Grußwort der Deutschen Bischofskonferenz und des Bistums Dresden-Meissen

Bischof Heinrich Timmerevers vor der 6. Tagung der 12. Synode der EKD 2019 in Dresden

Timmersevers

Sehr geehrte Präses der Synode, liebe Frau Dr. Schwaetzer!
Sehr geehrter Vorsitzender des Rates der EKD, lieber Landesbischof Dr. Bedford-Strohm!
Verehrte Synodale!
Sehr geehrte Damen und Herren!

Sie sind in diesen Tagen in Dresden zur diesjährigen Synodentagung der Evangelischen Kirche in Deutschland zusammengekommen. Als katholischer Bischof des Bistums Dresden-Meißen heiße ich Sie herzlich in dieser Stadt willkommen und richte auch im Namen meiner Mitbrüder in der Deutschen Bischofskonferenz gern das Wort an Sie. Unsere herzlichen Grüße und Segenswünsche begleiten Ihre Versammlung. Mein heutiges Kommen ist Ausdruck für die guten ökumenischen Beziehungen zwischen den Kirchen hier vor Ort und ebenso zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Verehrte Synodale! In den nächsten Tagen werden Sie sich intensiv mit dem Thema Frieden und Gerechtigkeit befassen. Im Lukasevangelium lesen wir:

„Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt als Erstes: Friede diesem Haus!“ (Lk 10,5). Diese und viele weitere Textstellen der Bibel zeigen, dass der Wunsch nach und der Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit Grundkonstanten des Christentums sind. Und so trifft Ihr Schwerpunktthema „Auf dem Weg zu einer Kirche der Gerechtigkeit und des Friedens“ mitten ins Herz des christlichen Glaubens. Erlauben Sie mir, dass ich in meinem Grußwort dieses Leitthema aus katholischer Perspektive kurz in vier Richtungen auslege:

1. Gerade aus den verschiedenen Krisengebieten unserer Welt können wir den Schrei nach Gerechtigkeit und Frieden laut und deutlich hören. Indem wir als Kirchen diesen Ruf vernehmen und ernstnehmen, stellen wir uns radikal auf die Seite der Ärmsten. Das Friedensengagement der Kirchen ist somit

Ausdruck der vorrangigen Option für die Armen, die lebenspraktisch wirksam werden kann und muss. So unterschiedlich die verschiedenen Friedensdienste und Friedensvorstellungen im Einzelnen auch sein mögen, ihr christlicher Charakter wird dann deutlich, wenn sie den unter vielfältigen Formen von Krieg, Gewalt und Bedrohung Leidenden eine Lebensperspektive eröffnen. Eine Kirche, die so auf dem Weg zu Gerechtigkeit und Frieden ist, ist dann auch immer eine Kirche, die ihren Weg gemeinsam mit den betroffenen Menschen geht.

2. Friede und Gerechtigkeit haben natürlich auch eine theologische Perspektive, denn von Friede und Gerechtigkeit zu sprechen, heißt nicht nur vom Menschen, sondern auch von Gott zu reden. Wir sind geeint im Glauben an einen Gott, der die Liebe ist, der Recht und Gerechtigkeit verlangt und dessen Sohn Friedensfürst genannt wird. Der christliche Weg zu Gerechtigkeit und Frieden erschöpft sich daher nicht allein in gesellschaftspolitischen Aktivitäten und Äußerungen, sondern ist auch spiritueller Weg zu Gott. Er bedarf des Gebets und der Besinnung. Eine Kirche auf dem Weg zu Gerechtigkeit und Frieden bewegt sich immer weiter auf Gott selbst zu.

3. Der Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit verlangt von den Kirchen, dass sie aus sich herausgehen, Expertisen von außen einholen und weltweite Entwicklungen reflektieren. Hierzu haben wir in beiden Kirchen wichtige Institutionen wie Brot für die Welt, Misereor, die Deutsche Kommission Justitia et Pax oder die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung. Diese und andere Organisationen sind wichtige Instrumente auf dem Weg zu Frieden und Gerechtigkeit: Sie leisten thematische und grundständige Reflexionen, arbeiten Informationen für verschiedene Zielgruppen auf, sind Stimmen in Politik und Gesellschaft und leisten im Rahmen des Möglichen konkrete Hilfen. Die Kirche auf dem Weg des Friedens und der Gerechtigkeit ist darum immer auch eine Kirche vielfältiger Menschen, Gruppierungen und Institutionen, die sich einem gemeinsamen Ziel verschrieben haben.

4. Dieser Weg ist nicht nur ein Weg nach außen, sondern auch des ökumenischen Miteinanders. Die Konzilsväter des Zweiten Vatikanischen Konzils haben unzweideutig erklärt, dass das Friedensengagement der Kirchen immer auch die Ökumene einschließen muss. Nur so können wir glaubwürdig für Frieden und Gerechtigkeit eintreten. So möchte ich Ihnen für Ihre Beratungen ein Zitat aus der Pastoralkonstitution Gaudium et spes zu bedenken geben. Dort heißt es: „Je mehr diese Einheit nämlich unter der mächtigen Kraft des Heiligen Geistes in Wahrheit und Liebe fortschreiten wird, desto mehr wird sie für die gesamte Welt eine Vorahnung der Einheit und des Friedens sein. Daher wollen wir mit vereinten Kräften und in Formen, die mehr und mehr angemessen sind, dieses vortreffliche Ziel heute wirksam zu erreichen, uns bemühen, dem Evangelium von Tag zu Tag besser gleichförmig geworden, brüderlich zusammenarbeiten, um den Dienst an der menschlichen Familie zu leisten, die in Christus Jesus in die Familie der Kinder Gottes gerufen wird“ (GS 92).

In der katholischen Kirche sind wir zurzeit sehr intensiv mit der Frage beschäftigt, welche Konsequenzen aus den Fällen sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige zu ziehen sind, deren Ausmaß bedrückend ist. Neben der Notwendigkeit der direkten Aufarbeitung und unmittelbarer Maßnahmen der Prävention hat eine Untersuchung, die die Deutsche Bischofskonferenz in Auftrag gegeben hat – die sogenannte MHG-Studie –, ergeben, dass es auch strukturelle Defizite gibt, die Missbrauch zwar nicht verursachen, wohl aber begünstigen. Dies hat die Deutsche Bischofskonferenz zum Anlass genommen, gemeinsam mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken einen Synodalen Weg zu beschließen, der  auf der gemeinsamen Suche nach Schritten zur Stärkung des christlichen Zeugnisses die Klärung von zentralen Problemfeldern anstrebt. Diese sind „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag“, sodann „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“, außerdem die Themenfelder „Priesterliche Existenz heute“ und „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“. 

Papst Franziskus hat in seinem Brief „an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland“ vom 29.  Juni 2019 die katholische Kirche in Deutschland in ihren Bemühungen bestärkt und bei der Suche nach freimütigen Antworten auf die gegenwärtige Situation seine Unterstützung zugesagt. Gleichzeitig erinnerte er an die geistliche Dimension der Synodalität für eine gelingende Verkündigung des Evangeliums angesichts der Glaubens- und Missbrauchskrise. Der Synodale Weg beginnt – vorbehaltlich des Beschlusses der ZdK-Vollversammlung im November 2019 – am 1. Advent 2019 und ist auf zwei Jahre angelegt. Als oberstes Organ wird die Synodalversammlung tätig sein. Sie setzt sich aus den Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz und Vertretern des Zentralkomitees der deutschen Katholiken sowie Vertreterinnen und Vertretern weiterer Personen- und Berufsgruppen zusammen, die in ihrem Wirken am kirchlichen Sendungsauftrag teilhaben. Da sich die katholische Kirche in Deutschland mit ihren Schwestern und Brüdern in anderen Kirchen und christlichen Gemeinschaften eng verbunden weiß und damit in den Sitzungen der Synodalversammlungen und in der Arbeit der Synodalforen ihre verschiedenen Perspektiven auf die zu beratenden Themen- und Handlungsfelder zu Wort kommen können, sollen auch Beobachterinnen und Beobachter aus der Ökumene zum Synodalen Weg eingeladen werden. Ein entsprechender Brief mit der Bitte um Benennung einer Person dürfte an Sie, lieber Herr Ratsvorsitzender, auf dem Weg oder vielleicht auch schon eingetroffen sein.

Selbstverständlich ist der Synodale Weg in Deutschland eingebettet in das weltkirchliche Geschehen. Gern erinnere ich daran, was Kardinal Marx zum Abschluss der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz vom 23. bis 26. September betonte: Insbesondere bei weltkirchlich relevanten Fragen wird es keinen deutschen Sonderweg geben. Der Synodale Weg möchte Diskussionsbeiträge für die Weltkirche liefern. Ein wichtiges Zeichen ist, dass trotz mancher Unterschiede, die in den vergangenen Monaten sichtbar geworden sind, alle Bischöfe zugesagt haben, diesen Weg mitzugehen.

Liebe Schwestern und Brüder! Wir dürfen uns in Deutschland über ein gutes ökumenisches Miteinander freuen, das über viele Jahre gewachsen ist und uns im Reformationsjahr 2017 noch einmal einander nähergebracht hat. So richte ich heute die herzliche Bitte an Sie, dass Sie den Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland mit interessiertem Wohlwollen und vor allem mit Ihrem Gebet begleiten. Wir stehen als Christen in unserem Land, in dem der Resonanzboden für den christlichen Glauben und wohl auch für den Glauben generell kleiner zu werden scheint, vor ähnlichen Herausforderungen, Menschen mit der Frohen Botschaft in Kontakt zu bringen. Dabei verstehen wir uns – gottlob – nicht als Konkurrenten. Im Gegenteil: Unser christliches Zeugnis ist umso stärker, je glaubwürdiger jeder einzelne Christ und jede einzelne Kirche und Gemeinschaft ist und je mehr es uns gelingt, auf dem weiteren ökumenischen Weg die bestehende Verbundenheit unter uns mit Leben zu füllen und sichtbar zu machen.

In diesem Sinn darf ich Ihnen, liebe Schwestern und Brüder, persönlich und seitens der Deutschen Bischofskonferenz für Ihre Beratungen in den kommenden Tagen alles Gute wünschen. Möge Gottes Segen auf Ihnen und der Synodentagung ruhen.

Grußwort der Deutschen Bischofskonferenz und des Bistums Dresden-Meissen
Bischof Heinrich Timmerevers