Predigt im ökumenischen Gottesdienst am Tag des DFB-Pokalfinales am Samstag, 3. Juni 2023, in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, Berlin

Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland und Sportbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)

Salz der Erde – Licht der Welt (DFB-Pokal-Endspiel)

Der Friede Gottes und die Liebe Christi und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Liebe Geschwister,

wow, was für ein starkes Bild von hier vorne. Ein Meer aus Trikots! Kann ich einmal ein kräftiges „Halleluja“ von allen Fans mit dem Trikot von RB Leipzig haben? Und nun bitte ein „Lobet den Herrn“ von allen Fans mit dem Trikot der Eintracht Frankfurt? Und – aufgepasst – nun ein gemeinsames „Amen“ von allen mit einem Trikot von Emil Forsberg, Yussuf Poulsen, Timo Werner oder von Kevin Trapp, Sebastian Rohde, Randal Kolo Muani.

Nun: Was macht eigentlich einen guten Fußballer, eine gute Fußballerin aus? Erste Antwort: Klar, er gehört zu unserer eigenen Mannschaft. Sie ist eine von uns. Zweite Antwort – etwas objektiver gesagt: Zum einen zeigt er oder sie Leidenschaft, Einsatz. Sie kämpft, fightet für das Team, er läuft sich die Seele aus der Brust, ackert, wenn nötig, den ganzen Rasen einmal um. Sein bzw. ihr Trikot ist am Ende klitschnass.

Und zum anderen: er oder sie kann wirklich was, spielt geniale Pässe, trifft ins Tor, natürlich ins gegnerische, macht den entscheidenden Unterschied.

Beides braucht es beim Fußball:

- Engagement, Arbeit, Einsatz, sprich: Transpiration.

- Und: Können, Genialität, Strahlkraft, sprich: Inspiration.

So ähnlich klingt das auch, wenn Jesus in der Bergpredigt zu seinen Jüngerinnen und Jüngern spricht. „Ihr seid das Salz der Erde – ihr seid das Licht der Welt.“ Ein starkes, doppeltes Bild. Nicht dafür, wer wir sein sollten, sondern wer wir sind: Salz und Licht.

Auch beim Christsein geht es um Einsatz – um Salz, die Essenz von Schweiß und Tränen. Und es geht um Strahlkraft – um Licht, um das, was das Leben hell und strahlend macht.

Auch beim Christsein steht die Team-Leistung im Vordergrund: Jesus Christus spricht die Jüngerinnen und Jünger gemeinsam an. Ihr seid das Salz, Ihr seid das Licht. Zum Christsein gehört immer die Gemeinschaft mit anderen. Oder anders formuliert: „In der Gemeinde ist Glaube am schönsten.“ - Und Sport wie Glaube ereignen sich nicht mit Chips auf dem Sofa. Keine „sad stories about glory days“: „Also ich hab ja damals …“ Bei beiden geht es vielmehr um eine aktive Haltung im Hier und Jetzt. Um etwas, was das eigene Leben und Handeln ganz bestimmt. Salz, das nicht mehr salzt, taugt zu nichts. Licht, das nicht mehr leuchtet, steht am falschen Platz. Glaube, der nicht gelebt wird, ist wie Sport auf dem Sofa.

Und doch gibt es bei Glaube und Sport ein paar wesentliche Unterschiede.

Als Christinnen und Christen spielen wir im Team Gottes. Und für dieses Team zählt letztlich immer Gottes gesamte Schöpfung. Nur so leben wir als Salz der Erde und Licht der Welt. Jeder Mensch, jedes Tier, jedes Geschöpf ist uns wichtig. „Egal, woher Du kommst, egal, wie Du aussiehst, egal, wen Du liebst: Du gehörst zu Gott und damit zu uns. Du bist eine, einer von uns.“ Darunter ist Christsein nicht zu haben: Es geht um Feindesliebe.

Deswegen sind all unseren menschlichen Unterschiede vorläufig. Unterschiede von Vereinen, Nationen, sozialen Milieus sowieso. Auch konfessionelle wie evangelisch oder katholisch. Ja, selbst die religiöse Unterscheidung in christlich oder nicht. In Christus ist jeder Mensch unser Bruder und unsere Schwester.

Zum Leben als Christin und Christ gehört dabei beides: die Demut des Salzes und die Anmut des Lichtes

Die Demut des Salzes: Salz macht nicht viel Wesens um ihr Wesen. Es geht auf. In der Erde, im Essen. Sein Ziel ist es geradezu, sich aufzulösen. Salz ist völlig transparent, fast unscheinbar. Und doch lebenswichtig, höchst wirksam in sich selbst. Kein Leben ohne Salz.

Ein Salzkorn, das sich etwas darauf einbildet, ein besonderes Salz zu sein, anstatt einfach für andere zu salzen, hat nichts verstanden.

Das gilt auch für uns als Christinnen und Christen: Am Ende der Tage wird Christus sicher einmal nicht zu mir sagen: „O, Du bist Pfarrer, Präses, Bischof, DFB-Präsident gewesen: Respekt! Wir haben Dir natürlich einen besonderen Platz freigehalten. Bitte hier entlang zur himmlischen VIP-Lounge.“

Nein, das wird sicher nicht passieren. Sondern Christus wird mich fragen: „Warst Du salzig und hast Du das Leben anderer Geschöpfe schmackhafter, gesünder gemacht, Gift entzogen, Kraft gegeben? Hast Du geleuchtet und durch Gottes Liebe das Leben anderer hell gemacht? Haben andere Menschen durch dich Hoffnung geschöpft? Oder hast Du Dich in Deinem Leben nur um Dich selbst gedreht, um Deinen Verein, Deine Kirche, Deine Karriere?“ Das ist die Demut des Salzes: nicht etwas aus uns selbst sein wollen, transparent sein für Gottes Liebe, die  in uns wirksam ist.

Womit wir bei der Anmut des Lichtes sind: Umgekehrt gibt es zugleich die Gefahr, dass wir aufhören oder gar nicht erst anfangen zu leuchten. Wenn ich die Gaben, die Gott mir gibt, nicht für andere strahlen lasse. Das ist falsche Demut aus Angst vor dem Licht, letztlich vor Gott selbst. Nelson Mandela hat dies eindrücklich beschrieben in seiner Antrittsrede als Präsident Südafrikas 1994: „Jeder Mensch ist dazu bestimmt zu leuchten! Unsere tiefgreifendste Angst ist nicht, dass wir ungenügend sind, unsere tiefgreifendste Angst ist, über das Messbare hinaus kraftvoll zu sein. Es ist unser Licht, nicht unsere Dunkelheit, die uns am meisten Angst macht. Wir fragen uns, wer ich bin, mich brillant, großartig, talentiert, phantastisch zu nennen? Aber wer bist Du, Dich nicht so zu nennen? Du bist ein Kind Gottes. Dich selbst klein zu halten, dient nicht der Welt. Es ist nichts Erleuchtetes daran, sich so klein zu machen, dass andere um Dich herum sich nicht unsicher fühlen. Wir sind alle bestimmt, zu leuchten, wie es die Kinder tun. Wir sind geboren worden, um den Glanz Gottes, der in uns ist, zu manifestieren. Er ist nicht nur in einigen von uns, er ist in jedem einzelnen. Und wenn wir unser Licht erscheinen lassen, geben wir anderen Menschen die Erlaubnis, dasselbe zu tun.“ Als Gleichnis Gottes für diese Welt leben – mit der Demut des Salzes und in der Anmut des Lichts. Das ist es, was unser Leben letztlich ausmacht, ob als Fußballer-/innen, als Christen oder einfach als Menschen: dass wir für andere strahlen und ihr Leben salziger machen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.

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