Bibelarbeit zum Schwerpunktthema der 6. Tagung der 12. Synode der EKD in Dresden

Rev. Dr. Elaine Neuenfeldt, ACT Alliance Gender Beauftragte, Genf

Rev. Dr. Elaine Neuenfeldt

Jakob und Esau ­– eine Reise der Versöhnung

1) Die Herausforderung der Versöhnung im Alltag

In unserer heutigen Zeit konkret über Frieden und Versöhnung zu sprechen, ist eine herausfordernde Aufgabe. Angesichts der aktuellen Realität, die von Hass und Gewalt erfüllt ist, ist es nicht einfach, Versöhnung und Frieden zu erreichen. Hassreden werden als „Meinungsfreiheit“ empfunden. Ausgrenzung und Diskriminierung aufgrund der sozialen Zugehörigkeit, der wirtschaftlichen Situation und der Geschlechteridentitäten der Menschen werden in einigen Kontexten zur Normalität; manchmal geschehen sie im Namen der Religion oder werden durch sie gerechtfertigt.

Eine fundamentalistische Religionsauslegung bietet eine Plattform für gewalttätige und extremistische Praktiken: Religion und Glauben werden als Waffen benutzt (oder missbraucht), um diejenigen auszuschließen und zu eliminieren, die nicht einer bestimmten sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Ordnung entsprechen. Theologische Positionen und Glaubensüberzeugungen, die zu Trennung, Verurteilungen und Diskriminierung führen, müssen ständig befragt und diskutiert werden. Wenn der Glauben dazu benutzt wird, die Welt in „wir“ und „die da“, in „wir, die Guten“ und „die da“, die Schlechten“ zu trennen, sollten unsere Antennen ausgefahren werden, um zu erkennen, dass der Glaube instrumentalisiert wird.

2) Wie kann man in einem solchen Kontext Versöhnung denken?

Wie können wir über Werte und Überzeugungen sprechen, die Frieden, Akzeptanz und Integration fördern, und diese mit Glaubenspraktiken verbinden? Was kann uns ein alter Bibeltext wie die Geschichte in 1. Mose 25 von Jakob und Esau über versöhnte Beziehungen in der Gegenwart erzählen?

Ich lade Sie ein, einer Reise der Versöhnung zu folgen ­– und damit meine ich nicht nur die Begegnung als einzelnes Ereignis, wie es in 1. Mose 33, 1-6 geschildert wird. Auf dieser Reise möchte ich einige Schritte vorschlagen, die eine versöhnte Beziehung mit Gott und dem Nächsten fördern.

Der Streit zwischen Esau und Jakob beginnt bereits im Mutterleib. In 1. Mose 25 erfahren wir, dass Rebecca keine gute Schwangerschaft hat, sie leidet. Sie fragt Gott, warum sie diese Schwangerschaft als Mühe und nicht als gesegnete Zeit erfahren muss. Die Antwort ist, dass sie zwei Nationen in ihrem Leib trage. Die beiden Völker, die sie gebären werde, würden gespalten sein; das eine Volk werde dem anderen überlegen sein, und der Ältere werde dem Jüngeren dienen (1. Mose 25, 23). Und so besteht die Geschichte von Jakob und Esau aus Streit, Wettbewerb und Spaltung – Frieden gibt es keinen. Das brüderliche Verhältnis wird als Kampf und Konflikt erlebt.

Der Konflikt gipfelt im Verlust des Erstgeburtsrechts und des damit verbundenen Segens.

Jakob wird als ruhig und sympathisch beschrieben. Esau wird vom Aussehen her als rötlich dargestellt – die Ikonographie zeigt ihn braun oder sogar schwarz ­und behaart, womit impliziert wird, dass er ungehobelt ist.

Und so haben wir aus dieser biblischen Geschichte gelernt: Jakob ist immer der mit der helleren Haut und ein guter Mensch. Esau hingegen ist immer der mit der dunkleren Haut, ist behaart und ein schlechter oder grober Kerl. Er ist weder freundlich noch intelligent.

Dieser Interpretationsansatz des Textes ist sehr kolonial. Er beeinflusst auch unsere Interpretation dieser Geschichte von der Begegnung der beiden Brüder und unser Verständnis von Versöhnung. Ohne eine Machtanalyse können hier Wort und Tat viel Schaden anrichten.

Versöhnung bedeutet etwas anderes für einen armen Menschen, dessen Rechte verweigert werden, der in einer sozial und politisch gebeutelten Region in Afrika oder Lateinamerika lebt und nicht in der Lage ist, bessere Arbeitsbedingungen auszuhandeln. Oder für den kapitalistischen Manager eines internationalen Unternehmens, der für die Verhandlung über Grund und Boden verantwortlich ist, um zum Beispiel eine Minenfirma in Peru zu gründen; oder für eine Frau, die sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt von ihrem Partner erleidet, der zugleich der einzige Versorger oder Geldverdiener in der Familie ist. Kann in diesem Fall Versöhnung gleichbedeutend sein für privilegierte und ihrer Rechte beraubte Menschen? 

Wie kann man das dekonstruieren? Erstens müssen wir verstehen, worin der Konflikt besteht, was die Ursachen sind, warum Versöhnung notwendig ist und wie sie stattfinden kann. Was bedeutet Versöhnung und welche Schritte müssen die Beteiligten unternehmen auf dem Weg zu einer wirklichen Versöhnung?

3) Was sind die Ursachen für Konflikt und wie geht man damit um, um Versöhnung herbeizuführen?

Es ist verlockend, sozusagen die „Dual-Gläser“ anzubehalten und die Geschichte dieser beiden Brüder polarisiert zu lesen. Eine solche Interpretation gibt Raum für fundamentalistische Konstrukte und trennt in „wir, die Guten“ und „sie, die Bösen“. Jakob, der Gute, der Besonnene, der weiß, wie man Chancen nutzt; Esau, der Behaarte und Farbige, der Taktlose, der sich nicht darum schert, was ihm im Leben geschenkt wird. Aber diese Dichotomie hat so viel Schaden angerichtet, hat Rassismus und Diskriminierung gerechtfertigt und hierarchische Machtverhältnisse gefestigt. Jakob wurde als eine Nation, Israel, interpretiert und Esau als das andere Volk, die Edomiter, mit dem Israel im Konflikt war. Dadurch wurden Machtverhältnisse nicht nur zwischen Individuen, sondern auch zwischen Gruppen, Völkern und Nationen gerechtfertigt.

Betrachten wir also diesen Konflikt zwischen den beiden Brüdern, der eine Metapher für einen Konflikt zwischen zwei Nationen war, auf komplexere Weise.

In der Regel heißt es, dass Esau sein Erstgeburtsrecht für einen Teller Linsensuppe verkauft hat (ich kann mir vorstellen, dass es eine Feijoada war, eine gute brasilianische schwarze Bohnensuppe).

Was aber, wenn wir die gleiche Szene aus einem anderen Blickwinkel betrachten?

Esau, der Jäger, kommt ohne ein Produkt seiner Arbeit – ohne Wild – nach Hause. Vielleicht gibt es eine Zeit der Knappheit, und aufgrund dieses Mangels ist er hungrig. Jakob nutzt dies als Gelegenheit, um das auszuhandeln, was er von seinem Bruder am meisten will: das Erstgeburtsrecht. Und was benutzt er als Mittel dafür? Essen! Nun, wenn jemand hungrig ist, ist es einfach, von ihm das zu bekommen, was man will. Jakob benutzt Lebensmittel und Rechte als Handelsgüter. Er verhandelt von seiner privilegierten Position aus mit jemandem, der in diesem Moment aufgrund des Hungers machtlos ist. Esau antwortet: „Siehe, ich muss doch sterben; was soll mir da die Erstgeburt?“ (1. Mose 25,32)

Die Auslegungsgeschichte hat die Botschaft so vermittelt: Esau verachtet seine Rechte, er verschmäht Gottes Geschenk, zuerst geboren zu sein. Die Erzählung selbst und die Interpretation gaben Esau in der Regel die Schuld dafür, dass er sein Recht für so wenig eingetauscht hatte – für einen Teller Linsensuppe.

Es ist so verbreitet koloniale Interpretationen über Armut vor allem im Globalen Süden zu hören, die mangelnde Bildung und fehlendes Wissen als Schande zu beurteilen. Dieses koloniale Verständnis macht die Armen für ihre Armut und den Mangel an Chancen verantwortlich, anstatt ein System zu sehen, das darauf ausgerichtet ist, Ausgrenzung und Diskriminierung zu erzeugen.

4) Aber... was ist mit Jakobs mangelnder Solidarität?

Sein Bruder ist hungrig. Doch anstatt ihm Essen zu geben und zu teilen, was er hat, treibt Jakob Handel mit dessen Verletzlichkeit. Diese Gier führt Jacob zum nächsten Schritt: Er schmiedet einen Plan mit seiner Mutter Rebecca, um sich Esaus Erstgeburtssegen zu erschleichen. Wieder nutzt er die Hinfälligkeit seines alten Vaters aus und verkleidet sich, um den Platz seines Bruders einzunehmen und sich damit dessen Rechte anzueignen. Dadurch erreicht der Konflikt seinen Höhepunkt. Jakob ist gezwungen, in ein anderes Land zu fliehen. Esau hasst ihn und will ihn töten.

Die Geschichte ist durchzogen vom grenzenlosen Begehren und von den Täuschungsmanövern, um den Preis zu bekommen. Rivalität entsteht durch gierige und begehrliche Wünsche, durch Täuschung und Betrug. Wie kann man in diesem Durcheinander die Geschichte der Versöhnung dieser beiden Brüder sehen? Was kann Versöhnung bedeuten?

5) Die Versöhnungsreise

In den vielen Jahren seiner Abwesenheit arbeitet Jakob für seinen Schwiegervater Laban in einem fremden Land. Er arbeitet, um eine Familie zu gründen, wird von seinem Schwiegervater betrogen und bekommt zuerst die ältere Schwester Lea mit den sanften Augen. Für weitere sieben Jahre Dienst kann er auch Rachel heiraten, die er liebt. Dennoch scheint sein Leben nicht friedlich zu verlaufen. Er muss mit der Familie und den Herden fliehen, denn Laban hat sie nicht gut behandelt; er hat versucht, Jacobs Arbeit auszunutzen. So reist die ganze Familie ab – doch, und das scheint zu einer Tradition zu werden, nicht ohne einen weiteren Betrug: Rachel stiehlt den Hausgott, der das Haus beschützt und es mit Reichtum segnet.

6) Aufarbeitung und Umgang mit Erinnerungen

Jakob scheint ein neues Leben beginnen zu wollen und kehrt an den Ort zurück, an dem er geboren worden ist und wo der Konflikt mit seinem Bruder stattgefunden hat. Aber er weiß, dass er nicht neu beginnen kann, ohne das Problem der Vergangenheit zu lösen. Die Erinnerungen, die ihn heimsuchen – eine konfliktreiche Kindheit, eine brüderliche Beziehung in Rivalität und Kampf – werden nicht verschwinden, wenn er sich nicht der Verantwortung stellt und damit auseinandersetzt.

Die Reise der Versöhnung beinhaltet also auch eine Aufarbeitung der Erinnerungen an die Vergangenheit. Man muss sich ihnen stellen und damit umgehen. Man muss den Blick heben, um die Person zu sehen, der Leid und Schmerzen zugefügt wurden; die wir mit unserer Gesinnung verletzt haben und die durch das System ausgegrenzt und diskriminiert wurde.

In Lateinamerika haben wir diesen Prozess durchlaufen und Rechenschaft über die Erinnerungen an die Vergangenheit abgelegt. Unsere Erinnerungen sind von Schmerz und Leid, von Verfolgung und Gewalt der Militärdiktatur geprägt. Das Leben als Brasilianerin in Mittelamerika hat mich gelehrt, „zu verzeihen, aber nicht zu vergessen“ – "perdonar pero no olvidar". Niemand kann die Vergangenheit vergessen oder leugnen. Der Heilungsprozess muss die Vergangenheit wieder aufgreifen, aber man sollte darin nicht verhaftet bleiben. Vergebung bedeutet, diese schmerzhaften Erinnerungen erneut zu durchleben, aber sich davon nicht gefangen nehmen zu lassen. Wenn man Versöhnung anstrebt, bedeutet das, dass man sich mit Themen auseinandersetzen muss, die schmerz- und qualvoll zurückkehren. Das Erinnern ist eine Gratwanderung. Es geht darum, nicht zu erlauben, dass man am Vorwärtsgehen gehindert wird.

Um eine Verbindung zum Thema herzustellen, das auf dieser Synode diskutiert wird: „Auf dem Weg zu einer Kirche der Gerechtigkeit und des Friedens” möchte ich uns an die entscheidende Rolle der Kirchen erinnern, die sie bei der Schaffung eines gerechten Friedens einnehmen. Kirchen und auf Glauben beruhende Organisationen arbeiten auf Gemeindeebene und haben die wichtige Rolle, das soziale Gefüge in Zeiten von Konflikten wieder aufzubauen. Kirchenleitende Personen können auf soziale und kulturelle Überzeugungen einwirken und können vertrauensvolle Stimmen beim Aufbau von Brücken zwischen verschiedenen Gruppen sein. Glaubensgemeinschaften versammeln Menschen unterschiedlicher Zugehörigkeit und können Katalysatoren verschiedener Interessen sein. Glaube ist ein starkes Element, das den Menschen hilft, Hoffnung zu bewahren und Leben neu aufzubauen.

Welche Erinnerungen müssen Sie aufarbeiten? Welche Situationen gibt es in Ihrem eigenen Leben, in Ihrer Familie und Gemeinschaft, die es zu bewältigen gilt, über die Rechenschaft abgelegt werden muss, damit ein Heilungsprozess durchlaufen werden kann?

7) Bevor wir dem Bruder begegnen, müssen wir Gott begegnen!

Während der Versöhnungsreise gibt es eine weitere starke, kraftvolle und rätselhafte Begegnung. In der Nacht, bevor er seinen Bruder trifft, ist Jakob am Fluss und ringt mit jemandem. Voller Erinnerungen und voller Angst vor dem, was am nächsten Tag auf ihn zukommt, erlebt sein Körper das Ringen mit einem Fremden, den er als Gott erkennt. Jakob bittet wieder um den Segen, und er nennt den Ort in Erinnerung an die Begegnung Pnuël – „denn ich habe Gott von Angesicht gesehen“. Um das Gesicht seines Bruders Jakob zu sehen, musste er zuerst in das Angesicht Gottes schauen! Versöhnung ist eine spirituelle Reise des Gebets und des Dialogs mit Gott. Sie ist von der Barmherzigkeit Gottes geprägt, die uns aufbrechen lässt, um den anderen zu finden.

Eine Schweigeminute zum Beten, um die Gegenwart Gottes, all unseres Schmerzes, der Leiden der Menschen, mit denen wir arbeiten und leben, einzubringen.

8) 1. Mose 33,1-17 erzählt von diesem Moment der Versöhnung.

Die Begegnung ist voller Gefühle und Körpersprache. Jakob kommt mit seiner ganzen Familie, seinen Frauen, Kindern und Herden. Vielleicht ist das der einzige Weg, wie er seinen Bruder beeindrucken kann – als ob er sagen würde: „Schau, Esau, was ich mit dem Segen gemacht habe, den ich dir gestohlen habe! Der Diebstahl hat sich gelohnt! Ich bin an Zahl, Alter und Reichtum gewachsen.“

Siebenmal verbeugt sich Jakob. Die Sieben ist eine so mächtige Zahl. Wie oft muss man seinen Brüdern, seinen Schwestern vergeben? 7x7 Mal... (Nun, als Brasilianerin erinnere ich mich noch an eine weitere Sieben: als Deutschland den brasilianischen Fußball bei der Fußballweltmeisterschaft 7:1 geschlagen hat!!! Aber sprechen wir jetzt nicht über diesen unglücklichen Vorfall.

Das Verbeugen ist ein Zeichen der Anerkennung von Esaus Autorität, ja sogar seiner Überlegenheit. Jakob nennt Esau „mein Herr“, während Esau zu Jakob „mein Bruder“ sagt.

Esau läuft Jakob entgegen, er ruft ihn bei seinem Namen, umarmt ihn, fällt ihm um den Hals und küsst ihn.

Beide weinen.

Welch emotionale Szene. Voller Liebe, Reue, Zärtlichkeit und Verletzlichkeit. Sie lässt keinen Raum, um Vergangenes in den Vordergrund zu stellen, denn der einzige Wunsch der Brüder ist es, sich zu umarmen und zu versöhnen. Die schmerzhafte Vergangenheit ist immer noch da, aber sie ist kein Hindernis für Versöhnung, Willkommen und Akzeptanz. Versöhnung bedeutet den Verzicht darauf, Erinnerungen an Vergangenes in den Vordergrund zu rücken. Unsere Vernunft wendet manchmal ein, dass man zuerst über die Vergangenheit sprechen muss, über das, was passiert ist. Dann muss man es reinigen und lösen – und erst dann kann man sich umarmen. Doch es scheint, dass bei einem Versöhnungsprozess Worte und Diskussionen nicht so sehr im Vordergrund stehen. Er findet mit Armen, dem Körper, Gefühlen und Emotionen statt; dadurch entsteht Raum für Heilung und Begegnung.

Dann erst kann Jakob zustimmen: wirklich, in Dein Gesicht zu sehen ist wie in Gottes Gesicht zu schauen. Gottes Gesicht offenbart sich im Angesicht des versöhnten Bruders. In der Liebe zu deinem Bruder, deiner Schwester, deinen Nachbarn siehst oder erkennst Du wahrhaftig Gott.

In diesem Moment ist die gesamte Familie in die Versöhnung der beiden Brüder eingeschlossen. Frauen und Kinder tauchen auf, kommen um diesen Moment zu erleben und festzuhalten. Sie sind diejenigen, die unter Krieg und Konflikten am meisten leiden. Sie drängen darauf, Versöhnung stattfindet.

Worte kommen erst später dazu, beim Dialog über Geschenke und Opfergaben. Auch hier erwartet Esau keine Wiedergutmachung, keine materiellen Güter, um die Verletzung in der Vergangenheit zu kompensieren. Esau sagt, er besitze genug. Wir erfahren nicht, wie viel er hat, aber für ihn ist es genug.

Noch ein letztes Wort zu den Geschehnissen nach der Begegnung: Esau bietet seine Gastfreundschaft an. Jakob ist nicht darauf vorbereitet, seinem Bruder zu folgen. Er sagt, dass sie sich in Seir, im Süden, wo Esau lebt, wieder treffen würden. Aber Jakob geht nach Norden, nach Sukkot, und lässt sich dort nieder. Ja, schon wieder lügt Jakob seinen Bruder an. Er geht in eine andere Richtung, als er gesagt hat. Vielleicht muss er das tun. Vielleicht fühlt er, dass er es tun kann. Im Text steht nicht, ob Esau deswegen traurig oder enttäuscht ist. Vielleicht ist Versöhnung so: ein Kommen und Gehen in Vertrauen und Angst, in Vertrauen und Unsicherheit. Inmitten dieser Ängste und Zweifel bietet Gott Gnade und Barmherzigkeit an; obwohl Jakob einen hinterhältigen Charakter hat, ist er weiterhin von Gott gesegnet und mit seinem Bruder versöhnt.

Versöhnung ist eine Reise, kein Ereignis. Es muss eine Bewegung sein, die immer wieder stattfindet, denn die Menschen sind sündhaft und ihre Beziehungen sind zerrissen. Versöhnung ist eine Bewegung, ein Lernprozess, in dem wir lernen, geben und empfangen, offen sein und etwas darreichen müssen. Sie ist wie ein Tanz.

9) Ein Gedicht

Worte des arabisch-christlich-palästinensischen Schriftstellers Elias Chacour[1]:

Das wahre Ebenbild ist dein Nächster, der Mensch, der nach dem Bild und in der Gestalt Gottes geschaffen wurde. Wie schön ist es, wenn sich unsere Augen verwandeln und wir sehen, dass unser Nächster das Ebenbild Gottes ist, und dass du, und du, und ich – wir alle – Ebenbilder Gottes sind. Wie schlimm ist es, wenn wir das Bild Gottes hassen, wer auch immer es ist, ob Jude oder Palästinenser. Wie schlimm ist es, wenn wir nicht hingehen und sagen können: „Es tut mir leid, dass das Ebenbild Gottes durch mein Verhalten verletzt wurde.“ Wir alle müssen verwandelt werden, damit wir die Herrlichkeit Gottes ineinander erkennen können.

10) Eine Bewegung

  • Laden Sie die Menschen ein, aufzustehen und die Hände in eine Gebetsposition zu legen: /\
  • Dann laden Sie die Menschen ein, ihre Hände so zu öffnen, dass die Fläche der linken Hand nach oben zeigt (empfangen) und die Fläche der rechten Hand nach unten (geben).
  • Wenn alle wollen und sich wohl damit fühlen, laden Sie jeden ein, die Nachbarn an der Hand zu fassen – erleben Sie die Bewegung wie einen Tanz des Gebens und Empfangens.
  • Dabei können Sie Musik laufen lassen.

 

[1] Quellenangabe für die englische Version des Gedichts: Elias Chacour: We Belong to the Land, Collegeville: University of Notre Dame Press, 2001, S. 46-47; aus: CLARE AMOS. Christ is our reconciliation: a scene from an icon of peace. Rethinking mission. 2005. S. 29.

 


English Version
 

Jacob and Esau – a journey of reconciliation

1) Daily life and the challenge of reconciliation

To concretely speak about peace and reconciliation at this juncture is a challenging task. It is not easy to bring reconciliation and peace in the midst of the current reality, which is filled with hate and violence. Hate speech is considered “freedom of expression”. Exclusion and discrimination based on peoples backgrounds, economic situation and gender identities are becoming normalized in some contexts; and unfortunately, sometimes, these are justified in the name of religion.

Fundamentalist interpretation of religion is providing a platform for violent and extremist practices of using (or misusing) religion and faith as weapons to exclude and eliminate those who are non-conforming to a social, economic, political and cultural order. There is a need to continue questioning and debating about theological positions and faith understanding that are contributing to division, judgement and discrimination. If faith is used to separate the world in “us” and “them”, in “we, the good people and ”them” the “bad” then our critical antennas of instrumentalizing faith should be activated.

2) How to think reconciliation in this context?

How can we talk about values and beliefs that promote peace, acceptance and inclusion, in the context of our faith? What can an ancient Bible text as the saga of Jacob and Esau narrated in Genesis 25-36 tell us about reconciled relationships in our contemporary context?

I invite you to follow a journey of reconciliation – and not only focus on the single event as narrated in Gen 33. 1-16; in this journey, I want to propose some steps that promote a reconciled relationship with God and with the other.

Esau and Jacob started their quarrel in their mother’s womb. Genesis 25 tells us that Rebecca did not have a good pregnancy – she suffered; she asked God why she had to feel this pregnancy as a troubled time and not as a blessed time. The answer is that she had two nations in her womb: “and the two peoples born shall be divided; the one shall be stronger and the elder shall serve the younger” (25.23). The saga of Jacob and Esau is a story of struggle, competition and division. It’s not a story of peace. A story of brotherhood that is experienced as fight and conflict.

The conflict culminates with the loss of the rights by the firstborn and the blessing connected to it. Jacob is the one described as calm and sympathetic. Esau is presented as a redhead – even though the iconography shows him with brown or black even, hairy and suggesting he is culturally ignorant.

The image that the story portrays is clear: Jacob, is fair and presented as a good guy while Esau, with brown-skin is hairy and unkind or ignorant.

A very much colonialist way of interpreting the text. This has influenced also how we interpret the story of the encounter of the two brothers and how we understand reconciliation, which can be a dangerous word and act if disconnected from a power analysis.

What does reconciliation mean for a poor person with his or her rights denied, living in a social and political region in Africa or LAC, with no power to negotiate better work conditions; or to a capitalist manager of an international corporation responsible to establish a mine company in Peru; or to a woman who suffered sexual and gender- based violence by her intimate partner who is the only provider, or bread winner in the family? Does reconciliation mean the same thing to privileged as it does to the deprived?”

How to deconstruct this? First, we need to understand the conflict, what are the causes and why reconciliation is needed, and how it can/should happen. What are the implications of reconciliation, what actions are required from each party involved to achieve true reconciliation?

3) The conflict – what are the causes and how to deal with them, to reconcile

It is tempting to read the saga of these two brothers in a polarized way, keeping our binary lenses of us/good and them/bad and interpreting the story in a way that will reinforce fundamentalist categories. Jacob, the good, the calm and the one who knows how to use opportunities and Esau, the hairy redhead, the indelicate, the one who doesn’t care about what he was given in life. But easy dichotomy has brought so much damage, justified racism, discrimination and hierarchical power relations. Jacob a nation, Israel and Esau, the others in conflict, the Edomites/ Edom. Therefore, it justified power relations not only among individuals, but among groups, among peoples and nations.

So, let us complicate this story and see if it helps us find new ways to interpret the conflict between the two brothers, which was a metaphor for a conflict between two nations.

Normally, we know that Esau sold his first born right for a plate of lentils soup. (I can imagine that it was a feijoada… a good brasilian black beans soup).

However, what if we look at the same scene from another angle?

Esau is a hunter, and he arrived home empty handed. Maybe there was a period of scarcity, and due to this shortage, he was hungry. Jacob used this as an opportunity to negotiate what he most wanted from his brother: the first born right. To negotiate he used food! Ora ora… when someone is hungry, it is easy to persuade him/her and get what you want. Jacob is using food and rights as commodities. Negotiating from his privileged position with someone who is deprived of power because of hunger.

Esau answered: “I am about to die, of what use is a birthright to me?” (Genesis 25.32) This was how this event was interpreted through history: Esau scorned his rights, he undervalued God’s gift of having been born first. The narrative itself and the interpretation normally blamed Esau for underselling his right for a plate of lentils.

It is so common to hear colonialist interpretations of poverty especially for the global south and judge the lack of education and lack of knowledge as a disgrace. It is this colonialist understanding that blames the poor for their poverty and lack of profiting from opportunities, rather than seeing a system that is built to produce exclusion and discrimination.

4) But… what about Jacob’s lack of solidarity?

His brother was hungry and he, instead of giving him food, sharing what he had, he negotiated using the other’s vulnerability. This greedy attitude lead Jacob to the next step – conspiring a plan with his mother, Rebecca, to steal Esau’s blessing. Using again the fragility of an aged father, he disguised himself taking the place and the rights of his brother. This escalated the conflict to the point that Jacob was obliged to flee to another land. Esau hated him and wanted to kill him.

This story is permeated by envy and cheating to get the prize. Rivalry stems from greedy and covetous desires, using tricks and fraud. Amid this mess, how can a story of reconciliation of these two brothers emerge? What can reconciliation mean?

5) The reconciliation journey

For many years after Jacob fled, he worked for his father-in-law, Laban, in a foreign land, trying to form a family. He was tricked into a relationship with the older daughter, Leah, with beautiful eyes, first. Then, he worked 7 more years to finally marry Rachel, the one he loved. But he still could not find peace. Laban was not treating them well; he was trying to benefit from Jacob’s work. So, Jacob had to flee again with family and flocks. The whole family left – but, as it now becoming a habit, not without another trick. Rachel stole the domestic deities, those who protected the house and ensured the blessings of wealth.

6) Revisiting and dealing with memories

At this point, Jacob wants a new life and goes back to the place where he was born and where the main conflict with his brother took place. But he knows that he cannot start anew, without resolving the problems originated in the past. These memories of a conflictive childhood and the ruined relationship with his brother would not go away without accountability.

So, the journey of reconciliation includes revisiting the memories of the past. Facing them. Dealing with them. It requires lifting the face up to see the person we caused pain and suffering. Hurt by our attitudes. Excluded and discriminated by the system.

In Latin America, we have gone through this process. We have summoned the memories of the past and we have held ourselves accountable. Our memories are populated by pain and suffering, persecution and violence of military dictatorship. Being Brasilian and having lived in Central America has taught me these lessons – “perdonar pero no olvidar” – “forgive but not forget.” The past cannot be forgotten or denied. The healing process must revisit the past, but one should not remain tied in the past. Forgiveness includes revisiting these painful memories, not being kept captive by them. It is walking this thin line of remembering without allowing it to hinder or hamper our moving forward.

To connect with the theme discussed in this synod: “How to be (come) a just peace church” “Auf dem Weg zu einer Kirche der Gerechtigkeit und des Friedens” I would remind us that churches do have a crucial role in building peace with justice. Churches and faith-based organizations are working at community level, and have a crucial role to re-build social fabric in times of conflict disruption. Church leaders can influence social and cultural beliefs, and can be a trustful voice in building bridges between different groups. Faith communities are congregating people of different belongings, and can be catalyzers of different interests. Faith is a powerful element to help people to keep hope and re-built lifes.

What are your own memories that need to be revisited? What are the situations in your own life, family and community that are there to be dealt with, to be brought to accountability in order to go through the healing process?

7) Before encountering the brother, the encounter is with God!

As the reconciliation journey continues, there is another strong, powerful, mysterious encounter. The night before meeting his brother, Jacob is by the river, and wrestled with someone. His body, full of memories, full of anxiety of what will happen the next day, experienced wrestling with a stranger, whom he recognized as God. Jacob again, asked for blessing – and remembered the place naming it according to his experience – Peniel – Pana – the face of El, God. Before seeing the face of his brother, Jacob had to look to the face of God! Reconciliation is a spiritual journey of prayer and dialogue with God. It is being marked by God’s mercy, which leads to a movement to find the other.

A moment of silence to pray, bringing in the presence of God, all our pain, sufferings of the people with whom we work and live.

8) Genesis 33. 1-17 is narrating this reconciliation moment.

The encounter is full of emotions and body language. Jacob comes with all his family, wives, children and flocks. Maybe this is the only way he knows to impress his brother – kind of saying: Look, Esau, what I have done with the blessing I have stolen from you! It was worth to steel! I have grown in numbers, in age and in wealth.

Then Jacob, bowed down 7 times. 7X – seven… it is such a powerful number… how many times you need to forgive your brother, your sisters, 7 times 7… (well, as brasilian there is another 7 that I remember: when Germany has beaten Brasil football in the world cup, for 7X1!!! But, let’s not talk about this unfortunate moment now.

Bowing down is a sign of recognition of Esau’s authority and even superiority. Jacob calls Esau, my lord; while Esau, calls Jacob, my brother.

Esau runs to meet Jacob; called him by his name, embraced him, fell on his neck, kissed him.

They both wept.

What emotional scene. Full of love, repentance, tenderness, vulnerability. There is no place for bringing the past in front, as their only wish is to embrace and to reconcile. The painful past was still there – but was not an impediment to reconcile, to embrace, and to accept. Reconciliation means bringing past memories to the front. Sometimes our reason would argue: First, you need to talk about the past, what happen and clean it, solve it…and then embrace. It seems that in a reconciliation process words and discussions are not so much pushed to the front. Arms, bodies, feelings, emotions take a primary place; are providing the space for healing and encounter the other.

Then Jacob can affirm: for truly to see your face is like seeing the face of God.

It is in the reconciled brother that God’s face is revealed. It is by truly loving your brother, your sister, your neighbor that you see, or you know God.

At this moment, the whole group of people are involved in the reconciliation of the two brothers. Women and children are coming to the front; they are walking to embrace this moment. Women and children know what conflict brings to their life. They are most affected in conflicts and war. They urge reconciliation to happen.

Words come later, in the form of a dialogue about gifts and offerings. Again, it is from Esau that we learn that he is not expecting repair, material goods to compensate the hurt in the past. Esau said he has enough. It does not say how much he has… but, for him, it is enough.

One final word about what happen after the encounter. Esau offered hospitality. Jacob was not prepared to follow his brother. He said that they would come together again in Seir, in the South, where Esau lived. But Jacob went to north, to Succoth and established home there. Yes, there is Jacob, lying again to his brother. Going in another direction than he promised. And maybe this was needed for him… because he felt he could do this…and the text is not telling us that Esau felt sad or disappointed. It might be that reconciliation is like this… a coming and going in trust and fear, in confidence and insecurity, never fully in control of what will happen in the future. It is in the midst of these fears and doubts that God’s offer grace and mercy; even with this deceitful character Jacob continues to be blessed by God and reconciled with his brother.

Reconciliation is a journey, not an event. It needs to be a movement that happens again and again, as human beings are sinful and live broken relations. Reconciliation is a movement, a learning process, where we need to learn, to give and to receive, to be open, and to offer… like a dance.

9) A poem

An Arab Christian Palestinian writer Elias Chacour:[1]

The true icon is your neighbour, the human being who has been created in the image and with the likeness of God. How beautiful it is when our eyes are transfigured and we see that our neighbour is the icon of God, and that you, and you, and I – we are all the icons of God. How serious it is when we hate the image of God, whoever that may be, whether a Jew or a Palestinian. How serious it is when we cannot go and say, ‘I am sorry about the icon of God who was hurt by my behaviour.’ We all need to be transfigured so we can recognise the glory of God in one another.

10) A movement

  • Invite people to stand and put hand in a prayer position: /\
  • Then invite to open their hands so that the left hand is open – as receiving and the right hand is down – as giving.
  • If they want and feel comfortable, invite each one to reach the hand of their neighbor --- experience the movement – like a dance of giving and receiving
  • With music (to play a song while doing this)
     

[1] Elias Chacour We Belong to the Land, Collegeville: University of Notre Dame Press, 2001, p.46-47. Taken from: CLARE AMOS. Christ is our reconciliation: a scene from an icon of peace. Rethinking mission. 2005. P. 29.

Bibelarbeit zum Schwerpunktthema auf  der 6. Tagung der 12. Synode der EKD von Rev. Dr. Elaine Neuenfeldt, ACT Alliance Gender Beauftragte, Genf