Am Ende vom Lied

Für Hobby-Blasmusiker ist die Corona-Krise eine Geduldsprobe

Nach zwei Jahren Pandemie gibt es auch Positives bei kirchlichen Hobby-Chorsängern und Musikern zu berichten. Aber gerade junge Bläser haben die Lust verloren. Ein Stimmungsbild. 

Bläsergruppe zum Eröffnungsgottesdienst beim Kirchtag in Dortmund 2019

Bläsergruppe zum Eröffnungsgottesdienst beim Kirchentag in Dortmund 2019

Nagold/Karlsruhe (epd). Es gibt Dinge, über die kann sich Peter Ammer sehr aufregen. Etwa, wenn ein Kindergartenkind fragt: „Müssen wir heute wieder singen? Das ist doch voll gefährlich?“ „Versuchen Sie mal, das aus einem Kind wieder herauszukriegen. Das schaffen sie in 25 Jahren nicht“, schimpft der Präsident des Verbandes Evangelischer Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker in Deutschland (VEM). Dabei sei Musik so wichtig, in der evangelischen Kirche und in der Gesellschaft.

Seit zwei Jahren zerstört die Corona-Pandemie mit den damit einhergehenden Sicherheitsregeln die Kultur. Eine nicht-repräsentative Umfrage in Baden-Württemberg zeigt, dass die kirchlichen Chöre recht gut durchkommen, aber die Posaunenchöre sind bald am Ende vom Lied.

So berichtet Ammer mit Blick auf seine Erfahrungen als Nagolder Bezirkskantor, dass es gerade bei den Posaunenchören ein Riesenproblem sei, die Leute zu motivieren. Lange hätten sie alles probiert, was irgendwie möglich sei. Von „Drinnen-Proben“ mit Umsetzung aller aktuellen Maßnahmen, die das gemeinsame Musizieren erschweren, über Online-Angebote bis hin zu „Draußen-Proben“ bis in den November hinein. Trotzdem sei vor allem die Bläserarbeit praktisch zusammengebrochen. Zum einen finden Auftritte kaum statt. „Zum anderen sind die Regeln gerade für Bläser, die Aerosole komprimiert hinausblasen können, so kompliziert“, sagt er. Blasen sei eigentlich „durch Verordnungen verunmöglicht“.

Der Landesposaunenwart für Nordbaden, Armin Schaefer, erzählt, viele Jugendliche hätten die Lust verloren. „Gerade während des Lockdowns, als sie eigentlich Zeit hatten zu üben, haben viele nicht den Drive gehabt, sich hinter Trompeter oder Horn zu setzen“, erzählt er. Sogar eines seiner Kinder habe aufgehört zu spielen. Und wenn man erstmal ein Jahr nicht gespielt habe, sei es schwierig wieder anzufangen.

Dabei seien die badischen Posaunenchöre zunächst gut gestartet. Die Online-Proben wurden sehr gut angenommen. Praktisch jeder Posaunenchor habe in irgendeinem Format draußen gespielt. In Heitersheim im Breisgau versammelten sich etwa jeden Tag knapp 80 Bläser auf den Balkonen zum Konzert. Aber jetzt merke man deutlich, dass die Leute müde sind. „Es ist zu einer Geduldsprobe geworden“, sagt Ammer.

Weitaus besser ist die Stimmung bei den Chorsängern. Susanne Labsch, Vorsitzende des badischen Kirchenchorverbandes, erzählt, die Chöre nutzten verschiedene Möglichkeiten, das Singen aufrechtzuerhalten. In Karlsruhe hätten sie etwa den Vorteil, dass sie große Säle zur Verfügung hätten. „Da kann mit Abstand gut proben.“ In anderen Orten gebe es Proben im Freien und online. Insgesamt seien sogar neue Mitglieder dazugekommen. „Die Leute wollen auch mal was anderes als Handy und Homeoffice“, sagt Labsch.

Eine durchaus gemischte vorläufige Bilanz zieht auch der Vorsitzende des Bereichs „Chöre“ im Verband Evangelische Kirchenmusik in Württemberg, David Dehn. Einige der älteren Chorsänger hätten sich aus Angst vor dem Virus komplett zurückgezogen, andere hätten jede Chance zum Proben genutzt, egal, ob online, in kalten Kirchen oder draußen. Nach dem Motto: 'Wer weiß, wie lange ich altersbedingt noch im Chor singen kann, ich nehme alles mit, was geht'", erzählt Dehn.

Gerade im Kinderchorbereich gebe es auch Zuwachs. „Da ist den Eltern die musikalische oder religiös-musikalische Bildung wichtiger als die Angst vor einer Infektion.“ Zumal, da die Kinder im Kindergarten auch rufen und singen.

Von Leonie Mielke (epd)