Mit der Unterschrift kam das Glücksgefühl

Wie ein junger Mann zurück zur Kirche fand

Wer einmal aus der Kirche ausgetreten ist, hat jederzeit die Möglichkeit, diese Entscheidung zu überdenken. Es gibt ganz unterschiedliche Gründe, warum Menschen wieder Kirchenmitglieder werden. Für Dimitri Schilin aus Nürnberg waren es glückliche Erinnerungen – und sein kleiner Sohn.

Dimitri Schilin ist mit 33 Jahren wieder in die Kirche eingetreten
Dimitri Schilin aus Nürnberg: Der 33-Jährige ist wieder in die Kirche eingetreten

„Ich habe eigentlich gar nicht weiter darüber nachgedacht, für mich war es ein Tag wie jeder andere“, erzählt Dimitri Schilin aus Nürnberg von seinem Kirchenaustritt, den er 2015 ganz nebenbei in der Mittagspause vollzogen hat. „Ich bin nach meiner Ausbildung nach Nürnberg gezogen, hatte dort keinen Kontakt in die Kirchengemeinde und fand es auch ganz attraktiv, etwas Geld zu sparen.“ Dabei war der Bezug, den er zur evangelischen Kirche hatte, immer eng. 1997 kam Dimitri Schilin mit neun Jahren aus Russland nach Deutschland. Er folgte seiner Großmutter, die als Spätaussiedlerin schon ein Jahr zuvor den Grundstein für den Umzug der Familie nach Süddeutschland gelegt hatte. Durch die fromme Großmutter, die jeden Sonntag in die Kirche ging, wurde der heute 33-Jährige an den Glauben herangeführt. In seiner neuen Heimat Kronach nahm ihn auch der Pfarrer herzlich auf. Dass er aus der Kirche ausgetreten ist, hat Dimitri Schilin seiner Großmutter nicht erzählt. „Das zeigt eigentlich schon, dass ich gar nicht so richtig davon überzeugt war.“

„Als Herr Schilin zu mir kam, war er ganz offen und interessiert“, erinnert sich Pfarrerin Elfriede Bezold-Löhr von der Kircheneintrittsstelle in Nürnberg. Seit Mai 2021 ist sie Ansprechpartnerin für Menschen, die zurück in die Kirche wollen. „Die meisten haben sich schon vorher im Internet informiert, wie das läuft. Wir telefonieren erst, dann kommen sie vorbei für ein Gespräch und den offiziellen Teil. Der Wiedereintritt muss nicht zwingend am Ende des Gesprächs passieren, aber bei mir sind bis jetzt alle, die da waren, auch wieder eingetreten. Sie haben sich ja schon lange damit beschäftigt.“

Seit Eröffnung der Stelle 2006 sind im Schnitt 150 Personen pro Jahr aus und um Nürnberg wieder Kirchenmitglieder geworden. „Der Austausch mit Herrn Schilin war ganz unkompliziert. Es hat sich gezeigt, dass sich sein Blick in den letzten Jahren verändert hat und er auch eine Wertschätzung für die Kirche entwickelt hat.“

„Ich habe vergessen, dass ich ausgetreten bin“

Trotz des Austritts hatte Dimitri Schilin nie den Bezug zur Kirche verloren, ging weiter an Feiertagen in den Gottesdienst. „Ich habe irgendwie vergessen, dass ich ausgetreten bin.“ Das zeigte sich auch bei einem Erlebnis mit seinem besten Freund, dessen Trauzeuge er war. „Er hat katholisch geheiratet und mich gefragt, in welcher Kirche ich bin. Da war meine spontane Reaktion: Klar, ich bin evangelisch-lutherisch.“

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Als er Patenonkel für den Sohn desselben Freundes werden sollte, wurde er wieder nach seiner Kirchenzugehörigkeit gefragt. „Da habe ich dann gesagt, dass ich aus der Kirche ausgetreten bin. Davon war der Priester nicht begeistert und ich habe keine Patenurkunde bekommen. Da habe ich mich zum ersten Mal ausgeschlossen gefühlt und mir wurde klar, was für Konsequenzen mein Austritt eigentlich hat.

Das Schlüsselerlebnis war ein Ausflug als Kind

Je mehr er sich mit seinem Austritt beschäftigte, desto klarer wurde dem jungen Mann, dass er wieder eintreten wollte. Zum Nachdenken brachte ihn auch ein Gespräch mit einem Kindheitsfreund. „Er hat mich gefragt, warum ich eigentlich ausgetreten bin. Das konnte ich nicht wirklich beantworten und habe ihn gefragt, warum er denn noch in der Kirche sei. Und er meinte zu mir: ‚Erinnerst du dich noch an den Ausflug damals als Kinder, kurz nachdem wir nach Deutschland gekommen sind?‘ Ich konnte mich noch sehr gut daran erinnern, denn es war ein tolles Erlebnis.“ Dieses Schlüsselerlebnis war ein Besuch im Dekanatsjugendheim Effelter Mühle in Oberfranken. „Wir haben zusammen mit anderen Kindern Lieder wie ‚Laudato si‘ gesungen und viel Spaß gehabt. Und dann sagte mein Freund: ‚Weiß du, wer das damals organisiert und bezahlt hat? Das war die Kirche, denn unsere Eltern konnten sich das nicht leisten.‘ Und da ist mir ein Licht aufgegangen.“

„Es sind meistens Schwellensituationen, veränderte Lebensumstände, die Menschen zum Nachdenken bringen.“

Elfriede Bezold-Löhr Pfarrerin der Kircheneintrittsstelle in Nürnberg

Pfarrerin Elfriede Bezold-Löhr erlebt unterschiedliche Motivationen bei den Menschen, die zu ihr kommen und wieder eintreten wollen. „Gerade bei Jüngeren sind oft kirchliche Heirat und Taufe der Grund.“ Aber auch Schicksalsschläge oder Verluste erinnern Menschen an ihren Glauben und den Halt, den er gegeben hat, so die Pfarrerin. „Es sind meistens Schwellensituationen, veränderte Lebensumstände, die Menschen zum Nachdenken bringen.“

Mit der Unterschrift kam das Glücksgefühl

Bei Dimitri Schilin kam das Thema wieder auf, als er seine jetzige Frau kennenlernte. „Da musste ich mich aktiv damit beschäftigen, denn ich wollte kirchlich heiraten. Aufgrund der Pandemie ging das noch nicht, aber für nächstes Jahr ist es fest eingeplant.“ In der Zwischenzeit kam auch Sohn Gabriel zur Welt, „und den wollten wir unbedingt taufen lassen.“ Der Wiedereintritt lief für den 33-Jährigen dann recht unkompliziert ab. „Ich hatte meinen Personalausweis und noch ein paar Unterlagen dabei, habe ein Formular unterschrieben und das war's“, beschreibt er es. „Und mit der Unterschrift kamen dann schon das Glücksgefühl und die Vorfreude auf die Taufe.“

Julia Riese