Seenotrettungsorganisation Sea-Watch mit Friedenspreis ausgezeichnet

Osnabrück (epd). Den Seenotrettern von Sea-Watch wurde heute in Osnabrück der mit 5.000 Euro dotierte Sonderpreis des Erich-Maria-Remarque-Friedenspreises verliehen. Für die Seenotrettungsorganisation ist die Auszeichnung der Hinweis darauf, dass das Schicksal der Mittelmeer-Flüchtlinge in der Gesellschaft angekommen ist. Sea-Watch habe dafür gesorgt, dass hinter den abstrakten Zahlen von Ertrunkenen und Verschollenen die Menschen sichtbar würden, sagte der Vorsitzende Johannes Bayer bereits am Donnerstag in Osnabrück. „Das ist letztlich die einzige Möglichkeit, zu verhindern, dass Menschen im Mittelmeer umkommen.“ 

Einsatz der 13. Crew der Sea Watch-2 am 27. Oktober 2016 im Mittelmeer (Foto: eine gerettete Frau spricht mit einem Crew-Mitglied).

Einsatz der 13. Crew der Sea Watch-2 am 27. Oktober 2016 im Mittelmeer (Foto: eine gerettete Frau spricht mit einem Crew-Mitglied).

Heribert Prantl kritisiert europäische Flüchtlingspolitik

Der Journalist Heribert Prantl kritisierte in seiner Laudatio für Sea-Watch die europäische Flüchtlingspolitik. Nicht die Staaten sorgten für die Rettung von Menschen vor dem Ertrinken im Mittelmeer, sondern kleine Vereine wie Sea-Watch, sagte Prantl. Die Vereine stünden für das Europa, das die EU eigentlich sein wolle: „Ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts.“ 

Der Autor der Süddeutschen Zeitung verurteilte die Argumentation des früheren italienischen Innenministers Matteo Salvini und anderer Rechtspopulisten. Sie erklärten Flüchtlinge zum Zwecke der Abschreckung für "hilfsunwürdig", weil sie sich selbst in Gefahr begäben. „Die Gedanken der populistischen Extremisten sind abgründig, sie sind eine Gefahr, in der das Recht umkommt. Und viele EU-Politiker sind Täter hinter diesen rechtspopulistischen Tätern.“ 

Noch schärfer klagte Johannes Bayer in seiner Dankesrede die EU an. Sie sei verantwortlich für das Tausendfache Sterben im Mittelmeer und in den afrikanischen Wüsten, in die Flüchtlinge zurückgedrängt würden. Die Bundesregierung lasse aus rassistischen Motiven „Menschen lieber ertrinken, als dass sie lebend Europäischen Boden erreichen“, sagte Bayer. Er forderte die Politik auf, Migration als normal anzuerkennen und sie so zu gestalten, dass alle Beteiligten davon profitierten. 
 

Hauptpreis geht an kenianischen Autor

Den mit 25.000 Euro dotierten Hauptpreis erhält der kenianische Autor Ngugi wa Thiong'o (81). Weil er erkrankt ist, wird der ebenfalls aus Kenia stammende und in Leipzig an der Uni lehrende Schriftsteller und Freund Ngugis, Abdilatif Abdalla, die Auszeichnung entgegennehmen. Abdalla lobte den Preisträger als einen der Väter der afrikanischen Literatur. Er trage als politische Autor bis heute zu einem demokratischen Wandel seines Lands bei. 

Die Jury-Vorsitzende, die Osnabrücker Universitäts-Präsidentin Susanne Menzel-Riedl, hob Ngugis Leistung als Brückenbauer zwischen Afrika und Europa hervor. Er habe Denkprozesse in der afrikanischen Gesellschaft angestoßen, damit sie sich auf ihre eigene kulturelle Identität besinne. Der Schriftsteller und Kulturwissenschaftler kämpfe für den Erhalt der Muttersprache als Identifikationsmerkmal und gegen kolonialistisches Denken. Gleichzeitig werbe er erfolgreich in Europa um Verständnis für Afrika. 

Friedenspreis wird seit 1991 verliehen

Die Stadt Osnabrück verleiht seit 1991 alle zwei Jahre den Friedenspreis, der nach dem in Osnabrück geborenen Schriftsteller Erich Maria Remarque (1898-1970) benannt ist. Remarque ist unter anderem Autor des Anti-Kriegs-Romans "Im Westen nichts Neues". Die Auszeichnung wird in diesem Jahr zum 15. Mal vergeben.