Pastor Tafue M. Lusama, Grußwort der Christlichen Kirche von Tuvalu

4. Tagung der 12. Synode der EKD vom 12. bis 15. November 2017 in Bonn

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Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrte Frau Präses Schwaetzer, sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender Landesbischof Bedford-Strohm, sehr geehrte Mitglieder der Synode, des Rates der EKD und der Kirchenkonferenz, liebe Brüder und Schwestern in Christus,

es ist mir ein Privileg und eine große Ehre bei diesem vielversprechenden Anlass die Stimmen der Kirchen der pazifischen Region repräsentieren zu dürfen. Ich empfinde große Demut, fühle mich aber auch in der Pflicht, euch, meinen Brüdern und Schwestern, und Ihnen, den Moderatoren, Präsides und Kirchenleitenden die Grüße unserer Pazifischen Kirche zu überbringen. Daher grüße ich Sie alle im Namen unseres allmächtigen Herren Jesus Christus.

Einleitung

Als ich gebeten wurde, zum oben genannten Thema eine Rede zu halten, nahm ich begeistert an, nicht, weil ich so viel über das Thema wüsste, sondern vor allem, weil ich zu einer Debatte beitragen möchte, die insbesondere für unsere pazifischen Inselstaaten kritisch ist, da wir zu den verwundbarsten Ländern gegenüber den schwerwiegenden Auswirkungen des Klimawandels gehören. Er könnte zur größten Herausforderung der Menschheit werden und nur entschiedenes Handeln kann die Katastrophe jetzt noch abwenden. Potenziell könnte der Klimawandel die Menschen ihr Recht auf Leben, Sicherheit, Gesundheit und Kultur kosten und vermutlich wird das nirgendwo auf der Welt so klar wie im Pazifik, wo ganze Gemeinschaften die brutalen Konsequenzen eines steigenden Meeresspiegels und veränderter Wettermuster erleben.

Um die Klimakrise erfolgreich bekämpfen zu können, müssen wir zunächst anerkennen und ein Umgang damit finden, dass diese Krise zutiefst verflochten ist mit den zahlreichen anderen Krisen, denen wir uns gegenübersehen, und dabei insbesondere auch mit den Fragen von Lebensmittelsicherheit, Wasserknappheit und dem Verlust von Biodiversität. Die gemeinsame Wurzel dieser Krisen bildet ein ökonomisches System, das im Namen der ständigen Steigerung von Profiten Anreize für Banken und Unternehmen schafft, ohne Rücksicht auf ethische und moralische Erwägungen Menschenleben und unsere Zukunft insgesamt aufs Spiel zu setzen droht.

Über Umweltgerechtigkeit aus pazifischer Perspektive zu sprechen, verlangt, dass ich vorab mindestens ein paar Worte zu unserer Lebensweise und unserer Beziehung zu Natur und Umwelt sage, bevor ich zu den Veränderungen im Pazifik und deren Bezug zu den Herausforderungen komme, vor denen wir heute stehen. Erst dann wende ich mich dem Aspekt der Gerechtigkeit zu und den Gründen, warum in unseren Augen die Klimakatastrophe ihre Ursache in den ungerechten Systemen hat, die diese Welt dominieren.

Unser traditioneller pazifischer Lebensstil

Bekanntermaßen besteht der Pazifik aus vielen kleinen Inselstaaten, auf denen mitunter die Völker der Melanesier, Mikronesier und Polynesier leben. Allgemein wird davon ausgegangen, dass unsere Inseln vor 3.500 Jahren erstmals besiedelt wurden. Ihre Gesellschaftsordnungen ähneln einander stark. Subsistenzwirtschaft war das vorherrschende Modell, ihren täglichen Bedarf deckten die Menschen mit dem, was sie anbauten und in ihren Gärten ernteten. Sie hielten Tiere und fischten, wenn sie es brauchten. Landwirtschaft und Fischerei beherrschen das Alltagsleben: Von klein auf lernen wir die Anbaumethoden, wann was gepflanzt wird, und welche Fische zu einer bestimmten Jahreszeit gefischt werden.

Für die BewohnerInnen der pazifischen Inseln hat Land eine fundamentale Bedeutung, denn es ist ihr einziger Reichtum, der von Dauer ist, und den sie an nachfolgende Generationen weitergeben können. Die Kunst, sich mit der Umgebung und Umwelt als Einheit zu erleben, ist eine kritische Fähigkeit, die eine Generation der nächsten vererbt und ist geleitet von der Erkenntnis, dass wir uns um Natur und Umwelt kümmern müssen, wenn wir nachhaltig leben wollen. Aus dieser engen Bindung zu Natur und Umwelt erwuchs unser Verständnis der Erde als unserer Mutter. Fällen wir einen Baum, weil wir das Holz brauchen, dann pflanzen wir umgehend einen neuen.

Der Klimawandel

Bekanntermaßen sind Klimawandel und steigende Meeresspiegel durch den Anstieg der atmosphärischen Temperaturen bedingte globale Phänomene, die katastrophale Auswirkungen nach sich ziehen. Außer Frage steht auch, dass der Klimawandel hauptsächlich menschengemacht ist. Zur Befriedigung ihres nimmersatten Lebensstils haben die industrialisierten Länder giftige Abgase in die Atmosphäre gepumpt und die ganze Welt in eine Notlage gebracht, bei der es mittlerweile um unser aller Überleben geht.

Lassen Sie mich aus Punkt 3 der Suva-Erklärung zum Klimawandel des Entwicklungsforums der pazifischen Inseln zitieren. Dort steht: „[Wir] sehen und erleiden die negativen Auswirkungen des Klimawandels, die zunehmende Stärke tropischer Wirbelstürme, den Anstieg der Meeresspiegel, schwere Sturmfluten, häufigere und stärkere extreme Wetterereignisse, die Korallenbleiche, das Eindringen von Salzwasser in das Grundwasser, übermäßig hohe Gezeiten, die Erosion von Küsten, veränderte Niederschlagsmuster, das Versinken von Inseln und die Ozeanversauerung. Wissenschaftlich gesicherte Fakten zeigen deutlich, dass diese Effekte mit der Zeit an Stärke gewinnen werden.“ Der Klimawandel könnte zur größten Herausforderung der Menschheit werden. Die Krise verlangt entschiedenes Handeln, soll die Katastrophe noch abgewendet werden. Unsere pazifischen Inseln gehören leider zu den ersten, die die schwerwiegenden Konsequenzen zu spüren bekommen werden.

Wo die Ursachen für den Klimawandel und den steigenden Meeresspiegel liegen, ist uns allen bekannt. Im Pazifik drohen uns ihre Auswirkungen auszulöschen. Sie bedrohen unser Überleben auf ganz grundlegende Weise und im Kern unserer Existenz.

Der Klimawandel als eine Frage der Gerechtigkeit

Mehrheitlich sind die BewohnerInnen der pazifischen Inseln ChristInnen. Das Christentum ist im pazifischen Raum die vorherrschende Religion. Es sind Menschen, die sich vollständig auf Gott verlassen und bei ungewöhnlichen Geschehnissen auf Gott schauen.

Wenn ganze Inseln im Meer versinken und häufige starke Winde immerzu unsere Inseln treffen, wenn Fischbestände verschwinden und die Korallen durch die Korallenbleiche weiß werden, wenn wir uns ungewöhnlich langen Trockenperioden ausgesetzt sehen, dann können die Menschen nur fragen: „Warum? Straft Gott uns? Hat Gott uns verlassen?“ Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, nicht Gott, sondern die menschliche Gier steckt dahinter, insbesondere die einer Gruppe von Menschen, die die Erde zu ihrem eigenen Nutzen ausbeuten. Die Entwicklung der industrialisierten Länder geht auf Kosten unseres Lebens und Überlebens, und dies führt zu einer weiteren Frage: Warum trifft es dann uns? Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir uns dessen bewusst werden, dass es die vielen Fabriken und Industrien sind, die den Klimawandel verursachen, indem sie ihre giftigen Abgase in die Atmosphäre pusten. Allerdings stehen im Pazifik keine solchen Fabriken und ganz besonders nicht in meinem Land Tuvalu, dessen BewohnerInnen sich einen neuen Ort auf der Welt suchen müssen, weil Tuvalu schon bald im Meer versinken wird.

In vielerlei Hinsicht ist die Frage des Klimawandels für uns hier im Pazifik daher eine Frage von Gerechtigkeit. Zunächst ist da die Tatsache, dass keine der pazifischen Inseln zu diesem Problem beigetragen hat. In puncto Entwicklung sind die meisten, wenn nicht gar alle pazifischen Inselstaaten, unterentwickelte Länder im Sinne von industrieller Entwicklung. Bei uns gibt es keine Fabriken mit ganzjährig ununterbrochen rauchenden Schloten.

Zweitens stellen die Auswirkungen des Klimawandels und steigender Meeresspiegels unsere Lebensart in Frage. Durch das Eindringen von Meerwasser in unser Grundwasser gedeihen die Pflanzen bei unserer traditionellen Anbauweise nicht länger. Abnehmende Fischbestände berauben uns unserer wichtigsten Proteinquelle. Die Lebensmittelsicherheit wird zu einem ernsthaften Problem, und die Menschen sind zur Annahme eines marktförmigen Lebensstils gezwungen, den sich nicht alle leisten können. Einzige Konsequenz wird eine Verschärfung der Armut sein.

Drittens haben wir nur beschränkte finanzielle Möglichkeiten zur Meisterung dieser Herausforderung. Da wir das Problem nicht verursacht haben und angesichts der Tatsache, dass dieses globale Problem unsere Möglichkeiten übersteigt, sind wir finanziell nicht in der Lage, uns anzupassen und es zu lösen.

Viertens offenbart sich eine fehlende Bereitschaft und mangelnder politischer Wille und Einsatz der führenden Mitglieder unserer globalen Familie. Für die Aushandlung eines Abkommens hat die UNFCCC Jahre gebraucht, damit alle Länder gemeinsam an einem Strang gegen den Klimawandel kämpfen können, dennoch kommen die entwickelten und auch manche Entwicklungsländer mit ihren eigenen, allein auf eine fortgesetzte Entwicklung fokussierten Wunschlisten an den Verhandlungstisch. In der Zwischenzeit versinken unsere pazifischen Inseln im Meer und zahllose Menschen erleiden die Folgen.

Klimaskepsis und die Leugnung des Klimawandels sind die fünfte Ungerechtigkeit. Obgleich der Klimawandel unzweifelhaft eine vor allem menschengemachte Realität ist, bestreiten ihn einige mächtige politische Führer weiterhin. Im Pazifik kämpfen wir bereits um unser Überleben, aber im Fokus des Interesses steht statt unserem Leid weiter der Profit einiger weniger. Unsere Verwundbarkeit lässt sich nicht leugnen und kann nicht als ein Punkt gesehen werden, der irgendwann in Zukunft behandelt werden kann. Aufgrund ihrer fehlenden Fairness können wir aus der Reaktion der internationalen Gemeinschaft keine Sicherheit schöpfen, sondern nur Hoffnungslosigkeit.

Unser Verlust und das Ausmaß des uns zugefügten Schadens

Natürlich machen die Auswirkungen des Klimawandels und des steigenden Meeresspiegels nicht beim Verlust von Land und damit der Lebensmittelsicherheit und unserer Existenzgrundlage halt, es gibt auch Konsequenzen für nicht-monetäre Aspekte unseres Lebens. Das Leben, wie wir es kannten, unser traditionelles Leben, unsere Traditionen, unsere Rituale, sogar unsere Essgewohnheiten, wandeln sich unter dem immensen Druck des Klimawandels. Wenn die internationale Gemeinschaft jetzt nicht entschieden für eine Reduzierung der CO2-Emissionen sorgt, kann all dies nur noch schlimmer werden.

Abschlussworte

Unsere kleinen Inselstaaten waren auf internationaler Ebene sehr präsent und wir haben unsere Sorgen lautstark kundgetan. Seit der ersten COP war dies ein Appell für das Überleben. Je mehr Zeit verstrich, desto mehr versank unsere kleine Stimme jedoch im Meer der großen und mächtigen Länder. Dies ist nur eine weitere Ungerechtigkeit. Weil wir klein, unbedeutend, arm und machtlos sind, schiebt man uns meist einfach zur Seite.

Während ich hier spreche, kämpfen Tuvalu und alle anderen, tiefliegenden pazifischen Inselstaaten ums Überleben. Je mehr sich die Auswirkungen des Klimawandels beschleunigen und je öfter unsere Küste von den zunehmend größeren und stärkeren Wirbelstürmen heimgesucht wird, desto härter und schwieriger wird unser Kampf.

Deshalb werden wir auch weiterhin unsere Sorgen lautstark kundtun müssen. Brot für die Welt danke ich für die Möglichkeit, im Rahmen der UN meine Gemeinde und die Bevölkerung unseres Landes zu repräsentieren. Ich danke Präses Schwaetzer und dem Präsidium der Synode für die Einladung, hier und heute die Stimme unseres Volkes zu sein. Ich begrüße die Anstrengungen, die sie als evangelische Kirche unternehmen, um ihre Emissionen zu reduzieren und dass sie das Erreichen ihrer eigenen Ziele streng kontrollieren. Es ist höchste Zeit, das Engagement für Klimagerechtigkeit und den Einsatz für globale Solidarität noch weiter zu verstärken. Als Christ glaube ich, dass es unsere heilige Pflicht ist, als Brüder und Schwestern zusammenzustehen, damit Heilung geschehen kann.