Balanceakt der Nachhaltigkeit

Diakonische Einrichtungen wollen auf nachhaltige Textilien umstellen

Diakonische Einrichtungen können mit ihrem Einkaufsverhalten ein wichtiges Signal für mehr Nachhaltigkeit geben. Doch die Umstellung auf Textilien, die nach ökologischen und sozialen Kriterien produziert sind, ist eine große Herausforderung.

Von Johanna Gary und Sven Kriszio

Mitarbeiter der Diakonie im Kirchenkreis Recklinghausen

Mitarbeiter der Diakonie im Kirchenkreis Recklinghausen

Berlin/Recklinghausen. Als „langwierig, nervig und anstrengend“ beschreibt Gerhard Bröker die Aufgabe, die ihm die Geschäftsführung des Diakonischen Werks im Kirchenkreis Recklinghausen da vor rund zehn Jahren aufgetragen hatte. Bröker, der die Wirtschaftsbetriebe leitet, sollte prüfen, welche Textilien sich „auf nachhaltig“ umstellen ließen.

Bröker ahnt die Herausforderung. Denn Vorbilder für seine aufwändige Unternehmung gibt es kaum. Dazu kommt die Größe des Diakonischen Werks im Kirchenkreis Recklinghausen, für das er arbeitet. Es beschäftigt in seinen rund 140 Einrichtungen annähernd 2000 Mitarbeitende. Und deren Arbeitskleidung sollte gleich am Anfang auf den Prüfstand kommen. Doch Bröker ist überzeugt: „Als Kirche sind wir hier gefordert. Wir wollen doch den nächsten Generationen einen vernünftigen Planeten hinterlassen.“ Und so macht er sich ans Werk.

Er begann mit dem Bereich Garten- und Landschaftsbau, fragte seine Kolleginnen und Kollegen, welche Eigenschaften ihre Arbeitskleidung haben muss. Er verglich Angebote, ließ sich von Fachleuten beraten und nahm schließlich Kontakt zu kommunalen Beschaffungsstellen mit entsprechenden Angeboten für nachhaltige Textilien auf. Danach ging es mit den Mitarbeitenden der Küche und der Pflegeeinrichtungen weiter. Auch sie sollten bedarfsgerecht und nachhaltig eingekleidet werden.

Es ist geschafft

Der Prozess zieht sich über Jahre. Bröker musste unter anderem immer wieder prüfen, ob es nicht doch noch günstigere Alternativen auf dem Markt gibt. Denn das Diakonische Werk muss sich am Markt behaupten, die Balance zwischen Ökonomie, Ökologie und Sozialem halten. „Aber es ist geschafft“, freut sich Bröker jetzt, rund zehn Jahre später. Schon warten die nächsten Aufgaben: Als Nächstes steht die „Flachwäsche“ an, also Bettwäsche und Handtücher, und auch am Thema „Arbeitsschuhe“ ist er dran.

Mit diesen Anstrengungen ist das Diakonische Werk im Kirchenkreis Recklinghausen zu einem Vorreiter unter diakonischen Einrichtungen geworden, wenn es um die Umstellung auf Textilien geht, die nach ökologischen und sozialen Kriterien produziert sind. Doch dabei wolle es die Diakonie nicht belassen, sagt Johanna Gary, Nachhaltigkeitsreferentin bei der Diakonie Deutschland. Künftig solle das Thema mit mehr Nachdruck angegangen werden. „Denn wie bei modischen Textilien geht es auch bei der Arbeitskleidung um Lieferketten, um Flächen- und Wasserverbrauch, um Pestizideinsatz und um Chemikalien, um Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen und um CO2-Emissionen.“

Soziale und ökologische Fragen

Es gebe kaum einen Schritt der textilen Kette, der nicht mit sozialen und ökologischen Risiken behaftet sei, so Gary weiter. „Entsprechend viele Fragen sind deswegen zu klären. Welche Siegel und Standards gibt es und wofür stehen sie jeweils? Wer bietet entsprechende Textilien in der erforderlichen Menge an, über wen kann ich sie kaufen oder mieten? Kann ich möglicherweise meinen bisherigen Lieferanten oder textilen Vollversorger überzeugen, seine Produktpalette zu erweitern?“

Damit die Umstellung auf nachhaltige Textilien in diakonischen Einrichtungen weiter an Fahrt aufnehmen kann, sei 2019 eine „Machbarkeitsstudie zur nachhaltigen Beschaffung von Textilien in der Diakonie“ durchgeführt worden, sagt Johanna Gary. Im September 2020 sei eine „Absichtserklärung zur Förderung nachhaltiger Textilbeschaffung“ zwischen dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, dem Deutschen Caritasverband und der Diakonie Deutschland unterzeichnet worden. So sollen nach und nach mehr Beispiele entstehen, an der sich diakonische Einrichtungen bei der eigenen Umstellung orientieren können. 

Etwas zum Besseren bewegen

Seit Kurzem unterstützt Claudia Lorek, als Business Scouts for Development vom BMZ an die Diakonie entsandt, fünf Pilotunternehmen, darunter auch das Diakonische Werk im Kirchenkreis Recklinghausen. „Ich berate beispielsweise zu Siegeln und Zertifikaten, stelle Informationen wie Beispielausschreibungen bereit und helfe bei der Suche nach geeigneten Anbietern“, sagt Lorek.

„Wenn man sich klarmacht, wie viel Wäsche in unseren Pflegeinrichtungen und Krankenhäusern Tag für Tag anfällt, wird anschaulich, dass ihr Einkaufsverhalten tatsächlich Marktrelevanz hat“, sagt Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland. „Wenn wir zielgerichtet ökologisch produzierte und fair gehandelte Textilien nachfragen, haben wir einen großen Hebel, um etwas zum Besseren zu bewegen.“

Screenshot Diakonie im Kirchenkreis Recklinghausen

Diakonie im Kirchenkreis Recklinghausen