Sind Notlügen erlaubt?

Wahrheit und Lüge – und was die Bibel rät

"Mal ehrlich! Sieben Wochen ohne" ist das Motto der diesjährigen Fastenaktion. Was sagt die Bibel dazu? Die Not entschuldigt nichts, vor allem nicht die eigene. Doch nicht jede Unwahrheit ist gleich etwas Schlimmes. Drei interessante Fälle aus dem Alten und Neuen Testament beleuchten die Lüge.

Das achte Gebot 'Du solltst nicht lügen' im Kleinen Katechismus

Von Gottes Wahrheit bis zur Notlüge – nicht nur im achten Gebot Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten geht es in der Bibel um Lüge.

Die Stadt ist belagert. Jetzt nicht aufgeben, heißt es. Und: Schwarzmaler sind wegzusperren oder zu töten! Doch dann wird der König nachdenklich. Einer der Weggesperrten hatte anderen stets schonungslos die Wahrheit gesagt, bislang lag er mit allen Prognosen richtig. Der König lässt ihn heimlich holen und fragt: „Was wird aus mir?“ Der Gefangene sagt: „Wenn ich dir die Wahrheit sage, bringst du mich um.“ Der König schwört, ihn am Leben zu lassen. Der Gefangene sagt: „Gib auf. Der Feind tut dir nichts. Die Stadt wird sowieso erobert. Ergibst du dich aber nicht, wird sich der Feind übel an dir rächen.“ Der König hält sein Wort und lässt den Schwarzmaler am Leben. Aber er verlangt: „Wenn dich meine Hauptmänner fragen, was du mit mir besprochen hast, sag ihnen, du hättest mich um Gnade gebeten.“

Was soll der Wahrheitssager tun? Ist er den Hauptmännern gegenüber ehrlich, muss er einen sinnlosen Heldentod sterben. Und irgendeine Erklärung werden sie von ihm verlangen. Insofern wäre eine Not­lüge in diesem Fall bestimmt akzeptabel, oder?

Abrahams Lüge – kein Problem. Die des Petrus – schon eher

Das Neue Testament findet dazu große Worte. Die sündige Menschheit habe Gottes Wahrheit in Lüge verkehrt, wettert der Apostel Paulus. Der Verfasser des 1. Timotheusbriefes stellt Lügner und Meineidige in eine Reihe mit Elternmördern, Knabenschändern und Menschenhändlern (1. Tim 1,10). 
Christen sollen nur Wahrheit reden, ein 
jeder mit seinem Nächsten, schreibt ein anderer.

Aber funktioniert das auch ­immer? Abraham bediente sich laut Altem ­Testament gleich mehrfach einer Notlüge. Zweimal gab er seine schöne Frau Sara als Schwester aus (1. Mose 12,10–20 und 1. Mose 20,2). Er fürchtete, neidische Fremde könnten ihn aus dem Weg räumen, um sich dann die Witwe als Frau zu nehmen. Solche Erzählungen hinderten Christen aber nie daran, Abraham als Glaubens­vorbild zu ehren.

In anderen Fällen war man weniger 
nachsichtig. Petrus, später einer der wichtigsten Apostel, war der Palastwache nach Jesu Verhaftung bis in den Hof des Hohepriesters gefolgt. Dort erkannte ihn unter anderen eine Magd: „Du warst doch auch mit dem Jesus aus Galiläa.“ Petrus leugnete: „Ich kenne diesen Menschen nicht.“ (Mt 26,72). Auch eine Notlüge – aber die nahm man dem Jünger übel. Sie haftet ­Petrus bis heute als Makel an.

Die eigene Not zählt nicht als mildernder Umstand

Dass jemand aus eigener Not lügt, entschuldigt aus Sicht der biblischen Autoren noch gar nichts. Wer vor Gericht täuscht, macht sich des Meineides schuldig. Da zählen keine mildernden Umstände. Denn eine solche Lüge zerstört nicht nur Vertrauen. Sie bringt auch das Rechtsgefüge durcheinander und verhindert ein ge­rechtes Urteil. Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten, fordert das achte Gebot – ohne Wenn und Aber. Verzeihlich wird Geflunker erst dann, wenn es sonst niemandem schadet.

Die Bibel verurteilt auch boshaftes Lügen im Alltag. Erst schmeicheln und dann hinterrücks lästern geht gar nicht. Etwa wenn die Kollegen „Das Kleid steht dir gut!“ ausrufen – und kaum hat die Dame den Raum verlassen, zerreißen sie sich den Mund: „Wurstpelle!“ – „Glatte Lippen und ein böses Herz, das ist wie Tongeschirr, mit Silberschaum überzogen“, also wertloses Blendwerk, schimpft das Buch der Sprüche. Egal, ob die Geschädigte das Geläster mitbekommt oder nicht.

Anderen die Seligkeit verbauen, geht gar nicht

Ganz schlimm sei es aber, wenn jemand die Frommen vom rechten Weg abbringt und auf die Weise „Gottes Wahrheit in Lüge verkehrt“. Anderen die Seligkeit verbauen, da überbieten 
biblische Autoren einander mit ­Verwünschungen. Schon fehlender Bekennermut wird gerügt, wie das Beispiel des Petrus zeigt.

Der Schwarzmaler aus der Anfangsgeschichte heißt Jeremia. Als Prophet verkündete er stets die bittere Wahrheit. Seine Begegnung mit ­König Zedekia, während die Baby­lonier ­Jerusalem belagerten, kann man nachlesen: Jeremia 38,1ff. Als der König ihn gehen ließ, fragten die Hauptmänner Jeremia tatsächlich, was er mit dem König beredet habe. Er habe Zedekia um Gnade gebeten, ­redete er sich raus. Bislang hat noch niemand Jeremia diese Lüge übelgenommen. Er hat ja auch niemandem damit geschadet.

Burkhard Weitz (chrismon)


Der zentrale Eröffnungsgottesdienst der Fastenaktion „Mal ehrlich! Sieben Wochen ohne Lügen“  ist am 10. März in der Evangelischen Kirchengemeinde Oestrich-Winkel geplant. Der Gottesdienst wird live im ZDF übertragen. Beginn ist um 9.30 Uhr.