Missbrauch aufarbeiten, mehr Ökumene wagen

Der frühere EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber äußert sich zu aktuellen Kirchenfragen

Wolfgang Huber

Köln (epd). Die Missbrauchsfälle in den evangelischen Kirchen sollten nach Ansicht von Altbischof Wolfgang Huber bundesweit aufgearbeitet werden. „Ich bin dafür, dass wir uns auch als evangelische Kirche ein Gesamtbild erarbeiten und gemeinsam wirksame Vorkehrungen dafür treffen, Menschen im Raum der Kirche vor Missbrauch aller Art zu schützen“, sagte Huber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Mit Blick auf den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche wies der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zugleich darauf hin, dass die Protestanten in einer grundsätzlich anderen Situation seien.

Missbrauch hat „im evangelischen Bereich nicht die gleiche Dramatik“

„Für sexuellen Missbrauch gibt es bei uns nicht dieselben strukturellen Voraussetzungen wie in der katholischen Kirche“, betonte Huber. Stichworte seien hierarchische Struktur, Autoritätsverhältnisse, Pflichtzölibat und Sexualmoral. „Das Problem hat auch international im evangelischen Bereich nicht die gleiche Dramatik“, sagte der 76-jährige Theologe. Allerdings sei jeder Einzelfall zu beklagen und müsse aufgearbeitet werden. „Darum hat man sich in den evangelischen Landeskirchen, wo immer sie damit konfrontiert waren, nach meinem Wissen auch schnell und umfassend bemüht.“ Selbstkritik und das Leiden an der eigenen Kirche gehörten zum Wesen des Protestantismus, deshalb habe auch die Aufarbeitung aller Arten von Skandal bei den Protestanten Tradition.

Die EKD will auf ihrer Synode vom 11. bis 14. November in Würzburg über eine kirchenübergreifende Aufarbeitung von Missbrauchsfällen beraten.

Weitere „Schritte einer bewussten Gemeinsamkeit“ nötig

Huber hält die Festpredigt im zentralen Reformationsgottesdienst des Evangelischen Kirchenverbands Köln. Der Altbischof forderte die beiden großen Kirchen zu mehr Ökumene auf. „Wir gehen nun auf den dritten Ökumenischen Kirchentag 2021 in Frankfurt zu“, sagte er im Interview. „Wenn wir nicht zu weiteren Schritten einer bewussten Gemeinsamkeit bei allem Respekt vor den konfessionellen Unterschieden kommen, befürchte ich nach der Euphorie des Jubiläums von 2017 eine große Ernüchterung.“

Die Ökumene als gemeinsames Bekenntnis der Konfessionen zu Christus sei das eigentliche Thema des 500. Reformationsjubiläums im vergangenen Jahr gewesen. Huber kritisierte in diesem Zusammenhang den Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki. Auf dem Höhepunkt der Feierlichkeiten habe der Kardinal im Kreis der katholischen Bischöfe auf besonders markante Weise Zurückhaltung signalisiert, vor weiteren Schritten in der Ökumene gewarnt und auf Abwarten gesetzt, sagte Huber. Manche ökumenische Entwicklungen hätten daher „auf einem Umweg um Köln herum stattgefunden“.