Empfehlung zu Fragen des Pfarrhauses

Empfehlung zu Fragen des Pfarrhauses

September 2002

Der Rat und die Kirchenkonferenz der Evangelischen Kirche in Deutschland haben die Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass zur Erhaltung des evangelischen Pfarrhauses weiterhin alle Anstrengungen notwendig sind. Der hier vorgelegte Text wird den Gliedkirchen auf Beschluss der Kirchenkonferenz und des Rates als Empfehlung zugeleitet, verbunden mit der Bitte, insbesondere die unter II. gegebenen „Empfehlungen zur Erhaltung des Pfarrhauses" bei ihren Regelungen und allen Vorgängen im Zusammenhang mit dem Pfarrhaus zu beachten.

I. Situationsbeschreibung

1. Anlass der Überlegungen

In vielen Gliedkirchen der EKD wird zur Zeit eine intensive Debatte über die Pflicht zum Wohnen im Pfarrhaus geführt. Auslöser sind in vielen Fällen finanzielle Verschlechterungen für Pfarrerinnen und Pfarrer, z.B. durch erhöhte steuerliche Mietwerte, Nebenkosten und Zahlungen für Schönheitsreparaturen. Auch Kirchenvorstände und Presbyterien weisen auf die erheblichen Kosten der Pfarrhäuser hin. Das evangelische Pfarrhaus darf indessen nicht ausschließlich unter Kostengesichtspunkten diskutiert werden. Es ist auch auf gesellschaftliche Veränderungen und Fragen des beruflichen Selbstverständnisses, die stellvertretend am Komplex Pfarrhaus diskutiert werden, einzugehen. Im Grundsatz kann in diesem Zusammenhang eine professionsethische, eine praktisch-organisatorische und eine finanzielle Ebene unterschieden werden, die jeweils rechtlicher Regelung bedarf.

2. Begriffsklärungen

Um Fragestellung und Lösungsansätze klarer fassen zu können, sollen zuvor einige Begriffe geklärt werden.

Residenzpflicht (1) : Pflicht des Pfarrers oder der Pfarrerin, im Pfarrbezirk zu wohnen.
Dienstwohnungspflicht: Pflicht des Pfarrers oder der Pfarrerin, im Pfarrhaus oder in einer Dienstwohnung zu wohnen.
Präsenzpflicht: Pflicht des Pfarrers oder der Pfarrerin, sich in der Gemeinde aufzuhalten und sie nur dann für längere Zeit zu verlassen, wenn zuvor Urlaub erteilt und die Vertretung geregelt wurde, damit eine verlässliche Erreichbarkeit für Gemeindeglieder auch außerhalb festgelegter Sprechstunden gesichert ist.

Aus der Begrifflichkeit ergibt sich, dass die Dienstwohnungspflicht im Mittelpunkt der Problematik steht. Präsenzpflicht und Residenzpflicht gelten auch, wenn ein Gemeindepfarrer oder eine Gemeindepfarrerin in einer Privatwohnung lebt.

3. Ausgangslage

Das Leben innerhalb des Pfarrhauses war noch vor etwa dreißig Jahren ziemlich einheitlich durch eine Familie mit Kindern und einer nicht berufstätigen Pfarrfrau geprägt. Die Pfarrersfamilie bildete eine geistige und geistliche Einheit, wurde durch den Pfarrdienst geprägt und trug das Pfarramt mit. Sie lebte Familienfrömmigkeit, Bildung und Kultur und war, da andere Menschen von Fall zu Fall an ihrem Leben teilnehmen konnten (Vikare wurden z.B. in die Familie aufgenommen), über Jahrhunderte hin prägend für eine gewisse, von kulturellen Werten bestimmte Lebensform (2).

Diese Vorstellung vom Pfarrhaus hat ihren festen Platz in dem derzeit diskutierten Pfarrerbild, das den Pfarrdienst als Profession versteht. (3) Kennzeichnende Eigenschaften einer Profession (4) sind unter Anderem,

  • dass sie ein Thema betrifft, das für Klienten wie Professionsinhaber gleichermaßen existenziell ist (Gesundheit, Gerechtigkeit, Glaube),

  • dass die Berufspraxis von Persönlichkeit und privatem Lebensentwurf tendenziell nicht zu trennen ist, so dass Arbeit und Leben einander bedingen und gegenseitig beeinflussen,

  • dass eine hohe Zeitsouveränität mit ständiger Vermischung von Berufs- und Privatleben zusammen trifft, so dass die berufliche Beanspruchung das Familienleben mitbestimmt.

Die für die Profession typische Nicht-Trennung von Arbeit und Leben im Pfarrhaus beruht letztlich auf der Grundlegung des allgemeinen Berufsbegriffs in der Reformationszeit. Als Konsequenz des Sola-Fide-Gedankens erhielt die Erfüllung innerweltlicher Pflichten erstmals religiöse Bedeutung und wurde als Voraussetzung eines Gott wohlgefälligen Lebens verstanden. (5) Diese Berufsauffassung verliert in der derzeitigen Gesellschaft mit ihrem Verlust von Milieus, ihrer zunehmenden funktionalen Aufsplitterung der Lebensbereiche und stärkerer Akzentuierung der Freizeit an Bedeutung. Das Pfarrhaus bleibt davon nicht unberührt. Das Verständnis des Pfarrdienstes als Profession kann daher als Gegenmodell zu gegenwärtigen Lebensformen begriffen werden. Allerdings zeichnen sich auch in anderen Bereichen gerade leitende oder im gesellschaftlichen Blickfeld stehende Positionen durch eine ständige Vermischung des beruflichen und privaten Bereichs aus.

4. Veränderungen und Problemanzeigen

a) Das beobachtete Pfarrhaus

Pfarrfamilien in Pfarrhäusern müssen damit leben, dass Gemeindeglieder an ihrem Leben Anteil nehmen, dass sie wissen wollen, wie die Mitglieder der Pfarrfamilie als Christen mit Konflikten und Verlusten umgehen, und dass sie häufig ihre individuellen Erwartungen zum Maßstab für die Beurteilung der Geschehnisse im Pfarrhaus machen. Menschen sind indessen heute weitgehend daran gewöhnt, sich in locker gewordenen Nachbarschaften und zwischen ganz unterschiedlichen Bezügen und Rollen hin und her zu bewegen, ohne dass ihr Verhalten von Instanzen der sozialen Nahkontrolle besonders wahrgenommen, bewertet und kommentiert wird. In vergangenen Jahrhunderten lebten hingegen die meisten Menschen als Bewohner eines Dorfes in einer im Wesentlichen transparenten Gemeinschaft, in der die spezielle Beobachtung des Pfarrhauses nur einen quantitativen Unterschied ausmachte. Vor diesem veränderten Hintergrund empfinden manche Pfarrfamilien die für sie fortbestehende Belastung, ihr Leben als beispielgebend für die ganze Kirche beobachten und bewerten zu lassen, schärfer als in der Vergangenheit.

b) Diversifizierung der Geschlechterrollen im Pfarrhaus

Die Diversifizierung der Geschlechterrollen, die im Pfarrhaus ebenso wie in der gesamten Gesellschaft stattgefunden hat, hat ihre Rückwirkungen auf die Offenheit des Pfarrhauses. Auch wenn der Anteil der Verheirateten im Pfarrdienst mit 82 % noch vergleichsweise hoch ist (6), gibt es im Pfarrhaus inzwischen eine große Bandbreite denkbarer Rollenverteilungen. Berufstätige Ehepartnerinnen oder Ehepartner sowie eine wachsende Zahl alleinstehender Pfarrerinnen stellen die augenfälligste Veränderung des traditionellen Bildes dar. Aufgrund beruflicher Verpflichtungen der Familienmitglieder außer Haus ergeben sich gemeinsame Zeiten nicht zwangsläufig, sondern müssen organisiert werden. (7) Je höher der Organisationsaufwand hierfür ist, umso geringer ist in der Regel die Neigung, jederzeit andere daran teilnehmen zu lassen.

Pfarrfamilien dürften daher in den vergangenen dreißig Jahren privater geworden und im Gemeindeleben weniger präsent sein. Dadurch hat sich auch die Wahrnehmung des Pfarrhauses in der lokalen Öffentlichkeit verändert. Pfarramt und Pfarrhaus werden nicht mehr als eins wahrgenommen. Karl-Wilhelm Dahm vermutete bereits 1978 eine „Rückwanderung zentraler Pfarrhausfunktionen an die Person des Geistlichen“ (8). Während früher das Pfarramt von der im Pfarrhaus lebenden Familie mit repräsentiert worden sei, käme es, so Dahm, zunehmend zur Repräsentanz des Amtes allein durch den Pfarrer oder die Pfarrerin.

c) Abgrenzung und Erreichbarkeit im Pfarrhaus

Eine häufige Klage unter Pfarrerinnen und Pfarrern richtet sich auf die Schwierigkeit der Abgrenzung und die Unmöglichkeit, freie Tage, Urlaubs- oder Krankheitszeiten ohne dienstliche Inanspruchnahme im Pfarrhaus zu verbringen. Hier zeigt sich, dass die tatsächliche Anwesenheit am „Arbeitsplatz“ aufgrund herkömmlicher Rollenerwartungen die Vorstellung dienstlicher Ansprechbarkeit auslöst, auch wenn z.B. der Urlaub genau bekannt ist. Es besteht der Eindruck, dass manche Pfarrerinnen und Pfarrer diese Vorstellung teilen, ihr jedenfalls vielfach intuitiv nachgeben. Teilbeschäftigte Pfarrerinnen und Pfarrer sind von der Schwierigkeit der Abgrenzung in besonderer Weise betroffen.

Häufige Störungen in allseits bekannten Urlaubszeiten der Pfarrerin oder des Pfarrers können auch damit zusammen hängen, dass es für Pfarrerinnen und Pfarrer heute insbesondere im Umgang mit ehrenamtlich und beruflich Mitarbeitenden (um sie geht es hier erfahrungsgemäß am häufigsten) im Einzelfall sehr schwierig sein kann, die richtige „Rollenbalance“ zu finden. Es kann passieren, dass eine Seite als - zur Störung berechtigende - Freundschaft empfindet, was die andere als dienstliche Beziehung versteht.

Auch zeigt sich hier eine Folge veränderter Gemeindestrukturen, in denen Gruppen und Kreise und damit die ehrenamtlich Tätigen stärker neben das Pfarrhaus getreten sind und dem Pfarrer oder der Pfarrerin mehr Zeit und Kompetenz für Organisations- und Leitungsfragen abverlangen und weniger Zeit für die gründliche Vorbereitung von Predigt und Unterricht, für die Seelsorge und die Pflege der persönlichen Spiritualität lassen.

In der Klage über Abgrenzungsprobleme schlagen sich auch veränderte Familiensituationen nieder. Vermittelte in der Vergangenheit die Pfarrfrau viele Kontakte des Pfarrers in die Gemeinde und fing vieles ab, muss die Pfarrerin oder der Pfarrer heute in aller Regel selbst an die Tür oder das Telefon gehen, Anmeldungen entgegen nehmen, Schlüssel aushändigen, Termine besprechen u.s.w. Je nachdem, welche Arbeit dadurch unterbrochen wird, kann dies eine empfindliche Störung bedeuten. Allerdings kann dies auch, wo Familienmitglieder diese Aufgabe (noch) wahrnehmen, eine ernsthafte Belastung - ebenfalls für die Beziehung - sein.

d) Steuerliche Bewertung des Pfarrhauses

In den Steuerprüfungen der vergangenen zwanzig Jahre wurde die Verbindung von Dienst und Wohnen und die hierdurch geminderte Privatheit des Lebens im Pfarrhaus zunehmend ignoriert. Dies hat weitere „Privatisierungsschübe“ verursacht. Mit der Differenzierung von Amts- und Arbeitszimmer mussten die Amtsräume vom Wohnbereich separiert werden, so dass Besucher des Pfarrhauses fortan nicht mehr mit der Pfarrfamilie in Kontakt kamen. Mit der Besteuerung des geldwerten Vorteils, der in der Möglichkeit der privaten Mit-Nutzung eines Diensttelefons liegt, wurden private Telefonleitungen installiert und der Telefonservice der Pfarrfamilie durch den Anrufbeantworter ersetzt. Nachdem es das Bundesfinanzministerium auf Empfehlung der Staatssekretärskonferenz für unzulässig erklärt hatten, die Beeinträchtigungen im Privatbereich durch Amtsgeschäfte bei der Festsetzung des steuerlichen Mietwertes steuermindernd zu berücksichtigen, kam es zu erheblichen finanziellen Belastungen der Pfarrerinnen und Pfarrer in Dienstwohnungen. Die inzwischen fast überall eingeführten Regelungen in Bezug auf  Schönheitsreparaturen führten zu weiteren finanziellen Einbußen.

Die beschriebene Entwicklung hat sich schleichend vollzogen. Die angesprochenen Steuerfragen betrafen zunächst immer nur wenige Gliedkirchen, während die übrigen hofften, durch Stillschweigen ihren günstigeren steuerlichen status quo wahren zu können. Auf diese Weise ist z.B. im Zusammenhang mit der Besteuerung von Dienstwohnungen kein Versuch unternommen worden, durch gemeinsames Vorgehen der Gliedkirchen die Bedeutung der Pfarrhäuser aufzuzeigen und die kirchlichen Interessen zu schützen. Die steuerlichen Belastungen wurden im Ergebnis weitgehend an die Pfarrerschaft weiter gegeben. Teilweise - wie bei den Schönheitsreparaturen - wurde unter dem Druck finanzieller Einbrüche nicht nur die Steuerlast, sondern die Gesamtheit der Kosten der Pfarrerschaft auferlegt.

e) Abnehmende Akzeptanz des Pfarrhauses

Pfarrerinnen und Pfarrer (und ihre Angehörigen) haben die wachsende Belastung mit Kosten des Wohnens im Pfarrhaus als Nichtachtung ihrer besonderen Leistung, die sie in der „Lebensform Pfarrhaus“ erbringen, empfunden. Im Pfarrhaus wird konkret erfahren, was Pfarrdienst als Profession bedeutet. Daher werden am Pfarrhaus stellvertretend Fragen des beruflichen Selbstverständnisses der Pfarrerinnen und Pfarrer und der Anerkennung ihres Dienstes diskutiert. Einkommensrückgänge in Verbindung mit dem Pfarrhaus führen daher zu stärkeren Emotionen als andere Gehaltskürzungen. Stellenkürzungen, das Gefühl dauernder Überforderung und geringschätzige Äußerungen in den Synoden über die Pfarrerschaft tun das Ihre, um die Motivation zum ganzheitlichen Dienst und die Akzeptanz des Pfarrhauses sinken zu lassen.

Die Akzeptanz des Pfarrhauses wird darüber hinaus gemindert durch den vergleichenden Blick der Gemeindepfarrerinnen und -pfarrer auf übergemeindliche Pfarrstellen, Teilstellen und unständige Stellen, die meist nicht mit Dienstwohnungspflicht verbunden sind. In manchen Gliedkirchen ist auf diese Weise ein Viertel der Pfarrerschaft ohne Dienstwohnungspflicht. Ihre Entlastung durch die Trennung von Dienst- und Privatleben, die mögliche staatliche Förderung eines eigenen Heims und die hohen steuerlichen Mietwerte in manchen Pfarrhäusern führen dazu, dass sich eine wachsende Zahl von Gemeindepfarrerinnen und -pfarrern benachteiligt fühlt und bei Stellenentscheidungen die Kosten des Wohnens im künftigen Pfarrhaus in die Überlegungen einbezieht.

Für die professionsethische Sozialisation ist es ferner abträglich, dass Pfarrerinnen und Pfarrer am Anfang ihres Berufslebens häufig Teilstellen oder unständige Stellen ohne Pfarrhaus einnehmen und so erst spät mit den Herausforderungen des Lebens im Pfarrhaus vertraut werden.

f) Teildienst und Pfarrhaus

Viele der geschilderten Veränderungen des Pfarrhauses bündeln sich bei teilbeschäftigten Pfarrerinnen und Pfarrern. Seit Ende der 80er Jahre ist ihre Zahl erheblich gestiegen. Wo sie der Pfarrhauspflicht unterliegen, ringen sie darum, die Pflicht zur begrenzten Arbeit aber zur dauernden Präsenz miteinander zu vereinbaren. Soweit sie Nebenbeschäftigungen nachgehen, sind regelmäßige, begrenzte Abwesenheiten von der Gemeinde der Regelfall.

Trotzdem sind Gemeinden bei notwendigen Stellenreduzierungen häufig eher bereit, eine eigene Teilstelle zu akzeptieren als mit der Nachbargemeinde eine volle Stelle zu teilen. Bei dieser Entscheidung spielt der Wunsch, weiterhin eine eigene, im Ort jederzeit erreichbare Ansprechperson und ein bewohntes Pfarrhaus als gemeindlichen Kristallisationskern zu besitzen, eine wesentliche Rolle.

Wo sich zwei nicht miteinander verheiratete Personen eine Pfarrstelle teilen, unterliegt nur eine von ihnen der Pfarrhauspflicht. Viele der neu geschaffenen Teilstellen sind ohne Dienstwohnung, teilweise sogar ohne Residenzpflicht eingerichtet worden. Die hierdurch begründete Ungleichheit unter den Pfarrerinnen und Pfarrern vermindert die Akzeptanz des Pfarrhauses.

g) Leer stehende Pfarrhäuser

Durch den Abbau von Pfarrstellen gibt es insbesondere in den östlichen Gliedkirchen eine wachsende Zahl von Pfarrhäusern, die nicht mehr als solche genutzt werden. Dies verändert die bisherige Sichtweise, die das Pfarrhaus als einen selbstverständlichen Kristallisationskern der Gemeinde verstand. Wo indessen mehrere Gemeinden durch eine Pfarrerin oder einen Pfarrer versorgt werden müssen, wird das - von Pfarrerin oder Pfarrer bewohnte - Pfarrhaus zum umkämpften Identifikationssymbol der zum Kirchspiel gehörenden Gemeinden. An ihnen zeigt sich, dass das „Licht im Pfarrhaus“ immer noch eine wichtige Rolle in der Gemeinde spielt und mehr bedeutet als eine Dienstwohnung. Die östlichen Gliedkirchen versuchen, dafür zu sorgen, dass in frei gewordenen Pfarrhäusern weiterhin Christen wohnen, die beruflich oder ehrenamtlich in der Gemeinde tätig sind und als Ansprechpersonen vor Ort zur Verfügung stehen.

5. Fortdauernde Bedeutung des Pfarrhauses

a) Pfarrhaus als Symbol

Trotz der beschriebenen Erosionen der Dienstwohnungspflicht und ihrer Akzeptanz leistet das evangelische Pfarrhaus weiterhin Wesentliches, das über eine bloße Wohnstätte für Pfarrerinnen und Pfarrer und ihre Familien hinaus geht. Das Pfarrhaus weist hin auf die Bedeutung der Kirche vor Ort und ist auch weiterhin ein Sinnbild für die Präsenz des Christlichen in unserer Gesellschaft. Im Pfarrhaus wohnen Menschen, die bereit sind, mit ihrem Leben, mit Gelingen und Scheitern für ihren Glauben und ihr Getragen-Sein durch Gott einzustehen. Als ein Ort des bekennenden und gelebten Christ-Seins wird das Pfarrhaus zum Kristallisationskern für Hoffnungsbilder. Hierdurch ist es Projektionsfläche und Orientierungspunkt für Vorstellungen nicht nur der Kirchenmitglieder von gelungenem Leben. Möglicherweise „delegiert“ auch manches Gemeindeglied auf diese Weise die Aufgabe des christlichen Beispiels, die allen Christen zukommt, auf die Bewohner des Pfarrhauses. Für Pfarrerinnen und Pfarrer mögen die Hoffnungen und Erwartungen, die auf dem Pfarrhaus ruhen, in manchen Situationen unbequem sein. Es mag aber ebenso sein, dass sie ihnen auch helfen, selbst in schwierigen Situationen das Bemühen um eine glaubwürdige Lebensweise mit und vor dem Evangelium durchzuhalten. Jedenfalls haben Pfarrerinnen und Pfarrer und ihre Familien es erst durch die konkrete Art ihres Lebens im Pfarrhaus ermöglicht, dass dieses ein Symbol werden konnte.

Die fortbestehende Bedeutung des Pfarrhauses wurde nicht zuletzt durch die Umfrage der Evangelischen Kirche im Rheinland von 1998 deutlich (9). Auf die Fragen: „Braucht die Ortsgemeinde ein eigenes Pfarrhaus?“ und „Würde Ihnen etwas fehlen, wenn es das Pfarrhaus nicht gäbe?“ sprach sich jeweils die ganz überwiegende Mehrheit für das Pfarrhaus aus. In einer Aufschlüsselung der Antworten nach Größe der Wohnorte wurde das Pfarrhaus erwartungsgemäß in kleineren Orten (bis 20Tausend Einwohnern) höher geschätzt als in größeren. Überraschenderweise stieg die Wertschätzung aber in Städten mit mehr als 400Tausend Einwohnern wieder sehr deutlich an.

b) Pfarrhaus als Ausdruck der Untrennbarkeit von Amt und Person

Erst dadurch, dass Dienst und persönliches Leben im Pfarrhaus gleichermaßen ihren Ort haben, bringt das Pfarrhaus die praktischen Voraussetzungen mit, um das Bedürfnis nach einem Symbol erfüllen zu können. Hierdurch ist es räumlicher Ausdruck der Untrennbarkeit von Amt und Person und gleichzeitig Voraussetzung wie Konsequenz des Pfarrdienstes als Profession. 

Wer es zu seinem Beruf gemacht hat, das tägliche Leben der Menschen mit dem Heil Gottes in Verbindung zu bringen, ist dieser Aufgabe auch in seinem persönlichen Leben verpflichtet. Er oder sie muss auch in privaten Situationen für das Wort Gottes einstehen und für Fragen nach Sinn und Religion ansprechbar sein, auch wenn dann erforderlichenfalls einen Termin für ein ausführliches dienstliches Gespräch vereinbart wird. Zu dieser Verpflichtung gehört es auch, das Evangelium in der Ausrichtung des eigenen Lebens ernst zu nehmen. Ihr entspricht die berechtigte Erwartung, im Falle des Scheiterns trotz ehrlichen Bemühens mit einem offenen Umgang und einer neuen Chance rechnen zu dürfen. Das Pfarrhaus erhöht die Sichtbarkeit des von der Gemeinde gewünschten beispielhaften Lebens durch seine Offenheit und die meist exponierte Lage neben der Kirche und den damit verbundenen Erwartungsdruck auf die Pfarrfamilie. Respekt vor der Intimität und Privatheit im Pfarrhaus sollte seitens der Gemeinde nicht als Widerspruch hierzu sondern als Bestandteil einer glaubwürdigen Lebensweise angesehen werden.

Wo die Wahrnehmung des Berufes religiöse Bedeutung erlangt hat (so die Feststellung Max Webers) (10), ist es nur konsequent, wenn der Beruf auch das persönliche Leben und Familienleben mit prägt. Indem das Pfarrhaus gleichzeitig dienstlichen und privaten Zwecken dient,  ermöglicht es auch in zeitlicher Hinsicht die professionstypische Durchmischung von Berufs- und Privatleben. Infolge der leichten Erreichbarkeit für dienstliche Belange bedeutet dies für Pfarrerinnen und Pfarrer eine Einschränkung des Privatlebens. Der jederzeit mögliche Wechsel zwischen dienstlichen und privaten Bezügen bietet aber gleichzeitig die praktischen Voraussetzungen, die Zeitsouveränität der Profession auch im persönlichen Interesse zu nutzen.

c) Pfarrhaus als Ort der Hilfe und Zuwendung

Darüber hinaus ist das Pfarrhaus ein Ort, an dem jederzeit Zuwendung und Hilfe erwartet wird. Wegen der privaten Funktion des Pfarrhauses kann man damit rechnen, auch außerhalb gewöhnlicher Geschäftzeiten jemanden anzutreffen. Die Schwelle, diese Möglichkeit auch in Anspruch zu nehmen, ist wegen der dienstlichen Eigenschaft des Pfarrhauses niedriger als bei einem reinen Wohnhaus.

d) Dienstwohnung und Mobilität

Pfarrdienstwohnungen haben erhebliche praktische Bedeutung für die Mobilität der Pfarrerschaft, da es nicht nur im ländlichen Bereich durchaus schwierig sein kann, eine passende Wohnung innerhalb der Gemeinde zu finden (11). Gemeinden, die eines ihrer Pfarrhäuser verkauft haben, haben inzwischen die Erfahrung gemacht, dass dieser Verlust die Neubesetzung ihrer Pfarrstelle und das Wohnen der Pfarrerinnen und Pfarrer in der Gemeinde erschwert.

Trotz Unversetzbarkeit zum Schutz der Unabhängigkeit von Seelsorge und Verkündigung sollte im Laufe eines Berufslebens zwei bis drei mal die Stelle gewechselt werden. Manche Gliedkirchen erwägen, den regelmäßigen Stellenwechsel durch befristete Übertragung von Gemeindepfarrstellen verbindlich zu machen. Dies wird sich nur realisieren lassen, wenn Dienstwohnungspflicht und Pfarrhäuser erhalten bleiben.

Auch darf die Motivation der Pfarrerinnen und Pfarrer zum Stellenwechsel nicht durch zu starke Schwankungen in der Wohnsituation oder im steuerlichen Mietwert der Pfarrdienstwohnung beeinträchtigt werden. Bei Pfarrhäusern und Pfarrdienstwohnungen wird daher versucht, bei aller Verschiedenheit im Einzelnen, einen gewissen Standard einzuhalten, auf den Pfarrerinnen und Pfarrer sich verlassen können. Auch gibt es in vielen Landeskirchen Regelungen, die Steuerlast oder Dienstwohnungsvergütung in einem vertretbaren Verhältnis zum Einkommen halten sollen. Allerdings besteht der Eindruck, dass Pfarrerinnen und Pfarrer, die keine Dienstwohnung sondern ein eigenes Haus bewohnen, wesentlich seltener zum Stellenwechsel - und damit verbundenen Wohnungswechsel in ein Pfarrhaus - bereit sind und der Auffassung, ein Pfarrer oder eine Pfarrerin solle im Pfarrhaus oder in der Gemeinde wohnen, erheblich weniger zustimmen (12).


II. Empfehlungen zur Erhaltung des Pfarrhauses

Es ist notwendig, alle Anstrengungen zur Erhaltung des evangelischen Pfarrhauses zu unternehmen und seine Wertschätzung in kirchenleitenden Gremien und in der Pfarrerschaft zu erhöhen, damit es weiterhin

  • ein Zeichen für Gegenwart und Anteil der Kirche in der Gesellschaft,
  • ein sichtbarer Ort des gelebten Christ-Seins,
  • ein Ort für den Pfarrdienst als Profession,
  • ein Ort der Hilfe und Zuwendung und
  • eine unverzichtbare Rahmenbedingung für die erforderliche Mobilität der Pfarrerschaft

sein kann.

Praktisch-organisatorische und finanzielle Aspekte wirken zusammen und bedürfen der rechtlichen Regelung, damit das Pfarrhaus seine professionsethischen Funktionen erfüllen und ein Zeichen für Gegenwart und Anteil christlichen Lebens in der Gesellschaft sein kann.

1. Residenzpflicht und Präsenzpflicht

Die Residenzpflicht als Pflicht der Pfarrerinnen und Pfarrer, im Gemeindebezirk zu wohnen, und die Präsenzpflicht als Pflicht, sich in der Gemeinde aufzuhalten, wenn nicht Urlaubserteilung und Vertretungsregelung eine Abwesenheit gestatten, stehen außer Diskussion. Die Präsenzpflicht muss - trotz Schwierigkeiten im Einzelfall - in der Regel auch für teilbeschäftigte Pfarrerinnen und Pfarrer, die Residenzpflicht auch für Stellen teilende Ehepaare gelten.

Beides ist unerlässlich, damit Pfarrerinnen und Pfarrer das Lebensumfeld ihrer Gemeindeglieder kennen und für sie erreichbar sind. Dies gilt auch für Gemeinden mit mehr als einer Pfarrstelle. Insbesondere für teilbeschäftigte Pfarrerinnen und Pfarrer sind bei eingeschränkter Präsenz verlässliche, bekannte und leicht erreichbare Vertretungen sicher zu stellen.

2. Dienstwohnungspflicht für Pfarrerinnen und Pfarrer

Die Dienstwohnungspflicht als Pflicht der Pfarrerinnen und Pfarrer, im Pfarrhaus oder in einer vorhandenen Dienstwohnung zu wohnen, ist unverzichtbarer Bestandteil des Pfarrerbildes. Sie bleibt wesentliche Grundlage des Pfarrdienstes, die bei der Berufswahl ebenso in die Erwägungen einzubeziehen ist wie andere grundlegende Berufsmerkmale. Die Zahl der Pfarrerinnen und Pfarrer ohne Dienstwohnungspflicht darf  nicht weiter erhöht werden. Junge Pfarrerinnen und Pfarrer sollen schon in ihren ersten Dienstjahren ein Pfarrhaus bewohnen, um den Umgang mit den Herausforderungen dieser Lebensform früh zu trainieren und um ihre Chancen zu erfahren.

Ausnahmen von der Dienstwohnungspflicht werden im Gemeindepfarrdienst in der Regel nur im Vorfeld des Ruhestandes, aus Gründen der Gesundheit oder wegen vergleichbarer, besonderer persönlicher Härten zugelassen. Die Entscheidung hierüber wird auf Ebene der Landeskirche unter Anwendung des Grundsatzes „Im Zweifel für das Pfarrhaus“ getroffen.

3. Dienstwohnungspflicht für Gemeinden

Gemeinden bleiben weiterhin verpflichtet, ein Pfarrhaus oder eine Dienstwohnung vorzuhalten und sie in einem angemessenen baulichen Zustand zu erhalten. Wenn es notwendig ist, das Pfarrhaus umzubauen oder zu renovieren, um es für seine Bewohner zumutbar zu machen, darf dies nicht zum Anlass werden, die Gemeinde aus ihrer Dienstwohnungspflicht zu entlassen.

Über Ausnahmen im Einzelfall wird auf Ebene der Landeskirche und nicht in örtlichen oder regionalen Gremien entschieden, damit gesichert ist, dass nach vergleichbaren Kriterien und nicht ausschließlich nach örtlichen Interessen entschieden wird. Bei den Entscheidungen gilt der Grundsatz: „Im Zweifel für das Pfarrhaus.“

Eine weitere Vermehrung des Anteils der Pfarrstellen ohne Pfarrhaus  oder  Dienstwohnung würde die Ungleichheit unter den Pfarrerinnen und Pfarrern verstärken und so die Akzeptanz des Pfarrhauses mit seinen Verhaltenszumutungen senken. Deshalb sollen Pfarrhäuser auch in Gemeinden mit mehreren Pfarrstellen nur dann anderen Zwecken zugeführt werden, wenn die dazu gehörige Pfarrstelle aufgehoben wird.

4. Erreichbarkeit

Alle Pfarrerinnen und Pfarrer müssen verlässlich erreichbar sein. Die Erreichbarkeit sollte auch mit Hilfe technischer und organisatorischer Mittel verbessert werden. Dabei muss bewusst bleiben, dass Präsenz im Sinne der Ansprechbarkeit auf existentielle Fragen nicht mit technischer Erreichbarkeit gleich zu setzen ist.

Der Einsatz des Anrufbeantworters darf nicht zur persönlichen Abschottung führen. Gespeicherte Anrufe sind regelmäßig in kurzen Abständen abzuhören und kurzfristig zu beantworten.

Die Einrichtung von festen Sprechstunden kann die Schwelle für erste Kontakte senken, muss aber mit dem deutlichen Hinweis verbunden sein, dass dies nur die Zeiten sind, in denen sicher jemand anzutreffen ist und dass das Pfarrhaus auch zu anderen Zeiten offen steht.

Damit Hilfe Suchende  bereits beim ersten Kontakt persönlich mit einem Pfarrer oder einer Pfarrerin sprechen können, im Pfarrdienst aber gleichzeitig auch verlässlich dienstfreie Zeiten organisiert werden können, ist es denkbar, eine zentrale Rufbereitschaft für eine Region oder eine gemeinsame Stelle, die zuverlässig über Vertretungsdienste Auskunft gibt, einzurichten. Auch das Mobiltelefon kann Erreichbarkeit unterstützen.

5. Anerkennung und Erleichterung des Lebens im Pfarrhaus

Das Leben im Pfarrhaus bedarf in Zukunft größerer Aufmerksamkeit und Anerkennung. Diese muss sich auch auf die Familienmitglieder beziehen und ihre Belange berücksichtigen.

So könnte die Ausübung einer Berufstätigkeit des Ehepartners oder der Ehepartnerin bei entsprechender Kostenübernahme im Pfarrhaus  zugelassen werden, wenn keine Kollision mit Gemeinde- oder Seelsorgeinteressen zu befürchten ist. Insgesamt ist auf die Berufstätigkeit des Ehepartners oder der Ehepartnerin und auf den Anspruch der Familie auf ein eigenes Leben stärker Rücksicht zu nehmen. Der notwendige Schutz des Privatbereichs, den alle Menschen zum Gelingen ihres Lebens und ihres Dienstes benötigen, ist als Teil eines am Evangelium ausgerichteten Lebens ins Bewusstsein der Gemeinde zu bringen, um ihm auch im Pfarrhaus Wirksamkeit geben zu können.

Alle Pfarrerinnen und Pfarrer - und ihre Angehörigen - sollten Zugang zu Fortbildungen haben, die es ihnen erleichtern,

  • ihre dienstlichen und privaten Bedürfnisse nach Ungestört-Sein und Abstand zu vermitteln und Enttäuschungen, die möglicherweise durch Abgrenzung verursacht werden, aufzufangen und auszuhalten,
  • den Zusammenhang und die Differenz von Dienst und Rolle zu reflektieren und Rollenstabilität zu erlangen,
  • ihre Arbeit konsequent zu planen, zu strukturieren und so zu begrenzen, dass Ruhezeiten eingeplant und eingehalten werden.

Angehörige sollten besonders zur Teilnahme eingeladen und ermutigt werden. Pfarrerinnen und Pfarrer sollten auch die Möglichkeit längerer, mehrwöchiger „Aus-Zeiten“ für Weiterbildung, Kontaktstudium, Kontemplation und Gebet (zum Beispiel im Haus „Respiratio“) haben.

6. Finanzielle Entlastungen

Die Kosten des Pfarrhauses sind in angemessener Weise zwischen Gemeinden, Landeskirche und Pfarrerschaft zu verteilen. Entscheidungen hierüber sollen berücksichtigen, dass sie als Gradmesser für die Wertschätzung dessen verstanden werden können, was Pfarrerinnen und Pfarrer und ihre Angehörigen durch die Bewältigung der  „Lebensform Pfarrhaus“ leisten. Dies kann dazu führen, dass Steuerbehörden und Kirchenleitungen zu unterschiedlichen Bewertungen kommen, was als dienstlich und was als privat zu einzustufen - und zu finanzieren - ist. Es ist daher nicht zwingend, alle Lasten aufgrund der steuerlichen Bewertungen der Finanzverwaltungen an die Pfarrerinnen und Pfarrer weiter zu geben.

Die Kostenbelastung durch das Wohnen im Pfarrhaus ist stets in einem vertretbaren Verhältnis zum Einkommen zu halten. Dies ist insbesondere bei solchen teilbeschäftigten Pfarrerinnen und Pfarrern, die eigentlich eine volle Pfarrstelle anstreben, im Blick zu behalten.

Wo ein Pfarrhaus im Einzelfall durch seine Größe, schlechte Beheizbarkeit oder Ähnliches Anlass zu berechtigten Klagen gibt, sollte im Rahmen der Möglichkeiten versucht werden, finanzielle Entlastung zu geben, sofern bauliche Lösungen unmöglich sind. Zu denken ist hier z.B. an Heizkostenzuschüsse, Flächenstillegungen oder Kappungsgrenzen für die Berechnung der Dienstwohnungsvergütung. Wo durch die unterschiedlichen steuerlichen Mietwerte der Pfarrdienstwohnungen die Einkommensunterschiede in der Pfarrerschaft zu groß werden, kann an den - steuerpflichtigen - Teilausgleich der Steuerbelastung gedacht werden.

Die Kirchenleitungen sollten versuchen, steuerliche Belastungen des Pfarrhauses durch frühzeitige, intensive, auch landeskirchenübergreifende Verhandlungen im politischen Raum und mit der Finanzverwaltung abzuwehren. Hilfreich könnte es sein, dabei Bewohner und Bewohnerinnen eines Pfarrhauses hinzu zu ziehen, da sie die Anforderungen der „Lebensform Pfarrhaus“ und ihre Bedeutung in der Gemeinde lebendig schildern können. Die Steuerreferenten und -referentinnen der Gliedkirchen werden gebeten, für diese Frage ein Konzept für ein abgestimmtes Vorgehen der Gliedkirchen und der EKD auf Landes- und Bundesebene zu entwickeln. Regelmäßiger Austausch der Kirchenverwaltungen mit dem mittleren Management der Finanzverwaltungen ist anzustreben.

Gegen belastende Entscheidungen der Finanzbehörden sollten die Kirchenleitungen den betroffenen Pfarrerinnen und Pfarrern z.B. durch gemeinsame koordinierte Prozessvertretung und -führung Unterstützung geben, wie dies in der Evangelischen Kirche der Pfalz vor Kurzem erfolgreich geschehen ist.

Es ist darauf zu achten, dass die Angaben kirchlicher Stellen zu Kriterien der steuerlichen Bewertung von Pfarrdienstwohnungen nach einheitlichen Beurteilungsmaßstäben gemacht werden.

Hannover, im September 2002


Fußnoten:

(1)  In einigen Landeskirchen (z.B. Thüringen und Bayern) wird der Begriff „Residenzpflicht“ in Rechtstexten so benutzt, dass er die Dienstwohnungspflicht mit umfasst. Wenn im vorliegenden Text zwischen Residenz- und Dienstwohnungspflicht unterschieden wird, hat dies keinen Einfluss auf die Rechtslage in einer einzelnen Landeskirche.

(2)  vgl. Karl-Fritz Daiber: Zur veränderten Situation des Pfarrberufs, Deutsches Pfarrerblatt 1997, S. 622ff

(3)  vgl. Isolde Karle: „Der Pfarrberuf als Profession. Eine Berufstheorie im Kontext der modernen Gesellschaft.“ Gütersloh 2001 und das Diskussionspapier der Theologischen Kammer der Evangelischen Kirche von Kurhessen Waldeck: „Das Amt des Pfarrers und der Pfarrerin in der modernen Gesellschaft.“ Kassel August 2001

(4)  vgl. dazu Beyer, Johanna, „Teildienst als Spitze des Eisberges“ im Deutschen Pfarrerblatt 6/2001 und die Vorlage für die Sitzung der Kirchenkonferenz am 6./7. Dezember 2000 zu Fragen des Pfarrdienstes

(5)  vgl. näher hierzu: Max Weber „Die Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ (I. 3.), 1934

(6)  So das Ergebnis einer Umfrage unter der Pfarrerschaft der EKHN im Jahr 2001: 82% der Antwortenden gaben an, verheiratet zu sein, 78 % hatten Kinder innerhalb oder außerhalb des Haushaltes. (Quelle: www.pfazi.de/presseinfo.pdf
     
(7)  vgl. Karl-Fritz Daiber aaO

(8)  Karl-Wilhelm Dahm: Wird das evangelische Pfarrhaus „katholisch?“ - Zur Rückwanderung zentraler „Pfarrhausfunktionen“ an die Person des „Geistlichen“, in: R. Riess (Hrgs.) Haus in der Zeit, München 1979, S. 224 - 237

(9)  vgl. „Erhebungen zum Pfarrerbild“ durch Prof. Dr. K.W. Dahm- Vorlage für die Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland im Januar 1999. Die Aufschlüsselungen nach Wohnortgröße sind unveröffentlicht.

(10)  Max Weber, vgl. Fußnote 4

(11)  Hinzuweisen ist auch auf die Bedeutung der Pfarrhäuser in den Kirchen der ehemaligen DDR. Ohne sie hätte jede Neubesetzung einer Pfarrstelle mit den Stellen der staatlichen Wohnungszwangsbewirtschaftung verhandelt werden müssen, ganz abgesehen davon, dass Pfarrhäuser in der DDR dem Bedürfnis nach der Gestaltung einer Gegenwelt dienen konnten (vgl. Karl-Fritz Daiber aaO).

(12)  vgl www.pfazi.de/presseinfo.pdf, S. 12 (FN 5): Pfarrerinnen und Pfarrer, die im Pfarrhaus leben, teilen die Auffassung, ein Pfarrer oder eine Pfarrerin müsse im Pfarrhaus oder wenigstens in der Gemeinde leben, signifikant häufiger also solche, die im eigenen Haus leben (84% zu 67%).