Steinmeier warnt vor der Bagatellisierung von Nazi-Verbrechen

Bundespräsident spricht beim Festakt zum 60-jährigen Bestehen der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste

Berlin (epd). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat zum 60-jährigen Bestehen der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste vor einer Bagatellisierung der nationalsozialistischen Verbrechen gewarnt. Historische Aufklärung und politische Verantwortung seien Wesenskern der Demokratie in Deutschland, erklärte Steinmeier bei einem Festakt in der Französischen Friedrichstadtkirche zu Berlin. Die Verantwortung für die eigene Geschichte anzunehmen sei ein langer, mitunter mühevoller Prozess gewesen, der aber zu keinem Zeitpunkt gegen Deutschland oder die Deutschen gerichtet gewesen sei. An dem Festakt nahmen rund 500 Gäste aus dem In- und Ausland teil, darunter Holocaust-Überlebende und ehemalige Freiwillige der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste.

Zur Übernahme der Verantwortung für die eigene Geschichte gebe es für die Deutschen auch heute keine Alternative, ergänzte der Bundespräsident. Schande zögen diejenigen auf sich, die erneut die Verbrechen des Vernichtungskrieges und des Völkermords bagatellisieren, sagte er mit Blick auf aktuelle „geschichtsrevisionistische Manöver“, allerdings ohne konkrete Namen oder Parteien zu nennen.

Mehr Geld für Gedenkstätten

Die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste war am 30. April 1958 in Berlin auf der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) als Reaktion auf die nationalsozialistischen Verbrechen gegründet worden. Seit 60 Jahren engagiert sich die Initiative mit Freiwilligendiensten in Israel, Polen, Russland, Frankreich und anderen Ländern sowie in der Gedenkstätten- und Bildungsarbeit gegen Antisemitismus, Rassismus und Geschichtsvergessenheit.

Der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, betonte, Organisationen wie die Aktion Sühnezeichen hätten in den vergangenen Jahrzehnten dazu beigetragen, „dass sich Juden nach der Schoa in Deutschland wieder akzeptiert fühlten“. Die Arbeit, die die Initiative für die Demokratie leiste, „brauchen wir dringender denn je“. Mit Blick auf die immer geringer werdende Zahl an Holocaust-Überlebenden forderte Schuster die Bundesregierung auf, für die Gedenkstättenarbeit mehr Geld zur Verfügung zu stellen. „Je weniger Zeitzeugen unter uns sind, desto größer wird die Bedeutung der Gedenkstätten.“ Erinnerungsarbeit sei zugleich Demokratieerziehung, unterstrich der Zentralratspräsident.

Geschichte wird auch von Jugendlichen geschrieben

In einem Gottesdienst vor dem Festakt sagte der Berliner evangelische Bischof Markus Dröge, der Erfolg der Organisation liege in der tatkräftigen Aktion und Bitte um Vergebung. Deutsche Geschichte werde seit der Gründung der Aktion nicht nur von Staatsmännern und -frauen gemacht, sondern auch von Jugendlichen, „die sich aussenden lassen, um mit ihren Händen und ihren Mitteln in den Ländern, denen Deutschland unermessliches Leid zugefügt hat, Dienst zu tun“.

Mit Blick auf den Begriff Sühnezeichen im Namen der Organisation sagte Dröge, dies zeige die Bereitschaft, auch stellvertretend Schuld anzuerkennen und um Vergebung zu bitten. Angesichts lauter werdender Stimmen, die das Gedenken an die Verbrechen der Nationalsozialisten abschütteln wollten, leiste die Initiative einen wichtigen Beitrag für Deutschland, sagte der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz

Der Vorsitzende der Aktion Sühnezeichen, Stephan Reimers, sagte mit Blick auf rechtspopulistische Bewegungen und die AfD-Demonstration am Sonntag in Berlin, die Initiative stehe für Vielfalt, Demokratie und Menschenrechte. Echter Zusammenhalt in einer vielfältigen Gesellschaft entstehe nur durch Gleichbehandlung, so der frühere Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union.