Scherze und Schlager auf Station fünf

In rheinland-pfälzischen Kliniken kümmern sich Clowns ehrenamtlich um demenzkranke Patienten

Demenzkranke Senioren, die wegen anderer Beschwerden im Krankenhaus landen, sind eine Herausforderung für Pflegepersonal und Ärzte. Rheinland-Pfalz setzt auf ehrenamtliche "Geronto-Clowns", um die verwirrten alten Menschen in der Klinik aufzumuntern.

Die ehrenamtlichen Klinik-Clowns Hans Jürgen Becker und Peter Fröhlich tragen bunte Fliegen, wenn sie eine  Patientin besuchen

Industriekaufmann Hans Jürgen Becker (li.) und Sozialpädagoge Peter Frölich im Einsatz am Krankenbett:

Bad Kreuznach (epd). Ganz sacht öffnen die beiden älteren Herren mit den roten Nasen die Tür zum Krankenzimmer von Martha Vogel (Name geändert). Hans Jürgen Becker trägt zu seinem Matrosenhemd einen Sonnenhut, Peter Frölich hat knallgelbe Hosenträger über dem schwarzen T-Shirt und eine Fliege mit vielen bunten Flecken. „Warum sind Sie denn im Krankenhaus?“ wollen die beiden von der 77-jährigen Dame wissen. „Weiß ich auch nicht“, entgegnet die Patientin etwas ratlos. Die beiden Besucher stört das gar nicht, sie beginnen ein wenig herumzublödeln, erkundigen sich danach, was Frau Vogel gerne essen würde und als die Seniorin dann müde wird, gibt es sogar noch ein Gutenachtlied.

Als Clowns im Einsatz

Seit einigen Wochen kann man den gelernten Industriekaufmann Becker (64) und den Sozialpädagogen Frölich (65) regelmäßig auf Station fünf für Innere Medizin im Diakonie-Krankenhaus in Bad Kreuznach treffen. Immer zu zweit sind die beiden Rentner dort ehrenamtlich als Clowns im Einsatz, um demenzkranke Patienten aufzumuntern.

Anfang des Jahres startete in Rheinland-Pfalz ein landesweites Modellprojekt zum Einsatz sogenannter Geronto-Clowns – in zunächst 20 Krankenhäusern. Die Landeszentrale für Gesundheitsförderung hatte 40 Bewerber ausgewählt und ihnen in Workshops ein Grundwissen für die Einsätze mit Demenzkranken vermittelt. Ein ganzer Tag sei darauf verwendet worden, wie die erste Kontaktaufnahme zu den Patienten ablaufen soll, berichtet Peter Frölich.

Die wachsende Anzahl von Menschen mit Demenz stellt Kliniken bundesweit vor große Herausforderungen. Denn diese Patienten reagierten besonders anfällig, wenn sie aus ihrer gewohnten Umgebung herausgerissen werden, sagt Volker Dindorf, Pflegedienstleiter im Kreuznacher Diakonie-Krankenhaus. Manchmal gebe es 15 demente Patienten gleichzeitig in seiner Klinik: „Aktuell haben wir eine Frau, die die ganze Nacht über hinter der Nachtwache herläuft.“

Schlager aus den 50ern und täglich Pudding

Mit einem Maßnahmenbündel versucht die „kreuznacher Diakonie“, die Situation für alle Seiten erträglicher zu machen. So kommt die Klinik Patienten beim Speiseplan entgegen, erfüllt Sonderwünsche wie einen täglichen Pudding. Außerdem hat das Krankenhaus eine große CD-Sammlung mit Schlagern der 1950er und 1960er Jahre angeschafft.

Manchmal können auch die Geronto-Clowns Patienten und Klinikpersonal helfen. Eine alte Frau habe nichts mehr trinken wollen, weil sie glaubte, jemand wolle sie vergiften, berichtet Peter Frölich: „Wir haben uns selbst etwas eingeschenkt und ihr erklärt: ‚Sehen Sie, wir trinken das auch.‘“ Das habe die hochbetagte Patientin dann irgendwie überzeugt. Oft sei das Ziel ihrer Besuche aber einfach, die Leute zum Lächeln zu bringen: „Es geht darum, den Tag ein wenig aufzuhellen.“

Mit Intuition und Improvisation

Klinikclowns gehören schon seit teilweise mehr als 20 Jahren zum Alltag vieler deutscher Krankenhäuser – in erster Linie auf den Kinderstationen. Aber auch die Arbeit mit demenzkranken Patienten ist keine rheinland-pfälzische Erfindung. Der Dachverband Clowns in Medizin und Pflege Deutschland kennt aktuell bundesweit 18 Einrichtungen, in denen professionelle Clowns sich um Geriatrie-Patienten kümmern. „Wir begrüßen jede Initiative, die das Thema Humor in der Klinik in die öffentliche Diskussion bringt“, sagt Rainer Bormuth vom Vorstand des Verbandes über das Modellprojekt in Rheinland-Pfalz. Allerdings müssten alle, die diese anspruchsvolle Arbeit auf sich nehmen, professionell ausgebildet sein.

Auch Hans Jürgen Becker und Peter Frölich bereiten sich auf ihre Besuche vor, müssen aber trotzdem viel improvisieren. Und sie wissen schon vor Beginn ihres zweistündigen Krankenhausbesuches, dass sie es nicht schaffen werden, jeden Patienten aufzuheitern. Zwei Grundsätze habe die Ausbilder ihnen mitgegeben, sagt Frölich: „Verabschiedet euch von der Idee, dass immer alles klappt und verlasst euch auf eure Intuition.“

Tatsächlich spürt das Klinikpersonal die positiven Effekte auf die alten Leute mit Demenz. Pflegedienstleiter Dindorf geht davon aus, dass der Besuchsdienst der Geronto-Clowns fortgesetzt wird, auch wenn das Modellprojekt der Mainzer Landesregierung einmal endet.

Karsten Packeiser (epd)