Vom Himmel hoch, da komm ich her
Der „Gassenhauer“ zu Weihnachten

1. Vom Himmel hoch, da komm' ich her,
ich bring' euch gute neue Mär,
der guten Mär bring' ich soviel,
davon ich sing'n und sagen will.
2. Euch ist ein Kindlein heut geborn
von einer Jungfrau auserkorn,
ein Kindelein so zart und fein,
das soll eur Freud und Wonne sein.
3. Es ist der Herr Christ, unser Gott,
der will euch führn aus aller Not,
er will eur Heiland selber sein,
von allen Sünden machen rein.
4. Er bringt euch alle Seligkeit,
die Gott der Vater hat bereit',
daß ihr mit uns im Himmelreich
sollt leben nun und ewiglich.
5. So merket nun das Zeichen recht:
die Krippe, Windelein so schlecht,
da findet ihr das Kind gelegt,
das alle Welt erhält und trägt.
6. Des laßt uns alle fröhlich sein
und mit den Hirten gehn hinein,
zu sehn, was Gott uns hat beschert,
mit seinem lieben Sohn verehrt.
7. Merk auf, mein Herz, und sieh dorthin,
was liegt doch in dem Krippelein?
Wes ist das schöne Kindelein?
Es ist das liebe Jesulein.
8. Sei mir willkommen, edler Gast!
Den Sünder nicht verschmähet hast
und kommst ins Elend her zu mir:
Wie soll ich immer danken dir?
9. Ach Herr, du Schöpfer aller Ding,
wie bist du worden so gering,
daß du da liegst auf dürrem Gras,
davon ein Rind und Esel aß!
10. Und war die Welt vielmal so weit,
von Edelstein und Gold bereit',
so war sie doch dir viel zu klein,
zu sein ein enges Wiegelein.
11. Der Sammet und die Seiden dein,
das ist grob Heu und Windelein,
darauf du König groß und reich
herprangst, als wärs dein Himmelreich.
12. Das hat also gefallen dir,
die Wahrheit anzuzeigen mir,
wie aller Welt Macht, Ehr und Gut
vor dir nichts gilt, nichts hilft noch tut.
13. Ach mein herzliebes Jesulein,
mach dir ein rein sanft Bettelein,
zu ruhen in meins Herzens Schrein,
daß ich nimmer vergesse dein.
14. Davon ich allzeit fröhlich sei,
zu springen, singen immer frei
das rechte Susaninne schön,
mit Herzenslust den süßen Ton.
15. Lob, Ehr sei Gott im höchsten Thron,
der uns schenkt seinen eingen Sohn.
Des freuen sich der Engel Schar'
und singen uns solch neues Jahr.
Text und Melodie: Martin Luther (1535/1539)
Die Popularität beginnt früh. Bereits von etwa 1541 an gehört „Vom Himmel hoch, da komm ich her“ als Weihnachtslied zum Kernbestand evangelischer Gesangbücher. Auch in den Niederlanden und Schottland verbreitet es sich noch im 16. Jahrhundert. Im Evangelischen Gesangbuch (EG) steht das Kirchenlied unter der Nr. 24.
Martin Luther schrieb sein Weihnachtslied um 1534, der Legende nach für die Feier mit seinen eigenen Kindern. Bei der ersten Veröffentlichung im folgenden Jahr betitelt er es als „Kinderlied auff die Weihenachten“. In der Urform ist das Lied das wohl bekannteste Beispiel einer Kontrafaktur – die 15 Strophen unterlegte Luther zunächst der bereits vorhandenen Melodie „Ich kumm aus frembden Landen her“, eines damals sehr populären Spielmannsliedes mit Gassenhauer-Qualität. 1539 veröffentlicht Luther sein Lied erneut – nun mit seiner eigenen Melodie, die heute gebräuchlich ist.
Biblische Vorlage des Liedes ist die Weihnachtsgeschichte Lukas 2, 8-18. Bei der Verkündigung der frohen Botschaft lässt Luther die beteiligten Personen selbst sprechen: Engel, Hirten und alle Gläubige. Das führte zu der Annahme, Luther habe sein Lied für ein Krippenspiel erdacht, wie es schon damals beliebt war. Dies sei, so der Hymnologe Markus Jenny, „nicht belegt, aber durchaus wahrscheinlich“. In seinem Lied verbindet Luther die biblische Geschichte mit Traditionen wie Weihnachtsspiel, Kindlwiegen und dem Kranzsingen zu einem einprägsamen Ergebnis, das unmittelbar ins Ohr geht und im Gedächtnis bleibt.
Die Beliebtheit des Liedes zeigt sich auch in seiner häufigen Verwendung bei Komponisten von der Lutherzeit bis zur Gegenwart. Bach setzt den Choral in seinem Weihnachtsoratorium gleich mehrfach ein. Die Popularität führt auch dazu, dass das Lied nun selbst für Kontrafakturen verwendet wird. Für andere weihnachtlich-geistliche Texte, aber auch für Parodien.
Jörg Echtler
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