Musik-Schatz gehoben

Der Kirchenmusiker Raimund Schächer gibt vergessene Orgel-Sätze heraus

Kloster St-Walburga Eichstätt, Blick zur Nonnenempore
Der Nonnenchor mit dahinter liegender Orgel in der Kirche St. Walburg in Eichstätt

Treuchtlingen/Eichstätt (epd). Raimund Schächer ist ein Musikverrückter. Und ein ewig Suchender. Der evangelische Kirchenmusikdirektor aus Treuchtlingen hat jetzt einen Musik-Schatz gehoben: das Orgelbuch des Eichstätter Klosters St. Walburg aus dem 17. Jahrhundert. Schächer legt die fast vergessenen Orgel-Sätze nun neu auf. Und wenn es nach ihm geht, werden sie nicht wieder im Archiv verschwinden, sondern gespielt werden.

Wer wissen will, wie sich vor 300 Jahren die Messe in einer katholischen Kirche angehört hat und wer des Notenspielens mächtig ist, der wird Ohren machen, wenn er die teils kurzen und leichten, teils aber auch mit schwindelerregenden 32stel-Noten durchsetzten Stücke anspielt, die Schächer auf rund 60 Druckseiten zusammengestellt hat.

Übertragung in moderne Notenschrift

Lange schlummerten diese Töne ungespielt im Archiv. Das originale Orgelbuch gehörte der Nonne Maria Anna Barbara Schmaus (1653-1730). Sie trat 1670 in die Benediktinerinnen-Abtei St. Walburg zu Eichstätt ein und war dort von 1705 bis 1730 Äbtissin. „Schwester Anna Barbara war Besitzerin, wahrscheinlich aber nicht Schreiberin des Orgelbuchs. Über die Autoren der Stücke lässt sich nur spekulieren“, erklärt Schächer.

Fest steht aber: Der 136 Blätter umfassende Codex mit 182 Orgelstücken diente dem liturgischen Gebrauch bei den Gottesdiensten im Kloster St. Walburg. Orgelmessen, Vespern (Psalmen, Responsorien), Hymnen, Magnificat, Toccaten, Canzonen, Intonationen oder Praeambula sind nach liturgischen Gesichtspunkten angeordnet. Um ihn für moderne Spieleraugen nachvollziehbar zu machen, musste Schächer die in der hohen Lage auf sechs und im Bass auf sieben Notenlinien handschriftlich aufgezeichneten Stücke erst einmal in die moderne Notensprache übersetzen.

Handschriftlich überliefert

Für den Profi ist das aber eine Herzensangelegenheit: „Seit 25 Jahren forsche ich nach ungehobenen Schätzen vornehmlich der Tastenmusik des 16. bis 18. Jahrhunderts in Bibliotheken, und es macht mir einfach Freude, Neues zu entdecken und auch selbst am Instrument zu spielen“, sagt der Dekanatskantor für den Kirchenbezirk Pappenheim.

Alte Orgelmusik neu zu entdecken, das sei gar nicht so einfach. „Das meiste an Tastenmusik des 15. bis 18. Jahrhunderts liegt in Neuausgaben gedruckt vor. Dennoch gibt es eine Reihe unveröffentlichter, hauptsächlich handschriftlich überlieferter Musik für Tasteninstrumente wie Orgel, Cembalo oder Pianoforte“, berichtet der Musik-Schatzsucher.

Von einfach bis anspruchsvoll

Sein Werk sei aber nicht nur etwas für Historiker: „Die Stücke sind überwiegend gut spielbar und nicht zu umfangreich, auch wenn einige technisch anspruchsvolle Toccaten dabei sind“, erklärt Schächer. Bei der Arbeit seien auch Überraschungen aufgetaucht: zum einen die unterschiedliche Qualität der Stücke von sehr anspruchsvoll bis mittelmäßig, aber auch Ähnlichkeiten zu den wenigen bekannten Orgelstücken des Eichstätter Hoforganisten Bartholomäus Weissthoma (1639-1721), der bei einigen anonym überlieferten Stücken mitgewirkt haben könnte. 

Die Übertragung der 34 Orgelstücke hat mehrere Wochen gedauert, danach wurden sie im Cornetto-Verlag gesetzt. Um den Band fertigzustellen, zogen dann noch einmal  zehn Monate ins Land. Aufatmen nach dieser Mordsarbeit? „Es hat Spaß gemacht. Und ich suche mir schon wieder das nächste Projekt“, lacht Schächer. Geplant sei überdies eine CD mit elf Stücken des Orgelbuchs, gespielt von Markus Eberhardt (Passau) an der historischen Crapp-Orgel von 1712 in der ehemaligen Klosterkirche zu Pappenheim.

Timo Lechner (epd)

Foto: wikimedia commons/Usien (CC-BY-SA 4.0)