Für ein Leben in Würde. Die globale Bedrohung durch HIV/Aids und die Handlungsmöglichkeiten der Kirche

Eine Studie der Kammer der EKD für nachhaltige Entwicklung, EKD-Texte 91, 2007

3. Herausforderungen und Handlungsfelder

Wie im vorherigen Kapitel gezeigt, ist HIV/Aids zu einer globalen Bedrohung geworden, von der kein Land ausgenommen werden kann. Zwar gibt es deutliche Unterschiede der Betroffenheit in den einzelnen Ländern, die im 2. Kapitel dargestellt sind, gleichwohl sind die weltweiten Auswirkungen inzwischen überall spürbar.

3.1 Auswirkungen von HIV/Aids

HIV/Aids ist nicht nur eine Krankheit, sondern ein komplexes soziales Problem, das die Entwicklung in den betroffenen Ländern maßgeblich beeinflusst. Die Auswirkungen von HIV/Aids bedrohen die wirtschaftliche, soziale und politische Stabilität ganzer Länder und Regionen und sind auch deshalb eine globale Herausforderung.

HIV/Aids ist eine mit Armut verbundene Krankheit. Sie hat besonders starke Auswirkungen auf arme Menschen und Bevölkerungsgruppen in den Entwicklungs- wie Industrieländern. Armut bedeutet dabei nicht nur finanziellen Mangel, sondern zugleich Diskriminierung, fehlende Partizipation am politischen Leben, mangelnden Zugang zu Ressourcen (Information, Gesundheitsversorgung, Bildung), Missachtung und Verletzungen von Menschenrechten und Menschenwürde, fehlende Zukunftsperspektiven, Stigmatisierung und Diskriminierung. All dies fördert die Ausbreitung von HIV/Aids.

Durch chronische Erkrankung und Tod von Menschen in ihren produktivsten Jahren kommt es zu einem Teufelskreis: Armut schafft Krankheit und Krankheit vertieft Armut. Die direkten Kosten der Krankheit (Behandlung und Pflege) und die indirekten Kosten durch Verlust an Einkommen sind für private Haushalte in den armen Ländern enorm: Die Aids-Erkrankung im Endstadium verschlingt das gesamte Einkommen und nötigt zu dramatischer Verschuldung [10]. Das Solidarsystem der erweiterten Familie, das in den armen Ländern die soziale Sicherung leistet, ist überfordert und vielerorts bereits zusammengebrochen.

In Afrika südlich der Sahara ist die Ernährungssicherheit durch HIV/Aids gefährdet. Hungerkatastrophen werden zunehmend durch HIV/Aids mitverursacht bzw. verschlimmert. Auch hier besteht ein Teufelskreis: Mit dem Tod von Menschen geht auch Wissen verloren, wird unter Umständen weniger Land bebaut. Ist der Ertrag geringer, steht auch weniger Geld für die Gesundheitsversorgung zur Verfügung, was wiederum zum Ausfall und Verlust von Arbeitskräften führen kann.

Auch der industrielle Sektor und der öffentliche Dienst sind betroffen. Viele arme Länder sind in wichtigen Bereichen von einer kleinen Zahl von hochqualifizierten Fachleuten abhängig. In den am stärksten betroffenen Ländern stirbt eine große Zahl dieser gut ausgebildeten Menschen.

Es sterben z. B. in einigen Ländern mehr Lehrer und Lehrerinnen, als neu ausgebildet werden, so dass die Bildungschancen ganzer Generationen eingeschränkt werden. Vor allem für Mädchen wird dadurch die Aussicht auf Unabhängigkeit im Erwachsenenleben verhindert. Dies zieht wiederum eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes weiter Bevölkerungskreise nach sich, da die Gesundheit der Familien wesentlich vom Bildungsstand der Frauen abhängig ist.

Das in den Entwicklungsländern meist schwache Gesundheitssystem wird durch den Tod von ausgebildeten Ärztinnen und Ärzten und Krankenschwestern weiter geschwächt, bei gleichzeitig erhöhter Inanspruchnahme durch die hohe Zahl der Patienten und Patientinnen mit HIV und Aids.

Die negativen sozialen und wirtschaftlichen Folgen fördern ihrerseits die weitere Verbreitung von HIV/Aids durch Zunahme der Armut und durch die Verletzlichkeit ganzer Bevölkerungsgruppen. Damit wird nachhaltige Entwicklung verhindert und werden bisherige Entwicklungsfortschritte zunichte gemacht. Es kommt zur kumulativen Schwächung der Gemeinschaften und Staaten durch Tod, Krankheit, Verwaisung von Kindern und Verlust des informellen und formellen Wissens. Die Auswirkungen von Aids sind für das wirtschaftliche und soziale Gefüge von Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen und hohen Infektionsraten katastrophal. Aber auch in Ländern mit geringerer HIV-Rate sind die Auswirkungen auf einige Aspekte der Entwicklung gravierend. Z. B. wird geschätzt, dass Aids die Armutsreduktion in Kambodscha bis 2015 jedes Jahr um 60% verringern wird. Auch in Osteuropa und Russland behindert die Epidemie die Aussichten auf menschliche Entwicklung und ökonomisches Wachstum.

HIV/Aids hat deshalb auch gravierende Auswirkungen auf das Erreichen der im Jahr 2000 auf dem Millenniums-Gipfel der Vereinten Nationen beschlossenen Millenniums-Entwicklungs-Ziele* (engl. Millennium Development Goals, MDG) [11]. Eines der Ziele, auf deren Erreichung bis zum Jahr 2015 sich die Staats- und Regierungschefs verpflichteten, ist die Eindämmung der HIV/Aids-Epidemie. Speziell in den am wenigsten entwickelten Ländern (engl. least developed countries) ist es unwahrscheinlich, dass die Ziele erreicht werden, wie der Anfang des Jahres 2005 dem UN-Generalsekretär vorgelegte Zwischenbericht ausweist [12]. Bedingt vor allem durch die HIV/Aids-Epidemie hat sich in Afrika die Situation gegenüber dem Jahr 2000 sogar verschlechtert. Das Erreichen der anderen Millenniums-Ziele (Armutsreduzierung, Senkung der Kindersterblichkeit, verbesserter Zugang zu Bildung, Gender-Gerechtigkeit*, erhöhte Müttergesundheit und die Bekämpfung der Hauptinfektionskrankheiten) wird durch HIV/Aids unterminiert. Die bereits bestehenden Ansätze zur Bekämpfung von HIV/Aids werden vor allem durch den Mangel an Gesundheitseinrichtungen und -personal an ihrer weiteren Entfaltung gehindert [13]. In den Resolutionen des UN-Weltgipfels vom September 2005 verpflichtet sich die Weltgemeinschaft daher, die Investitionen zur Verbesserung der Gesundheitssysteme in den betroffenen Ländern zu erhöhen, um die Millenniums-Entwicklungsziele doch noch bis 2015 zu erreichen. Auch sollen alle in der Verpflichtungserklärung zu HIV/Aids festgelegten Verpflichtungen vollständig umgesetzt werden [14].

Auch die Kirchengemeinden sind durch HIV/Aids in ihrer täglichen Arbeit betroffen: Geistliche sterben an HIV/Aids; die Gemeinden verlieren Mitglieder, verarmen und können die Versorgung der zurückbleibenden Waisen und der chronisch Kranken nicht bewältigen; und Pfarrerinnen und Pfarrer können zusätzliche Belastungen durch Seelsorge und Beerdigungen kaum noch tragen.

Die Kirchengemeinden in Europa sind zwar nicht so massiv betroffen, aber auch in ihrer Mitte leben und arbeiten Menschen, die mit HIV/Aids leben.

3.2 Frauen und Gender-Gerechtigkeit

Obwohl die Gleichstellung von Männern und Frauen rechtlich vielfach verankert wurde, klafft bis heute überall auf der Welt zwischen gleichstellungspolitischen Zielen und gesellschaftlichen Realitäten eine große Lücke. In der Entwicklungspolitik versucht man heute, diesem Trend durch „Gender Mainstreaming"* entgegenzutreten, also die Geschlechterfrage immer mit zu bedenken, um das Ziel der Gleichstellung zu erreichen. Gender* hat sich als Fachbegriff für geschlechterspezifische soziale Rolle auch im deutschsprachigen Raum etabliert. Gegenwärtige Forschung geht davon aus, dass „Gender“ immer soziale, kulturelle, politische und biologische Komponenten umfasst, die sich verändern können.

Die Genderperspektive schärft auch den Blick auf die Aids-Problematik. Aids betrifft zwar Männer und Frauen, aber nicht in gleicher Weise, da mit den zugeordneten Rollen Unterschiede im Blick auf Macht, Privilegien, Zugang zu Ressourcen u. a. verbunden sind. Der größte Teil der HIV/Aids-Arbeit wird von Frauen geleistet: als Ehrenamtliche in der häuslichen Krankenpflege; als Mütter und Großmütter in der Versorgung von Waisen. Frauen leisten Schwerstarbeit, um sich und ihre Familien unter den Bedingungen der Armut und der Aids-Epidemie zu ernähren. Vielen Frauen ist es gelungen, durch die Annahme ihres positiven HIV-Status* zu neuer Kraft und Stärke zu gelangen; sie sind in Gemeinden und in Netzwerken von Frauen, die mit HIV leben, aktiv.

Frauen sind in vielen Ländern ökonomisch, rechtlich und auch aufgrund eines niedrigeren Bildungsniveaus abhängig von Männern. Nicht nur biologische Gründe, sondern auch die Unterdrückung und mangelnde Anerkennung der Rechte und der Würde von Frauen tragen dazu bei, dass diese überproportional und in vielfältiger Weise von HIV/Aids betroffen und belastet sind. Diese strukturellen Ursachen machen sie – in Verbindung mit der Ausnutzung dieser Situation und verantwortungslosem Verhalten der Männer – verletzlicher für eine HIV-Infektion und für die Folgen der Epidemie. Ihre mangelnde Selbstbestimmung hat auch Folgen für ihre Sexualität: In welcher Form und unter welchen Bedingungen Sexualverkehr stattfindet, hängt in vielen Ländern kaum oder gar nicht von der Entscheidung der Frau ab.

In Afrika haben junge Mädchen das höchste Risiko für eine HIV-Infektion, da viele von ihnen mit wesentlich älteren Männern verheiratet werden. Frauen und Mädchen wissen wenig über Sexualität; es schickt sich nicht, darüber zu sprechen oder Entscheidungen zu treffen. Vielerorts herrscht auch die Vorstellung, dass der Körper einer Frau ihrem Mann „gehört“, dass Frauen sich in der Ehe (oder auch außerhalb) nicht verweigern dürfen. Über Verhütung zu sprechen bzw. darauf zu bestehen, ist für viele Frauen undenkbar; es gilt als Zeichen von ehelicher Untreue und Nicht-Erfüllung der weiblichen Rolle als Gebärerin.

Frauen, die gezwungen sind, sich zu verkaufen, sind besonders von Stigmatisierung betroffen. Häufig werden sie beschuldigt, „Verursacherinnen“ von Aids zu sein. Sie werden auch von und in manchen Kirchen gemieden und diskriminiert. Ebenso erfahren Frauen stärker Stigmatisierung, wenn sie HIV-positiv oder als Witwen von HIV/Aids betroffen sind. Man wirft ihnen vor, HIV in die Familie gebracht zu haben. Mädchen und Frauen sind durch Missbrauch und Gewaltanwendung einem erhöhten Risiko ausgesetzt, infiziert zu werden. Sie erfahren Gewalt durch genitale Verstümmelung, innerfamiliäre Übergriffe, sexuelle Ausbeutung, Zwangsprostitution und – oft gezielt – durch Vergewaltigung bei bewaffneten Auseinandersetzungen und in Kriegssituationen.

In vielen Ländern machen Frauen bis zu 40% der Drogenabhängigen aus. Zu ihrem Risiko, sich durch das gemeinsame Benutzen von Injektionsbesteck zu infizieren, kommt das HIV-Risiko durch Prostitution, mit der sie Geld für den Drogenkonsum erwerben. Zudem werden Frauen häufig durch die noch immer weit verbreitete Annahme, dass Drogenabhängige männlich seien, nicht in HIV-Präventions- und andere Programme eingeschlossen.

Frauen verarmen eher als Männer, wenn HIV/Aids durch Krankheit und Tod die Familie trifft, und sie werden nach dem Tod des Mannes oft ihrer Rechte auf Land und Erbe beraubt.

In der bisherigen Diskussion um Gender und HIV/Aids war häufig die „Stärkung und Förderung“ von Frauen, die ihre größere Verletzlichkeit für HIV verändern sollte, das vorrangige oder einzige Ziel. Aber es geht auch um die Änderung von patriarchalen Strukturen, die Frauen benachteiligen und Männern Macht geben. Es muss eine Änderung des Bewusstseins und Verhaltens von Männern angestrebt werden. Gefordert ist eine verantwortliche Haltung der Männer, Frauen nicht dem Risiko der HIV-Infektion auszusetzen. Dazu gehört die Verwendung von Kondomen sowie der Verzicht auf Promiskuität* und die Bekämpfung von sexueller Gewalt.

Kirchen in Afrika wollen diese Aspekte in ihrer Aids Arbeit berücksichtigen: „Wir verkündigen und agieren aus der Erkenntnis, dass der Herr unser Gott die Menschheit nach seinem Bild geschaffen hat. In seinem Bild schuf er sie männlich und weiblich, er machte sie eins in Christus. Daher schwören wir der Gender-Ungleichheit ab, die Männer und Jungen zu risikoreichem Verhalten, zu Dominanz und Gewalt verleitet; die Mädchen und Frauen Leitungsverantwortung, Entscheidungsbefugnisse und Eigentumsrechte versagt ....“ [15]

In den Resolutionen des UN-Weltgipfels vom September 2005 beschloss die Weltgemeinschaft, die Geschlechtergleichheit zu fördern und der alle Bereiche umfassenden geschlechtsspezifischen Diskriminierung ein Ende zu setzen. Die Mitgliedsstaaten verpflichten sich, die durchgängige Integration der Geschlechterperspektive in die Konzeption, Durchführung, Überwachung und Evaluierung von Politiken und Programmen in allen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bereichen aktiv zu fördern. Die Staaten verpflichten sich außerdem, die Bemühungen der Vereinten Nationen auf dem Gebiet der Geschlechterfragen zu stärken. Sie erklären, dass Fortschritte für Frauen Fortschritte für alle sind [16].

3.3 Behandlung, Pflege und Prävention

3.3.1 Zugang zu antiretroviralen Medikamenten

Ob Menschen antiretrovirale, d. h. lebensverlängernde Behandlung erhielten, war jahrelang davon abhängig, ob sie in einem reichen oder armen Land lebten und ob sie die Therapie bezahlen konnten. Dadurch war der Zugang von Personen in armen Ländern zu antiretroviraler Behandlung bis vor Kurzem äußerst gering.

Die ungünstigsten Verhältnisse bestanden in Afrika. Hier hatten bis zum Jahr 2003 nur 1% aller Menschen, die antiretrovirale Medikamente benötigten, tatsächlich Zugang dazu. Insgesamt erhielten nur 400.000 von den 6 Millionen aidskranken Menschen in den Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen die erforderliche Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten.

Ursachen für die geringe Zahl der Behandelten waren und sind die Preispolitik der multinationalen Herstellerfirmen der Medikamente sowie internationale Handelsabkommen, die Patentschutz auch für lebensnotwendige Medikamente garantieren und so eine Konkurrenz durch nicht-patentierte Medikamente verhindern, und mangelnde Infrastruktur und geringer Ausbildungsstand der Mitarbeitenden im Gesundheitswesen (mangelnde Investitionen, Abwanderung qualifizierter Mitarbeiter).

Ein weiterer Grund für den fehlenden Zugang zu lebenserhaltender Behandlung war auch das mangelnde Engagement der Regierungen und der Zivilgesellschaft, auch der Kirchen. Nationale und internationale Bemühungen in der Aids-Bekämpfung waren in den armen Ländern jahrelang überwiegend auf die Prävention von HIV ausgerichtet, da der Zugang zu adäquater Behandlung außer Reichweite schien. Das hatte das Sterben von Millionen Menschen an Aids zur Folge und hat dadurch auch die HIV-Prävention geschwächt.

In den letzten Jahren ist jedoch aufgrund des Engagements vieler Akteure in aller Welt ein Umdenken entstanden. Die Frage des mangelnden Zugangs zur Behandlung für Millionen HIV-infizierter Menschen wurde als ethische Herausforderung angenommen. Zugleich kam die gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Zugangs zur Behandlung für die Erhaltung von Arbeitskraft, Fachwissen, Bildung, Gesundheit sowie für Good Governance* und nachhaltige Entwicklung in den von HIV betroffenen Entwicklungsländern mehr und mehr in den Blick. In wieweit dieser Wandel reicht und wie belastbar er ist, ist offen. In vielen Ländern sind alte Vorurteile nur notdürftig durch das Bekenntnis zur Aids-Bekämpfung überdeckt, aber nicht überwunden worden.

Internationale Lobbyarbeit – auch die der Kirchen – und die Konkurrenz durch Generika* veranlassten die Hersteller von antiretroviralen Medikamenten, die Preise der Medikamente für die ärmsten Länder erheblich zu senken. Dieses reicht allerdings immer noch nicht aus, um die Menschen in den armen Ländern adäquat mit Medikamenten versorgen zu können. Vor allem die Preise für die Folgetherapie – die bei Resistenzen* gegen die Einstiegstherapie notwendig wird – liegen bei mehreren Tausend Euro pro Jahr und sind damit wesentlich zu hoch. Erheblicher Handlungsbedarf besteht außerdem für die Länder Osteuropas und der Russischen Föderation, die als EU-Länder bzw. Länder mit mittlerem Einkommen nicht unter die gewährten Vergünstigungen fallen.

Ende 2003 wurde auf der UN-Generalversammlung HIV/Aids zu einem „Globalen Gesundheitsnotstand“ erklärt. Durch den Globalen Fonds* und andere Finanzierungsinstrumente sowie durch die 2003 von UNAIDS und der Weltgesundheitsorganisation gestartete Initiative „3x5“ [17] ist es gelungen, die Zahl der Menschen mit Aids-Therapie in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen auf etwa 2 Millionen Ende des Jahres 2006 zu erhöhen. Dieses ist ein erster Schritt; das ursprüngliche Ziel von 3 Millionen bis Ende 2005 wurde nicht erreicht. Es zeichnet sich jedoch eine schnelle Zunahme der Behandlungen ab. Dennoch wird das Ziel, bis zum Jahr 2010 6 oder gar 9 Millionen Personen einer Behandlung zuzuführen, nur bei weiter wachsenden Anstrengungen zu erreichen sein.

In Afrika haben inzwischen die meisten Länder „nationale Behandlungspläne“ ausgearbeitet. Meistens übersteigt die Nachfrage nach Behandlung die Kapazitäten jedoch bei weitem, doch hat sich zwischen 2003 und 2005 die Situation erheblich verbessert. Hatten 2003 nur 1% aller Aids-Kranken Zugang zu antiretroviralen Medikamenten, so haben in der Zwischenzeit immerhin 10% die Möglichkeit dieser lebensrettenden Behandlung. Alle Behandlungsinitiativen beinhalten, Gesundheitspersonal in der Verschreibung und Überwachung von antiretroviraler Therapie auszubilden und die nötige Infrastruktur zu schaffen, die für die flächendeckende Durchführung der Programme notwendig ist. Die Erfahrung in Brasilien – als Land mit mittlerem Einkommen – belegt, dass es mit frühzeitiger „antiretroviraler Behandlung für alle“ gelingen kann, die Kosten für HIV/Aids zu senken und die Neuinfektionen einzudämmen. Diese Erfahrung zeigt, dass mit der Durchführung der Behandlung von Beginn einer Epidemie an begonnen werden sollte. Die Folgekosten sind umso höher, je mehr Menschen schon an HIV/Aids erkrankt und gestorben sind. In den bisher in Entwicklungsländern durchgeführten Programmen konnte, ähnlich den Ergebnissen in den industrialisierten Ländern, eine deutliche Senkung der Sterblichkeit an HIV/Aids erreicht werden. In Uganda z.B., wo mehr als ein Drittel der Aids-Kranken antiretrovirale Medikamente erhalten, waren mehr als 90% der Patientinnen und Patienten nach 15 Monaten mit antiretroviraler Therapie noch am Leben, während von Aids-Kranken ohne Therapie nur 50% diesen Zeitraum überlebten.

Von der Verbesserung der Infrastruktur für die antiretrovirale Behandlung profitiert der gesamte Gesundheitssektor, da sie auch der Prävention und Behandlung anderer Krankheiten zugute kommt. Kirchen stellen in vielen Ländern Afrikas bis zu 60% der nationalen Gesundheitsversorgung. Deshalb spielen kirchliche Gesundheitseinrichtungen auch eine besondere Rolle in der antiretroviralen Therapie. Hier leisten Kirchen, z.B. in Kenia, Uganda, Sambia und Indien, Entscheidendes in der Ausbildung von Personal, in der Durchführung von Programmen und in der Unterstützung der Gemeinschaften.

Unregelmäßigkeiten bei der Medikamenteneinnahme oder gar Therapieabbrüche führen zu „Resistenzen“, das heißt zur teilweisen oder gänzlichen Unwirksamkeit der Präparate mit schwerwiegenden Folgen durch Verringerung der Therapieoptionen. Dies ist unter den jetzigen Bedingungen, unter denen nur die Medikamente der Einstiegstherapie relativ günstig geworden sind, besonders schwerwiegend. Für Präparate der Folgetherapie und alle neu entwickelten antiretroviralen Medikamente gilt Patentschutz, es gibt also noch keine Konkurrenz durch billigere Generika. Zugleich verweigern pharmazeutische Konzerne deutliche Preisreduktionen. Deshalb fordern Anti-Aids-Aktivisten, Kirchen sowie das deutsche Aktionsbündnis gegen Aids von den großen Pharmakonzernen, auf die Durchsetzung ihrer Patente in den armen Ländern vollständig zu verzichten und erschwingliche Preise auch für neu entwickelte und zukünftig zu entwickelnde Medikamente zu garantieren. Ein zügiger und flächendeckender Ausbau der Behandlungsprogramme wäre ein wesentlicher Beitrag zur Aids-Bekämpfung, durch den auch das Auftreten von Resistenzen vermindert werden könnte.

Die aktive Beteiligung der Menschen mit HIV und Aids, der Gemeinden und der Zivilgesellschaft ist unabdingbar für den Erfolg von Therapieprogrammen, da die antiretrovirale Therapie erhebliche Anforderungen stellt: Die Medikamente müssen lebenslang, regelmäßig und täglich eingenommen werden. Personen, die therapiert werden, brauchen die Unterstützung durch ihre Familie und Gemeinde. Sie bedürfen einer Aufklärung über die Nebenwirkungen und die konkreten Modalitäten der Therapie. Eine falsch verstandene Sicherheit muss vermieden werden. Diese „Treatment Literacy“* (dt. etwa Behandlungskenntnisse) wird von vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen gefördert, vielerorts auch von Kirchen.

Eine besondere Herausforderung bildet der Zugang benachteiligter Bevölkerungsgruppen (Frauen, Kinder, Menschen in ländlichen Gebieten, Prostituierte, Gefängnisinsassen, Drogenabhängige, homosexuelle Männer u. a.) zu antiretroviraler Therapie. Damit Behandlungsprogramme nicht schon bestehende Ungerechtigkeiten verstärken, muss allen Erkrankten die Behandlung ermöglicht werden. Ein Sechstel aller Gestorbenen sind Kinder. Sie wurden jedoch in den Behandlungsprogrammen bisher nicht adäquat berücksichtigt, weil Medikamente in kindergerechten Dosierungen nur ungenügend zur Verfügung stehen und der Preis dieser Medikamente sehr hoch ist. Die Forschung an kindergerechten Medikamenten ist jahrelang nur schleppend verlaufen, da in den reichen Ländern für diese Medikamente aufgrund der relativ niedrigen Zahl der HIV-infizierten Kinder kaum ein profitabler Markt besteht, der Anreiz für privatwirtschaftliche Entwicklung spezifisch kindergerechter Medikamente bietet. Diese Medikamente sind jedoch dringend notwendig, um das Leben von Millionen von Kindern zu retten. Immerhin sind zwischen 2005 und 2006 die Preise für kindergerechte Medikamente erstmalig gesunken und kosten nur noch rund 12 Cent pro Tag bzw. 47 Euro jährlich [18]

Antiretrovirale Behandlung ist auch für die HIV-Prävention entscheidend. Durch Senkung der Infektiosität verringert sich das Risiko einer HIV-Übertragung. Außerdem bewirkt die Behandlung, dass Aids kein „Todesurteil“ mehr bedeutet. Dies wiederum setzt bei vielen Menschen Hoffnung und Kraft frei, sich mit der HIV-Infektion auseinander zu setzen und offen damit umzugehen. So ist der Bedarf an HIV-Tests in vielen Behandlungsprogrammen sprunghaft gestiegen, und es kommt zu einem Abbau der Stigmatisierung. Zahlreiche Beispiele aus Kirchengemeinden zeigen, wie Menschen mit HIV und Aids, die dem Tod nahe waren, durch antiretrovirale Therapie wieder ins Leben zurückkehren, ein bewegendes Zeugnis von ihrem Schicksal geben und so die Stigmatisierung reduzieren.

Ein Beispiel eines solchen Programms ist das „Masangane“-Projekt, das 1996 von der Moravian Church im Ostkap Südafrikas ins Leben gerufen wurde und im Wesentlichen von ehrenamtlichen Gemeindegliedern getragen wird. Der Schwerpunkt von Masangane lag zunächst auf der Präventionsarbeit und der Verbesserung der Lebensumstände von Jugendlichen. 2002 führte Masangane die antiretrovirale Therapie ein. Damit konnte gezeigt werden, dass die Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten nicht ausschließlich an große Gesundheitseinrichtungen gebunden sein muss, sondern auch in der Verantwortung einer Gemeinde und in einer ländlich geprägten Gegend möglich ist. Das Schweigen konnte gebrochen werden, und dadurch ist es heute möglich, dass von HIV/Aids betroffene Frauen, Männer und Jugendliche offen im Sonntagsgottesdienst der Gemeinden über ihr Leben und ihre Erfahrungen berichten [19].

Insgesamt gesehen ist erst der Anfang einer quantitativ und qualitativ signifikanten Aids-Behandlung der Menschen in den armen Ländern gemacht. Die beschriebenen Herausforderungen machen für die Zukunft ein verstärktes Engagement aller Beteiligten notwendig.

3.3.2 Pflege

Die Einführung der antiretroviralen Kombinationstherapie hat zu einer signifikanten Verlängerung der symptomfreien bzw. -armen Krankheitsphasen in der Lebenszeit von Menschen mit Aids geführt. Vom Zugang zu diesem medizinischen Fortschritt profitieren zurzeit vor allem die Aids-Kranken in den reichen Industrieländern, für die sich durch die Kombinationstherapie deutlich bessere Lebensperspektiven entwickeln. Trotzdem spielt sowohl die häusliche, ambulante als auch die stationäre Pflege in der Versorgung von Menschen mit HIV/Aids weiterhin eine große Rolle.

In den Entwicklungsländern erhält nur ein Bruchteil der Menschen mit HIV und Aids eine essenzielle medizinische Versorgung, psychosoziale Unterstützung und die oft notwendige Nahrungshilfe. Im Bereich der Pflege von HIV-Betroffenen erfüllen Kirchen und ihre Organisationen wichtige Aufgaben. Sie kümmern sich um chronisch Kranke in Programmen der häuslichen Krankenpflege und um Waisen und andere gefährdete Kinder, denen sie materielle und soziale Unterstützung zukommen lassen. Der überwiegende Teil dieser Arbeit ist bisher von Ehrenamtlichen getragen worden, ohne dass dies immer anerkannt worden wäre und sich in einer entsprechenden Wertschätzung und Unterstützung ausgedrückt hätte. Diese ehrenamtliche Arbeit wird fast ausschließlich von Frauen geleistet. Sie bezieht sich sowohl auf die pflegerische Arbeit von Müttern, Ehefrauen und anderen weiblichen Mitgliedern für kranke Familienmitglieder, als auch auf die Mitarbeit in den ehrenamtlichen Hauspflegeprogrammen (home-care-projects), die viele Kirchen in Afrika anbieten. Dafür fehlt es meistens nicht nur an der angemessenen Wertschätzung und Unterstützung (z.B. durch Übernahme der Sachkosten), es wird oft auch nicht wahrgenommen, wie viel Zeit und Kraftaufwand für die Frauen entsteht bzw. ungefragt erwartet wird – Zeit und Kraft, die ihnen für ihre eigene (auch wirtschaftliche) Entwicklung fehlt.

Zu dieser häuslichen Pflege gibt es in den meisten Ländern Afrikas keine Alternative, da die Pflege durch Fachkräfte nicht bezahlbar wäre. Umso wichtiger ist eine angemessene Würdigung der ehrenamtlichen Arbeit in der häuslichen Pflege und mehr Anstrengungen, die Pflegenden angemessen zu begleiten und z.B. durch den Aufbau von Netzwerken oder durch eine gerechtere Teilung der Pflegearbeit zwischen Männern und Frauen zu entlasten. Die Auseinandersetzung mit der spezifischen Betreuungssituation erfordert eine besondere Sensibilität und Herangehensweise, denn sie ist Pflege in besonderen Spannungsfeldern:

  • zwischen Selbstbestimmung und Fremdbestimmung der zu Pflegenden;
  • zwischen den Lebenskulturen von Aids-Kranken und Pflegenden;
  • zwischen kurz- und langfristiger Lebensplanung;
  • zwischen Phasen der Krankheitsverdrängung und -akzeptanz;
  • zwischen Pflegenden und anderen an der Betreuung Beteiligten.

Menschen mit HIV/Aids, die ein umfassendes Wissen über ihre Erkrankung und deren Therapie haben, sind weniger angepasst, selbstbewusster, individueller und verletzlicher als viele andere Patienten. Von den Pflegenden erfordert diese Situation u. a. die Auseinandersetzung mit der sexuellen Orientierung der Kranken oder mit der Lebensweise von Drogenabhängigen. Die Bereitschaft, sich offen dieser Herausforderung zu stellen, birgt auch die Chance der Begegnung, des Hinzulernens und des toleranten Umgangs. Sie kann dazu führen, den eigenen Pflegealltag und die gängigen Pflegekonzepte zu hinterfragen und zu verändern.

3.3.3 HIV-Prävention

Behandlung und Prävention gehören zusammen: Sie bedingen und verstärken sich gegenseitig. Deshalb darf Prävention nicht auf Kosten der Behandlung eingeschränkt und Behandlung nicht zugunsten von Prävention vernachlässigt werden. Beides muss energisch verstärkt und durch entsprechende finanzielle Mittel möglich gemacht werden. Nur so kann die geschätzte Zahl von 4 Millionen Neuinfektionen und 3 Millionen Todesopfern pro Jahr gesenkt werden.

Präventionsmaßnahmen sind nicht flächendeckend ausgebaut und erreichen bisher nicht alle Menschen. Daher ist eine wesentliche Forderung, dass der „universelle Zugang“ zu Prävention erreicht wird, dass alle Menschen adäquate Informationen und die entsprechenden Mittel erhalten, diese Informationen auch in ihrem Leben umzusetzen, um neue HIV-Infektionen zu vermeiden. Im Allgemeinen sind Frauen weniger gut über HIV informiert als Männer; die Landbevölkerung weiß in der Regel schlechter Bescheid als die Stadtbewohner.

Folgende Faktoren beeinflussen die Wirksamkeit von Präventionsprogrammen:

  • der allgemeine Bildungsstand der Bevölkerungsschichten und ihr Zugang zu Informationen über HIV/Aids und psycho-sozialer Beratung,
  • Ausmaß von Gender-Gerechtigkeit und Armutsreduzierung,
  • der Schutz von Menschenrechten im Alltag wie in besonderen Kriegs- und Bürgerkriegssituationen,
  • der Abbau von Marginalisierung* und Stigmatisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen (Prostituierte, Drogenabhängige, Homosexuelle).
  • m Bereich der Kirchen ist zudem von besonderer Bedeutung, in welcher Weise die mit HIV/Aids verbundenen Themen theologisch verarbeitet werden und Ausdruck finden in Verkündigung und Seelsorge, diakonischer Praxis und gemeindlichem Leben sowie in öffentlichen Haltungen und Äußerungen der Kirchen und ihrer Amtsträger.

An der Verbesserung dieser Rahmenbedingungen muss intensiv und kontinuierlich gearbeitet werden. Gleichzeitig ist entscheidend, dass weitere HIV-Infektionen verhindert werden und bei Menschen mit HIV-positivem Status der Ausbruch der Aids-Krankheit verlangsamt wird. Dazu muss die unmittelbare Präventionsarbeit qualifiziert, intensiviert und ausgeweitet werden, um deutliche und nachhaltige Fortschritte im Blick auf die dringend notwendigen Verhaltensänderungen zu erzielen.

Viele afrikanische Kulturen leben aus einer starken Gemeinschaftsorientierung („Ich bin, weil ich Teil der Gemeinschaft bin“). Das ist bei der Präventionsarbeit zu berücksichtigen. Hier liegen besondere Chancen: Die Gemeinschaft übernimmt besondere Verantwortung für die von HIV/Aids Betroffenen. Zugleich gibt es spezifische Gefahren im Blick auf besonders verletzliche Gruppen innerhalb der Gemeinschaft und im Blick auf die Möglichkeit selbstverantworteten Umgangs mit Sexualität. Dies stellt hohe Anforderungen an die Präventionsarbeit.

Allgemeine Informations- und Aufklärungskampagnen reichen zur Prävention nicht aus. Denn Information allein führt nicht zur Verhaltensänderung. Deswegen hat sich der Präventionsansatz Voluntary Councelling and Testing* (VCT, deutsch: Frei-willige Beratung und HIV-Tests) das Ziel zu eigen gemacht, Menschen zu einer nachhaltigen Verhaltensänderung zu befähigen: Er vermittelt Wissen und persönliche Kompetenz, die es den Menschen ermöglichen, mit ihrem jeweiligen negativen oder positiven HIV-Status verantwortlich umzugehen. Präventionsarbeit zielt dabei nicht nur auf die akute Aids-Phase.

Zur Aids-Prävention gehören auch die drei sog. „ABC-Strategien“ – auch „Präventions-ABC“ genannt. In der Fachdiskussion [20] werden folgende Bedeutungen unterschieden:

  1. für HIV-negativ getestete Menschen: Abstain – Be faithfull – Condomise: Sei enthaltsam bzw. bleibe einem Partner treu. Wenn du beides nicht kannst, benutze Kondome. Hier gilt es zu beachten, dass Frauen keine Kontrolle über diese Methoden haben, wenn sich ihre männlichen Partner nicht danach richten.
  2. für HIV-positiv getestete Menschen gilt zusätzlich zu Enthaltsamkeit, Treue und Kondombenutzung: Acknowlegde – Belong – Competence: Akzeptiere, dass du infiziert bist, gehe zu Selbsthilfe- und Unterstützungsgruppen, erwirb Kompetenz im Blick auf Krankheitsbild und -verlauf, auf die notwendigen Tests und auf Fragen von Ernährung und Lebensführung.
  3. für Menschen mit Aids kommt als entscheidende Dimension hinzu: ARV (= antiretrovirale Medikamente) – Belief – Care: Achte auf die richtige Einnahme antiretroviraler Medikamente, betrachte deine Glaubensüberzeugungen, d. h. setze dich mit deinem Leben und Sterben auseinander und sorge für Zugang zu angemessener Pflege.

Es wird für die Präventionsarbeit in den kommenden Jahren entscheidend sein, wie weit es gelingt, den Übergang zu schaffen von allgemeiner Präventionsinformation zur Vermittlung und Aneignung verhaltensändernder persönlicher Kompetenz im Umgang mit den verschiedenen Dimensionen des Präventions-ABCs. Der dazu erforderliche Präventionsansatz mit freiwilligem Beraten und Testen (VCT) ist allerdings vielfach allenfalls in Ansätzen verbreitet.

Hier tragen die Kirchen besondere Verantwortung. Immer mehr Kirchen integrieren die weltweit anerkannte und angewandte „ABC-Strategie“ in ihre HIV-Prävention. Allerdings ist in zahlreichen Kirchen die Verwendung von Kondomen weiterhin umstritten. Einzelne, z. T. große Kirchen propagieren nur Enthaltsamkeit und Treue, aber nicht die Benutzung von Kondomen. Die Strategie des „Safer sex“* (dt. geschützter Sexualverkehr) beruht jedoch wesentlich auf dem regelmäßigen und korrekten Gebrauch von Kondomen. In vielen Ländern (besonders in Nordamerika und Europa, aber auch in Thailand) gelang es, mit Hilfe umfangreicher Kampagnen zur Förderung des Kondomgebrauchs die HIV-Übertragungsraten zu reduzieren.

In vielen Ländern bestehen jedoch religiöse und kulturelle Vorbehalte gegen eine zu starke Propagierung des Kondomgebrauchs. Manchmal wird von kirchlicher Seite argumentiert, dass die Propagierung von Kondomen die Promiskuität insgesamt erhöhen könnte und daher moralisch nicht zu vertreten sei. Außerdem verhindern sie die Fortpflanzung. Kinder zu haben sei jedoch für die meisten Menschen in Entwicklungsländern eine existenzielle Frage. Kondome sind zudem in der Vorstellung vieler Menschen mit Prostitution und außerehelichen und vorehelichen Sexualbeziehungen verbunden und werden daher nicht akzeptiert. Manche Männer sind davon überzeugt, dass nur ungeschützter Verkehr ihnen wirklich Vergnügen bereitet. Auch der Zugang zu Kondomen und das Wissen über den korrekten Gebrauch sind nicht überall vorauszusetzen.

Viele junge Frauen und Männer können in dieser Lebensphase nur bedingt selbst über ihre Sexualität bestimmen. Daher bleiben Kampagnen, die den Schutz vor HIV/Aids durch Enthaltsamkeit in den Mittelpunkt stellen und nicht die Lebensverhältnisse der jungen Menschen berücksichtigen, oft hinter den in sie gesteckten Erwartungen zurück. Hier kommt der Jugendaufklärung, im Besonderen der sexuellen Aufklärung von Mädchen eine besondere Bedeutung zu, um vor HIV-Infektion zu schützen. Zum einen wird bei allen Jugendlichen durch Sexualaufklärung das Bewusstsein für die Gefahr einer HIV-Infektion oder ungewollter Schwangerschaften geweckt – damit kann ein späterer Beginn der sexuellen Aktivität und die Anwendung von Kondomen gefördert werden. Zum anderen gewinnen Mädchen durch Sexualaufklärung ein besseres Verständnis für ihren Körper, mehr Selbstbewusstsein und somit eine bessere Verhandlungsbasis im Gespräch mit ihrem Partner, wenn es um Sexualität und Verhütung bzw. die Anwendung von Kondomen geht.

Für die Zukunft könnten sog. Mikrobizide* ein Präventionsmittel für Mädchen und Frauen sein. Dies sind chemische Substanzen, die in die Scheide eingebracht werden. Derzeit sind verschiedene Präparate in der Erforschung, die jedoch frühestens in fünf Jahren auf den Markt kommen können. Mikrobizide und Kondome für Frauen [21] sind sog. Frauen-kontrollierte Mittel der HIV-Prävention, da sie eine geringere Mitwirkung der Männer erfordern als die herkömmlich benutzten Kondome für Männer.

Erste Ergebnisse von kontrollierten Studien unter heterosexuellen Männern in Afrika deuten darauf hin, dass die Beschneidung einen gewissen Schutz vor der HIV-Infektion bietet. Falls sich dies in weiteren Studien erhärten sollte, würde damit eine relativ einfache und kostengünstige Methode als Teil der HIV-Prävention zur Verfügung stehen.

3.3.4 Behandlung und Prävention in Deutschland

In Deutschland geben antiretrovirale Medikamente den Betroffenen eine längere Lebenserwartung und neue Lebensperspektiven. Dadurch konnte sich z. B. die Seelsorge an Aids-Kranken von Sterbebegleitungen in Lebensbegleitungen verwandeln. Jedoch ist auch in Deutschland der Zugang zur Behandlung nicht für alle Betroffene gleichermaßen garantiert. Personen ohne Aufenthaltserlaubnis haben generell kaum Zugang zu medizinischer Versorgung. Viele Menschen aus Hochprävalenzländern* und solche, die sich bei einem Auslandsaufenthalt infiziert haben, erfahren erst in einem späten Stadium von ihrer Infektion und haben damit das Risiko von geringeren Therapieerfolgen. Durch den Umbau der sozialen Sicherung, der sich in den letzten Jahren in Deutschland vollzogen hat, ist der Zugang zu einer optimalen lebenserhaltenden Therapie für viele HIV-Infizierte nicht mehr gewährleistet, u. a. da die Krankenversicherungen die Kosten nicht mehr in allen Fällen übernehmen. Zudem verschärfen sich die sozialen Probleme. Geblieben ist für viele Betroffene die Angst vor Ausgrenzung und Einsamkeit, vor Leiden und frühem Tod.

Seit Mitte der 80er Jahre gibt es zwei Institutionen, die sich um die Prävention bemühen: Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) [22] richtet sich mit ihren Maßnahmen in der Kampagne „Gib Aids keine Chance“ an die Allgemeinbevölkerung, während die Selbsthilfeorganisation Deutsche Aids-Hilfe e.V. (DAH) [23] Präventionsangebote für besonders bedrohte und betroffene Gruppen entwickelt. Ergänzt werden diese Aktivitäten durch die Deutsche Aids-Stiftung (DAS) [24], die sich vor allem mit der sozialen Dimension von HIV/Aids befasst.

Seit einiger Zeit gibt eine steigende Zahl der sexuell übertragbaren Krankheiten und ein (wenn auch leichter) Anstieg der HIV-Neuinfektionen von homosexuellen Männern Anlass zur Besorgnis. Mögliche Gründe dafür sind:

  • Präventionskampagnen haben nicht mehr die Intensität wie zu Beginn der Epidemie,
  • eine gewisse Präventionsmüdigkeit,
  • die Normalisierung und Banalisierung von Aids und
  • das Verschwinden des Themas aus dem öffentlichen Bewusstsein.
    • Viele Menschen wähnen sich in der falschen Sicherheit, HIV sei keine Bedrohung mehr und erfordere daher keinen Schutz vor Infektion. Dieser Fehleinschätzung gilt es entschieden entgegen zu treten. Auch in Deutschland existiert nach wie vor die Gefahr einer Ausbreitung der Epidemie. HIV-Prävention sollte daher intensiviert und nicht abgebaut werden. Sie muss vor allem auch Personen, die schwer zu erreichen sind, einschließen: Migrantinnen und Migranten, Prostituierte und Drogenabhängige. Besondere Berücksichtigung sollte der überproportionale Anstieg der Infektionen bei Menschen finden, die aus Hochprävalenzländern kommen, die häufig keinen ausreichenden Zugang zu medizinischer und psychosozialer Betreuung haben.

      3.4 Kinder mit HIV/Aids, Waisen, gefährdete Kinder und Jugendliche

      Kinder und Jugendliche sind auf vielfältige Weise von HIV/Aids betroffen: durch eigene HIV-Infektion, durch ein Leben in einer von HIV/Aids betroffenen Familie, durch den Verlust der an Aids gestorbenen Eltern, durch Verarmung und Zerstörung ihrer Zukunftschancen. Ende 2006 lebten 2,3 Millionen Kinder (unter 15 Jahren) mit HIV/Aids, davon allein in Sub-Sahara Afrika über 2 Millionen [25]. 380.000 Kinder starben im Laufe des Jahres 2006 an Aids. 530.000 Kinder wurden im Jahr 2006 neu mit HIV infiziert, meist durch Mutter-Kind-Übertragung. Die meisten dieser Kinder sterben während der ersten zwei Lebensjahre, manche überleben bis zum Alter von 5 Jahren oder noch länger, abhängig u. a. von der Ernährungssituation und der medizinischen Versorgung [26].

      HIV/Aids beeinträchtigt und zerstört das Leben und die Zukunftsaussichten von Millionen Kindern, wenn die Familie von HIV/Aids betroffen ist. Wenn Kinder in armen Haushalten mit Aidskranken Erwachsenen leben, leiden sie an Mangelernährung und ihren Folgen wie z.B. zurückbleibendem Wachstum. Wenn sie ihre kranken Eltern bis zu ihrem Tod pflegen, werden sie oft traumatisiert. Der Verlust des Vaters oder der Mutter oder beider Elternteile betrifft alle Aspekte des kindlichen Lebens: emotionale und körperliche Gesundheit, physische Sicherheit und geistige und soziale Entwicklung. Der Tod der Eltern hat für die Kinder zudem oft Stigmatisierung, Isolierung und Verletzung ihrer Menschenrechte zur Folge.

      Ende 2006 gab es weltweit schätzungsweise 15,2 Millionen Waisenkinder durch Aids, davon 12 Millionen in Sub-Sahara Afrika. Die Zahl der Waisen könnte bis zum Jahr 2010 auf etwa 20 Millionen ansteigen, wenn nicht erhebliche Maßnahmen zur Behandlung der Aids-Erkrankung durchgeführt werden.

      Kinder und Jugendliche sind wegen ihrer Schutzlosigkeit eine Gruppe, für die die Kirchen sich seit jeher besonders verantwortlich gefühlt haben. Viele Kirchengemeinden unterhalten Programme für Waisenkinder, in denen sie die Kinder materiell, sozial und emotional versorgen. Waisenkinder sind häufiger betroffen von sexueller Ausbeutung, Kinderarbeit, Missbrauch und Gewalt. Aufgrund der hohen und wachsenden Zahl der Waisenkinder und der Verarmung der Gemeinden können die Kirchen jedoch dem Bedarf bei weitem nicht gerecht werden.

      Die deutschen evangelischen Kirchen und die christlichen Entwicklungswerke bemühen sich zunehmend, die Gemeinden in die Versorgung der Kinder einzubeziehen und sie in die Lage zu versetzen, für die Kinder zu sorgen. Waisen sollten soweit wie möglich in der eigenen (erweiterten) Familie oder einer Pflegefamilie untergebracht werden. Waisenhäuser sind demgegenüber relativ kostenintensiv, die Kinder werden von ihrer Familienumgebung getrennt und die Finanzierung ist meist nicht gesichert. Insofern können sie lediglich ein letztes Mittel sein, den betroffenen Kindern zu helfen, wenn alle anderen Optionen ausgeschöpft sind.

      3.5 Überwindung von Tabuisierung und Stigmatisierung

      HIV/Aids ist sehr häufig mit Tabus, Verdrängung und Vorurteilen verknüpft. Die enge Verbindung von HIV/Aids mit sensiblen und tabuisierten Themen – Armut, Sexualität, Gender-Ungerechtigkeit, Prostitution, Homosexualität, Drogenabhängigkeit – macht seine Bekämpfung besonders schwierig. Erschwerend kommt die extrem lange Inkubationszeit* hinzu. Da es in der Anfangsphase der Epidemie zwar eine ständig steigende Zahl von Infizierten, aber nur wenige Erkrankte gibt, entsteht bei vielen die Illusion, die Krankheit stelle keine wirkliche Bedrohung dar. Dies begünstigt, dass Menschen sich mit der Krankheit nicht auseinander setzen und sie verdrängen. Auf der Gemeinde- und nationalen Ebene bedeutet Verdrängung von HIV, dass die Bekämpfung der Krankheit nicht gezielt angegangen wird. Dadurch breitet sich die Epidemie immer weiter aus.

      HIV/Aids ist häufig auch mit Stigmatisierung und Diskriminierung verbunden. Menschen werden ungerecht behandelt und benachteiligt aufgrund ihrer HIV-Infektion, so z.B. Waisenkinder und Witwen. Meistens wird fälschlicherweise angenommen, HIV werde allein durch Prostitution oder Sexualverkehr außerhalb der Ehe hervorgerufen.

      Da die Ansteckungsgefahr in vielen Gefängnissen groß ist, sollten auch das Gefängnispersonal und die Gefangenen in Aufklärungsprogramme einbezogen und ihnen der Zugang zu Schutzmaßnahmen (insbesondere Kondomen) ermöglicht werden.

      Vielerorts haben Kirchen inzwischen selbstkritisch erkannt, dass sie selbst durch Tabuisierung und Stigmatisierung oft eher zu einer Verstärkung der HIV/Aids-Problematik als zu deren Lösung beigetragen haben. Es hat in den letzten Jahren viele positive Ansätze und Anstrengungen der selbstkritischen Reflexion und der Überwindung von Stigmatisierung in den Kirchen gegeben.

      So wurde im Dezember 2003 bei einer „Strategie-Beratung der Kirchen bezüglich HIV/Aids in Zentral- und Osteuropa“ festgestellt: „Die politischen und sozialen Veränderungen in Ost- und Zentraleuropa haben einzelne Bevölkerungsgruppen verletzlich für HIV gemacht, vor allem Kinder und Jugendliche, Frauen, Gefangene, Personen mit Drogenabhängigkeit. Wir werden uns speziell um diese Gruppen kümmern. Als Christen sind wir aufgerufen, uns um alle Menschen zu kümmern, ungeachtet des sozialen Status, der Religion und des Lebensstiles“ [27]. Ein Baustein zu einer Integration von Personen mit HIV in die Kirchen könnte das 2003 gegründete African Network of Religious Leaders Living with or Affected by HIV and Aids (ANERELA) sein [28]. Es nimmt Pfarrer und Pfarrerinnen sowie Verantwortung tragende Laien auf, die entweder selbst HIV-infiziert oder von HIV betroffen sind. Das Netzwerk könnte zu einer größeren Anerkennung der Menschen mit HIV/Aids in den Kirchen führen.

      3.6 Mobilisierung von Finanzierungsmitteln und globales Engagement

      Die Schwierigkeiten der Entwicklungsländer bei der effektiven Aids-Bekämpfung beruhen nicht zuletzt auf den mangelnden Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen. Beispielsweise geben sie oft mehr für die Bedienung der Schulden als für den Gesundheits- und Erziehungssektor aus. Die Eindämmung und Überwindung von HIV/Aids kann jedoch nur mit einer adäquaten Mittelausstattung gelingen. Die Herausforderung besteht darin, dass der Bedarf an Geld mit dem Fortschreiten der Ausbreitung von HIV/Aids überproportional ansteigt, da die Prävention intensiviert werden muss und immer mehr Menschen Pflege und Behandlung benötigen. Außerdem muss die Behandlung lebenslang fortgesetzt werden im Unterschied etwa zu anderen Krankheiten wie Tuberkulose, bei der nach der Heilung keine weitere Medikamenteneinnahme mehr erfolgen muss. Dadurch steigt die Anzahl der Personen in Behandlungsprogrammen immer weiter an.

      Es ist jedoch keine Option, überhaupt nicht mit der Behandlung anzufangen, wie es manchmal noch gefordert wird. Wir haben eine ethische Verpflichtung zur Rettung von Menschenleben. Selbst eine ökonomische Betrachtung würde zeigen, dass die wirtschaftlichen und sozialen Kosten eines Todes eines jungen Erwachsenen die Kosten für antiretrovirale Therapie bei weitem übersteigen.

      Auf der Sonder-Generalvollversammlung der Vereinten Nationen zu HIV/Aids (UNGASS) im Jahr 2001 verpflichteten sich die Mitgliedsstaaten, die Mittel für die Finanzierung der HIV/Aids-Bekämpfung auf internationaler Ebene erheblich zu erhöhen und spezifische Ziele in der HIV-Prävention und Behandlung zu erreichen [29]. Außerdem wurde mit einem Mandat der Vereinten Nationen und mit Unterstützung von Regierungen und Nichtregierungsorganisationen die Einrichtung des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria* beschlossen, der der Finanzierung der Bekämpfung dieser drei Krankheiten, die als die Krankheiten mit der größten Belastung für die armen Länder gelten, sicherstellen sollte.

      Seit Beginn seiner Arbeit im Jahr 2002 hat der Globale Fonds Gelder für HIV/Aids-Programme in 136 Ländern im Wert von 6,8 Milliarden USD für die gesamte Laufzeit von 5 Jahren bewilligt. Damit erhielten bisher ca. 770.000 Menschen antiretrovirale Behandlung und über 1 Million Menschen HIV-Tests und Beratung. Für die gesamte 5-Jahres-Laufzeit der bisher bewilligten Projekte werden mehr als 1,6 Millionen Menschen antiretrovirale Behandlung bekommen. Die langfristige finanzielle Ausstattung des Globalen Fonds war in den letzten Jahren nicht adäquat gesichert, da die finanziellen Zusagen den Bedarf an finanzieller Unterstützung zum Erreichen der von den Vereinten Nationen beschlossenen Zielen bislang bei Weitem nicht abdecken. Um eine langfristig vorhersagbare, zuverlässige und nachhaltige Finanzierung des Globalen Fonds zu erreichen, wird seit 2005 ein „Wiederauffüllungs-Prozess“ (engl. Replenishment Process), wie er auch bei anderen internationalen Finanz-Institutionen üblich ist, durchgeführt.

      Neben dem Globalen Fonds sind noch weitere wichtige internationale Finanzierungsinstrumente und Programme entstanden: das Multi-Country HIV/Aids Program for Africa der Weltbank hat über 1 Milliarde USD und das US-amerikanische Presidents Emergency Program for Aids Relief hat 15 Milliarden USD über 5 Jahre für 15 Länder zur Verfügung gestellt. Damit wurden die Mittel für die Aids-Bekämpfung in den letzten Jahren erheblich erhöht.

      Auch Kirchen haben Zugang zu diesen Geldern. Mit Hilfe dieser Mittel können Kirchen ihr Engagement zu HIV/Aids ausweiten. Es erfordert von den Kirchen aber auch eine Anpassung an internationale Standards bei der Abwicklung und Auswertung von Programmen. Auch viele Regierungen des Nordens haben in ihrer bilateralen Entwicklungszusammenarbeit einen Schwerpunkt bei der Aids-Bekämpfung gesetzt, so auch Deutschland.

      Die Finanzierung kirchlicher HIV/Aids-Programme aus staatlichen oder multilateralen Mitteln ist nicht ohne Probleme. Eine 2005 vom Ökumenischen Rat der Kirchen, Caritas Internationalis, Deutschen Institut für Ärztliche Mission e.V. (Difäm) [30] und anderen veranstaltete Konsultation [31] in Bossey nannte als wesentliche Schwierigkeiten bei der Finanzierung und Durchführung von HIV/Aids-Programmen: Mangel an Kapazitäten (Ausbildung, technisch usw.), fehlende Netzwerke und als überzogen empfundene Anforderungen seitens der Geber, die den Handlungsspielraum für kirchliche Arbeit einengen.

      Kirchliche Entwicklungswerke sollen ihre Partner über ihre eigene finanzielle Förderung von kirchlichen HIV/Aids-Programmen hinaus bei der Antragstellung für staatliche und multilaterale Förderung beraten. Wichtig ist dabei auch die gegenseitige Informationsvermittlung über sich sehr schnell verändernde Rahmenbedingungen und Richtlinien, z. B. bei Diagnostik und Behandlung, die verstärkte Förderung von personellen Kapazitäten, gerade auch im Managementbereich bei der Verwaltung zusätzlicher Mittel, sowie die Netzwerkarbeit aus kirchlichen Mitteln, die über andere Finanzquellen nicht abgedeckt wird.

      Die Finanzierung für die Aids-Bekämpfung muss stabil und langfristig gesichert sein. Bei der Prioriätensetzung innerhalb der Entwicklungszusammenarbeit werden über die bisherigen Finanzierungsinstrumente hinaus auch neue Finanzierungsvorschläge diskutiert. Dazu gehören z. B. die International Finance Facility, die die Entwicklungshilfe durch Anleihen am Kapitalmarkt kurzfristig erhöhen würde, die Erhebung einer Steuer auf internationale Devisen-Transaktionen oder die in Frankreich bereits eingeführte Besteuerung von Flugreisen. Sowohl die Erhöhung der Entwicklungshilfe, wie im EU-Stufenplan zur Erreichung des 0,7%-Ziels 2015 im Mai 2005 vereinbart, als auch die auf dem G-8-Gipfel in Gleneagles im Juli 2005 beschlossene Entschuldung sowie die auf dem G-8-Gipfel in Heiligendamm im Juni 2007 beschlossene Bereitstellung von 44 Milliarden Euro zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten können langfristig zu mehr Mitteln für die armen Länder im Kampf gegen Aids beitragen.

      EKD-Texte 91: Für ein Leben in Würde (pdf)

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