1.500 Menschen besuchen Gedenkgottesdienst in Münster

Nach der Amokfahrt spenden Kirchenvertreter Trost und mahnen zur Besonnenheit

Menschen stellen Kerzen am Ort der Amokfahrt von Münster auf
Nach dem Gottesdienst stellen Menschen Kerzen vor der Gaststätte „Kiepenkerl“ auf, wo ein Amokfahrer tags zuvor zwei Menschen tötete und Dutzende verletzte.

Münster (epd). Der Münsteraner Dom ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Dicht gedrängt stehen die Menschen in den Gängen. Nach Schätzungen des Bistums sind mehr als 1.500 Besucher am Abend des 8. April in den ökumenischen Gottesdienst geströmt. Unter ihnen sind viele Feuerwehrleute und Rettungskräfte. Nach der Amokfahrt in eine Menschenmenge in der Altstadt Münsters am Tag zuvor riefen der Münsteraner Bischof Felix Genn und der Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Münster, Ulf Schlien, zum Gebet für die Opfer auf. Zugleich sprachen sie den Verletzten und den Angehörigen ihre Anteilnahme aus. Die Amokfahrt löste bundesweit Entsetzen sowie eine große Solidarität aus.

Bischof Genn erklärte, er habe Schreie der Hilflosigkeit und der Trauer gehört sowie die Frage nach dem „Warum“. „Es tut uns schon gut, mit anderen über diese Frage zu reden, wir müssen nicht sofort Antworten finden“, sagte Genn.  Das Schild an dem Unglücksort, auf dem handgeschrieben das Wort „Warum“ stehe, gehe auch ihm nahe, sagte Superintendent Schlien. Das stelle die Frage, warum der Mensch so sei, dass er so etwas tun könne. Die einzige Möglichkeit, ein solches schreckliches Erlebnis durchzustehen, sei die Gemeinschaft: „Wir müssen miteinander hoffen, und dürfen nicht verzagt sein!“

Angst darf nicht zu Hass führen

Nach der Amokfahrt hatte die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus, ihre Anteilnahme ausgesprochen und die große Solidarität gewürdigt. Es blieben tiefes Erschrecken, Fragen und Angst, erklärte Kurschus. Zugleich mahnte sie, nicht aus Angst durch vorschnelle Verurteilungen ein Klima des Hasses zu schüren. Die ungelösten Fragen sollten nicht zu schädlichen Spekulationen verlocken: „Dass das Unbegreifliche uns nicht in Hass und Verachtung treibt“, schrieb Kurschus, die auch stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ist.

Aus buchstäblich heiterem Frühjahrshimmel habe sich der Vorfall wie eine dunkle Wolke über die Menschen vor Ort gelegt, erklärte die leitende Theologin der viertgrößten evangelischen Landeskirche. „Plötzlich sind dort, wo man eben noch gemeinsam in der Sonne saß, Tote, schwer Verletzte, Schockierte. Menschen in Lebensgefahr, in Angst, in Trauer“, schrieb Kurschus. Es habe auch aber auch viele Menschen gegeben, die sofort helfen wollten. Sie bete für alle, die unmittelbar betroffen seien, erklärte Kurschus weiter. Sie bitte um Kraft für die Menschen, die als Helfer im Einsatz seien. „Und ich bitte für uns alle: Dass die Liebe uns hilft beizustehen, wo wir können.“

Die Menschen nicht allein lassen

Auch Superintendent Ulf Schlien äußerte Bestürzung und rief zugleich zur Besonnenheit auf. Nun gelte es, der Angst und Unruhe zu begegnen. „Wir müssen das schlimme Ereignis in allen Facetten wahrnehmen und begreifen“, erklärte er auf der Internetseite des Kirchenkreises. „Dafür wollen wir als evangelische Kirche mit unseren ökumenischen Partnern Türen öffnen und laden zu verschiedenen Gottesdiensten und Andachten ein, damit Menschen nicht allein bleiben.“

Die Polizei hält inzwischen eine Suizid-Absicht des 48-jährigen Amokfahrers für möglich. So gebe es Hinweise auf Hintergründe im persönlichen Bereich sowie auf Suizid-Absichten, erklärte Polizeipräsident Hajo Kuhlisch. In einer Wohnung des Mannes in Pirna wurde ein älteres 18-seitiges Schreiben gefunden, das nachträglich als „klassische Ankündigung eines Suizids“ gewertet werden könne.

Der Mann hatte am Nachmittag des 7. April einen Campingbus in eine Menschenmenge vor einem Lokal in der Münsteraner Altstadt gesteuert. Dabei wurden zwei Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt. Der Fahrer erschoss sich noch am Ort des Geschehens. Notfallseelsorger und -begleiter betreuten Betroffene vor Ort.

(epd/ekd.de)