EKD-Ratsvorsitzender Schneider: Religion und Kultur gehören zusammen

Essen (epd). Der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, sieht Kultur und Kirche untrennbar miteinander verbunden. Religion brauche Kultur und Kultur brauche Religion, sagte Schneider am Donnerstag in Essen: "So wie die Religion ohne Wissenschaft der Barbarei anheimfallen würde, so würde sie auch ohne Kultur nur barbarisch genannt werden können." Auf Einladung des Instituts für evangelische Theologie hielt Schneider einem Vortrag an der Universität Duisburg-Essen.

Der Theologe verwies auf den französischen Soziologen Oliver Roy, der in jüngerer Zeit bei Fundamentalisten jeglicher Religion eine Ablösung von Kultur beobachtet. Roy sehe eine Linie, die von der "Dekulturation" in religiös fundamentalistischen Strömungen zu terroristischen Aktivitäten führe, erläuterte Schneider. Eine solche Entwicklung stehe einem langen historischen Prozess gegenüber, in dem sich alle Religionen, insbesondere die monotheistischen, in eine Kultur integriert oder sich mit ihr identifiziert hätten.

Schneider räumte ein, dass das heutige Verhältnis zwischen Kunst und Kirche in der eigenen Gesellschaft nicht immer spannungsfrei sei. Es sei einerseits geprägt von dem kirchlichen Auftrag der Verkündigung und andererseits vom Anspruch der zeitgenössischen Kunst, "auftragslos" bleiben zu wollen. Doch sei es Aufgabe der Kirche, "den Künsten eine Muse zu sein". "Gerade weil die Kunst autonom ist und bleiben muss, kann sie der Kirche Impulse geben", sagte der Theologe.

Die Begegnungen zwischen Kirche und Kultur lassen sich nicht direktiv steuern, betonte der amtierende EKD-Ratsvorsitzende. Schneider verwies dabei auf Erfahrungen des Konsultationsprozesses für die 2002 erschienene EKD-Denkschrift "Räume der Begegnung. Religion und Kultur in evangelischer Perspektive". Doch könne Kunst, etwa in Verbindung mit der sozialen Verantwortung der Kirche, auf unkonventionelle Art und Weise gesellschaftliche Missstände sichtbar machen.

Schneider, der auch Präses der rheinischen Kirche ist, verwies dabei auf das kirchliche Gefängnisprojekt "Schattenkultur" im Alten Hafthaus in Moers im Rahmen der diesjährigen Kulturhauptstadt RUHR.2010. Als weiteres Beispiel nannte er die Wanderausstellung "Kunst trotz(t) Armut", die Wohnungslosigkeit und soziale Ausgrenzung künstlerisch thematisiert.

Die EKD, die seit 2006 ein eigenes Kulturbüro unterhält, beziffert die finanziellen Aufwendungen für Kulturförderung der evangelischen und katholischen Kirche auf insgesamt rund 4,4 Milliarden Euro im Jahr. Damit liegen die Kirchen den Angaben nach auf einer Ebene mit den Bundesländern (3,4 Milliarden Euro) und den Kommunen (3,5 Milliarden Euro). "Das ist eine beeindruckende Zahl, derer wir uns auch in der Kirche erst einmal bewusstwerden mussten", sagte Schneider.

17. Juni 2010