Wie sich die Mitgliederentwicklung auf die Kirchensteuer auswirkt

Interview mit Fabian Peters

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Interview mit Fabian Peters

Fabian Peters ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungszentrum Generationenverträge und am Institut für Finanzwissenschaft und Sozialpolitik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Der technische Volkswirt (M. Sc.) verantwortet insbesondere den evangelischen Teil der Mitglieder- und Kirchensteuerprojektion.

 

Herr Peters, obwohl die Mitgliederentwicklung der evangelischen Kirche rückläufig ist, sind die Kirchensteuereinnahmen in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Woran liegt das?

Die Situation ist tatsächlich paradox. Die Einnahmen sind nämlich nicht nur nominell, also vom Geldbetrag her gestiegen; das an sich wäre angesichts der allgemeinen Preisentwicklung nicht weiter verwunderlich. Auch wenn man den Wertverlust durch Preissteigerungen berücksichtigt, sind die Kirchensteuereinnahmen heute größer als noch vor einigen Jahren. Zu verdanken hat das die Kirche gleich zwei günstigen Umständen. Zum einen profitiert sie von der außerordentlich guten wirtschaftlichen Entwicklung der vergangenen zehn Jahre. Zum anderen befinden sich die sogenannten Babyboomer, also die starken Geburtsjahrgänge Mitte der 1960er Jahre, derzeit lebensbiografisch in der Phase der höchsten Steuerzahlungen – und damit auch der höchsten Kirchensteuerzahlungen. Beide Faktoren zusammengenommen erklären die steigenden Einnahmen der vergangenen Jahre.

 

Wie lang wird dieses Phänomen andauern?

Ob und wie lange sich das überdurchschnittliche Wirtschaft swachstum fortsetzt, ist nur schwer vorherzusagen. Wir sehen jetzt bereits erste Zeichen der Abschwächung und zudem zahlreiche Unsicherheitsfaktoren, die der Exportnation Deutschland sehr kurzfristig zusetzen können. Sicher ist hingegen, dass die Babyboomer Mitte der 2020er Jahre beginnen werden, in den Ruhestand zu treten. 2035 werden diese Jahrgänge alle verrentet sein. Das wird sich im Kirchensteueraufkommen bemerkbar machen. Wenn diese Situation dann mit einer möglichen konjunkturellen Tiefphase zusammenfällt, kann das schnell ungemütlich werden. Zumal die Kirchen darauf aufgrund ihrer hohen Fixkosten nur sehr träge reagieren können – hier denke ich insbesondere an die Aufwendungen für Personal und Gebäude.

 

Aber es kommen doch neue Mitglieder nach?

Ja, aber zu wenige, um diesen Einbruch ausgleichen zu können. Zum einen sind die Geburtsstärken der nachfolgenden Generation ohnehin schon kleiner als es die Babyboomer waren. Für die Kirche kommt erschwerend hinzu, dass besonders viele von ihnen aus der Kirche ausgetreten sind, beziehungsweise aus der Kirche austreten werden – jedenfalls wenn sich die gegenwärtigen Trends so fortsetzen. Denn es sind vor allem junge Menschen zwischen 20 und 35 Jahren, die sich zum Kirchenaustritt entscheiden. Derzeit fällt deren Fehlen beim Kirchensteueraufkommen kaum auf, weil sie lebensbiografisch nur geringe Steuerzahlungen leisten. Das wird sich aber ändern.

 

Was bedeutet das für die finanzielle Zukunft der evangelischen Kirche?

Die evangelische Kirche wird langfristig den Gürtel enger schnallen müssen – übrigens ganz unabhängig von der konjunkturellen Entwicklung. Denn für die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kirche ist weniger entscheidend, wie sich das nominale Steueraufkommen entwickelt, sondern vielmehr, was sich die Kirche von ihren zukünftigen Kirchensteuereinnahmen leisten kann. Steigende Arbeitseinkommen der Kirchenmitglieder führen zwar auf der einen Seite zu höheren Kirchensteuereinnahmen. Da auf der anderen Seite zugleich der überwiegende Anteil der kirchlichen Ausgaben für Personal benötigt wird, sind damit auch höhere Personalausgaben verbunden. Die sinkende Zahl an Kirchensteuerzahlern wird dazu führen, dass die Einnahmen nicht im gleichen Maße wachsen wie die Ausgaben. Etwas abmildern wird diese Entwicklung die 2005 vom Gesetzgeber sukzessive eingeführte nachgelagerte Besteuerung von Alterseinkünften – das wird die grundsätzliche Entwicklung aber nicht aufhalten. Wir kommen in unseren Berechnungen zu dem Ergebnis, dass die Kirchensteuerkraft kontinuierlich sinkt.