Der Weg des Smartphones

Folgen für Menschenrechte und die Umwelt

Smartphones sind in unserem Alltag längst allgegenwärtig. Dazu kommen viele andere Geräte: Laptops, Tablets, Kameras, Bildschirme, Lautsprecher und Kopfhörer. Ihre Herstellung hat weltweit große Auswirkungen auf Menschen und Umwelt, die man den kleinen Geräten nicht ansieht. Ein Überblick.

Minenarbeiter in Fungamwaka (Demokratische Republik Kongo) reichen eine Metallschüssel aus der Abbaugrube an die Oberfläche

Minenarbeiter reichen eine Metallschüssel aus der Abbaugrube an die Oberfläche. In der Schüssel befinden sich aufgeschlämmte Sande und mit Glück geringe Mengen Mineralien, die aus dem Gestein gewaschen wurden. Die Mine enthält Coltan, Kasseterit und Turmalin. Allein in dieser Mine arbeiten rund 1.000 Menschen. Sie arbeiten auf eigene Rechnung, zahlen selbst für Ausrüstung und Schürfrechte. Arbeitsschutz oder Unfallversicherung gibt es für die Minenarbeiterinnen und Minenarbeiter nicht. Es gibt unzählige solcher Minen im Kongo. Diese Coltanmine in Fungamwaka ist noch eine der besseren im Osten des Landes.

Rohstoffabbau

In einem Smartphone sind rund 60 verschiedene Rohstoffe verbaut. Dazu gehören sogenannte „Seltene Erden“ wie das aus Coltan-Erz gewonnene Tantal, vor allem aber Metalle, wie Gold, Kupfer, Lithium und Kobalt. Rohstoffe werden nicht nur für die einzelnen Geräte benötigt, auch die technische Infrastruktur wie Mobilfunksendemasten, Router, Akkus und Ladekabel verschlingen große Mengen an Metallen. Laut Prognosen wird sich allein der Bedarf an Kupfer in den nächsten 30 Jahren verdreifachen. All diese Rohstoffe müssen aus Gestein gewonnen werden, das in Steinbrüchen und unterirdischen Tagebauanlagen abgebaut wird. Die Mineralien sind dazu äußerst ungleich auf der Erde verteilt.

Besonders große Vorkommen von Kobalt gibt es zum Beispiel in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo), wo seit Jahrzehnten Bürgerkrieg herrscht. Dort wird in vielen kleinen Minen der wertvolle Stoff gewonnen, oft illegal. Die Bergleute klettern ohne Schutzkleidung unter Lebensgefahr in die provisorisch gegrabenen Tunnel viele Meter tief unter der Erde. Auch Kinder arbeiten in den Minen, um ihre Familie finanziell zu unterstützen oder um ihr Schulgeld zu finanzieren. Nach Schätzungen des Kinderhilfswerks UNICEF arbeiteten 2014 rund 40.000 Kinder in Minen im Süden der DR Kongo. Amnesty International berichtet von Kindern, die bis zu 24 Stunden in Minen arbeiten, schwere Lasten tragen und dabei umgerechnet zwischen ein und zwei Dollar pro Tag verdienen. Gleichzeitig herrscht im Osten des Landes weiter Bürgerkrieg. Viele Minen sind unter der Kontrolle von Milizen, die mit den Gewinnen ihre kriegerischen Aktivitäten finanzieren.

Coltanmine in Fungamwaka (Demokratische Republik Kongo)
Eine Minenarbeiterin Minenarbeiter in Fungamwaka (Demokratische Republik Kongo) trennt im Wasser, das in die Mine geleitet wird, mit einer Schaufel grobes Gestein von Sand und Schlamm.
Minenarbeiter in Fungamwaka (Demokratische Republik Kongo)
Minenarbeiter Audry Bagalwa Bialura zeigt das gemischte Rohmaterial aus Coltan und Kasseterit

Große Tagebauanlagen sind außerdem schwerwiegende Eingriffe in die Natur. Sie führen dazu, dass Wald zerstört wird, Menschen von ihrem Land vertrieben werden und durch den Einsatz von Chemie beim Abbau Wasser vergiftet wird, so Eva-Maria Reinwald. Sie ist Referentin für Globale Wirtschaft und Menschenrechte beim Bonner Südwind-Institut.

Weil oft viele Stationen zwischen dem tatsächlichen Abbau und dem Gerätehersteller liegen, ziehen sich große Unternehmen aus der Verantwortung. Sie behaupten, sie könnten angesichts der langen Wertschöpfungsketten die Herkunft der Materialien gar nicht verfolgen. „Erst Verbindlichkeit schafft Grundlage für Veränderung“, meint Eva-Maria Reinwald. Deshalb haben Südafrika und Ecuador eine Resolution in den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (UN) eingebracht, die ein Vertragswerk mit verbindlichen Regeln fordert. Dieses globale Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten wird seit 2014 verhandelt – bislang ohne Ergebnis. Auch Deutschland und die Europäische Union (EU) verweigern eine inhaltliche Beteiligung.

Immerhin hat 2017 die EU eine Verordnung über Konfliktmineralien verabschiedet, die Unternehmen in die Pflicht nimmt: Ab 2021 müssen Unternehmen nachweisen, dass in ihren Produkten verwendetes Zinn, Wolfram, Tantal und Gold nicht aus Minen kommen, die Konflikte finanzieren.

Verarbeitung

Die einzelnen Bestandteile eines Smartphones legen weite Wege zurück, bevor sie als Telefon im Laden liegen. Bereits Rohstoffabbau und Produktion belasten die Umwelt so sehr wie die spätere Nutzung und anschließende Entsorgung: „Die Herstellung des Geräts ist für 50 Prozent der negativen Umweltauswirkungen verantwortlich“, schätzt Sven Hilbig, Referent für Welthandel und globale Umweltpolitik beim Hilfswerk Brot für die Welt.

Einen Großteil der Geräte, die in Deutschland verkauft werden, produzieren Arbeiterinnen und Arbeiter in China. Oft unter schlechten bis menschenverachtenden Bedingungen: in überlangen Arbeitszeiten, mit monotonen Arbeitsabläufen, angestellt bei Zeitarbeitsfirmen. Wie oft beim Rohstoffabbau ist auch hier das Problem, dass Teile der Produktion an Subunternehmer ausgelagert werden, die dann wiederum einzelne Schritte an kleine Fabriken abgeben. Je komplexer die Lieferkette, desto schwieriger sind die tatsächlichen Produktionsbedingungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch Auftraggeber, überprüfbar.

Nutzung

Werbung und Mobilfunkverträge sind darauf ausgelegt, dass immer mehr Geräte in den Umlauf kommen. Jedes Jahr bringen große Hersteller neue Versionen ihrer Produkte auf den Markt. Viele Unternehmen bauen Smartphones zudem so, dass man sie nicht reparieren kann und dass nach ein paar Jahren keine Updates mehr installiert werden können. Geplante Obsoleszenz heißt das, geplante Unbrauchbarkeit. 

„Das Zerstörungspotential steigt mit der Menge des Verbrauches“, sagt Eva-Maria Reinwald. Und während es bei Kleidung und Nahrungsmitteln inzwischen Kennzeichnungen für faire Herstellung gibt, würden ähnliche Siegel für Elektrogeräte von Verbraucherinnen und Verbrauchern bislang fast nicht gefordert. Eine Abteilung der deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe versucht zwar seit mehr als zehn Jahren, im Kongo eine Zertifizierung von Lieferketten zu entwickeln. Bislang allerdings noch ohne großflächigen Erfolge.

Doch zumindest ein Trend macht Hoffnung. Jugendliche geben vermehrt an, dass sie gebrauchte, wieder fit gemachte Geräte kaufen. Das ist auch dringend nötig, besonders weil ständig noch mehr neue Geräte produziert werden. Sven Hilbig spricht von einer „ökologischen Zeitbombe“. Es müsse mehr Technikfolgenabschätzung betrieben werden, bevor neue Produkte zugelassen werden. Zu groß sind die Auswirkungen für die Umwelt.

Recycling

„Das Recyclingpotential ist noch lange nicht ausgeschöpft“, sagt Eva-Maria Reinwald vom Südwind-Institut, denn: „Noch ist es günstiger, Rohstoffe abzubauen als zu recyceln“. Statt Elektroschrott vor Ort zu recyceln, exportieren viele Staaten, auch Deutschland, ihren Müll in Länder wie Togo oder Ghana. Dort landen die Altgeräte dann zum Beispiel auf gigantischen Müllhalden.

Agbogbloshie, ein Stadtteil der ghanaischen Hauptstadt Accra, ist dafür berühmt. Hier endet oft illegal exportierter Elektroschrott aus Europa. Die rund 6.000 Männer, Frauen und Kinder die hier wohnen, leben von dem elektronischen Abfall – mit schweren gesundheitlichen Folgen. Sie zerlegen die alten Geräte und brechen alle verwertbaren Teile und Rohstoffe heraus. Dabei geraten Schwermetalle und Schadstoffe in die Luft, den Boden und das Grundwasser. Mittlerweile zählt der Ort zu den verseuchtesten Orten weltweit.

Birte Mensing

Cover: Menschenrechte und Digitalisierung

Schöne neue Welt?