Landeskirche rehabilitiert NS-verfolgten homosexuellen Pfarrer

Kirchenleitung der EKBO erklärt Entzug der Ordinationsrechte von 1943 als Unrecht an

Regenbogen-Armband am Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen in Berlin-Tiergarten. Im Hintergrund läuft ein Film mit einer Szene, in der sich zwei Männer küssen.

1942 wurde der seit 1935 an der Immanuelkirche diensthabende Pfarrer Friedrich Klein vom Reichskriegsgericht wegen Verführung eines 19 Jahre alten Mannes zu „widernatürlicher Unzucht“ zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Insgesamt wurden 3963 Männer im Jahr 1942 Opfer des dazu auch bei Klein angewandten §175.

Berlin (epd). Als bundesweit erste Kirche hat die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz hat erstmals einen von den Nationalsozialisten verfolgten homosexuellen Pfarrer rehabilitiert. In einem Gedenkgottesdienst am 1. September in der Berliner Immanuelkirche verlas der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), Christian Stäblein, eine Erklärung der Kirchenleitung, mit der das öffentliche Ansehen von Pfarrer Friedrich Heinrich Klein wiederhergestellt wurde. „Der Entzug der Ordinationsrechte von Pfarrer Friedrich Klein am 20. Januar 1943 durch das Konsistorium wird als Unrecht anerkannt und für nichtig erklärt“, heißt es in einem Beschluss der Kirchenleitung, der eine Woche zuvor in Berlin veröffentlicht wurde.

Der 1905 in Homburg (Saar) geborene Klein war in der Nazizeit Anfang 1943 als Pfarrer der Berliner Immanuel-Gemeinde wegen Homosexualität von dem damaligen kirchlichen Konsistorium der Mark Brandenburg entlassen worden. Die Kirchenleitung teilte ihm mit, er habe damit „den Anspruch auf sämtliche Dienstbezüge und auf Versorgung, sowie die Befugnis, die Amtsbezeichnung zu führen, und die Rechte des geistlichen Standes verloren“.

Aufarbeitung der Causa Friedrich Klein

Zuvor war der Pfarrer 1942 vom NS-Reichskriegsgericht wegen „Verführung eines 19 Jahre alten Mannes zu widernatürlicher Unzucht“ zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Zunächst saß er im sächsischen Torgau in Haft. Später wurde er auf Frontbewährung geschickt und gilt seit August 1944 als vermisst.

Auf das Schicksal Kleins war der heutige Gemeindepfarrer Mark Pockrandt im Jahr 2018 bei der Sichtung von alten Akten gestoßen. Der Gemeindekirchenrat (GKR) der Immanuel-Gemeinde im Prenzlauer Berg fordert daraufhin vom zuständigen Kirchenkreis Stadtmitte und der Landeskirche „die Aufarbeitung der Causa Friedrich Klein und die Rehabilitierung des unrechtmäßig Verurteilten“. Damit wolle die Gemeindeleitung erreichen, dass die Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) alle wegen ihrer sexuellen Orientierung aus dem Kirchdienst entfernten Mitarbeitenden rehabilitiert, hieß es.

Der Zeitpunkt der nun öffentlichen Rehabilitierung Kleins am 1. September ist kein zufällig gewähltes Datum. Vor 85 Jahren, am 1. September 1935, verschärften die Nazis den Paragrafen 175 Reichsstrafgesetzbuch. Er stellte seit 1872 sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe. Abgeschafft wurde er in der Bundesrepublik erst 1994.

Arbeitsgruppe soll Diskriminierung aufarbeiten

Mit der öffentlichen Erklärung der Kirchenleitung zu Klein sei nicht einfach „irgendetwas wieder gut“, betonte Bischof Stäblein in seiner Predigt. Die Rehabilitierung komme zu spät. „Ich sage es ganz vorsichtig: es ist ein Schritt auf dem Weg zur Umkehr“, sagte der Bischof. Auch nach 1945 habe sich die Diskriminierung fortgesetzt, „in Worten und Taten, öffentlich und hinter vorgehaltener Hand“. „Viel zu lange haben wir uns selbst beruhigt, haben das alles so hingenommen, haben es verdrängt, haben das schreiende Unrecht mit verantwortet, mit beschwiegen“, sagte Stäblein.

Die Landeskirche werde die Fälle von Diskriminierung nicht nur unter den Nazis aufarbeiten, kündigte der Bischof an. Dazu solle auch eine Arbeitsgruppe eingesetzt werden, die sich mit Diskriminierung wegen der sexuellen Identität bis heute befassen soll. Geplant ist unter anderem ein öffentliches Bußwort oder eine theologische Erklärung im Sommer 2021. Zudem soll für Betroffene in der Landeskirche eine Anlaufstelle geschaffen werden.