Wie Luther zu seinem Hammer kam

Thüringer Wissenschaftler entdecken Darstellung auf einem alten Bild und durchleuchten die Hintergründe

Luthers Thesenanschlag auf einer Federzeichnung von 1717
Eher unscheinbar erscheint der hämmernde Luther (re.) auf der Federzeichnung von 1717.

Jena/Gotha (epd). Hat er die Thesen angehämmert oder hat er nicht? Für Luther-Experten ist die Frage längst geklärt: In der Fachwelt ist anerkannt, dass der Hammer erst später zu den 95 Thesen kam. Doch der Mythos vom nagelnden Reformator Martin Luther hält sich mindestens so stark im kollektiven Bewusstsein wie der ominöse Tintenfleck auf der Wartburg. Einfach nur zu sagen, so war das nicht, bleibt ohne tiefere Wirkung.

Das ist vielleicht auch kein Zufall. Gleich hinter der Lutherstube treffen die Besucher der Wartburg auf ein Bild von 1872, das Martin Luther (1483-1546) vor der Wittenberger Schlosskirche im Kreise seiner Anhänger zeigt. Der Hammer in seiner Hand weist auf die Kirchentür.

Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts dürfte die Hochzeit des Luther-Hammerkultes liegen, nicht zuletzt auch als der Ausdruck einer zwar jungen doch wehrhaften und selbstbewussten Nation, sagt der Jenaer Kunsthistoriker Joachim Ott. Den Leiter der Sondersammlungen der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena beschäftigt seit langem eine Frage: Wenn das historische Werkzeug gar nicht zum Einsatz kam, wie und wann kam Luther zu seinem Hammer?

Kupferstich blieb weitgehend unbeachtet

Ein Tipp aus Gotha brachte Ott auf eine entscheidende Spur. Bei der Auswertung von Zuarbeiten für eine Festschrift zum 200. Reformationsjubiläums war der Luther-Experte Daniel Gehrt im Staatsarchiv auf eine bislang unbekannte Darstellung des hämmernden Reformators gestoßen. Im Nachlass des Gothaer Bibliothekars und Theologen Ernst Salomon Cyprian (1673 bis 1745) fand sich unter Hunderten anderen Schriftstücken der Brief eines dänischen Bischofs.

Darin schildert dieser die Reformationsfeierlichkeiten in Aalborg. Inklusive einer Zeichnung, die ein 1717 im Aalborger Rathaus ausgestelltes Schaubild wiedergibt. Darauf ist neben vielerlei Hinweisen auf Luthers Leben in der unteren rechten Ecke auch ein Mann mit einem Hammer zu entdecken. Cyprian ließ das 24 mal 19 Zentimeter große Bild in Kupfer stechen und veröffentlichte es 1719 in der Festschrift „Hilaria Evangelica“. Doch obwohl das Buch heute in fast allen Barock-Bibliotheken steht, hatte es die Wissenschaft aus den Augen verloren. Joachim Ott nahm es nun genauer unter die Lupe und suchte gezielt nach weiteren Hinweisen auf Luther und den Hammer.

Spur führt nach Rom

Mit Erfolg: Zwei Mal wurde er inzwischen fündig. Auf bereits bekannten Abbildungen einer Medaille und eines weiteren, inzwischen verloren gegangenen Schaubildes aus Augsburg konnte er Reformator und Werkzeug erkennen. Offensichtlich sei auf beiden Darstellungen dieses besondere Motiv bisher entweder übersehen oder nicht richtig gewürdigt worden, erklärt sich Joachim Ott die Wiederentdeckung.

Drei Mal ein Hammer – zur gleichen Zeit in verschiedenen Regionen Europas veröffentlicht – das könne kein Zufall sein, meint der Wissenschaftler. In den vergangenen Monaten entwickelte er seine These, wie Luther zu seinem Hammer kam.

Die Spur führt nach Rom. Dort hatte der als besonders eitel geltende Kardinal de Bouillon 1700 den erkrankten Papst vertreten dürfen. Mit einem Hammer riss er die Mauer zur Heiligen Pforte der Peterskirche ein, die außer zu Beginn der sogenannten Jubeljahre verschlossen war, erklärt Joachim Ott. Von diesem historischen Ereignis ließ er dann unter anderem Medaillen prägen, um der Welt von dem so wichtigen Vorgang zu berichten.

Anti-katholischer Spott

Allerdings ging das Marketing in eigener Sache eher nach hinten los. Halb Europa soll sich damals über den Kardinal mit dem Hammer lustig gemacht haben. Auf seine Weise könnte der Zeichner des Aalborger Bildes diesen Spott in sein Bild aufgenommen haben. Nicht ungewöhnlich für die Auseinandersetzungen dieser Zeit, als es zwischen Katholiken und Protestanten heftig zur Sache ging, meint der Jenaer Kunsthistoriker.

Zudem steht aus seiner Sicht für die römische Herkunft auch das Gotteshaus auf der Zeichnung. „Es gleicht überhaupt nicht der Wittenberger Schlosskirche“, findet er. Schon eher der Peterskirche in Rom in deren damaligem Zustand. Ein alles erklärender Beweis mag das noch nicht sein. Doch in Jena und Gotha wollen sie weitersuchen. Im Spätherbst soll die Herkunft des Hammers auch im Lutherjahrbuch 2017 beleuchtet werden. Vielleicht wissen die Thüringer Forscher dann auch schon wieder mehr.

Dirk Löhr (epd)