Aufrufe zum Tragen der Kippa

Juden in Deutschland sind besorgt um ihre Sicherheit

Mann trägt Kippa
In Berlin und Frankfurt am Main wird zu Solidaritätsaktionen mit der jüdischen Gemeinschaft aufgerufen.

Berlin (epd). Nach dem Übergriff auf zwei Kippa tragende Männer in Berlin geht die Debatte um die Sicherheit von Juden in Deutschland weiter. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sprach am 20. April im Deutschlandfunk von einer neuen Qualität des Antisemitismus. Er hätte sich einen solchen Vorfall vor zehn Jahren nicht vorstellen können. Die rote Linie habe sich verschoben. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte der Zeitung „Die Welt“, er sei nicht bereit, das hinzunehmen. Auch der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) verurteilte judenfeindliche Angriffe.

Am 17. April waren zwei Männer, die die jüdische Kopfbedeckung trugen, von einem Arabisch sprechenden Mann im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg mit einem Gürtel angegriffen worden. Gegen den mutmaßlichen Täter wurde inzwischen Haftbefehl erlassen. Laut Polizei handelt es sich um einen 19-jährigen Palästinenser aus Syrien. In einem auf Facebook veröffentlichten Video bestreiten er und ein weiterer Tatverdächtiger antijüdische Motive des Angriffs. „Wir sind nicht feindlich gegenüber Juden. Wir sind keine Antisemiten“, erklären sie in dem am 19. April veröffentlichten Video.

Zentralratspräsident Schuster äußerte sich auch besorgt über das Wiederauftauchen von antisemitischen Stereotypen wie einer „jüdischen Weltverschwörung“. Er verwies darauf, dass das Problem nicht alleine aufgrund arabischer Migranten bestehe. Antisemitismus sei ebenfalls bei einem Teil der deutschen Bevölkerung vorhanden.
 
Nach Ansicht des Berliner Rabbiners Daniel Alter tritt der Antisemitismus zunehmend aggressiver und offener zutage. Das gelte für Judenhass aus unterschiedlichen Kreisen und Ursachen, sagte der frühere Antisemitismusbeauftragte der Berliner Jüdischen Gemeinde dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). Der Rabbiner war selbst 2012 von mutmaßlich arabischstämmigen Jugendlichen in Berlin-Schöneberg krankenhausreif geschlagen worden. Die Täter wurden nie gefasst. Durch den zunehmenden Zuzug von Migranten muslimischen Glaubens in den vergangenen Jahren habe sich die Lage für Juden in Deutschland verschärft, sagte Alter. Antisemitismus sei aber auch in der deutschen Mehrheitsgesellschaft weit verbreitet. 

„Christlicher Glaube und Judenfeindschaft schließen einander aus. Antisemitismus ist Gotteslästerung.“

Rat der EKD

Mike Delberg, Mitglied der Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde Berlin, sieht als eine der Ursachen für den erstarkenden Antisemitismus ein grundsätzliches Bildungsdefizit. „Menschen wissen zu wenig über lebende Juden“, sagte Delberg der „Berliner Zeitung“. In den Schulen gehe es nur um den Holocaust. 
 
Der Rat der EKD erklärte in Hannover, „wenn Jüdinnen und Juden in Deutschland Gewalt und Beschimpfungen ausgesetzt sind und sich nicht mehr sicher fühlen, können wir das unter keinen Umständen hinnehmen“. Dass es fast täglich Berichte über Anfeindungen und Übergriffe gegen Juden in Deutschland gebe, erfülle die Ratsmitglieder mit Sorge und Scham: „Als Christinnen und Christen stehen wir uneingeschränkt an der Seite unserer jüdischen Geschwister.“
 
Unterdessen wird in Berlin und Frankfurt am Main zu Solidaritätsaktionen mit der jüdischen Gemeinschaft aufgerufen. Die Jüdische Gemeinde in der Hauptstadt lädt für den 25. April alle Berliner in zu einer Solidaritätsaktion unter dem Motto „Berlin trägt Kippa“ vor das Gemeindehaus Fasanenstraße ein. Der Frankfurter Bürgermeister und Kirchendezernent Uwe Becker (CDU) regte einen Kippa-Tag an. Als „klares Zeichen gegen Antisemitismus“ sollten alle Männer einen Tag lang in der Öffentlichkeit die jüdische Kopfbedeckung tragen.