"Ich kann mir Jesus, den Friedefürsten, nicht in einem Panzer vorstellen“

Nikolaus Schneider über seine Amtszeit als Ratsvorsitzender der EKD

EKD-Ratsvorsitzender Schneider bei Synodentagung 2014 in Dresden

Ratsvorsitzender der EKD zu werden, habe nicht in seine Lebensplanung gehört, erklärt Nikolaus Schneider, er habe vielmehr gern Margot Käßmann als Stellvertreter unterstützt. „Als sie dann überraschend zurücktrat, habe ich gezögert, ihre Nachfolge anzutreten. Erst nach Gesprächen mit mir wichtigen Menschen, und weil Hermann Barth länger als geplant an der Spitze des EKD-Kirchenamtes blieb, stellte ich mich der Wahl.“

„Margot Käßmann lag mit ihrer Einschätzung, nichts sei gut in Afghanistan, gar nicht grundsätzlich daneben“, sagt Schneider, „also musste ich mich auch nicht von ihr distanzieren. Aber ich wollte den Einsatz unserer Soldatinnen und Soldaten in diesem Krisengebiet in den Blick rücken. Sie waren und sind dort keine Entwicklungshelfer. Sie treten aber auch nicht wie Rambos auf. Und den Bundeswehreinsatz am Hindukusch sahen wir in der EKD schon hart an der Grenze dessen, was das Grundgesetz erlaubt.“ 


Schneider suchte mit Militärbischof Martin Dutzmann und dem EKD-Friedensbeauftragte Renke Brahms das Gespräch mit den Akteuren in Afghanistan. Die EKD-Besucher stießen bei ihnen auf Verständnis für deren Skepsis an ihrem Auftrag: „Ich kann mir Jesus, den Friedefürsten, nicht in einem Panzer vorstellen“. Die Soldaten spürten aber auch, dass die Kirchenvertreter Gewaltanwendung in Grenzsituationen nicht ausschlossen, „sozusagen als neues Recht schaffende Gewalt.“
 

Zeiten von weltweiten Wirtschafts- und Finanzcrashs

Schneider erinnert im Rückblick an gesellschaftspolitische Konsequenzen von Glaube und Kirche-Sein: „Es waren auch die Zeiten von weltweiten Wirtschafts- und Finanzcrashs und von neuen Einsichten in einen von uns Menschen gemachten lebensfeindlichen Klimawandel. Von unseren Kirchen wurden kritische Analysen und Ermutigungen zu einem schöpfungsfreundlichen Wirtschaften und Verhalten erwartet. Ich setzte mich deshalb für den Transformationskongress mit DGB und BUND ein“, erklärt der damalige EKD-Ratsvorsitzende und erinnert auch an seine Vorlesung zur „Ethik des Genug“ an der TU  Berlin. „Unsere damaligen Ideen und Forderungen blieben leider aktuell, bislang aber noch ohne die notwendige Wirkung“, räumt Schneider ein.

Wiederholt gehörten auch theologisch-ethische Fragen zu den Themen im Rat der EKD, etwa im Blick auf das Verständnis von Ehe, Familie und Sexualität sowie auf ein vor Gott verantwortliches Handel am Anfang und am Ende des Lebens. Dabei zeigte sich für ihn das ganz grundsätzliche theologisch-kirchliche Problem: "Gottes Wort und Wille ist für uns Menschen – auch für leitende Geistliche und den Rat der EKD – in konkreten ethischen Fragen nicht eindeutig, zeitlos und widerspruchsfrei abzuleiten. Dennoch sind unsere Kirchen und ist die EKD immer wieder neu gefordert, zu alten und neuen ethischen Fragen klar Stellung zu beziehen."

Auch mit der Frage der Beschneidung aus religiösen Gründen hatte sich der Rat der EKD unter Schneiders Vorsitz zu befassen. „Wer in der BRD die Beschneidung untersagen will, stellt für Jüdinnen und Juden ein unverzichtbares Zeichen für den Bund Gottes mit seinem erwählten Volk infrage undmacht damit jüdisches Leben in Deutschland unmöglich.“ Für diese klare Position – und seine „deutliche Absage an die Judenmission ohne Wenn und Aber“ – wurde der Ratsvorsitzende später mit dem Leo-Baeck-Preis des Zentralrates der Juden in Deutschland ausgezeichnet.