EKD-Friedensbeauftragter: „Wir brauchen starke internationale Organisationen“

Renke Brahms erinnert an Lehren aus dem Ende des Ersten Weltkrieges

EKD-Friedensbeuaftragter, Schriftführer Renke Brahms
Renke Brahms, Schriftführer der Bremischen Evangelischen Kirche, ist Friedensbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Bremen (epd). Das kommende Gedenkjahr zum Ende des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren erinnert nach Auffassung des kirchlichen Friedensbeauftragten Renke Brahms an zentrale Lehren für eine friedliche Weltordnung. „Nach dem Waffenstillstand am 11. November 1918 wurde keine Nachkriegsordnung mit starken internationalen Organisationen geschaffen – mit dramatischen Folgen“, sagte der leitende Bremer Theologe dem Evangelischen Pressedienst (epd). „So fehlten wichtige Instrumentarien, die hätten helfen können, den Zweiten Weltkrieg zu verhindern.“ Brahms ist seit knapp zehn Jahren Friedensbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Durch den Krieg wurden fast zehn Millionen Soldaten getötet, weitere 20 Millionen verwundet. Der Waffenstillstand beendete zwar den Krieg. Doch viele Menschen blieben ihr Leben lang an Körper und Seele gezeichnet. Wie nachhaltig auch politische Fehler aus der Zeit nach Ende des Ersten Weltkrieges wirkten, zeigten beispielsweise im Nahen Osten die Grenzen, die damals gezogen worden seien und zu Konflikten führten, mahnte Brahms. „Darunter leidet die Region heute noch.“

Entschärfung des Konfliktpotentials durch tragfähige Nachkriegsordnungen

Die Frage nach Entschärfung des Konfliktpotentials durch eine tragfähige Nachkriegsordnung stelle sich aktuell beispielsweise in Syrien, verdeutlichte der kirchliche Friedensexperte. Hilfreich könnten dort und auch in Afrika Prozesse sein, wie sie die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) angestoßen habe. „Sie hat geholfen, Konflikte zu lösen oder wenigstens einzudämmen und zeigt: Wir brauchen starke internationale Organisationen mit der Kraft zum deeskalierenden Handeln.“

Wichtig findet Brahms auch, in welcher Atmosphäre Konfliktparteien nach dem Ende eines Krieges miteinander verhandeln. Völker dürften nicht in Siegerpose gedemütigt werden. „Das war die Idee des Marshall-Planes, der wichtigsten befriedenden Aktion nach 1945.“ Das Beispiel zeige überdies, wie wichtig eine austarierte politische Nachsorge sei, die nach Ende des Ersten Weltkrieges gefehlt habe.

Auch die Kirchen hätten nach Kriegsende mit Blick auf den biblischen Auftrag zur friedlichen Konfliktlösung versagt, ergänzte Brahms. „So konnten sie auch nicht zur Versöhnungskraft werden und sich 1933 nicht dem Gift des wieder aufkommenden Nationalismus entziehen.“ Die wenigen kirchlichen Mahner seien mundtot gemacht worden. Aus dieser Schuld erwachse heute eine besondere Verantwortung Deutschlands für den Einsatz politischer, diplomatischer, ziviler und gewaltfreier Lösungsmechanismen in Krisen.

Dieter Sell (epd)