Gemeinsame Stellungnahme zum Entwurf eines Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz

Bevollmächtigte des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union und des Kommissariats der deutschen Bischöfe – Katholisches Büro in Berlin

Gemeinsame Stellungnahme

des Kommissariats der deutschen Bischöfe
– Katholisches Büro in Berlin –

und der Bevollmächtigten des Rates der EKD

bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union

zum

Entwurf eines Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz

des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz
 

Wir begrüßen die Vorlage des Entwurfs eines Aktionsprogrammes Natürlicher Klimaschutz [im Folgenden: ANK]. Als Kirchen ist uns die Bewahrung der Schöpfung ein wesentliches Glaubensanliegen und Handlungsauftrag. Wir streben an[1], die Umsetzung von Nachhaltigkeit mit modernen und mit jahrhundertealten Konzepten voranzubringen, zu einem Umdenken über den Eigenwert von Tieren, Pflanzen und Ökosystemen beizutragen, den öko-sozialen Wertewandel zu fördern und Impulse für Regeländerungen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene zu setzen. Letztlich bedarf es eines grundlegenden Kultur- und Wertewandels in den Gesellschaften, in dem Achtsamkeit gegenüber der Schöpfung und das Nachdenken über den Wert des Lebens jenseits von Wachstum und Konsum an Bedeutung gewinnen[2].

Natürlichen Klimaschutz sehen wir dabei als Schlüssel an, die beiden großen, die Schöpfung bedrohenden Krisen unsere Zeit – die globale Temperaturerhöhung und den massiven Verlust an biologischer Vielfalt – gleichzeitig anzugehen. Wir danken daher für die Möglichkeit, zum Entwurf des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz [im Folgenden: ANK-E] Stellung zu nehmen.

In den Kirchen existiert viel Expertise zum Natürlichen Klimaschutz. Sie ist sowohl in den institutionellen und ehrenamtlichen Strukturen der Kirchen, wie auch in kirchlichen Verbänden und vor Ort in den Kirchengemeinden verankert. Danken möchten wir daher den katholischen und evangelischen Umweltbeauftragen der Diözesen und Landeskirchen sowie auch der Katholischen Landvolkbewegung Deutschland (KLB), die uns mit ihrer Expertise die Erarbeitung dieser Stellungnahme ermöglicht haben.

  1. Allgemeine Erwägungen 

  1. Wr begrüßen den Ansatz und Anspruch des ANK-E, Natur- und Klimaschutz näher zusammenzuführen und die sich hieraus ergebenden Synergien zu nutzen (ANK-E, S. 3). Gleichzeitig möchten wir grundsätzlich anregen, nicht nur diese Synergien weitestmöglich auszuschöpfen, sondern auch mögliche „Trade-offs“[3] – im Folgenden als „Konflikte“ bezeichnet –zwischen Natur- und Klimaschutz und anderen Zielsetzungen der Agenda 2030 systematischer in den Blick zu nehmen. Denn nur die Identifizierung von potenziellen Konflikten ermöglicht auch die Entwicklung von Lösungsstrategien. Evident ist eine solche Konfliktlage beispielsweise bei den Flächenkonkurrenzen: Die vielfältigen im ANK-E enthaltenen flächenbezogenen Maßnahmen erhöhen den ohnehin bereits hohen Druck auf landwirtschaftlich oder für die Stromerzeugung genutzte Flächen weiter deutlich. Auch die sozialen Folgen von Maßnahmen des Natürlichen Klimaschutzes thematisiert der ANK-E in zu wenigen Bereichen (z.B. im Bereich Moorbodenschutz) und dort auch nur unzureichend. Wir regen an, dass das ANK auch diese Art von Konflikten in den Blick nimmt und konfligierende Zielsetzungen über praktische Konkordanz, Priorisierung und Nachteilsminimierung direkt in den aufgeführten Maßnahmen berücksichtigt.
     
  2. Die Ankündigung, die Maßnahmen des ANK auf bereits existierende Programme und Strategien abzustimmen (ANK-E, S. 7), begrüßen wir als Ausdruck des Bemühens um Kohärenz. Gleichwohl sehen wir das ANK als wichtige Chance an, die Wiederherstellung und den Schutz von Biodiversität in diesen Programmen und Strategien durch Kohärenz mit dem ANK - und nicht umgekehrt - zu verbessern. Dies gilt insbesondere für die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2021. Wie das Katholische Büro bereits in seiner Stellungnahme zu deren Dialogfassung dargelegt hat, wäre es aufgrund der Relevanz von Biodiversität für die planetaren Lebensgrundlagen wichtig, den Schutz der Biodiversität zukünftig als eigenen Transformationsbereich in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie zu führen[4] und den Zustand der Biodiversität auch und gerade im Kontext des Berichtsbereichs zum SDG 2 (Kein Hunger) und der dort erörterten Landwirtschaft zu thematisieren[5].
     
  3. Für besonders relevant halten wir es auch, das ANK bereits jetzt kompatibel mit der europäischen „Nature Restoration“-Verordnung auszugestalten, deren Entwurf[6] die Europäische Kommission am 22. Juni 2022 vorgelegt hat. Dieses Instrument wird bisher lediglich im Rahmen der Maßnahmen für Wildnis und Schutzgebiete kurz dargestellt (ANK-E, S. 24) und bei der Zusammenarbeit mit der EU erwähnt (ANK-E, S. 61). Das halten wir für unzureichend und systematisch verfehlt. Vielmehr sprechen wir uns dafür aus, die in diesem Verordnungsentwurf enthaltenen Wiederherstellungsziele und -verpflichtungen der Artikel 4 bis 10 schon jetzt durchgehend im ANK zu berücksichtigen. Zwar befindet sich der Verordnungsentwurf noch im europäischen Gesetzgebungsverfahren. Jedoch können die vorgeschlagenen Wiederherstellungsziele, insbesondere die Verpflichtung der EU-Mitgliedstaaten, mindestens 30% jeder im Annex zum Verordnungsentwurf aufgeführten Habitat-Gruppe wieder in einen guten Zustand zu versetzen, schon jetzt als Orientierung in den einzelnen Handlungsfeldern des ANK für die dort aufgeführten Maßnahmen dienen. Auch könnte es sich anbieten, das ANK in seiner Systematik an den Entwurf der „Nature Restoration“-Verordnung anzupassen, um später die im Verordnungsentwurf vorgesehene, verpflichtende Erstellung des Natur-Wiederherstellungs-Plans zu erleichtern.
     
  4. Wir begrüßen, dass im Finanzplanungszeitraum bis 2026 aus dem Energie- und Klimafonds 4 Mrd. € für das ANK zur Verfügung gestellt werden sollen. Sorge bereitet uns aber, dass eine Reihe der in dem ANK-E dargestellten, besonders wirksamen Maßnahmen des natürlichen Klimaschutzes wie etwa die Wiedervernässung von entwässerten Moorböden oder die Wiederaufforstung des Waldbestands viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, brauchen, um die erhoffte Emissionsminderungswirkung zu entfalten. Gerade bei der Renaturierung von Mooren ist eine sich aufbauende Senkenwirkung schnell reversibel. Daher brauchen diese Maßnahmen einen langfristigen Planungs- und Finanzierungshorizont, der deutlich über das Jahr 2026 hinaus reicht. Einen solchen enthält der ANK- E nicht, was angesichts seines Charakters als Aktionsprogramm zwar verständlich ist. Nichtsdestotrotz sollte das ANK aber wenigstens die zeitliche Perspektive der einzelnen Maßnahmen des Natürlichen Klimaschutzes mitdenken und einen Prozess auf den Weg bringen, der die Finanzierung von nur mittel- und langfristig wirkenden Maßnahmen des Natürlichen Klimaschutzes auch zukünftig sicherstellt.
     
  5. Viele Diözesen, Landeskirchen, Kirchengemeinden, Orden und andere kirchliche Rechtsträger sind Eigentümer von Grund und Boden, von Moor-, Wald-, Acker- oder Grün(land)flächen. Insgesamt zählen die beiden großen christlichen Kirchen zu den größten Grundbesitzern in Deutschland. Auf ihren Flächen existiert ein großes Potenzial für den Natürlichen Klimaschutz, um dessen Verwirklichung sich viele kirchliche Akteure schon jetzt und z.T. schon seit langer Zeit aus Überzeugung und im Sinne ihrer Schöpfungsverantwortung bemühen.
    Obwohl die Kirchen also mit Blick auf die Verwaltung und Bewirtschaftung der ihnen gehörenden Flächen in einer ähnlichen Situation wie die Kommunen sind, lässt sie der ANK-E komplett außer Acht. Die im ANK-E aufgeführten Unterstützungs-, Förder- und Kooperationsinstrumente sind entweder auf Kommunen oder auf private Landbesitzer zugeschnitten. Diözesen, Landeskirchen und Kirchengemeinden fallen damit aufgrund ihrer Verfasstheit als juristische Personen des öffentlichen Rechts aus diesem Zuschnitt heraus. Wir bitten ausdrücklich darum, dies zu ändern, und auch die Kirchen bzw. ihre Diözesen, Landeskirchen, Kirchengemeinden und andere kirchliche Akteure dabei zu unterstützen, mehr Natürlichen Klimaschutz auf Kirchenland zu praktizieren und in die Fläche zu bringen. Hierfür ist es erforderlich, die im ANK-E aufgeführten Unterstützungs-, Förder- und Kooperationsinstrumente auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts, die keine Kommunen sind, zu öffnen bzw. abrufbar zu machen.
     
  6. In diesem Zusammenhang möchten wir zudem anregen, das ANK zum Anlass zu nehmen, die Einrichtung von Biodiversitätsmanager-Stellen nicht nur bei den Kommunen, sondern auch bei Diözesen, Landeskirchen, Kirchgemeinden und ggf. anderen größeren Landbesitzern durch die Bereitstellung einer Personalkostenförderung zu ermöglichen. Aufgabe solcher Biodiversitätsmanager könnte es sein, die zu den von ihnen betreuten Flächen passenden Maßnahmen des Natürlichen Klimaschutzes in die Planungen des Gebietsmanagements zu integrieren und diese kohärent unter Involvierung aller zu beteiligenden Akteure vor Ort und ggf. mit begleitender Öffentlichkeitsarbeit umzusetzen. Denkbar wäre insoweit, Fördermöglichkeiten für den Einsatz von Biodiversitätsmanagern, wie sie für Kommunen im Bundesprogramm Biologische Vielfalt existieren, mit breiterer Zielsetzung auch auf Diözesen, Landeskirchen und Kirchengemeinden auszuweiten. Denkbar wäre aber auch, eine solche Stelle nach dem Vorbild des Klimaschutzmanagers zu konzipieren und ihre Förderung so in der Kommunalrichtlinie der Nationalen Klimaschutzinitiative zu verankern, dass sie auch kirchlichen Akteuren offensteht.
     
  7. Schließlich möchten wir dafür werben, im ANK auch Programme vorzusehen, mit denen neue und ggf. auch sehr alte Ideen des Natürlichen Klimaschutzes gefördert werden können. Innovative Maßnahmen des Natürlichen Klimaschutzes sollten unterstützt, ihre Wirkungen für Artenvielfalt und Klimaschutz untersucht und ggf. auch ihr Geeignetheit für einen großflächigeren Einsatz eruiert werden. Angesichts der sich verschärfenden Klima- und Biodiversitätskrisen darf kein Potenzial des Natürlichen Klimaschutzes ungenutzt bleiben, nur weil die betreffende Maßnahme noch nicht hinreichend bekannt oder man sich ihrer Wirksamkeit noch nicht hinreichend bewusst ist.
  1. Erwägungen zu einzelnen Handlungsfeldern

  1. Handlungsfeld 1: Schutz intakter Moore und Wiedervernässung
    Wir begrüßen den besonderen Fokus, den der ANK-E auf den natürlichen Klimaschutz durch den Schutz und die Wiedervernässung von Moorböden legt (ANK-E, S.5). Ihr Schutz und ihre Renaturierung können viel zum Klima- und Artenschutz beitragen.
    In den christlichen Kirchen existiert eine lange Tradition nachhaltiger Bodenbewirtschaftung, die auch gute Beispiele des Erhalts und der Wiederherstellung von Moorböden hervorgebracht hat. So bewirtschaftet etwa das „Zentrum für Umwelt und Kultur“ der Salesianer Don Boscos im Kloster Benediktbeuern zusammen mit mehreren landwirtschaftlichen Betrieben der Region seit 30 Jahren die landwirtschaftlichen Flächen des Klosters (über 200 ha) extensiv und nachhaltig. Die Flächen sind Teil der Loisach-Kochelsee-Moore am Alpenrand und fast ausschließlich Niedermoor- oder ehemalige Hochmoorstandorte und mittlerweile extensiviert, wiedervernässt und als Modellflächen gut dokumentiert. Viele Landeskirchen, Diözesen, Kirchengemeinden und Ordensgemeinschaften besitzen Land, auf dem sich Moore befinden oder einmal befunden haben. Viele sind daher auch schon heute - häufig mit der unverzichtbaren Hilfe ehrenamtlich engagierter Gemeindemitglieder - um Moorbodenschutz und die Renaturierung entwässerter Moorböden auf ihrem Land bemüht. Darüber hinaus kommt kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Ort in den Pfarrgemeinden und Bildungseinrichtungen eine wichtige Rolle bei der Bewusstseinsbildung für Schöpfungsverantwortung zu. Nicht selten fungieren sie auch bei Renaturierungsprojekten als Mittler und Brückenbauer zwischen Landeigentümern und Behörden.

    Wir möchten sehr darum bitten, dieses Engagement zu stärken und daher die im Handlungsfeld 1 bei den einzelnen Maßnahmen aufgeführten Unterstützungs-, Förder- und Kooperationsinstrumente so auszugestalten, dass sie auch von den als juristische Personen des öffentlichen Rechts verfassten Diözesen, Landeskirchen und Kirchengemeinden sowie den Ordensgemeinschaften genutzt werden können.

    Mit Blick auf die einzelnen im ANK-E genannten Maßnahmen begrüßen wir, dass die Umsetzung der Nationalen Moorschutzstrategie zur prioritären Aufgabe im Natürlichen Klimaschutz (ANK-E, S. 9) werden soll. Mit Blick auf die als Maßnahme 1.2 geführte Bund-Länder-Zielvereinbarung zum Klimaschutz durch Moorbodenschutz kommen wir aber nicht umhin festzustellen, dass das dort vereinbarte Ziel der jährlichen Einsparungen von 5 Mio. Tonnen CO2äq das in diesem Handlungsfeld bestehende Potenzial bei weitem nicht ausschöpft und zudem aus Klimaschutzperspektive unzureichend ist. Hierauf hat das Katholische Büro bereits im Februar 2021 in seiner Stellungnahme zum Entwurf der Bund-Länder-Zielvereinbarung zum Klimaschutz durch Moorbodenschutz[7] vom Februar 2021 hingewiesen und sich unter Berücksichtigung der damals schon absehbaren Erhöhung der deutschen Klimaschutzziele dafür ausgesprochen, dass Bund und Länder bis 2030 jährliche Emissionsminderungen aus Moorböden in Höhe von 11 bis 11,5 Mio. Tonnen CO2äq anstreben sollen[8]. Dies wurde in der Bund-Länder-Zielvereinbarung bedauerlicherweise nicht aufgegriffen. Wir möchten uns daher dafür aussprechen, dieses Ziel nun in dem ANK für das gesamte Handlungsfeld 1 festzuschreiben. Sollte dies nicht geschehen, raten wir an, die vorgesehenen Maßnahmen zumindest an den Vorgaben des Artikel 9 des Entwurfs der europäischen „Nature Restoration“-Verordnung auszurichten, nach denen u.a. bis 2030 für 30% der entwässerten Moorböden in landwirtschaftlicher Nutzung Wiederherstellungsmaßnahmen zu ergreifen und bei 7,5% dieser Böden die Wiedervernässung zu erreichen sind. 

    Auch möchten wir darauf hinweisen, dass aus unserer Sicht zwar der „größte Handlungsbedarf“ (ANK-E, S. 11) im Handlungsfeld 1 in der Wiedervernässung entwässerter Moorböden liegen mag. Jedoch sollte bei den Förderprioritäten berücksichtigt werden, dass der ökologische Wert eines ungestörten Moores deutlich über dem Wert einer wiedervernässten Moorbodenfläche liegt und schneller, kosten- und klimaeffizienter erreicht werden kann. Dabei fallen bisher nicht alle Moorbiotoptypen und Moorlebensräume unter die FFH-Richtlinie oder das Bundesnaturschutzgesetz, weswegen die in diesen Regelwerken existenten Schutzoptionen entweder auf alle Moorbiotoptypen und Moorlebensräume ausgeweitet und/oder für diese eigene Schutzoptionen auf Bundes- und Länderebene entwickelt werden sollten. Auch dies hat das Katholische Büro bereits in seiner Stellungnahme zum Entwurf einer Bund-Länder-Zielvereinbarung zum Klimaschutz durch Moorbodenschutz angeregt[9]. Insgesamt gilt, dass der Verbesserung des schlechten Zustands, dem Erhalt und - wo möglich - dem Wachstum bestehender Moore aller Moorbiotoptypen in den Maßnahmen 1.1., 1.3. und 1.4. dieselbe Priorität zukommen muss wie der Wiedervernässung von Moorböden.

    Schließlich sorgen wir uns, dass der klimapolitisch erforderliche Ausstieg aus dem Torfabbau und der Torfnutzung soziale Verwerfungen zur Folge haben kann. Moore und Moorböden sind seit vielen Generationen Existenzgrundlage von Menschen und landwirtschaftlichen Betrieben. Zwar kündigt der ANK-E unter 1.5. und 1.6. wichtige Maßnahmen zur Unterstützung neuer Wertschöpfungsketten für Paludikulturen, von Torfminderungs- und Torfersatzstrategien an. Auch halten wir die Einbeziehung der Menschen vor Ort als Partner*innen und Mitgestalter*innen bei diesen Maßnahmen, wie sie der ANK-E generell ankündigt (ANK-E, S. 4 f.), für besonders wichtig. Darüber hinaus möchten wir aber anregen, in dem ANK eine weitergehende Verzahnung mit landwirtschafts- und sozialpolitischen Überlegungen vorzunehmen: Als Leitlinie erscheint uns auch hier der Grundsatz des „Öffentliches Geld für öffentliche (Klima- und Naturschutz)Leistungen“ angemessen. Dabei sind als Betroffene nicht nur diejenigen, „die die Flächen bewirtschaften“ und die „Verantwortlichen“ (ANK-E, S. 5) einzubeziehen und zu berücksichtigen, sondern auch die Anwohner, Zulieferer und ländlichen Gemeinden. 
     

  2. Handlungsfeld 4: Wildnis- und Schutzgebiete

    Flächen, auf denen sich die Natur dauerhaft nach eigenen Regeln entwickeln kann, sind für den Erhalt der Artenvielfalt in Deutschland unverzichtbar und tragen signifikant zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel bei.

    Wir begrüßen daher, dass nach dem ANK-E die Rahmenbedingungen für die Betreuung und den Unterhalt von Wildnis- und Schutzgebieten verbessert werden sollen (ANK-E, S. 22). Wir regen hierzu an, darauf hinzuwirken, dass Maßnahmen zur Stärkung von Schutzgebieten und zur Stärkung der Resilienz von Schutzgebietsnetzen in Raumordnungsplänen ausgewiesen und konsequenter in Verordnungen und Managementplänen auf Landes- und Gebietsebene verankert und abgesichert werden.

  3. Handlungsfeld 5: Waldökosysteme

    Wir begrüßen den besonderen Fokus (ANK-E, S.5), den der ANK-E auf die Wiederherstellung, den Erhalt und den Ausbau des Waldbestands in Deutschland legt. Dem Wald kommt nicht nur als CO2-Senke für den Klimaschutz zentrale Bedeutung zu. Er ist auch wichtiger Lebens- und Zufluchtsraum unserer heimischen Flora und Fauna, trägt durch vielfältige Ökosystemdienstleistungen (beispielsweise mikroklimatischer Kühleffekt, Schwammfunktion bei Starkregen) zur Anpassung an den Klimawandel bei und ist Rohstofflieferant, Wasserspeicher, Erholungsraum und Heimat.

    Viele Diözesen, Landeskirchen, Kirchengemeinden, Orden und andere kirchliche Rechtsträger besitzen Waldbestände, weswegen die beiden großen christlichen Kirchen insgesamt zu den größten Waldeigentümern Deutschlands gezählt werden. Dabei besteht im kirchlichen Raum große Bereitschaft, kirchliche Waldbestände für den Biodiversitäts- und Klimaschutz nutzbar zu machen. Bereits jetzt sind viele kirchliche Akteure hierum bemüht: So erarbeitet beispielsweise die Forstverwaltung des Erzbistums München derzeit für die dem Erzbistum gehörenden 5.000 ha Kirchenwald ein nachhaltiges Bewirtschaftungskonzept „Waldumbau und Holzeinsatz“ [10]. Als weiteres Beispiel hat das Bistum Passau den Erhalt und den Ausbau der biologischen Vielfalt als oberstes Ziel für die ca. 1.300 ha Waldflächen festgelegt und ist zudem Umsetzungspartner des Bundesforschungsprojekts „Bioholz-Projekt“, das die Biodiversität und Ökosystemleistungen von Wäldern in den Blick nimmt[11].

    Vor diesem Hintergrund möchten wir ebenfalls sehr darum bitten, insbesondere bei der Maßnahme 5.3., der Entwicklung „geeigneter Förderinstrumente“ für die Vergrößerung des Anteils von „Waldfläche, die nachweislich klimaangepasst bewirtschaftet wird und naturnah ist“, nicht nur die „privaten und kommunalen Waldflächen“ (ANK-E, S. 28) in den Blick zu nehmen, sondern auch kirchliche Waldflächen. Diese sind, wenn sie im Eigentum der als juristische Personen des öffentlichen Rechts verfassten Diözesen, Landeskirchen und Kirchengemeinden stehen, weder „kommunal“ noch „privat“. Um das Potenzial für Klimaschutz- und Biodiversitätsleistungen, das in kirchlichen Waldbeständen liegt, zu verwirklichen, sind Unterstützungs- und Förderinstrumente notwendig, die auch kirchlichen juristischen Personen des öffentlichen Rechts offenstehen.
     
  4. Handlungsfeld 6: Böden als Kohlenstoffspeicher

    Wir begrüßen, dass Böden in dem ANK-E als eigenes Handlungsfeld berücksichtigt werden. Fruchtbare Böden sind Lebensgrundlage für Menschen, Tiere, Pflanzen und für Ökosysteme insgesamt. Sie versorgen uns mit Nahrung, filtern den Niederschlag für die Grundwasserneubildung, regulieren den Wasserhaushalt und speichern zehnmal mehr Kohlenstoff als Wälder[12] – um nur einige der von Böden erbrachten Leistungen zu nennen. Daneben sind Böden als Lebensraum für Tiere und Pflanzen entscheidend für die Biodiversität. In einer Handvoll Erde finden sich mehr Lebewesen, als Menschen auf der Erde leben[13].

    Die in der Maßnahme 6.1. genannte Förderung des Erhalts und der Neuanlage von Strukturelementen und Flächen insbesondere der Agrarlandschaften (ANK-E, S. 29) halten wir für die Aufrechterhaltung dieser Versorgungs-, Regulierungs- und Unterstützungsleistungen des Bodens für besonders relevant.

    Auch begrüßen wir, dass für die als Maßnahme 6.2. vorgesehene Umwandlung von Ackerland in dauerhaft zu erhaltendes, humusreiches Grünland eine ausreichend attraktive Förderung zur Verfügung gestellt werden soll (ANK-E, S. 30 f.). Ausreichend attraktiv dürfte eine solche Förderung allerdings nur dann sein, wenn sie sowohl die mit einer solchen dauerhaften Nutzungsänderung einhergehenden Ertragseinbußen als auch den hierdurch verursachten Verlust des Bodenwertes bei gleichzeitig steigenden Bodenpreisen berücksichtigt. Nachgedacht werden könnte im Übrigen auch - andersherum - über ein grundsätzliches Verbot des Grünlandumbruchs.

    Anregen möchten wir des Weiteren, humusmehrende Bewirtschaftungsweisen von Böden auch außerhalb der Maßnahme 6.3. zum Ökologischen Landbau umfassend zu fördern. In diesem Zusammenhang weisen wir darauf hin, dass Artikel 9 des Entwurfs der europäischen „Nature Restoration“-Verordnung die Verpflichtung der EU-Mitgliedstaaten vorschlägt, den Gehalt organischen Kohlenstoffs in ihren mineralischen Ackerböden zu verbessern.

    Wir begrüßen, dass unter dem Punkt 6.7. (ANK-E, S. 34) ein Maßnahmenkatalog für die Entsiegelung von Flächen und das Flächenrecycling vorgeschlagen wird. Es verwundert uns allerdings, dass das von der Bundesregierung schon seit vielen Jahren vertretene Ziel der Begrenzung der täglichen Flächenneuversiegelung auf 30ha pro Tag weder im Handlungsfeld 6 noch an irgendeiner anderen Stelle im ANK-E erwähnt wird. Das ANK stellt aber eine gute Gelegenheit dar, auch dieses Ziel mit Maßnahmen zu unterlegen und diese ggf. in Beziehung zu den Maßnahmen der Entsiegelung und des Flächenrecyclings zu setzen. Wir möchten daher anregen, dies nachzuholen.
     
  5. Handlungsfeld 7: Siedlungs- und Verkehrsflächen

    Gerade auch in urbanen und ländlichen Siedlungsgebieten, in Städten und Gemeinden, halten wir Maßnahmen des Natürlichen Klimaschutzes für besonders wichtig. Hier führen diese Maßnahmen nicht nur zu Synergien von Klimaschutz, Klimaanpassung und der Stärkung der biologischen Vielfalt. Sie kommen auch unmittelbar dem Menschen zugute: Aufenthalte im Grünen stärken nachweislich die körperliche und psychische Resilienz des Menschen und sind gut für die Seele.

    Wir möchten daher zunächst anregen, schon jetzt die in Artikel 6 des Entwurfs der europäischen „Nature Restoration“-Verordnung vorgeschlagenen Verpflichtungen zur Wiederherstellung urbaner Ökosysteme soweit wie möglich in Maßnahmen des ANK abzubilden. Hierzu gehören aus unserer Sicht insbesondere die Sicherstellung der Vermeidung von Netto-Verlusten urbaner Grünflächen und Baumbedeckung bis 2030 im Vergleich zu 2021 sowie der Beginn des Ausbaus sowohl der grünen Infrastruktur in allen großen und kleinen Städten um 3% der Flächen von 2021 bis 2040, als auch von deren Baumbedeckung auf mindestens 10% ihrer Fläche bis 2050.

    Gerade in dicht besiedelten Gegenden stellen Grünflächen Erholungsoasen dar, die jedoch oftmals aufgrund von Emissionen und Nutzungsdruck in schlechtem Zustand sind. Wir begrüßen daher die in diesem Handlungsfeld aufgeführten Maßnahmen 7.1. und 7.3., die bei der Umstellung auf ein naturnahes Grünflächenmanagement und bei der Einrichtung von natürlichen StadtKlimaoasen unterstützen sollen. Diese Unterstützungsmaßnahmen sieht der ANK-E aber einmal mehr lediglich für Kommunen vor. Das bedauern wir sehr. Die Kirchen bzw. ihre Diözesen, Landeskirchen, Pfarrgemeinden und Orden besitzen nämlich mit den Arealen um ihre Sakralbauten und kirchlichen Einrichtungen (beispielsweise Gemeinde- und Pfarrhäuser, Kindergärten, Krankenhäuser) und auch mit Friedhöfen in kirchlicher Trägerschaft viele Grünflächen, die sie in Teilen bereits jetzt als Gärten, für den Blumen- oder Kräuteranbau oder auch als Rückzugsorte für Mensch und Tier nutzen bzw. zur Verfügung stellen. Auch hier besteht aber Potenzial für mehr. Gerade Friedhöfe in kirchlicher Trägerschaft sind sehr geeignet, um für seltene Moose und Pflanzen sowie als Biotope für zahlreiche Vogel- und Insektenarten zu wahren „Orten des Lebens“ zu werden[14].

    Mit Blick insbesondere auf die Maßnahmen 7.1. und 7.3. möchten wir daher nachdrücklich anregen, die dort für Kommunen vorgesehenen Unterstützungsmaßnahmen auch auf kirchliche Landbesitzer, also insbesondere auf Diözesen, Landeskirchen, Kirchengemeinden und Orden, auszuweiten.

    Einzelne Diözesen und Landeskirchen erproben dabei bereits Beratungsstrukturen für die Biodiversitätsförderung, die mit einer entsprechenden Unterstützung verstetigt und noch breiter in die Fläche gebracht werden könnten. So bieten die Erzdiözese Köln, die Evangelisch-Lutherische Kirche Hannovers und die Evangelische Kirche in Westfalen seit Mai 2021 mit Förderung des Bundesamtes für Naturschutz einen sog. BiodiversitätsCheck in ihren Kirchengemeinden an. Mit diesem werden auf den Flächen und Gebäuden der Kirchengemeinden niedrigschwellige ökologische Aufwertungsmaßnahmen identifiziert, die dann partizipativ mit den Gemeindemitgliedern und anderen Akteuren in den Gemeinden umgesetzt und gepflegt werden.

    Schließlich möchten wir noch anregen, Grünflächenmanagement in Siedlungsgebieten auch als Aufgabe der Umweltgerechtigkeit zu begreifen. Hierauf weist Papst Franziskus in seiner Enzyklika Laudato Si‘ hin: Er kritisiert, dass sich gut gepflegte Grünflächen gewöhnlichen in den sicheren Gebieten der Wohlhabenden befinden, jedoch kaum dort, wo die von der Gesellschaft ausgeschlossenen leben[15]. Bei der konkreteren Ausgestaltung der im ANK-E aufgeführten Maßnahmen für den Natürlichen Klimaschutz auf Siedlungs- und Verkehrsflächen sollte daher darauf geachtet werden, dass diese in ihrer Verortung und konkreten Gestalt allen Menschen eines Ortes oder einer Region unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten zugutekommen.
     
  6. Handlungsfeld 9: Forschung und Kompetenzaufbau

    Im Handlungsfeld 9 werden eine Reihe von Maßnahmen angekündigt, die das Wissen über Natürlichen Klimaschutz dort verfügbar machen sollen, wo dieser vor Ort umgesetzt wird. Diesen Ansatz begrüßen wir.

    Mit der gleichen Zielsetzung möchten wir darüber hinaus anregen, die Projekte, Programme und Maßnahmen des ANK nicht nur wissenschaftlich begleiten zu lassen, wie es beispielsweise die Maßnahme 9.4. vorsieht (ANK-E, S. 55), sondern während ihrer Umsetzung Strukturen zur Verfügung zu stellen, in denen Erfahrungen ausgetauscht und voneinander gelernt werden kann. Die kurze Laufzeit des ANK macht es aus unserer Sicht erforderlich, schnell und daher unmittelbar prozessbegleitend die besten und effizientesten Umsetzungsoptionen für die einzelnen Projekte, Programme und Maßnahmen herauszufinden. Für manche Maßnahmen des ANK-E ist ein solcher Austausch auch bereits vorgesehen, wie etwa im Rahmen der Maßnahme 6.7., mit der Austauschplattformen für Städte und Kommunen geschaffen werden sollen, in denen Lösungsansätze für eine effiziente Erfassung von Entsiegelungspotenzialen und für die Umsetzung von Bodenentsiegelung erarbeiten werden. Allerdings sollten solche prozessbegleitenden Austausche gerade nicht auf Städte und Kommunen beschränkt werden, sondern offen sein für alle mit solchen Maßnahmen des Natürlichen Klimaschutzes befassten kommunalen, privaten und kirchlichen Akteure.

    Schließlich haben wir einige Zweifel, dass das zentrale Bundes-Kompetenzzentrum und die regionalen Agenturen für Natürlichen Klimaschutz, die mit der Maßnahme 9.6. eingerichtet werden sollen (ANK-E, S. 56 f.), noch in den Laufzeiten des ANK operationell voll einsatzfähig werden. Auch vor diesem Hintergrund stellt sich für uns die Frage, ob es nicht schneller und günstiger wäre, ganz oder teilweise auf die Neugründung von Institutionen zu verzichten und stattdessen auf die Vernetzung vorhandener Kompetenzorte zu setzen. Solche Kompetenzorte finden sich in der Wissenschaft, aber auch in der Praxis, in kirchlichen Strukturen und kirchlichen Projekten wie dem bereits erwähnten BiodiversitätsCheck. Wir regen daher in jedem Fall an, ein Kompetenznetzwerk Natürlicher Klimaschutz aufzubauen, über welches das Wissen und die Erfahrung kommunaler, privater und kirchlicher Akteure zusammengebracht und einem weiteren Adressatenkreis zugänglich gemacht werden kann.

Berlin, den 2. November 2022

 

Fußnoten:

[1] Vom Wert der Vielfalt – Biodiversität als Bewährungsprobe der Schöpfungsverantwortung. Ein Expertentext der Arbeitsgruppe für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2021, S. 23 f.

[2] Geliehen ist der Stern, auf dem wir leben – Die Agenda 2030 als Herausforderung für die Kirchen, EKD-Texte 130, Hannover 2018. S.25 f.

[3] Mittlerweile existieren viele wissenschaftliche Untersuchungen, Erfahrungen und Erkenntnisse zu Co-Benefits und Trade-offs zwischen den unterschiedlichen SDG, wie sie etwa im Global Sustainable Development Report 2019 auf S. 5 f. aufgeführt werden.

[4] Stellungnahme des Kommissariats der deutschen Bischöfe – Katholisches Büro in Berlin – zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie – Weiterentwicklung 2021, S. 2, siehe unter: https://cutt.ly/9NlXMdo

[5] Ebd., S.9.

[6] COM(2022) 304 final.

[7] Stellungnahme des Kommissariats der deutschen Bischöfe – Katholisches Büro in Berlin – zum Entwurf einer Bund-Länder-Zielvereinbarung zum Klimaschutz durch Moorbodenschutz, siehe unter: https://cutt.ly/INlCpJ2

[8] Ebd., S. 2.

[9] Ebd., S. 3.

[10] Unser Einsatz für die Zukunft der Schöpfung – Klima- und Umweltschutzbericht 2021 der Deutschen Bischofskonferenz, S 73, siehe unter: https://cutt.ly/RNlC2nm

[11] Ebd., S 84.

[12] Der bedrohte Boden. Ein Expertentext aus sozialethischer Perspektive zum Schutz des Bodens, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2016, S. 13 ff.

[13] Ebd. S. 17.

[14] Vom Wert der Vielfalt – Biodiversität als Bewährungsprobe der Schöpfungsverantwortung. Ein Expertentext der Arbeitsgruppe für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2021, S. 105.

[15] Papst Franziskus, Enzyklika Laudato Si‘ - über die Sorge für das gemeinsame Haus, Rom 2015, Rz. 45.

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