„Hier werden Grenzen überschritten“

Bayerische Kirche kritisiert "Glaubensprüfungen" bei getauften Flüchtlingen

Blau-weiße Taufkerzen für einen Taufgottesdienst mit Flüchtlingen aus dem Iran

Taufkerzen für einen

Bayreuth (epd). Die Reformations-Gedächtnis-Kirche am Nürnberger Stadtpark ist ein trutziger Bau, gleichsam das steingewordene Lutherlied von der „festen Burg“. Vor dieser symbolischen Kulisse feierten vor wenigen Wochen 500 Besucher das erste evangelische „deutsch-persische Kirchenfest“ – ein Willkommensgruß besonders für die Geflüchteten aus dem Iran, die das Christentum zu ihrer neuen geistlichen Heimat gemacht haben. Iraner stellen die mit Abstand größte ausländische Gruppe bei Neueintritten in die evangelische Kirche in Bayern: Etwa 1.000 waren es, die seit 2015 diesen Schritt unternommen haben, weiß Pfarrer Markus Hildebrandt Rambe von der landeskirchlichen „Fachstelle für interkulturelle Öffnung“.

Im Kielwasser der gestiegenen Flüchtlingszahlen ist die Konversion von islamischen Asylbewerbern zum Christentum kein unumstrittenes Argument mehr für eine Anerkennung. Zwar wird die Verfolgungsgefahr aus religiösen Gründen in der Regel eingeräumt. Jedoch geht es bei der Beurteilung nicht um die persönliche Entscheidung, eine andere Religion anzunehmen, auch nicht vorrangig um eine eventuelle Zugehörigkeit zu einer christlichen Gemeinschaft oder ob die Taufe erst in Deutschland vollzogen wurde: Im Mittelpunkt steht die heikle Prognose, wie schwerwiegend die zu erwartenden Folgen für den Betreffenden bei einer Rückkehr sind

„Theologisch wie rechtlich sehr zweifelhaft“

An der Praxis dieser „Feststellungen“ scheiden sich aber zunehmend die Geister. Zumal davon immer mehr überwiegend iranische Asylbewerber betroffen sind, die sich taufen ließen und in ihren Kirchengemeinden engagieren. In manchen Anhörungen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und in Verwaltungsgerichtsverhandlungen werde offenbar „die Grenze zur theologisch wie rechtlich sehr zweifelhaften – aus unserer Sicht unzulässigen – Glaubensprüfung überschritten“, klagt die oberfränkische Regionalbischöfin Dorothea Greiner.

Leichtfertig erhebt die Theologin solche Vorhaltungen nicht. Bis auf einige Ausnahmen würden frühere Muslime einen Religionswechsel nicht aus dem puren Kalkül vollziehen, um eine Abschiebung zu verhindern: „Sie haben aus Überzeugung das Christentum als Religion der Freiheit und der Liebe gewählt“, ist sich Greiner sicher. Sie kennt nicht nur einen Fall fragwürdiger und teils widersprüchlicher „Glaubensbeurteilungspraxis“, deren Ende sie mit Nachdruck einfordert.

In einer BAMF-Entscheidung sei etwa die Taufe eines Bewerbers zu einem „rein formalen Glaubensübertritt“ heruntergespielt worden – weil dieser bereits zuvor kein streng religiöser Muslim gewesen sei, sei der Wandel zum Christen „umso unverständlicher und nicht nachvollziehbar“. Diese Entscheidung sei vom Verwaltungsgericht kassiert worden, während ein anderes in einem anderen Fall der Argumentation gefolgt sei, die dem Bewerber eine „mangelnde persönliche Bindung an die Religion“ bescheinigte: Den Entscheider habe gestört, dass der Befragte den Islam kritisiert und das Christentum positiv abgesetzt hätte.

Ungeübt im Umgang mit „wahrnehmbar gelebter Religion“

Zu hinterfragen sei deshalb bei Entscheidern und Richtern die Kompetenz in religiösen Fragen, mahnte Greiner: BAMF und Gerichte sollten mehr auf die Expertise von Theologen vertrauen. Die Berliner Kirchenjuristin Katharina Berner hat für diese Irritationen eine Erklärung: Die Gesellschaft sei mittlerweile kaum noch geübt im Umgang mit „wahrnehmbar gelebter Religion“, stellte sie fest.

Auf ein „reines Glaubensexamen“ dürften Befragungen in der Anhörung zur Konversion jedenfalls nicht hinauslaufen, betont BAMF-Sprecherin Natalie Bußenius. Der Konvertit müsse ausführlich schildern können, „welche Beweggründe er für die Konversion hatte und welche Bedeutung die neue Religion für ihn persönlich hat“. Der Glaubenswechsel nach einer sorgfältigen Taufbegleitung werde nicht angezweifelt. Doch der Entscheider müsse beurteilen, ob dieser Glaubenswechsel „aus asyltaktischen Gründen oder aus echter Überzeugung erfolgt“ sei.

Noch eine Stolperfalle: die Sprachbarriere

Auf dem Weg zu diesem Urteil gibt es noch eine Stolperfalle: die Sprachbarriere. Die meisten Asylbewerber aus dem Iran sind kaum in der Lage, sich im oft zermürbenden Umgang mit Behörden auf Deutsch zu allen Fragen zu äußern. Unverzichtbar sind deshalb Übersetzer, die die Heimatsprache Farsi beherrschen – die meisten von ihnen sind jedoch Muslime und haben „von christlichen Inhalten praktisch keine Ahnung“, räumte BAMF-Abteilungsleiterin Ursula Gräfin Praschma ein: „Da wird das Abendmahl zum Abendessen, und mit der Dreifaltigkeit kann man überhaupt nichts anfangen.“ So könne beim Entscheider manches anders ankommen.

Gewissermaßen kirchliche Kärrnerarbeit leistet das Bayreuther Pfarrerehepaar Andrea und Hans-Dietrich Nehring. Sie veranstalten in ihrer Friedenskirchengemeinde Taufkurse, in denen die Grundlagen des christlichen Glaubens vermittelt werden. Doch unter den geduldeten Asylbewerbern halten nicht alle den Druck in dieser „Warteschleife“ aus. Drei der jungen Iraner, die in Bayreuth getauft wurden, reisten laut Pfarrerin Nehring freiwillig zurück – gescheitert an der fremden Lebenswirklichkeit in Deutschland.

Wolfgang Lammel (epd)