch für die Pauschalverträge.

  

Bei der Umsetzung der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte der Informationsgesellschaft im Jahr 2002/2003 hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, die Privilegierung in § 52 UrhG auf das damals neu einzuführende Recht der öffentlichen Zugänglichmachung zu erweitern (s. insoweit auch die Begründung des seinerzeitigen Gesetzentwurfs, BT-Drucksache 15/38, S. 20, zu Nummer 13). Das haben die Kirchen auch seinerzeit nicht beanstandet, da Gottesdienste und andere liturgische actiones zu dieser Zeit von den Kirchengemeinden oder Diözesen weder zum Abruf bereitgestellt (Öffentliche Zugänglichmachung) noch live gestreamt (Sendung) wurden.

 

Dies hat sich nun aber angesichts einer zunehmend digitalen Welt grundlegend geändert. Die Corona Pandemie hat diesen Prozess zudem erheblich beschleunigt. Auch nach der Pandemie werden Gottesdienste von Kirchengemeinden und Diözesen wie Landeskirchen zum Abruf bereitgestellt und live gestreamt werden. Diese Form des religiösen Mitfeierns und Teilhabens der Kirchenmitglieder wird aus dem religiösen Leben einer Kirchengemeinde und einer Diözese beziehungsweise Landeskirche auch nach Corona kaum mehr wegzudenken sein. Selbstverständlich nehmen die Kirchen an den Prozessen der Digitalisierung teil, die auch an sie neue Anforderungen und Herausforderungen für die Gestaltung des religiösen Lebens stellen und neue Möglichkeiten der Ausübung der Religion für sie und ihre Kirchenmitglieder eröffnen.

 

Die Kirchen bitten daher ausdrücklich darum, die Privilegierung des § 52 Absatz 2 UrhG um das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung und das Live-Streamen als Form des Senderechts zu erweitern und § 52 Absatz 3 UrhG entsprechend zu ändern. Dies ist dringlich und notwendig, um auch nach der Pandemie Gottesdienste und andere religiöse Feiern, in denen urheberrechtlich geschützte Werke öffentlich wiedergegeben werden, zum Abruf bereit zu stellen oder live zu streamen, ohne im Einzelfall die Einwilligung des Berechtigten für diese Nutzungsrechte einholen zu müssen. Die angemessene Vergütung ist durch § 52 Absatz 2 UrhG gewährleistet.

 

Diese Erweiterung der Privilegierung in § 52 Absatz 2 UrhG ist auch richtlinienkonform möglich. Denn Art. 5 Absatz 3 lit. g der Richtlinie 2001/29EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft lässt Ausnahmen und Beschränkungen vom ausschließlichen Recht der Vervielfältigung, der öffentlichen Wiedergabe und der Zugänglichmachung „für die Nutzung bei religiösen Veranstaltungen“ ausdrücklich zu (vgl. auch Schricker/Loeweneim/Melichar/Stieper, 6. Aufl. 2020, UrhG § 52 Rn 8).           

 

 

  1.       Zu Artikel 3, § 12 - Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz - des oben genannten Diskussionsentwurfs

 

§ 12 Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz -E sieht die Verpflichtung zur Sperrung und Entfernung eines gemeldeten Inhalts trotz Kennzeichnung nach § 8 Absatz 2 UrhDaG-E vor, wenn diese offensichtlich unzutreffend ist. Dabei bestimmt § 12 Satz 2 UrhDaG-E dass dies bei der Berufung auf gesetzliche Erlaubnisse insbesondere dann der Fall sein kann, wenn der vom Nutzer hochgeladene Inhalt zu mindestens 90 Prozent mit den vom Rechtsinhaber zur Verfügung gestellten Informationen übereinstimmt. Dabei gilt Satz 2 nicht für einzelne Abbildungen (s. Satz 3). Diese 90-Prozent-Regelung scheint uns im Hinblick auf die gesetzlich erlaubte Nutzung eines urheberrechtlich geschützten Werkes nach § 52 Absatz 2 UrhG - ergänzt um das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung und das Streamen - ungeeignet: im Rahmen eines Gottesdienstes oder einer anderen religiösen Feier werden einzelne Werke mitunter vollständig öffentlich wiedergegeben und heute auch zum Abruf bereit gestellt oder gestreamt. Die vollständige Übereinstimmung mit einem gemeldeten Inhalt ist von der gesetzlichen Erlaubnis erfasst und daher in diesem Fall nicht „offensichtlich unzutreffend“. Dies darf daher nicht zur Sperrung und Entfernung des Inhalts trotz Kennzeichnung führen.

Wir bitten daher, § 12 Satz 3 UrhDaG-E aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit um § 52 Absatz 2 UrhG zu ergänzen.

Satz 3 lautete dann wie folgt: Satz 2 gilt nicht für einzelne Abbildungen und für die öffentliche Wiedergabe nach § 52 Absatz 2 UrhG

 

 

Berlin, den 08. September 2020