Ein Westfale in München mit Draht nach Rom

Am 21. September wird der Kardinal Reinhard Marx 65 Jahre alt

Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Bischofskonferenz

Am 21. September wird der Professor im Kardinalsrang, der seit vier Jahren an der Spitze der Bischofskonferenz steht, 65 Jahre alt.

Kardinal Reinhard Marx wartet. Er wartet Tage, manchmal Wochen. Das verlangt Gelassenheit und zugleich die feste Überzeugung, dass seine von einem kräftigen Bass geprägte Stimme Gewicht hat. Wenn er sich dann zu Wort meldet, ist das deutlich im Ton und oft hart in der Sache. „Nationalist sein und katholisch sein, das geht nicht“, sagte der Erzbischof von München und Freising und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz im Juli der Wochenzeitung „Die Zeit“. Er ermahnte die CSU scharf, nicht weiter am rechten Rand zu fischen – eine bemerkenswerte Botschaft eines katholischen Geistlichen zu Beginn der heißen Phase im bayerischen Landtagswahlkampf.

Am 21. September wird der Professor im Kardinalsrang, der seit vier Jahren an der Spitze der Bischofskonferenz steht, 65 Jahre alt. Machtbewusst und zielstrebig hat es der gebürtige Westfale zum obersten Repräsentanten der deutschen Katholiken gebracht, der darüber hinaus zu einem engen Kreis Vertrauter von Papst Franziskus zählt. Im neun Mitglieder zählenden vatikanischen Kardinalsrat ist der Münchner Erzbischof an Plänen zur Kurienreform beteiligt.

Schon als er 2014 zum Vorsitzenden der Bischofskonferenz gewählt wird, hat Marx eine „lange Reise durch das katholische Deutschland“ hinter sich, wie er selbst sagt. Als Sohn eines Schlossermeisters in Geseke geboren, studiert Reinhard Marx katholische Theologie und Philosophie. Früh profiliert er sich als Sozialethiker, als er nach der Priesterweihe im Sozialinstitut Kommende des Erzbistums Paderborn mit Sitz in Dortmund zum Direktor aufsteigt. Der Theologe mit kräftiger Statur promoviert, wird Professor für Gesellschaftslehre an der Universität Paderborn.

Reinhard Marx ist Mitautor des Sozialworts, das die Kirchen 1997 vorlegen. Schon um die Jahrtausendwende mahnt er angesichts der Auswüchse auf den Aktienmärkten: „Eine pure Spekulation ist Sünde.“ 2008, zum Höhepunkt der Finanzkrise, erscheint in Anlehnung an seinen Namensvetter Karl Marx „Das Kapital“ mit dem Untertitel „Ein Plädoyer für den Menschen“. Darin zeigt sich Reinhard Marx als überzeugter Marktwirtschaftler, der einen sozialverträglichen Kapitalismus für möglich und nötig hält.

„Das wird ein schmerzvoller Prozess“

Reinhard Marx wird 1996 Weihbischof von Paderborn, Ende 2001 beruft ihn Papst Johannes Paul II. zum Bischof von Trier. Marx ist mit 48 Jahren jüngster Diözesanbischof in Deutschland. 2008 übernimmt der bärtige Zigarrenraucher als erster Nichtbayer das Bistum von München und Freising, 2010 ernennt ihn Papst Benedikt XVI. zum Kardinal.

Im selben Jahr werden teils Jahrzehnte zurückliegende Fälle sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche bekannt. Marx stößt in seinem eigenen Bistum umfassende Untersuchungen an, öffentlich geht er auf Distanz zum Augsburger Bischof Walter Mixa, als gegen diesen Prügelvorwürfe aus dessen Zeit als Stadtpfarrer in Schrobenhausen erhoben werden. Rückblickend nennt Marx 2010 das schlimmste Jahr in seinem Leben.

Doch kurz vor dem runden Geburtstag des Kardinals werden erschreckende Ergebnisse einer Studie im Auftrag der Bischofskonferenz bekannt: Danach sollen sich zwischen 1946 und 2014 mindestens 1.670 Kleriker an 3.677 überwiegend männlichen Minderjährigen vergangen haben. Die Verantwortlichen in der Kirche müssten Konsequenzen ziehen, unterstreicht Marx mit Blick auf die Vollversammlung der Bischofskonferenz in der nächsten Woche, noch ohne konkret zu werden. „Das wird ein schmerzvoller Prozess.“

Ein Miteinander in der Ökumene

Der Publizist Robert Leicht charakterisiert Marx als „politisch und sozial links, theologisch unverkrampft konservativ“. Eine Segnung homosexueller Paare lehnt der Kardinal ab, an der Ehelosigkeit von Priestern will er festhalten, auch in Fragen des Lebensschutzes gibt er sich kompromisslos.

In der Ökumene dominiert das enge Miteinander zwischen Marx und dem Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, das öffentliche Bild. Doch war es Marx als Bischof von Trier, der 2003 Gotthold Hasenhüttl als Priester suspendierte, nachdem dieser beim Ökumenischen Kirchentag in Berlin auch Protestanten zum Abendmahl eingeladen hatte. Dass für nichtkatholische Ehepartner inzwischen der Empfang der Eucharistie zumindest einen Spalt weit geöffnet wurde, ist wiederum wesentlich auf Marx' Bestreben auch gegen Widerstände aus Teilen der Bischofskonferenz zurückzuführen.

Karsten Frerichs (epd)