Grußwort des Freistaates Sachsen

Ministerpräsident Michael Kretschmer vor der 6. Tagung der 12. Synode der EKD 2019 in Dresden

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Unredigierte Fassung

Grußwort von Ministerpräsident Michael Kretschmer vor der EKD-Synode in Dresden

Liebe Frau Schwaetzer, meine sehr verehrten Damen und Herren,

herzlich willkommen hier im Freistaat Sachsen, in unserer Landeshauptstadt Dresden. Ich habe heute Morgen wieder einmal mehr gemerkt, was ich eigentlich immer wieder auch erlebe: Wenn sich Christen versammeln, dann ist das eine meist fröhliche, aber immer positive Atmosphäre. So war es heute Morgen. Das wünsche ich Ihnen auch für Ihre Beratungen.

Sie sind in einer Zeit zu uns in die neuen Bundesländer nach Sachsen gekommen, in der wir uns erinnern und auch noch einmal vergewissern: Was war damals vor 30 Jahren, und was können wir daraus auch für die Zukunft mitnehmen?

Was wir auf jeden Fall nicht vergessen, ist, welche Rolle die Kirchen und ganz besonders die evangelische Kirche in den Monaten des Wendeherbstes 1989, aber auch in den Jahren zuvor hatten. Man kann mit großer Sicherheit und Klarheit sagen: Ohne die engagierten Kirchen, ohne die mutigen Pfarrerinnen und Pfarrer und diejenigen, die sich in den kirchlichen Räumen zusammengefunden haben, wäre der Wendeherbst 1989 gar nicht möglich gewesen.

Das können Sie auch hier in Dresden sehen. In der Kirche, in der wir diesen wunderbaren Gottesdienst gehabt haben, waren es am 13. Februar 1982, also zu einer Zeit, als die DDR, die Staatssicherheit und die SED noch richtig fest in der Verantwortung waren, evangelische Christen, die mit der gleichen Botschaft von Frieden und Nie-wieder-Krieg aus der Kreuzkirche ausgezogen und zur damaligen Ruine der Frauenkirche gezogen sind. Damals etwas Ungeheuerliches: Christen, die auf die Straße gehen, die sich das trauen.

Daraus ist dann eine Tradition geworden, die immer größer geworden ist. Als ich in den 90er Jahren als Student hergekommen bin, war das für mich eine der beeindruckendsten Momente überhaupt: eine Stadt in dieser dunklen Zeit im Winter – also 13. Februar –, die Bombardierung in den späten Abendstunden, alle Glocken läuten und die Menschen machen sich in großer Stille und in großer Ruhe auf den Weg, erinnern sich ihrer Angehörigen, setzen sich dafür ein, dass Frieden ist, und engagieren sich dafür. Das ist etwas, was auch aus dem kirchlichen Raum heraus entstanden ist.

Es war der Wunsch nach Freiheit. Es war dieser unbändige Wunsch, dass die Umwelt nicht weiter zerstört werden darf, dass es Rechtsstaatlichkeit, dass es Meinungsfreiheit gibt. Das hat die Menschen 1989 bewegt.

Ich sage das deswegen, weil man in mancher Diskussion heutzutage den Eindruck hat, als wäre das alles anders gewesen. Man muss es schon noch einmal so sagen: 1989 war dieses sozialistische Experiment moralisch und wirtschaftlich gescheitert. Die Menschen in der ehemaligen DDR haben es zum Einsturz gebracht und es abgewählt.

Wir haben in den vergangenen 30 Jahren alle miteinander – die Menschen in den neuen Ländern, aber auch die vielen, vielen Menschen in den alten Bundesländern – gemeinsam diese Sünden aus 40 Jahren DDR beseitigt. Die Elbe war vor 30 Jahren ein toter Fluss. Diese Region nannte man das „Schwarze Dreieck“. Die Region Zittau, also das Dreiländereck mit Polen, Tschechien und Deutschland, war die in Europa am stärksten belastete Region, die es gab.

Und heute ist es uns mit Freiheit, mit Demokratie, mit sozialer Marktwirtschaft gelungen, diese Umweltsünden zu beseitigen. Die Elbe ist ein sauberer Fluss. Auch wenn man es nicht darf, geht der eine oder andere im Sommer darin baden – Herr Lames zum Beispiel. Man darf, man darf! Er geht nicht baden, aber man darf.

Wir haben die Altstädte saniert. Wir haben eigentlich etwas Fantastisches. Die Lebenserwartung ist um viele, viele Jahre wie in keiner anderen zeitgeschichtlichen Form durch eine bessere Umwelt, durch eine bessere Ernährung gestiegen.

Das haben wir, meine Damen und Herren, miteinander geschafft. Ich erwähne es deswegen, weil man eben manchmal den Eindruck hat, als wäre das anders gewesen, als müssten wir uns heute dafür entschuldigen. Nein, Gott sei Dank gab es diese friedliche Revolution. Zum großen Glück gab es Menschen in Ost und West, die mit Tatkraft vorangegangen sind und dieses Land aufgebaut haben. Deswegen können wir mit großer Klarheit sagen, wir leben im besten Deutschland, das wir je hatten.

Jetzt liegen neue Herausforderungen vor uns, nämlich der Klimaschutz. Es ist richtig, dass wir uns dafür engagieren, dass wir auch denen entgegentreten, die diesen Klimawandel leugnen. Wir als Christen wollen die Bewahrung der Schöpfung und setzen uns dafür ein. Das wird auch in unserer neuen Staatsregierung hier im Freistaat Sachsen eine wichtige Rolle einnehmen.

Und es geht darum, wie der Riss in der Gesellschaft, wie die zunehmende Polarisierung, die sicherlich auch etwas mit den neuen Medien und den Möglichkeiten zu tun hat, sich zu informieren oder auch Menschen ganz bewusst falsch zu informieren, verringert werden können und wie uns dieser gesellschaftliche Zusammenhalt noch besser gelingen kann. Dann ist hier natürlich der richtige Ort, um die Kirchen zu ermutigen und aufzufordern, sich noch stärker zu engagieren. Es ist eben so: Der Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht schaffen kann. Es sind nicht allein die Verfassung und unsere Rechtsordnung, sondern es sind Werte, es sind Normen, es sind Haltungen. Die entstehen nicht von allein.

Deswegen wünsche ich mir eine lebendige evangelische Kirche, die sich anlegt, die sich einbringt, die es schafft, diesen Diskurs, der überall in der Gesellschaft geführt wird und der für Verunsicherung sorgt, in den eigenen Reihen in einer Art und Weise so zu führen, dass er eben nicht spaltet, sondern verbindet.

Wir müssen, meine Damen und Herren, diskursfähig sein. Auch hier in Dresden haben wir in den vergangenen Jahren erlebt, dass zu oft übereinander und nicht miteinander gesprochen worden ist. Das hat dem gesellschaftlichen Klima nicht gut getan.

Wir erleben, wie Populisten, vor allen Dingen von rechts, diese Situation nutzen.

Ich war am vergangenen Freitag nach zwei Jahren das erste Mal wieder im Deutschen Bundestag. Die Reden, die da von der AfD gehalten worden sind, waren für mich unvorstellbar. Das ist etwas, was es in den Jahren zuvor nie gegeben hat, und dem müssen wir entgegentreten. Dieses Land, die Bundesrepublik Deutschland, ist stark, weil sie sich nach 1945 zu diesen dunklen Zeiten, zur Shoah, zum Holocaust, zu all diesen Verbrechen eindeutig bekannt hat, und jeder, der auch nur im Ansatz daran rührt, muss den entschiedenen Widerstand argumentativ von uns allen spüren, meine Damen und Herren.

Wir sehen, wie aus Gedanken Worten werden und wie aus diesen Worten am Ende auch Taten werden. Es gibt eine Linie vom nationalsozialistischen Untergrund über Oslo, Christchurch bis jetzt nach Halle. Die Leute greifen unsere Art des Zusammenlebens an, die liberale Art, zu leben und leben zu lassen. Sie greifen Juden, Muslima oder eben liberale Christen an, und deswegen müssen wir alle wachsam sein und argumentieren: in der Schule, in der Familie, im Freundeskreis, im kirchlichen Raum.

Es liegt an uns – nur an uns –, ob dieses Land, die Bundesrepublik Deutschland, auch in den kommenden Jahrzehnten dieses weltoffene, tolerante Land ist. Dazu gehört auch der in unserer Verfassung klar verankerte Grundsatz der Religionsfreiheit, und zwar Religionsfreiheit zu Religion und nicht von Religion. Auch das ist nicht verhandelbar, und das gilt für alle Religionen, meine Damen und Herren, die sich im Rahmen des Grundgesetzes, unserer Verfassung, bewegen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und Ihnen eine gute Zeit.

Grußwort des Freistaates Sachsen
Ministerpräsident Michael Kretschmer