Morgenandacht bei der 6. Tagung der 12. Synode 2019 in Dresden

Pastor Frank Howaldt, Mitglied der Synode

- unredigierte Fassung -

Es gilt das gesprochene Wort

Der Friede Gottes sei mit uns allezeit, der Friede Gottes breite sich aus, zu dieser Zeit, an diesem Tag, an diesem Ort, mitten unter uns.

Wir gehen in den Tag im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Der Herr sei mit euch. – Und mit deinem Geiste.

„Auf dem Weg zu einer Kirche der Gerechtigkeit und des Friedens“: Gott geht mit und Gott kommt dazwischen. Gott kommt dazwischen, zwischen Tag und Nacht, zwischen die Papiere und die Notizen, zwischen dem, was wir jetzt schon vorhaben, und dem, was uns noch angeht. Gott kommt dazwischen, wo Menschen sich vergessen.

(freiTÖNE 172: „Wo Menschen sich vergessen“)

Alles, was ich habe, habe ich von einem anderen, die Wörter und die Geschichten, den Fluss und die Blumen und Zeit und Frieden und selbst mein Angesicht und das der anderen. Wir haben Sehnsucht. Er ist gekommen in dem einen Menschen, einen Koffer voll mit Gutem, einen Sack voll mit Saat, einem Korb voller Brot. Alles, was wir haben, haben wir von einem anderen, und alles, was wir brauchen, ist da. Alles.

Ein prophetischer Code, den Gott in unser Herz geschrieben haben, nicht für das Vergangene, vielmehr für das Leben, vielmehr für den Frieden, vielmehr fürs Hier und Heute und Morgen. Ein Code, jüdisch-christlich-prophetisch, mit Antennen nach unten und nach oben, beide Beine auf der Erde, der Himmel über uns, Sensoren nach hinten, Erinnerung auf Tuchfühlung nach vorne, Zukunft, offen gesagt, von einem mutigen Propheten. Jesaja 2:

Es wird auf der Rückseite der Tage der Berg, da des Herrn Haus ist, fest stehen, … über alle Hügel erhaben …, und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns auf den Berg des Herrn gehen, … dass er uns lehre seine Wege. … Denn von Zion wird Weisung ausgehen. …

Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.

Liebe Geschwister, auf der Rückseite der Tage wird der große Frieden ausgerufen und uns als Code ins Herz geschrieben. Nur die Vorderseite der Tage ist schwer beschädigt. Von den Bergen kommt kein Heil, sondern die Truppen rücken vor, und man bringt sich in Stellung. Der Schmerz der Zeit ist den Lebenden und den Hoffenden, ist uns unter der Haut. Wir suchen, und wir suchen nach dem Berg, auf dem der Frieden ausgerufen wird. Auf Tuchfühlung mit morgen, mit Sensoren nach hinten.

Novemberfragment 1980: Da nehmen wir doch die Skulptur von der UNO, sagte einer. Sie bereiteten die erste Friedenswoche der Kirchen in der DDR vor, und die Skulptur war ja immerhin ein Geschenk der Sowjetunion an die UNO. Es sollte ein textiles Lesezeichen werden, als Einladung zum Bußtagsgottesdienst. Denn für Stoffdruck brauchte man keine Druckgenehmigung.

Das Treffen im Gemeindehaus war geheim. Ob man nicht befürchten muss, abgehört zu werden, fragt einer. – Dann hören sie das, was sie hören, wenn sie uns fragen würden. Das ist die Freiheit eines Christenmenschen, sagt eine.

Später wurden Aufnäher für den Parka daraus. „Die Aufnäher müssen von der Kleidung entfernt werden!“, befahlen die Wächter, und es blieb ein Loch übrig. Aber immer mehr wussten, was dieses Loch erzählt. Das Loch sprach sich herum. Schwerter zu Pflugscharen. Nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Und als die Aufnäher aus waren, schnitten sich viele einfach so ein Loch in der Größe des Aufnähers in die Jacke. Durch das Loch schien und scheint die Verheißung. Und später wird vor den letzten Resten des totalitären Systems einer sagen: Auf alles waren wir vorbereitet, nur nicht auf Kerzen, Gebete und diese Löcher.

Wir hören einmal bei Wolf Biermann hinein.

(Lied: „Du, lass dich nicht verhärten“)

Und man hatte für kurze Zeit und dann immer mehr verstanden, dass die Phantasie, die Todeswerkzeuge zu verschrotten, nicht reicht. Es geht darum, mit gutem Handwerkszeug den auch mühsamen Prozess des Friedens zu kultivieren. Ziel sind nicht die verbogenen Schwerter. Ziel sind die Pflugscharen. Für den Frieden muss geackert werden.

Prophetischer Code auf unserem Herzen. Fürchtet euch nicht! Die Geschichte könnte ja ein Ort werden für das Erträumte. Die Utopie könnte ja ihren Ort fordern auf Erden. Von Gott werden wir als Vision für die Zukunft erzählt – nicht nur aus dem, was geschehen ist, oder aus Schaden klug zu werden oder Kinder unserer Eltern und zu lernen nur aus der Geschichte und Bedenkenträger der Realität. Heute mal nicht, heute mal prophetischer Code, Friedensstifter, Freudenboten, nicht angepasst an das, was täglich als Realismus angeboten wird. Dann sind wir Gottes Vision für die Zukunft, ein verheißungsvoller Teil seiner Geschichte, sonntags und freitags auch, angefüllt mit Verheißung bis oben hin, auf Tuchfühlung mit morgen. Ein Geschenk für diese Welt könnte sein, dass wir sind, heute mal und morgen wieder.

Dann geht das Licht an. Wir können auf Risiko gehen und vertrauen, wenn wir Löcher in Mauern hauen. Wir werfen Samen auf das Land – Aussaat des Friedens. Wir werfen weiter und weiter. Europa ist eine WG und die Welt ein gemeinsamer Garten. Wir werfen Zukunft in die Seelen, Freundliches in die Herzen. Wir hören zu, wir beten. Manchmal sagen wir ein Wort oder backen einen Kuchen, weil ihn gerade einer braucht, oder richten ein Bett für irgendeinen, einfach so.

Wir haben Zeit zum Träumen, zum Menschsein, Kerzen auf die Plätze zu tragen, wo es nottut, das Dunkel zu begrenzen, und denen das Bier wegzukaufen und mit den Kindern Banner zu malen von den Utopien. Wir retten Lebensmittel. Wir rufen: „Leinen los!“, weil das Meer kein Grab sein will. Wir werden Helden, um eines Wortes willen, schmieden Pflugscharen, den Krieg zu verlernen.

Der Regen der Wirklichkeit tropft manchmal durch das Dach. Der Wind weht den Staub auf den Konserven fort.

Im November ist Nebel, vielleicht fällt später Schnee. Doch wir werfen Zukunft auf das Land und Leben unter die Leute und Frieden auf die Wege und in die Worte und zwischen den Streit. Diese Geste braucht es – und uns braucht es. Der Friede Gottes, der das, was wir zur Sache des Friedens zu denken wagen, weit übersteigt, halte unseren Verstand wach und unsere Hoffnung groß. Amen.

Wir singen ein altes geistliches Lied, ein Spiritual, das um die Welt ging gegen den Rassismus und für den Frieden.

(freiTÖNE 169: „We Shall Overcome“ – Vaterunser)

So geht in diesen Tag, gewiss, ein Geschenk von Gott zu sein für diese Welt. Es segne und behüte euch der in seiner Liebe und in seinem Frieden allmächtige Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.

Amen.