Bedenken gegen Widerspruchslösung - Debatte um Organspenden geht weiter

 Berlin (epd). Der Vorschlag, mit Hilfe der sogenannten Widerspruchslösung die Zahl der Organspenden in Deutschland zu erhöhen, stößt vielfach auf Skepsis. Der evangelische Berliner Bischof Markus Dröge hält es für verfehlt, "die Zustimmung zur Organentnahme stillschweigend vorauszusetzen". Der EU-Parlamentarier Peter Liese (CDU) sagte: "Eine solche Regelung schürt nur die Ängste der Menschen und lenkt von den wirklichen Problemen bei der Organspende ab."

Bislang dürfen in Deutschland nach dem Hirntod eines Patienten Organe nur dann entnommen werden, wenn der Gestorbene zu Lebzeiten ausdrücklich zugestimmt hat. Dagegen gilt in neun EU-Ländern eine Widerspruchsregelung, nach der Organe nur dann nicht entnommen dürfen, wenn zu Lebzeiten widersprochen wurde.

Bischof Dröge appellierte in einem Gastbeitrag für die Berliner Boulevardzeitung "B.Z." (Donnerstagsausgabe) an Ärzte und Politiker, dafür zu sorgen, "dass für jeden Menschen eine optimale medizinische Behandlung erfolgt, um ihn zu heilen". "Wenn dieses Vertrauen da ist, können sich vielleicht auch mehr Menschen dazu entscheiden, einen Organspendeausweis mit sich zu tragen", betonte Dröge.

Der EU-Parlamentarier Liese sagte dem epd: "In Deutschland besteht nicht das Problem, dass viele es ablehnen, Organe zu spenden." Für die Einführung einer Widerspruchsregelung gebe es somit keinen Bedarf. Vielmehr hätten die Ärzte oft keine Zeit, sich um das Thema Organspende zu kümmern. Deshalb würden potenzielle Spender nicht identifiziert oder die nötigen Gespräche mit den Angehörigen nicht geführt, erklärte der CDU-Politiker.

Der Ärztliche Direktor des Universitätsklinikums Essen, Eckhard Nagel, sagte dem epd, mit der Widerspruchslösung würde das Problembewusstsein in der Bevölkerung nicht erhöht. Er sprach sich dafür aus, eine Organspende-Erklärung beim Eintritt in die Krankenkasse zur Pflicht machen. Jeder Mensch müsse eine eigenverantwortliche Entscheidung darüber treffen, ob er im Todesfall bereit sei, seine Organe zu spenden, sagte der evangelische Präsident des 2. Ökumenischen Kirchentages in diesem Jahr in München. Nagel ist Mitglied des Deutschen Ethikrates und hat nach Medienberichten auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier vor dessen Nierenspende an seine Frau Elke Büdenbender beraten.

Sowohl Nagel als auch Liese mahnten eine bessere Organisation der Transplantationsmedizin an. Beide plädierten für die Berufung spezieller Transplantationsbeauftragter in den Krankenhäusern.

Etwa 17 Prozent der Deutschen haben einen Organspenderausweis. Nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) warten in der Bundesrepublik derzeit rund 12.000 Menschen auf ein Spenderorgan. Schätzungsweise tausend Patienten sterben jedes Jahr, weil kein geeignetes Organ zur Verfügung steht.

01. September 2010