Wo die Konfirmation erfunden wurde

Die Reformation brachte der Kleinstadt Ziegenhain weltweite Bedeutung

Schwarze Gedenktafel an der Schlosskirche in Ziegenhain/Schwalmstadt im Schwalm-Eder-Kreis in Hessen, die an die Einführung der Konfirmation im Jahre 1539 erinnert
Gedenktafel an der Schlosskirche in Ziegenhain/Schwalmstadt, die an die Einführung der Konfirmation im Jahre 1539 erinnert.

Schwalmstadt (epd). Touristisch gesehen verkauft sich der Schwalm-Eder-Kreis in Nordhessen gern als „Rotkäppchenland“. In der Tat weist die traditionelle Tracht der Schwälmer Mädchen mit ihrem roten Käppchen, die bei besonderen Anlässen hier immer noch gern und stolz getragen wird, frappierende Parallelen zur Protagonistin des Grimm-Märchens Rotkäppchen auf. Doch nun haben die Touristiker eine neue Attraktion für ihre Gegend entdeckt: die Reformation.

„Überall auf der Welt kennt man die Konfirmation, aber kaum jemand weiß, dass sie hier in Ziegenhain erfunden wurde“, sagt Sylvia Stock von der Tourismus-Organisation Grimmheimat Nordhessen. Im Jahr 1539 wurde die heute weltweit geübte Praxis hier beschlossen. Eine kleine Tafel an der 1667 erbauten Schlosskirche weist darauf hin.

Konfirmation als Kompromiss und Lösung

Ziegenhain war zur Reformationszeit mit etwa 4.000 Bewohnern immerhin die viertgrößte Stadt der Landgrafschaft Hessen, erzählt Stadtführer Eberhard Ahrend. Sie galt, da Landgraf Philipp die Stadt als Wasserfestung ausbaute, als uneinnehmbar: Hier brachte der Landgraf sein Archiv unter, hier war die Kriegskasse des Schmalkaldischen Bundes vor Diebstahl absolut sicher. Viele Gebäude aus der damaligen Zeit stehen heute noch.

Dass es zur Konfirmation kam, ist vor allem dem Landgrafen zu verdanken. Er wollte zwischen der Bewegung der Täufer und den führenden Reformatoren im Streit um die Taufe vermitteln. Während die Bewegung der Täufer der Auffassung war, dass der Taufe der Glaube vorausgehen müsse, also faktisch nur Erwachsene getauft werden könnten, hielten die Reformatoren an der Säuglingstaufe fest. Mit Gewalt wollte Philipp den Streit keinesfalls lösen und beorderte neben Vertretern der Täufer den elsässischen Reformator Martin Bucer zu Hilfe, der auch in Täuferkreisen Anerkennung genoss.

Nachträgliches „Ja“ zur Taufe

Der fast unlösbar erscheinende Streit endete in einem bis heute gültigen Kompromiss: Die Kindertaufe wurde beibehalten, die Heranwachsenden aber sollten zu einem Katechismusunterricht geschickt werden, der in eine symbolischen Handlung vor der Gemeinde gipfelte. Dadurch könnten sie nachträglich „Ja“ zu ihrer Taufe sagen, so der Gedanke. Damit entsprach Bucer einerseits dem Anliegen der Täufer, konnte aber zugleich an der Säuglingstaufe festhalten.

Festgehalten wurde der bedeutende Kompromiss in der „Ziegenhainer Zuchtordnung“. Ihr Entstehungsort, das Ziegenhainer Schloss, ist für die Öffentlichkeit heute nicht mehr zugänglich. Direkt neben der Kirche und mit Stacheldraht gesichert befindet sich hier eine Justizvollzugsanstalt. Seit 2014 gibt es dafür einen insgesamt 21 Kilometer langen „Katechismuspfad“ rund um den Ort.