Zuwanderungsgesetz

Der Bevollmächtigte
des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland
bei der Bundesrepublik Deutschland und der EU
Charlottenstraße 53/54, 10117 Berlin

Der Leiter
des Kommissariats der deutschen Bischöfe
Katholisches Büro in Berlin
Hannoversche Straße 5, 10115 Berlin

Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthaltes und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz)

  1. I. Allgemeine Bewertung

    Beide Kirchen haben bereits 1996 in ihrem Gemeinsamen Wort zu den Herausforderungen durch Migration und Flucht ("... und der Fremdling, der in deinen Toren ist") auf die grundsätzliche Notwendigkeit einer Gesamtkonzeption zur Zuwanderung und Eingliederung von Ausländern hingewiesen.

    Diese Neuordnung hat sich, wie das Gemeinsame Wort hervorhebt, bei aller Legitimität von ökonomischen und demographischen Beweggründen an bestimmten menschenrechtlichen Leitlinien zu orientieren.

    Vor allem ist wesentlich, dass jegliche Regelung der Zuwanderung – sei es aus ökonomischen Gründen, zum Familiennachzug, zu Ausbildungszwecken oder zum Schutz von Menschen vor ihnen drohenden Menschenrechtsverletzungen – dem Anspruch auf Einhaltung der Menschenwürde sowie dem Gebot der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit entspricht.

    Zu diesem Zweck muß das Ausländerrecht – jedenfalls teilweise - aus dem Bereich des Polizeirechtes herausgelöst werden. Der Zuzug von Menschen nach Deutschland und ihr Aufenthalt im Bundesgebiet darf nicht allein unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr betrachtet werden. Für eine bestmögliche Integration der Zuwanderer ist Sorge zu tragen.

    Die Zielsetzung eines Artikelgesetzes, das Zuwanderung, Erwerbstätigkeit und Integration umfassend regeln soll, ist grundsätzlich zu begrüßen. Es erscheint jedoch fraglich, ob der vom Bundesinnenministerium abgesteckte Zeitrahmen (Vorstellung inmitten der Sommerpause und Abstimmung im Kabinett bereits Ende September) die erforderliche gründliche Auseinandersetzung mit dem Referentenentwurf ermöglicht.

    Die vorliegende Stellungnahme konzentriert sich vor diesem Hintergrund auf einige für die Kirchen besonders zentrale Fragen.

    Positiv ist zu bewerten, dass der Entwurf im Bereich der Zuwanderung von Menschen zum Zwecke der Erwerbstätigkeit die auch von den Kirchen geforderte Absage an ein vorwiegend auf Abwehr ausgerichtetes Zuwanderungsverständnis vollzieht. Die Anerkennung der Notwendigkeit und Nützlichkeit dieser ökonomisch motivierten Zuwanderung kommt im Gesetzentwurf deutlich zum Ausdruck. Bestimmten Zuwanderern wird grundsätzlich die Perspektive eines Daueraufenthaltes eröffnet; ihre Familienangehörigen erhalten ein eigenes Aufenthaltsrecht sowie die Möglichkeit der Erwerbsarbeit.

    Begrüßenswert ist darüber hinaus die nach dem Entwurf des Aufenthaltsgesetzes künftig ausländischen Studierenden eröffnete Möglichkeit, ohne vorherige Ausreise zum Zweck der Erwerbstätigkeit in Deutschland zu bleiben.

    Allerdings ist zu berücksichtigen, dass ein verstärkter Verbleib von ausländischen Studienabsolventen in Deutschland naturgemäß zu einem sogenannten "brain drain" in den Herkunftsstaaten führen kann.

    Dies gilt auch beim Zuzug ausländischer Arbeitskräfte. Er sollte immer auch vor dem Hintergrund der ökonomischen und sozialen Entwicklung der Herkunftsländer betrachtet werden. Zur Erzielung eines beiderseitigen Vorteils aus den Wanderungsbewegungen sind ggf. entwicklungspolitische Maßnahmen angezeigt. Bei Engpässen auf dem Arbeitsmarkt in den Herkunftsländern sollte von einer Anwerbung abgesehen werden.

    Die Kirchen erkennen außerdem an, dass im Bereich der Aufnahme von Menschen aus humanitären Gründen einige Verbesserungen geplant sind (z.B. Statusverbesserung, Ehegattennachzugsrecht und erleichterter Arbeitsmarktzugang für Konventionsflüchtlinge; Aufenthaltserlaubnis für einige Personen, bei denen Abschiebungshindernisse vorliegen; erleichterter Arbeitsmarktzugang für nachziehende Familienangehörige).

    Begrüßenswert ist auch die grundsätzliche Anerkennung der Notwendigkeit und Bedeutung der Integration von zugewanderten Ausländern durch ein eigenes Kapitel im Aufenthaltsgesetz, auch wenn diesbezüglich einige wichtige Fragen noch nicht geklärt erscheinen.

    Gleichwohl ist festzustellen, dass zentrale Forderungen beider Kirchen keine oder nur eine unzureichende Berücksichtigung gefunden haben.

    So ist z.B. ein befriedigender Schutz von Opfern nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung, der den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention entspräche, nach wie vor nicht sichergestellt.

    Bedauerlicher Weise fehlt eine verlässliche gesetzliche Härtefallregelung, für die sich die Kirchen wiederholt ausgesprochen haben. Die vorgesehenen Regelungen zur Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aus humanitären Gründen werden nicht alle schutzbedürftigen Personen erfassen. Es werden also humanitäre Härtefälle entstehen. Eine "Kontingentregelung" dahingehend, dass Dritten, etwa den Kirchen, die Verantwortung für das Bleiberecht der Betroffenen übertragen wird, kann eine Härtefallregelung nicht ersetzen und wird von den Kirchen aus grundsätzlichen Erwägungen abgelehnt.

    Die Duldung ist zwar abgeschafft; zu befürchten ist allerdings, dass die humanitäre Problematik des Daueraufenthaltes von Menschen ohne Aufenthaltsstatus dadurch nicht wesentlich entschärft wird. Denn das Vorliegen von Abschiebungshindernissen wird nicht in jedem Fall zur Erteilung von Aufenthaltstiteln führen. Vielmehr wird wohl nur ein kleinerer Teil der bislang Geduldeten einen solchen Status erlangen. An die Stelle vieler bisheriger Duldungsinhaber werden wiederum Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis treten, deren Rechtsstellung in mancherlei Hinsicht schwächer ist als diejenige der Geduldeten.

    Es fällt zudem auf, dass Menschen, denen aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, ohne dass sie als Asylberechtigte oder Konventionsflüchtlinge anerkannt werden, in mancherlei Hinsicht gegenüber anderen Zuwanderern benachteiligt werden: Das Recht ihrer Familienangehörigen auf Nachzug sowie der Zugang zum Arbeitsmarkt sind eingeschränkt, die Aufenthaltsverfestigung wird erschwert, ein Anspruch auf Teilnahme an Integrationskursen besteht nicht.

    Angesichts einer Vielzahl von Ermessenstatbeständen bedarf zudem die Frage näherer Prüfung, ob dem Gebot der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit ausreichend Rechnung getragen ist.

    Mit Besorgnis betrachten die Kirchen ferner die geplante Ausdehnung des Anwendungsbereiches des Asylbewerberleistungsgesetzes.

    Aus Sicht der Kirchen wünschenswerte Verbesserungen der sozialen Rechtsstellung von Menschen ohne Aufenthaltsrecht, für die sich auch die Unabhängige Kommission Zuwanderung ausgesprochen hatte, sind leider nicht vorgesehen.

    Beide Kirchen hätten es außerdem begrüßt, wenn die Forderung der Unabhängigen Kommission Zuwanderung nach einem vollständigen Ausweisungsschutz für im Inland geborene und aufgewachsene Jugendliche aufgegriffen worden wäre.

    Im Bereich des Familiennachzuges erscheint bedenklich, dass das für den Anspruch auf Kindernachzug maßgebliche Alter nach Zuwanderergruppen variieren soll. Wenngleich die Anhebung des Anspruchsalters für bestimmte Zuwanderer zu begrüßen ist, muss der Schutz der Familieneinheit nach Überzeugung der Kirchen allen rechtmäßig in Deutschland lebenden Ausländern gleichermaßen zugute kommen.

    Hinzuweisen ist auch darauf, dass die vorgesehene Absenkung des Anspruchsalters auf 12 Jahre für bestimmte Zuwanderergruppen nicht nur dem Votum der Kirchen, sondern auch den Vorstellungen der Europäischen Kommission sowie der Rechtswirklichkeit in fast allen EU-Mitgliedsstaaten entgegengesetzt ist.

    Vor dem Hintergrund der mit dem Amsterdamer Vertrag auf die Organe der Europäischen Union übergegangenen Kompetenz zur Rechtssetzung in den Bereichen Einwanderung und Asyl erscheint die Vereinbarkeit der nationalen Rechtssetzung mit der europäischen Entwicklung jedoch besonders wichtig.

  2. Zu den einzelnen Vorschriften

    1. Artikel 1: Aufenthaltsgesetz

    Kapitel 1 – Allgemeine Bestimmungen

    Das Aufenthaltsgesetz erfasst nur Ausländer und auch nur solche aus Staaten, die nicht der Europäischen Union angehören (EU-Drittstaaten). Spätaussiedler aus EU-Drittstaaten zählen indes nicht hierzu, da sie rechtlich nicht als "Ausländer" gelten; Spätaussiedler unterfallen nach wie vor dem Bundesvertriebenengesetz, das in Artikel 6 des Entwurfs stellenweise geändert wird.

    Kapitel 2 – Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet

    § 4 – Aufenthaltstitel

    Absatz 1:

    Die Vorschrift differenziert (mit Ausnahme des Visums) nur zwischen zwei Aufenthaltstiteln, der Aufenthaltserlaubnis und der Niederlassungserlaubnis. Auch die Begründung (1) spricht davon, dass die Zahl der Aufenthaltstitel von gegenwärtig 5 auf künftig nur noch 2 reduziert werden solle. Eine nähere Untersuchung der mit dem jeweiligen Titel verbundenen Rechte ergibt jedoch, dass trotz der begrifflichen Vereinfachung de facto verschiedene Arten von Aufenthaltserlaubnissen vorgesehen sind. In diesem Sinne führt auch die Entwurfsbegründung aus, dass die bisherige Unterscheidung nach Aufenthaltstiteln nunmehr durch eine Differenzierung nach Aufenthaltszwecken abgelöst werden solle. Ausländer, die nominell denselben Aufenthaltstitel besitzen, werden also nach der Konzeption des Entwurfes dennoch eine unterschiedliche Rechtsstellung innehaben.

    So verleiht insbesondere der Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach Abschnitt 5 (d.h. aus humanitären, politischen oder völkerrechtlichen Gründen) in mehrfacher Hinsicht einen schwächeren Status als der Besitz einer sonstigen Aufenthaltserlaubnis. Hiervon ausgenommen sind Asylberechtigte und anerkannte Konventionsflüchtlinge. Sonstige Inhaber von Aufenthaltserlaubnissen nach Abschnitt 5, insbesondere auch Personen, bei denen Abschiebungshindernisse vorliegen, sind mehrfachen Beschränkungen unterworfen. Dies gilt etwa hinsichtlich des Familiennachzuges (§ 29 Abs. 3), der Erwerbstätigkeit, die nur in bestimmten Fällen erlaubt ist (vgl. § 22 S. 3) sowie des Anspruchs auf Teilnahme an einem Integrationskurs (§ 44 Abs. 1). Auch § 97, der ausdrücklich zwischen einer "Aufenthaltserlaubnis nach diesem Gesetz" und einer "Aufenthaltserlaubnis nach Abschnitt 5" differenziert, stützt diesen Befund.

    Absatz 2:

    Satz 1 regelt, dass ein Aufenthaltstitel dann zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt, wenn dies im Gesetz oder durch den Aufenthaltstitel ausdrücklich bestimmt ist. In diesen Fällen ist keine Vorrangprüfung dahingehend vorgesehen, ob für die betreffende Arbeitsstelle bevorrechtigte (insbesondere deutsche) Arbeitnehmer zur Verfügung stehen. Die begünstigten Ausländer erhalten mithin gleichrangigen Arbeitsmarktzugang.

    In den Fällen, in denen "keine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Erwerbstätigkeit" erteilt wurde, soll dagegen Zugang zum Arbeitsmarkt nur gewährt werden, wenn die Bundesanstalt für Arbeit zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung bestimmt ist, dass die Ausübung einer Beschäftigung ohne eine solche Zustimmung zulässig ist. In diesen Fällen besteht also nachrangiger Zugang zur Erwerbstätigkeit (Satz 2).

    Die Formulierung des Gesetzes ("Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Erwerbstätigkeit") legt nahe, dass auch solche Ausländer der Einschränkung des Satzes 2 (lediglich nachrangiger Zugang zum Arbeitsmarkt) unterliegen, die Aufenthaltserlaubnisse etwa zum Zweck des Familiennachzuges oder aus humanitären und völkerrechtlichen Gründen erhalten haben, selbst wenn ihnen die Erwerbstätigkeit im Gesetz ausdrücklich erlaubt wurde. Denn ihnen wurde keine "Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Erwerbstätigkeit" erteilt.

    Erst durch Rückgriff auf die Begründung (2) wird deutlich, dass die Einschränkung nur die Fälle betreffen soll, in denen die Erwerbstätigkeit nicht gesetzlich zugelassen (3) ist und dass in den Fällen, in denen das Gesetz die Beschäftigung erlaubt, nicht nach Zwecken der Aufenthaltstitel differenziert werden soll.

    Es wäre wünschenswert, den Regelungsgehalt des § 4 Abs. 2 S. 2, wie er aus der Begründung hervorgeht, im Gesetzestext selbst klarer zum Ausdruck zu bringen. (4) Die derzeitige Fassung erscheint unklar und könnte die begrüßenswerte Absicht des Gesetzgebers verschleiern, über die gesetzlich bestimmten Fälle hinaus die Erwerbstätigkeit jedenfalls nachrangig zu erlauben sowie Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt – unabhängig vom Aufenthaltszweck – hinsichtlich der Erwerbstätigkeit gleichzustellen, wenn der Zugang zur Beschäftigung gesetzlich bestimmt ist.

    § 5 – Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen

    Absatz 1:

    Die Erteilung eines Aufenthaltstitels soll in der Regel, nicht nur bei Ermessenstatbeständen, sondern auch bei Bestehen eines Anspruchs, von den genannten Voraussetzungen abhängig gemacht werden. Von großer praktischer Bedeutung ist dabei insbesondere das Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhaltes.

    Dies ist eine Verschärfung gegenüber geltendem Recht (§ 7 AuslG), das die genannten Bedingungen als Regelversagungsgründe nur bei der Erteilung von Titeln vorsieht, auf die kein Anspruch besteht.

    Auch wenn manche Anspruchstatbestände eine – zwingende oder fakultative – Befreiung von den Voraussetzungen des § 5 vorsehen, erscheint diese Verschärfung problematisch.

    Absatz 3:

    Aus kirchlicher Sicht wäre es wünschenswert, dass in allen Fällen des Aufenthaltes aus humanitären, politischen oder völkerrechtlichen Gründen ein Vorrang humanitärer Erwägungen vor den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 stärker zum Ausdruck käme. Die Bestimmung sieht jedoch in Absatz 3 lediglich für einige Tatbestände eine zwingende Befreiung vor.

    Insbesondere Ausländer, bei denen Abschiebungshindernisse (§ 60 Abs. 2 bis 7) vorliegen, können nur nach Ermessen von den Anforderungen befreit werden. Dies kann zur Folge haben, dass diese Personen z.B. aufgrund von Sozialhilfeabhängigkeit keine Aufenthaltserlaubnis erhalten, obwohl § 25 Abs. 3 die Erteilung von Titeln eigentlich ermöglicht. Kommt es jedoch nicht nur Vergabe einer Aufenthaltserlaubnis, sind wiederum weitere wichtige Rechte verwehrt (Erwerbstätigkeit, Familiennachzug, Integrationskurse).

    § 9 - Niederlassungserlaubnis

    Absatz 2 Nr. 7 und 8:

    Die Regelung bedeutet eine Verschärfung der Voraussetzungen für die Erteilung eines Daueraufenthaltsrechtes im Vergleich zum geltenden Recht. Ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache werden bisher nur für die Einbürgerung verlangt (§ 86 AuslG). Auch die erforderlichen Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung, die regelmäßig durch die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nachgewiesen werden sollen, sind bislang nicht Voraussetzung für einen Daueraufenthaltstitel. Die "erfolgreiche Teilnahme" ist wohl durch eine Prüfung nachzuweisen.

    Die Regelung führt im Ergebnis zu einer deutlichen Schlechterstellung vor allem älterer, bereits lange hier ansässiger Personen mit geringen Sprachkenntnissen und Bildungsvoraussetzungen. Angesichts der oftmals bereits erfolgten Integration der betroffenen Ausländer sowie angesichts des Beitrages, den gerade auch sie zum wirtschaftlichen Aufschwung der Bundesrepublik Deutschland geleistet haben, ist dies nicht hinnehmbar.

    § 10 Abs. 3 – Aufenthaltstitel bei Asylantrag

    Der Regelung, dass abgelehnten Asylbewerbern ein Aufenthaltstitel vor der Ausreise nur erteilt werden kann, wenn keiner der in § 30 Abs. 3 Asylverfahrensgesetz genannten Sachverhalte (offensichtlich unbegründete Asylanträge) vorliegt, liegt die Erwägung zugrunde, dass Ablehnungen von Asylanträgen als offensichtlich unbegründet nur dann erfolgen, wenn dem Antragsteller ein mißbräuchliches Verhalten zur Last gelegt werden kann. Dies ist jedoch nicht in allen Fällen zutreffend. Der zwingende Ausschlußgrund des § 10 Abs. 3 kann daher zu unangemessenen Härten führen.

    Zu kritisieren ist ferner, dass lediglich die Erteilung von Aufenthaltstiteln aus humanitären, politischen oder völkerrechtlichen Gründen nach Abschnitt 5 in Frage kommen soll, nicht jedoch die Vergabe von Aufenthaltserlaubnissen nach anderen Vorschriften.

    Analog hat z.B. die Erfahrung mit Flüchtlingen aus Bosnien-Herzegowina gezeigt, dass es durchaus sachgerecht und wünschenswert sein kann, einen Wechsel vom Flüchtlings- etwa zum Arbeitnehmerstatus zu ermöglichen.

    § 15 Abs. 4 - Zurückweisung

    § 15 sieht in bestimmten Fällen (z.B. Vorliegen von Ausweisungsgründen) die Zurückweisung von einreisewilligen Ausländern an der Grenze vor.

    Absatz 4 bestimmt jedoch, dass die Zurückweisung beim Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 unzulässig ist. Damit soll ein effektiver Schutz dieser Ausländer erreicht werden.

    Allerdings ist die Vorschrift des § 60 Abs. 7 (Abschiebungsverbot wegen drohender konkreter Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit) von diesem Zurückweisungsverbot nicht erfasst. Dies entspricht auch der bestehenden Rechtslage (§ 60 Abs. 5 S. 1 AuslG). Insbesondere nichtstaatlich Verfolgte können daher trotz der ihnen drohenden Gefahren an der Grenze zurückgewiesen werden. Dies ist aus Sicht der Kirchen unter dem Gesichtspunkt eines effektiven Flüchtlingsschutzes sehr problematisch.

    § 16 Abs. 4 - Studium

    Positiv zu bewerten ist, dass ausländischen Studierenden die Möglichkeit gegeben werden soll, ohne die Notwendigkeit vorheriger Ausreise zum Zweck der Erwerbstätigkeit in Deutschland zu verbleiben.

    Jedoch muss in diesem Zusammenhang die Gefahr eines sogenannten "brain drains" in den Herkunftsländern beachtet und die Entwicklungszusammenarbeit mit diesen Ländern intensiviert werden.

    § 22 – Aufnahme aus dem Ausland

    Die Regelung beinhaltet zwei Tatbestände der Aufnahme von Ausländern aus dem Ausland aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen: einen Ermessenstatbestand (S. 1) und einen Anspruchstatbestand, sofern das Bundesministerium des Innern oder eine von ihm bestimmte Stelle zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik die Aufnahme erklärt hat (S.2). Nur im Falle des Satzes 2 soll dem Ausländer die Erwerbstätigkeit gleichrangig, d.h. ohne Vorrangprüfung (vgl. oben zu § 4 Abs. 2), gestattet sein.

    Wenngleich die Arbeitsmöglichkeit für die begünstigten Personen zu begrüßen ist, erscheint eine weitergehende Einbeziehung aller von § 22 erfassten Ausländer wünschenswert. Wenn mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, sei es im Ermessenswege oder aufgrund eines Anspruchs, eine – möglicherweise dauerhafte - Aufenthaltsperspektive geschaffen wurde, sollte im Sinne einer umfassenden und frühzeitigen Integration der begünstigten Ausländer generell auch deren Erwerbstätigkeit erlaubt werden.

    § 23 – Aufenthaltsgewährung durch die obersten Landesbehörden

    Im Vorfeld der Veröffentlichung des Entwurfes wurde lebhaft über die Einführung eines sogenannten "Kirchenkontingentes" für Härtefälle diskutiert. Ein solches Kirchenkontingent kann aus Sicht der Kirchen jedoch keine Antwort auf die Forderung nach einer verlässlichen Härtefallregelung darstellen. Der Schutz vor Menschenrechtsverletzungen ist eine staatliche Aufgabe, die nicht auf Private übertragen werden darf. Eine "Kontingentlösung" würde zudem zu einer Zufälligkeit der Schutzgewährung führen, je nachdem, ob sich ein privater Unterstützer findet oder nicht.

    Eine nähere Analyse des Entwurfes ergibt jedoch darüber hinaus, dass kein "echtes" Kirchenkontingent im Sinne eines zusätzlichen Bleiberechtstatbestandes vorgesehen ist.

    § 68 bestimmt, dass der Ausländerbehörde gegenüber die Übernahme der Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers erklärt werden kann (bisher § 84 AuslG). Aus dieser Regelung folgt noch nicht, dass bei Abgabe einer solchen Kostenübernahmeerklärung ein Aufenthaltstitel vergeben werden kann oder muss. Eine Vorschrift, die die Erteilung des Aufenthaltstitels ausschließlich an die Kostenübernahmeerklärung etwa durch die Kirchen knüpft, das Bleiberecht des Ausländers also deren Entscheidung überläßt, enthält der Entwurf nicht. § 23 regelt lediglich die Befugnis der obersten Landesbehörden, im Einvernehmen mit dem Bundesinnenminister bestimmten Ausländern oder Ausländergruppen aus humanitären oder völkerrechtlichen Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen und räumt den obersten Landesbehörden die Möglichkeit ein, die Vergabe von Aufenthaltstiteln zusätzlich zu den übrigen Voraussetzungen auch noch von der Kostenübernahmeerklärung abhängig zu machen. Auch bei Abgabe einer solchen Erklärung beispielsweise durch die Kirchen steht es jedoch den obersten Landesbehörden frei, die Vergabe von Aufenthaltstiteln als Ermessensentscheidungen auszugestalten, so dass kein Anspruch auf die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis besteht.

    Zu erwähnen ist ferner, dass § 23 seinem Wortlaut nach nur die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ermöglicht, nicht jedoch – wie der bisherige § 32 Ausländergesetz - auch die Verlängerung eines bereits erteilten Titels. In der Begründung zu § 23 wird ausgeführt, dass sich die Vorschrift auf noch im Ausland lebende sowie auf solche Ausländer beziehen kann, die sich bereits in Deutschland aufhalten. Die Tatsache, dass § 23 eine Verlängerung von Aufenthaltstiteln nicht ausdrücklich vorsieht, könnte hinsichtlich des begünstigten Personenkreises zu Unklarheiten führen. Die Bestimmung könnte so ausgelegt werden, dass sie Personen, die in Deutschland leben und die bereits einen (befristeten) Aufenthaltstitel besitzen, nicht einbezieht. Um zweifelsfrei auch bereits rechtmäßig hier aufhältige Ausländer zu erfassen, sollte § 23 – genau wie § 32 AuslG – die Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen im Gesetzestext erwähnen. (5)

    Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Regelung auf die Aufnahme von Ausländergruppen abzielt, jedoch keine befriedigende Lösung von Einzelfällen ermöglicht. Auch aus diesem Grund kann § 23 – entgegen der in der Entwurfsbegründung (6) geäußerten Einschätzung – den humanitären Interessen u.a. der Kirchen nicht hinreichend Rechnung tragen.

    § 24 – Aufenthaltsgewährung zum vorübergehenden Schutz

    Die zwingende räumliche Beschränkung des Aufenthaltes von Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen, die auf der Grundlage der EU-Richtlinie über den vorübergehenden Schutz aufgenommen wurden, bedeutet eine Verschärfung gegenüber dem geltenden § 32 a Abs. 5 AuslG, der lediglich die Bestimmung des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthaltes vorsieht. Damit können Flüchtlinge nach der geltenden Regelung den Ort ihres gewöhnlichen Aufenthaltes jedenfalls zeitweilig verlassen.

    Die geplante räumliche Beschränkung nimmt ihnen diese Möglichkeit. Diese Restriktion ist sachlich nicht nachvollziehbar.

    Aus den mit der sogenannten Residenzpflicht von Asylbewerbern gesammelten Erfahrungen lässt sich ferner ableiten, dass eine solche räumliche Beschränkung unter verschiedenen Gesichtspunkten (kultureller Zusammenhalt, Familieneinheit) zu erheblichen praktischen Problemen führen und vielfach keine Beachtung finden wird.

    § 25 – Aufenthalt aus humanitären Gründen

    Absatz 1:

    Die Schlechterstellung anerkannter Asylberechtigter, die anstelle der bisherigen unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nun zunächst nur eine befristete Aufenthaltserlaubnis erhalten sollen, erscheint sachlich nicht gerechtfertigt. Die gebotene und auch von den Kirchen wiederholt geforderte Verbesserung des Status anerkannter Konventionsflüchtlinge wäre auch ohne eine solche Verschlechterung möglich gewesen.

    Die gemäß § 26 Abs. 3 nach drei Jahren für anerkannte Asylberechtigte und Konventionsflüchtlinge vorgesehene Überprüfung, ob ein Widerruf oder eine Rücknahme angezeigt ist, wird einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand zur Folge haben. Angesichts der bereits nach geltendem Recht ( § 73 Asylverfahrensgesetz) bestehenden Möglichkeit, die Asylanerkennung bei Wegfall ihrer Voraussetzungen zu widerrufen, ist fraglich, ob dieser bürokratische Mehraufwand gerechtfertigt ist.

    Absatz 2:

    Die Verbesserung des Rechtsstatus anerkannter Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ist zu begrüßen, wenngleich bedauerlich ist, dass diese mit der Verschlechterung des Status anerkannter Asylberechtigter verknüpft wurde.

    Absatz 3:

    Die zwingende Versagung der Aufenthaltserlaubnis, "wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist", wird absehbar zu Lücken im Flüchtlingsschutz führen. Bisher muss die Ausländerbehörde die Abschiebung in einen konkreten Staat androhen. Sofern die Abschiebung nicht vollziehbar ist, muss eine Duldung erteilt werden. Nach dem Entwurf soll der Behörde nicht mehr die Pflicht obliegen, einen konkreten Staat zu benennen, in den die Ausreise erfolgen soll. Der Ausländer soll darlegen, dass die Ausreise in keinen anderen Staat erfolgen kann. Sofern der Antragsteller nicht den Nachweis erbringt, dass ihm die Ausreise in einen anderen Staat weder möglich noch zumutbar ist (§ 25 Abs. 3 S. 2), ist den Behörden die Ausübung ihres Ermessens und damit auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels zwingend untersagt.

    Diesen Nachweis werden jedoch viele Ausländer aufgrund praktischer Schwierigkeiten nicht erbringen können, ohne dass deshalb auf die Möglichkeit und Zumutbarkeit der Ausreise in einen anderen Staat geschlossen werden dürfte. Die Regelung des § 25 Abs. 3 S. 2 ist daher aus Sicht der Kirchen sehr problematisch.

    Zu kritisieren ist ferner, dass die Regelung den Ausländerbehörden auch dann noch Ermessen einräumt, wenn Abschiebungshindernisse vorliegen und der Hinderungsgrund des Satzes 2 ausscheidet, weil nachgewiesen wurde, dass die Ausreise in einen anderen Staat nicht möglich und zumutbar ist ("Einem Ausländer kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden..., Satz 1). Es ist nicht ersichtlich, warum in solchen Fällen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht zwingende Rechtsfolge sein soll. (7) Die vorgesehene Regelung birgt die Gefahr, dass Menschen trotz des Vorliegens triftiger Gründe für ihren Verbleib im Bundesgebiet lediglich die "Aussetzung der Abschiebung" nach § 60 Abs. 11 erhalten. Der Missbrauch der bisherigen Duldung, nun der Aussetzung der Abschiebung, als Ersatzaufenthaltstitel würde damit perpetuiert. Diesem Missstand sollte jedoch nach der Begründung des Entwurfes gerade abgeholfen werden.

    Da § 25 Abs. 3 die Erwerbstätigkeit nicht ausdrücklich erlaubt, kann Personen mit Aufenthaltstiteln nach dieser Vorschrift der Zugang zum Arbeitsmarkt nur nachrangig und nach Ermessen gewährt werden (vgl. oben zu § 4 Abs. 2).

    Absatz 5:

    Die Vorschrift stellt für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Ermessen nicht, wie der geltende § 55 Absatz 2 Ausländergesetz, auf die Unmöglichkeit der Abschiebung, sondern auf die Unmöglichkeit der Ausreise ab. Dies soll die Eigenverantwortung des ausreisepflichtigen Ausländers stärker zum Ausdruck bringen, einem nicht gebotenen Aufenthalt im Bundesgebiet freiwillig ein Ende zu setzen.

    Die Möglichkeit der Ausreise stellt jedoch im Gegensatz zur Unmöglichkeit der Abschiebung kein objektivierbares Kriterium dar. Ob eine freiwillige Ausreise möglich ist, wird in vielen Fällen strittig sein. Absehbar ist, dass viele Personen, die die Unmöglichkeit ihrer Ausreise nicht nachweisen können, dennoch – und zwar ohne Aufenthaltsstatus – in Deutschland verbleiben werden.

    Höchst bedenklich ist außerdem, dass § 25 Abs. 5 im Fall der negativen Ermessensausübung gar keine Rechtsfolge vorsieht, insbesondere keinen Verweis auf § 60 Abs. 11 enthält. Dies bedeutet, dass im Falle der Versagung der Aufenthaltserlaubnis aufenthaltsrechtliche Illegalität entsteht.

    § 26 – Dauer des Aufenthalts

    Abs. 3:

    Für anerkannte Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention bedeutet die Möglichkeit der Erlangung einer Niederlassungserlaubnis nach drei Jahren eine begrüßenswerte Verbesserung.

    Anerkannte Asylberechtigte erhalten jedoch nach geltendem Recht von vornherein eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.

    Absatz. 4:

    Ausländer mit Aufenthaltstiteln aus humanitären, völkerrechtlichen und politischen Gründen (mit Ausnahme von Asylberechtigten und anerkannten Konventionsflüchtlingen) werden gegenüber sonstigen Ausländern mit Aufenthaltserlaubnissen benachteiligt, weil ihnen erst nach 7 statt nach 5 Jahren (vgl. § 9 Abs. 2 Nr. 1) der Übergang in die Niederlassungserlaubnis ermöglicht wird. Sie haben hierauf überdies im Gegensatz zu anderen Ausländern keinen Anspruch; die Behörde entscheidet vielmehr nach Ermessen.

    Die Statusverbesserung wird für diese Personen außerdem dadurch erschwert, dass sie sämtliche Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Nr. 2 bis 9 erfüllen, also auch den in § 9 Abs. 2 Nr. 7 und 8 geforderten Nachweis von ausreichenden Sprachkenntnissen und Kenntnissen der Rechts- und Gesellschaftsordnung erbringen müssen, obwohl sie keinen Anspruch auf Teilnahme an einem Integrationskurs haben (vgl. § 44 Abs. 1: ihnen kann die Teilnahme gestattet werden). Es ist problematisch, diesen Personen in der Regel die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs abzuverlangen, zu dem sie nur nach Ermessen Zugang erhalten.

    § 29 - Familiennachzug zu Ausländern

    Absatz 2:

    Die Vorschrift ermöglicht es, bei Asylberechtigten und anerkannten Konventionsflüchtlingen von den Erfordernissen der Sicherung des Lebensunterhaltes und des ausreichenden Wohnraumes abzusehen. Sie erlaubt damit die Erleichterung des Familiennachzuges zu Asylberechtigten und Flüchtlingen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Dies ist zu begrüßen.

    Diese Privilegierung gilt allerdings nicht für Ausländer, die aufgrund von Abschiebungshindernissen Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 3 erhalten haben. Eine Gleichbehandlung dieser Personen mit anerkannten Flüchtlingen im Hinblick auf den Familiennachzug wäre jedoch wünschenswert.

    Wenn, was zu begrüßen ist, Ausländer mit Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 bis 7 in einigen Fällen Aufenthaltstitel erhalten, der Staat ihnen also eine (möglicherweise dauerhafte, § 26 Abs. 4) Bleibeperspektive eröffnet, muss der Schutz von Ehe und Familie auch bei diesen Personen im größtmöglichen Umfang gewährleistet werden. Die Familieneinheit ist nicht zuletzt im Sinne einer bestmöglichen Integration von herausragender Bedeutung.

    Absatz 3:

    Die Bestimmung besagt, dass Ehegatten und Kinder von Ausländern, die Aufenthaltserlaubnisse nach §§ 22, 23 Abs. 1 oder 25 Abs. 3, also aus humanitären oder völkerrechtlichen Gründen, besitzen, nicht aufgrund ihrer Eigenschaft als Familienangehörige eine Aufenthaltserlaubnis erhalten können. Dies soll vielmehr nur möglich sein, wenn sie selbst die Anspruchsvoraussetzungen für einen Titel aus humanitären oder völkerrechtlichen Gründen erfüllen.

    Die systematische Stellung der Vorschrift des § 29 Abs. 3 im Gesetz unter den Bestimmungen zum Familiennachzug ist daher eigentlich irreführend. Denn ob Familienangehörige von Ausländern mit Aufenthaltstiteln nach §§ 22, 23 Abs. 1 oder 25 Abs. 3 eigene Aufenthaltstitel erhalten, entscheidet sich wiederum nach diesen Vorschriften, nicht aber nach den Regelungen zum Familiennachzug. Die Familienangehörigeneigenschaft ist dafür irrelevant bzw. spielt nur im Rahmen der Ermessensausübung eine Rolle.

    Dies ist aus Sicht der Kirchen nicht akzeptabel, da der Schutz von Ehe und Familie als solcher gewährleistet werden und auch den Personen zugute kommen muss, denen der Staat aus humanitären oder völkerrechtlichen Gründen eine Aufenthaltsperspektive (grundsätzlich mit der Möglichkeit des Daueraufenthaltes, § 26 Abs. 4) eröffnet hat.

    Absatz 5:

    Der Arbeitsmarktzugang für nachgezogene Familienangehörige ist grundsätzlich zu begrüßen.

    § 30 Abs. 1 Nr. 2 – Ehegattennachzug

    Erfreulich ist, dass anerkannte Konventionsflüchtlinge künftig einen gesetzlichen Anspruch auf Ehegattennachzug haben sollen.

    § 32 - Kindernachzug

    Die Anhebung des Nachzugsalters für Kinder bestimmter Zuwanderer auf 18 Jahre ist an sich zu begrüßen. Sie trägt dem Schutz der Familieneinheit sowie der Rechtswirklichkeit in den meisten EU-Staaten und den Vorstellungen der Europäischen Kommission, die in deren Richtlinienvorschlag zur Familienzusammenführung zum Ausdruck gekommen sind, Rechnung.

    Bedauerlich ist jedoch, dass Kinder von Zuwanderern, die keine Aufenthaltstitel nach §§ 19, 20 oder 25 Abs. 1 und 2 besitzen, sofern sie allein einreisen, lediglich bis zum 12. Lebensjahr einen Anspruch auf Nachzug haben sollen. Danach soll die Ermessensbestimmung des § 32 Abs. 3 gelten.

    Diese Privilegierung bestimmter Zuwanderer gegenüber anderen ist zum einen unter dem Aspekt der Ungleichbehandlung von rechtmäßig in Deutschland lebenden Ausländern aus kirchlicher Sicht sehr problematisch, da der Schutz von Ehe und Familie für alle diese Personen gleichermaßen gelten muss. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, dass selbst beim Besitz einer Niederlassungserlaubnis der Eltern danach differenziert wird, ob es sich um Arbeitsmigranten gemäß §§ 19, 20 oder um Asylberechtigte bzw. Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention handelt (vgl. § 32 Abs. 1 Nr. 2).

    Zudem stellt die Absenkung des Nachzugsalters für Kinder, die das 12. Lebensjahr vollendet haben und nicht im Familienverband einreisen, eine Verschlechterung gegenüber der geltenden Rechtslage dar. Die Erfahrungen aus der Praxis legen die Befürchtung nahe, dass das den Behörden eingeräumte Ermessen einen effektiven Schutz der Familieneinheit dieser Personen verhindern wird.

    Aus den Erfahrungen der kirchlichen Ausländerarbeit ist uns bekannt, dass es eine Reihe von Situationen gibt, in denen eine Einreise im Familienverband nicht möglich ist. Dies betrifft insbesondere folgende Fallkonstellationen:

    Die Eltern reisen nacheinander in Deutschland ein, um erst, nachdem sie in Deutschland Fuß gefaßt haben und ihre Aufenthaltssituation geklärt ist, ihre Kinder nachzuholen.

    Ein Elternteil bleibt im Herkunftsland berufstätig, bis ihm eine geeignete Stelle in Deutschland zugesagt wurde.

    Ein Kind soll das Schuljahr im Herkunftsland abschließen, damit es einen Schulabschluss bekommt.

    Ein Elternteil erhält zur Arbeitsaufnahme eine Aufenthaltserlaubnis, kann aber bei der Einreise noch kein ausreichendes Einkommen oder keine ausreichende Wohnung nachweisen, damit seine Familie mit ihm zusammen einreisen kann.

    Sofern ein Kind bereits das 12. Lebensjahr vollendet hat, könnte ein Familiennachzug in allen diesen Fällen – selbst wenn er nur wenige Wochen nach dessen Geburtstag stattfinden soll – verweigert werden, wenn der Entwurf Gesetzeskraft erlangen sollte.

    Dem Hauptargument für die Senkung des Nachzugsalters für allein einreisende Kinder, es müsse verhindert werden, dass die Kinder für die Dauer ihrer Schulausbildung ins Ausland geschickt werden, ist entgegenzuhalten, dass es sich hierbei nur um wenige Fälle handelt. Während der gesamte Familiennachzug jährlich ca. 70.000 Personen betrifft, sind darunter nach Angaben der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung nur 3.000 bis 6.000 Fälle, in denen Kinder nach Absolvierung der Schulausbildung im Herkunftsland nach Deutschland zurückkehren. Die vorgeschlagene Regelung berücksichtigt außerdem nicht, dass das Betreuungsangebot der Kinder in ihrem Heimatland dann besser sein kann als in Deutschland, wenn dort beispielsweise die Großeltern zur Verfügung stehen.

    Auch aus kirchlicher Sicht wird nicht bestritten, dass ein möglichst früher Nachzug von Kindern wünschenswert ist. Gleichzeitig ist jedoch zu beachten, dass eine generelle Absage an eine Schulausbildung im Ausland einer Gesellschaft nicht gerecht wird, die von ihren Mitgliedern hohe Mobilität verlangt. Zudem zeigt die Erfahrung, dass Kinder, die mit einem Schulabschluss nach Deutschland kommen, hier besonders gute Integrationschancen haben. Schließlich führt die im Referentenentwurf vorgesehene Regelung zu der absurden Konsequenz, dass ausländische Eltern, die eine gewisse Zeit lang Deutschland verlassen, um in einem Nicht-EU-Staat zu arbeiten, in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehren dürfen, ihre Kinder jedoch nicht wieder hereingelassen werden.

    Kapitel 3 - Förderung der Integration (§§ 43 bis 45)

    Kapitel 3 umfasst unter der Überschrift "Förderung der Integration" drei Paragraphen. In diesen werden allgemeine Fragen eines Integrationskurses und -programms sowie ein Anspruch auf und eine Verpflichtung zur Teilnahme an einem Integrationskurs geregelt.

    Diese Vorschriften sind insoweit äußerst bedeutsam, als sich an sie entscheidende aufenthaltsrechtliche Rechtsfolgen knüpfen, die in Kapitel 2 (Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet) enthalten sind: Hat ein Ausländer nicht innerhalb von sechs Monaten mit der Teilnahme an einem Integrationskurs begonnen, "so soll dieser Umstand bei der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis berücksichtigt werden" (§ 8 Abs. 3) bzw. die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis setzt voraus, dass der Ausländer erfolgreich an einem Integrationskurs teilgenommen hat (§ 9 Abs. 2 Nr. 8). Kapitel 3 hat insoweit eine polizei-und ordnungsrechtliche Ausrichtung. Dahinter steht folgende Überlegung: Für Ausländer besteht fortan nach Maßgabe der §§ 43 bis 45 eine gesetzlich normierte Pflicht zur Integration. Die Erfüllung dieser Pflicht soll dadurch erleichtert werden, dass Integrationskurse angeboten werden und dass bestimmte Ausländergruppen einen Anspruch auf Teilnahme an einem Integrationskurs haben. Kommen die zur Integration gesetzlich angehaltenen Ausländer ihrer Integrationspflicht nicht nach, wird dies aufenthaltsrechtlich sanktioniert.

    Weitere integrationspolitische Fragen werden entweder an anderer Stelle des Aufenthaltsgesetzes (z.B. im Kontext des Ehegatten- und Familiennachzugs, des eigenständigen Aufenthaltsrechts der Ehegatten) oder in anderen Gesetzen (z.B. im Staatsangehörigkeitsgesetz, im Asylbewerberleistungsgesetz) geregelt.

    § 43 - Integrationskurs und -programm

    Absatz 1:

    Absatz 1 statuiert, dass die "Eingliederung (Integration)" in das "wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben in der Bundesrepublik Deutschland" gefördert wird. Diese Erklärung ist zu begrüßen.

    Die Integrationsförderung unterliegt allerdings zwei grundsätzlichen Einschränkungen.

    Die erste Einschränkung entsteht dadurch, dass nur die Integration von Ausländern aus solchen Staaten, die keine EU-Mitgliedsstaaten sind, gefördert wird; in Artikel 2 (Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern) fehlt eine Vorschrift zur Förderung der Integration.

    Die zweite Einschränkung besteht darin, dass die Integration nur von "auf Dauer im Bundesgebiet lebenden Ausländern" gefördert wird. Dabei lassen sowohl der Entwurf als auch seine Begründung offen, was in § 43 Abs. 1 mit "auf Dauer" gemeint ist. Insoweit im Bereich der Aufenthaltstitel (§§ 4 ff.) die Aufenthaltserlaubnis (§ 7) befristet und (nur) die Niederlassungserlaubnis (§ 9) unbefristet ist, läge der Schluss nahe, dass nur Inhaber einer Niederlassungserlaubnis in ihren Bemühungen um Integration gefördert werden sollen, da nur sie "unbefristet", d.h. "auf Dauer" in Deutschland sind. Andererseits wird im Tatbestand der nachfolgenden Vorschrift (§ 44: Anspruch auf Teilnahme an einem Integrationskurs) außer einer Niederlassungserlaubnis oder einer Aufenthaltserlaubnis zu bestimmten Zwecken zusätzlich ein dauerhafter Aufenthalt im Bundesgebiet gefordert ("...und sich dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten"); hieraus folgt, dass rechtsbegrifflich "auf Dauer" nicht unbedingt mit "unbefristet" gleichzusetzen ist. Hier gibt es also einen Klarstellungsbedarf in § 43 Abs. 1: Klargestellt werden muss, welche Personengruppen unter dem Aspekt der "Dauer" ihres Aufenthalts bei der Integration gefördert resp. nicht gefördert werden sollen.

    Zu unterstützen ist die in der Entwurfsbegründung ausdrücklich getroffene Feststellung, wonach "Integration auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit" und dem "Austausch zwischen dem zuziehenden Ausländer und der ihn aufnehmenden Gesellschaft" beruht (8).

    Absatz 2:

    Die Vorschrift beschreibt ein "Grundangebot zur Integration (Integrationskurs)", das "Ausländer an die Sprache, die Rechtsordnung, die Kultur und die Geschichte in Deutschland heranführen" soll, so dass sie "ohne Hilfe oder Vermittlung Dritter in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens selbständig handeln können".

    Solch ein Integrationskurs ist grundsätzlich zu befürworten. Er sollte zusätzlich aber auch in die Funktionsweise des Arbeitsmarktes einführen (9) und berufliche Orientierungshilfen bieten (10), da der Bereich "Arbeit und Beruf" für die Integration höchst relevant ist. Was den Begriff der "Kultur in Deutschland" anbelangt, so gilt es darauf hinzuweisen, dass dieser ausfüllungsbedürftig ist.

    Absatz 3:

    Nach dieser Vorschrift werden diese Integrationskurse "durch private oder öffentliche Träger durchgeführt".

    Hier ist die Kostenfrage ungeklärt.

    Absatz 4:

    Vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (§§ 74 ff.) soll ein "bundesweites Integrationsprogramm" unter der "Beteiligung" von Bund, Ländern und Kommunen, aber auch anderer Stellen, ausdrücklich auch der "Religionsgemeinschaften", entwickelt werden. In diesem Integrationsprogramm soll "insbesondere für die Integrationskurse deren Grundstruktur, Inhalt und Umfang; die Einzelheiten der Organisation, Ausgestaltung und der Durchführung sowie die Rahmenbedingungen für die Teilnahme festgelegt werden". Die Begründung stellt klar, dass das Bundesamt dabei "eine sinnvolle Grundstruktur für die Integrationskurse im Sinne eines Mindeststandards" definieren soll.

    Die inhaltliche Entwicklung eines bundesweiten Integrationsprogramms und die Gestaltung eines Integrationskurses sind sehr zu begrüßen.

    Allerdings ist hierbei vor allem unklar, ob das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Rahmen dieser ihm eingeräumten Konzipierungsbefugnis auch darüber entscheiden soll, ob die Teilnahme an einem Grundkurs "erfolgreich" (§ 9 Abs. 2 Nr. 8) war oder nicht. Sollte dies so sein, dann hätte das Bundesamt als so genannte nachgeordnete Behörde politische Möglichkeiten zur Steuerung der Zuwanderung, denn je höher die Anforderungen an eine erfolgreiche Teilnahme an dem Integrationskurs gesetzt werden, umso geringer die unbefristete Zuwanderung (§ 9: Niederlassungserlaubnis) von Ausländern aus EU-Drittstaaten und umgekehrt. Die politische Steuerungskompetenz wäre insoweit der Politik, insbesondere dem Gesetzgeber entzogen.

    § 44 - Anspruch auf Teilnahme an einem Integrationskurs

    Anspruch auf die Teilnahme an einem Integrationskurs haben Ausländer, die sich dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten und Inhaber einer Niederlassungserlaubnis (§ 9), einer Aufenthaltserlaubnis zu Erwerbszwecken (§§ 18 ff.) resp. zum Zweck des Familiennachzugs (§§ 27 ff.), ohne Bindung an einen Aufenthaltszweck (§ 7 Abs. 1 Satz 2), Asylberechtigte (§ 25 Abs. 1) oder Konventionsflüchtlinge (§ 25 Abs. 2) sind.

    Keinen Anspruch haben Ausländer, denen aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde (§ 22), Ausländer, denen die obersten Landesbehörden Aufnahme aus dem Ausland gewähren (§ 23), Ausländer, denen nach der einschlägigen EU-Richtlinie vorübergehender Schutz gewährt wird (§ 24) und Ausländer, die eine Aufenthaltserlaubnis besitzen, weil bestimmte Abschiebungsverbote bestehen (§ 25 Abs. 3 iVm § 60 Abs. 2 bis 7); ihnen kann die Teilnahme lediglich im Ermessenswege gestattet werden.

    Diese Ungleichbehandlung ist bedauerlich und sachlich problematisch, da auch Aufenthaltserlaubnisse nach Kapitel 2, Abschnitt 5 gemäß § 26 Abs. 4 grundsätzlich die Möglichkeit des Übergangs zur Niederlassungserlaubnis eröffnen sollen. Eine Förderung der Integration dieser Personen wäre also sachgerecht.

    Bedenklich ist darüber hinaus, dass diejenigen Ausländer, die keinen Anspruch auf Teilnahme an einem Integrationskurs haben, gleichwohl nicht von der Verpflichtung befreit werden, zum Erwerb einer Niederlassungserlaubnis in der Regel ihre erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nachzuweisen (§ 26 Abs. 3; § 9 Abs. 2 Nr. 7 und Nr. 8).

    § 45 - Verpflichtung zur Teilnahme an einem Integrationskurs

    Absatz 1:

    Verpflichtet sind grundsätzlich solche Ausländer, die eine Aufenthaltserlaubnis seit weniger als fünf Jahren besitzen und sich nicht auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen können.

    Gegen diese prinzipielle Regelung bestehen keinerlei Bedenken. Zweifelhaft erscheint indes, ob die Statuierung einer gesetzlichen Pflicht ausreicht, oder ob nicht neben diese bei Verstößen sanktionsbewehrte Pflicht auch positive Integrationsanreize treten müssen. In Kapitel 5 (Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes) wird solch ein Anreiz vorgesehen: Gemäß einem neuen § 10 StaatsangG wird die erfolgreiche Absolvierung eines Integrationskurses nach § 43 AufenthG dadurch "belohnt", dass die Einbürgerungsfrist von acht Jahren (§ 10 Abs. 1) auf sieben Jahre verkürzt wird (§ 10 Abs. 3). Dementsprechend wäre es wünschenswert, wenn auch die fünfjährige Frist für das Niederlassungsrecht (§ 9 Abs. 2) bei nachgewiesen besonders guter und schneller Integration angemessen verkürzt werden würde.

    Kapitel 5 – Beendigung des Aufenthalts (§§ 50 bis 62)

    § 56 – Besonderer Ausweisungsschutz

    Die begrüßenswerte Empfehlung der Unabhängigen Kommission Zuwanderung, im Inland geborene oder aufgewachsene Kinder, Jugendliche und Heranwachsende aus Migrantenfamilien vollständig vor Ausweisung zu schützen und Straftaten mit den Mitteln des deutschen Strafrechts zu ahnden (11), ist leider nicht aufgegriffen worden.

    § 60 – Verbot der Abschiebung

    Der Katalog der Abschiebungshindernisse des geltenden § 53 Ausländergesetz ist fast unverändert in § 60 Abs. 2 bis 7 übernommen worden.

    Geändert werden soll jedoch die an das Vorliegen dieser Abschiebungshindernisse geknüpfte Rechtsfolge, die sich teils aus § 25 Abs. 3 bis 5, teils aus § 60 Abs. 11 ergibt. Die bisherige Rechtsfolge, die Duldung, die keinen Aufenthaltstitel, sondern lediglich ein Instrument der Verwaltungsvollstreckung darstellt, soll nicht in das neue System übernommen werden. Dies hat den Hintergrund, dass die Duldung in der Praxis bislang vielfach als "Ersatzaufenthaltstitel" missbraucht wird. Viele Ausländer, bei denen Abschiebungshindernisse vorliegen, leben daher ohne Aufenthaltsstatus und ohne Integrationschancen zum Teil jahrelang als Geduldete in Deutschland (sog. "Kettenduldungen").

    Diesem Missstand soll laut Entwurfsbegründung durch die Abschaffung der Duldung begegnet werden.

    Dies wäre an sich zu begrüßen. Aus kirchlicher Sicht wäre es wünschenswert, dass jeder Ausländer, bei dem Abschiebungshindernisse festgestellt werden, einen Aufenthaltstitel erhielte. Dies ist jedoch nach dem Entwurf des Aufenthaltsgesetzes nicht gewährleistet.

    Tatsächlich wird der Begriff der Duldung abgeschafft (nun: "Aussetzung der Abschiebung", entsprechend der bisherigen Legaldefinition der Duldung in § 55 AuslG).

    Die Duldung, bisher zwingende Rechtsfolge beim Bestehen von Abschiebungshindernissen (§§ 55, 54, 53 AuslG), wird künftig jedoch nicht in jedem Fall von einer Aufenthaltserlaubnis abgelöst. Lediglich anerkannte Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (§§ 60 Abs. 1, 25 Abs. 2) werden mit der Aufenthaltserlaubnis, die nach 3 Jahren zur Niederlassungserlaubnis erstarken kann, gegenüber geltendem Recht (Rechtsfolge: Aufenthaltsbefugnis) zwingend bessergestellt.

    In allen übrigen Fällen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 bis 5, Abs. 7 ist die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis anstelle der früheren Duldung nicht zwingend. Den Ausländerbehörden wird vielmehr durch § 25 Abs. 3 Ermessen eingeräumt. Kommt es nicht zur Vergabe einer Aufenthaltserlaubnis, sieht § 60 Abs. 11 die Erteilung einer Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung vor. Diese ist – ebenso wie die bisherige Duldung – kein Aufenthaltstitel. Darüber hinaus wird es Fälle geben, in denen Ausländer, die aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht ausreisen können, noch nicht einmal diese Bescheinigung erhalten (§ 25 Abs. 5 S. 2).

    Auch künftig wird also eine beträchtliche Anzahl von Personen ohne Integrationsperspektive, insbesondere auch ohne die Möglichkeit der Erwerbstätigkeit (vgl. Art. 9 Nr. 2 Zuwanderungsgesetz-Entwurf, Änderung von § 284 SGB III), in Deutschland leben. Die Erfahrung zeigt, dass dies in vielen Fällen nicht nur ein vorübergehender Zustand ist. Da der Entwurf des Aufenthaltsgesetzes keine dem geltenden § 56 AuslG vergleichbaren Schutzbestimmungen vorsieht, werden Personen mit einer "Aussetzung der Abschiebung" schlechter gestellt sein als die bisherigen Duldungsinhaber.

    Diejenigen, denen aufgrund von Abschiebungshindernissen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, stehen zwar rechtlich besser als die bislang Geduldeten. Dies ist begrüßenswert. Bedauerlich ist jedoch, dass ein erheblicher Teil der Personen mit festgestellten Abschiebungshindernissen davon nicht profitieren wird.

    Zu den einzelnen Absätzen</p>

    Absatz 1:

    Nichtstaatlich Verfolgte sollen nicht in den Schutzbereich des § 60 Abs. 1, also der einfachgesetzlichen Ausformung der Genfer Flüchtlingskonvention, einbezogen werden. Die Kirchen bedauern dies. Sie teilen die überwiegende Auffassung, wonach die in Art. 1 A GFK genannten Verfolgungsgefahren auch dann zur Schutzgewährung führen müssen, wenn sie von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, weil im Herkunftsland des Ausländers keine übergreifende staatliche oder staatsähnliche Ordnungsmacht mehr existiert oder der Staat handlungsunfähig ist. Der richtige Ansatzpunkt zum Schutz nichtstaatlich Verfolgter wäre daher deren Einbeziehung in § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz. Auf diese Weise würde Deutschland seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention durch nationales Recht Ausdruck verleihen.

    Absatz 5:

    Die Vorschrift entspricht dem bisherigen § 53 Abs. 4 AuslG, der die Abschiebung bei drohenden Verletzungen von Menschenrechten aus der Europäischen Menschenrechtskonvention untersagt. Diese Bestimmung wurde von der deutschen Rechtsprechung bisher im Gegensatz zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dahingehend ausgelegt, dass auch solche Menschenrechtsverletzungen von staatlichen Akteuren ausgehen müssen. Andernfalls wird kein Abschiebungsschutz gewährt. Da die Regelung wörtlich übernommen wurde, ist auch weiterhin zu befürchten, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte keine Berücksichtigung findet.

    Absatz 7:

    Da eine Einbeziehung nichtstaatlich und geschlechtsspezifisch Verfolgter in den Tatbestand des § 60 Abs. 1 unterblieben ist, werden diese Personen auch weiterhin auf Abschiebungsschutz wegen konkreter Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit verwiesen sein.

    Die Umwandlung der bisherigen Kann-Regelung in eine Sollvorschrift stellt zwar eine geringfügige Verbesserung gegenüber geltendem Recht dar, ist jedoch nicht ausreichend. Erforderlich wäre ein zwingendes Abschiebungshindernis.

    Darüber hinaus ist zu befürchten, dass die unverändert übernommene Regelung des bisherigen § 53 Abs. 6 S. 2 (jetzt § 60 Abs. 7 S. 2) auch in Zukunft eine Sperrwirkung dahingehend entfalten wird, dass individuelle Regelungen unter Hinweis auf eine zu treffende allgemeine Regelung nach § 23 unterbleiben. Wie die Erfahrung gezeigt hat, kommt es häufig nicht zu einer solchen allgemeinen Regelung. Die Betroffenen bleiben dann gänzlich schutzlos, obwohl ihnen nachweislich Gefahren für Leib und Leben drohen. Die Regelung des § 60 Abs. 7 S. 2 sollte daher ersatzlos gestrichen werden.

    Hinzuweisen ist ferner auf die mit § 25 Abs. 3 verbundene Problematik, die dazu führen wird, dass viele schutzbedürftige, insbesondere nichtstaatlich verfolgte Personen keinen adäquaten Aufenthaltstitel, sondern lediglich eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung erhalten werden.

    Absatz 11:

    Die nach dieser Vorschrift mögliche Aussetzung der Abschiebung erinnert an die bisherige Duldung, die ja ebenfalls als Aussetzung der Abschiebung definiert ist (§ 55 Abs. 1 AuslG). Allerdings fällt auf, dass die für die Duldung vorgesehenen Schutzbestimmungen (Befristung, Ankündigung der Abschiebung nach einer Duldungsdauer von 1 Jahr, § 56 AuslG) fehlen. (12) Daraus folgt, dass künftig Personen mit einer Aussetzung der Abschiebung eine schwächere Rechtsposition haben werden als die bisherigen Duldungsinhaber.

    Dies ist nicht mit dem Hinweis darauf zu rechtfertigen, dass von der Regelung des § 60 Abs. 11 nur solche Personen betroffen sein werden, die ohne Schutzbedürftigkeit in Deutschland verbleiben. Wie oben ausgeführt, werden viele Personen trotz festgestellter Abschiebungshindernisse, also trotz festgestellter Schutzbedürftigkeit, keine Aufenthaltserlaubnis, sondern lediglich eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung erhalten.

    Vor diesem Hintergrund ist es bedauerlich, dass der Vorschlag der Unabhängigen Kommission Zuwanderung nicht aufgegriffen wurde, nach einer gewissen Zeit zu überprüfen, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels möglich ist (13).

    Kapitel 7 – Verfahrensvorschriften (§§ 71 bis 89)

    § 74 - Aufgaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge

    Das derzeitige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge wird zu einem neuen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ausgebaut. Es übernimmt einige Aufgaben, die bislang vom Bundesverwaltungsamt (Führung des Ausländerzentralregisters, Abwicklung der Förderung der freiwilligen Rückkehr) und dem Bundesgrenzschutz (Beschaffung von Heimreisedokumenten) wahrgenommen wurden. Neu hinzu treten Exekutivaufgaben, die sich aus der Durchführung des Entwurfs ergeben, sowie programmatische Aufgaben im Bereich "Integration" und koordinatorische Aufgaben im Bereich des Aufenthalts zum Zweck der Erwerbstätigkeit. Zudem wird bei ihm das bereits bestehende Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung als eine unabhängige wissenschaftliche Forschungseinrichtung (§ 74 Abs. 1 Satz 2) angesiedelt und neu ein "Zuwanderungsrat" gebildet, vergleichbar den "7 Weisen" für die gesamtgesellschaftliche Entwicklung (§ 75). Daneben bleiben weitere wichtige Akteure erhalten (Bundesministerium des Innern, Bundesverwaltungsamt, Auswärtiges Amt, Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Bundesanstalt für Arbeit, Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen, Innenministerien/-senate der Länder, Ausländerbehörden, Kommunen und Kreise).

    Die Schaffung eines "zentralen migrationspolitischen Kompetenzzentrums" (Begründung des Entwurfs, Seite 181) ist grundsätzlich sehr zu begrüßen, erscheint aber in der vorliegenden Form als nicht unproblematisch.

    Unter dem Aspekt der Behördenorganisation wird die auch von der Unabhängigen Kommission Zuwanderung beklagte Fragmentierung (14) von Einrichtungen und Aufgaben nicht aufgehoben, sondern lediglich anders gelagert. Damit sind auch für die Zukunft Reibungsverluste und Intransparenzen bei den Zuständigkeiten nicht auszuschließen. Dies gilt nicht zuletzt in den Bereichen der Integration und Berichtskompetenz, insoweit hier einerseits die Zuständigkeiten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bzw. des Zuwanderungsrates und andererseits die Zuständigkeiten der Bundesbeauftragten für Ausländer und des Bundesbeauftragten für Aussiedler nicht deutlich voneinander abgegrenzt sind. Unter gesetzessystematischen Gesichtspunkten ist es außerdem bedauerlich, dass die Aufgaben des Bundesamtes in Kapitel 7 mit der Überschrift "Verfahrensvorschriften", die Aufgaben der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung in einem eigenen Kapitel 8 und die Beteiligung der Bundesanstalt für Arbeit in Kapitel 2 mit der Überschrift "Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet" geregelt sind. Dadurch wird der inhaltliche Zusammenhang dieser drei Ämter unnötig auseinandergerissen.

    Zu hinterfragen ist auch, ob es sinnvoll ist, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Geschäftsbereich nur eines Bundesministeriums, hier des Bundesministeriums des Innern, anzusiedeln. Insoweit sowohl befristete als auch unbefristete Zuwanderung eine Querschnittsaufgabe ist, zu der innen-, ausländer-, aussiedler-, arbeitsmarkt-, familien-, justiz- und integrationspolitische Elemente ebenso gehören wie eine außen- und europapolitische Dimension (15), läge eine Anbindung an die Bundesregierung (Bundeskanzleramt) näher.

    § 85 – Übermittlungen an Ausländerbehörden

    Die Regelung des § 76 Abs. 1 bis 4 ist unverändert übernommen worden. Dies bedeutet insbesondere, dass die Rechtsunklarheit bezüglich der Meldepflicht öffentlicher Stellen, die von dem illegalen Aufenthalt eines Ausländers Kenntnis erlangen, fortbesteht. Die von den Kirchen und auch von der Unabhängigen Kommission Zuwanderung (16) geforderte Klarstellung, dass Schulen nicht dieser Meldepflicht unterliegen, ist also unterblieben. Damit werden auch weiterhin Kinder illegal aufhältiger Ausländer in der Praxis vielfach an der Ausübung des ihnen zustehenden Rechtes auf Beschulung gehindert werden.

    Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die entsprechende Problematik in den Bereichen Gesundheitsversorgung und Geltendmachung von Lohnansprüchen.

    Kapitel 9 – Straf- und Bußgeldvorschriften (§§ 93 bis 95)

    §§ 93, 94 – Strafvorschriften, Einschleusen von Ausländern

    Die Strafvorschriften des Ausländergesetzes sind zum großen Teil übernommen worden. Damit ist – entgegen dem Votum der Unabhängigen Kommission Zuwanderung (17) - eine Klarstellung unterblieben, dass humanitäre Hilfeleistungen zugunsten von Menschen in der Illegalität nicht als Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt strafbar sind. Die Kirchen bedauern dies.

    2. Artikel 3: Änderung des Asylverfahrensgesetzes

    § 11 a - Vorübergehende Aussetzung von Entscheidungen

    In das Asylverfahrensgesetz soll ein neuer § 11 a aufgenommen werden, wonach das Bundesministerium des Innern Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zu bestimmten Herkunftsländern für zunächst maximal sechs Monate (verlängerbar) aussetzen kann, wenn die Beurteilung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage besonderer Aufklärung bedarf. Nach der Begründung schafft diese Vorschrift eine rechtliche Klarstellung für die schon seit längerem praktizierte Aussetzung von Asylverfahren zu bestimmten Herkunftsländern, z.B. auf Grund temporärer Bürgerkriegssituationen (zuletzt u.a. Afghanistan, Demokratische Republik Kongo, tschetschenische Volkszugehörige aus der Russischen Föderation). (18)

    Die Schaffung dieser (die politische Verantwortlichkeit klarstellenden) Rechtsgrundlage ist grundsätzlich zu begrüßen.

    Bedenken bestehen nur insoweit, als die Aussetzung (unbefristet) verlängerbar ist. Es ist zwar vorstellbar, dass in gewissen Situationen eine Verlängerung angebracht ist, doch diese sollte einmalig sein und befristet werden. Nur so kann dem rechtspolitischen Ziel zügiger Asylverfahren Rechnung getragen werden. In jedem Falle bedürfte es aus Gründen der Rechtssicherheit objektiver Kriterien dafür, wann die Beurteilung der Lage einer besonderen Aufklärung bedarf.

    § 26 - Familienasyl

    § 26 wird marginal geändert. Bedauerlicherweise fehlt hier indes eine Änderung dahingehend, dass anerkannte Konventionsflüchtlinge den Asylberechtigten gleichgestellt werden. Dieser Gleichstellungshinweis drängt sich allein schon deshalb auf, weil insgesamt eine Angleichung der Rechtsstellung von Asylberechtigten und Konventionsflüchtlingen erfolgen soll.

    § 28 - Nachfluchttatbestände

    Bislang konnten selbstgeschaffene Nachfluchtgründe, d.h. Umstände, die der Antragsteller erst nach Verlassen seiner Heimat geschaffen hat, grundsätzlich nicht zu einer Anerkennung als Asylberechtiger im Sinne von Artikel 16 a Grundgesetz führen. Diese Einschränkung galt bislang nicht für die Anerkennung als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Nunmehr soll nicht nur die Asylanerkennung, sondern auch die Anerkennung als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention unterbleiben, sofern selbstgeschaffene Nachfluchtgründe vorliegen und es sich um einen Asylfolgeantrag handelt.

    Dies steht nicht im Einklang mit der herrschenden Auslegung der Genfer Flüchtlingskonvention, wonach ausschließlich auf die drohende Verfolgung abgestellt wird, unabhängig davon, wann die Verfolgungsgründe entstanden sind.

    § 61 Abs. 2 - Erwerbstätigkeit

    Grundsätzlich ist zu begrüßen, dass die Möglichkeit, Asylbewerbern die Ausübung einer Beschäftigung zu erlauben, gesetzlich verankert wird.

    Hinsichtlich der geplanten Wartefrist von einem Jahr ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Europäische Kommission in ihrem Richtlinienvorschlag über Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedsstaaten (19) von einer lediglich sechsmonatigen Wartezeit ausgeht.

    Die Kirchen befürworten aus grundsätzlichen Erwägungen einen möglichst schnellen Zugang von Asylbewerbern zum Arbeitsmarkt. Die Möglichkeit der Erwerbstätigkeit erhält die Selbsthilfekräfte der Flüchtlinge, fördert ihre Bereitschaft zur freiwilligen Rückkehr im Falle einer Ablehnung des Asylantrages und trägt dazu bei, die öffentlichen Haushalte zu entlasten. Ein Arbeitsverbot fördert dagegen soziale Ausgrenzung und fremdenfeindliche Tendenzen in der deutschen Gesellschaft.

    § 73 - Widerruf und Rücknahme

    In § 73 soll eine zusätzliche Vorschrift (Absatz 3 a) eingefügt werden. Diese sieht eine obligatorische Überprüfungspflicht bei bereits positiv beschiedenen Asylanträgen vor. Nach der Begründung soll durch die Einführung dieser obligatorischen Prüfungspflicht erreicht werden, dass die Vorschriften über den Widerruf und die Rücknahme eines positiven Anerkennungsbescheides, die in der Praxis bislang kaum relevant wurden, an Bedeutung gewinnen. (20)

    Bereits nach geltendem Recht sind Widerruf und Rücknahme von Anerkennungsbescheiden bei Wegfall der Anerkennungsvoraussetzungen zwingend vorgeschrieben. Eine Überprüfung, ob die Voraussetzungen entfallen sein könnten, findet aber nicht in jedem Fall statt. Soll dies in Zukunft jedoch lückenlos erfolgen, wird dies einen nicht unbeträchtlichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand zur Folge haben.

    3. ARTIKEL 5 – ÄNDERUNG DES STAATSANGEHÖRIGKEITSGESETZES

    § 10

    Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 können Flüchtlinge, denen nach §§ 22, 23 Abs. 1, 24 und 25 Abs. 3 bis 5 Aufenthaltsgesetz eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde, selbst nach 8 Jahren rechtmäßigen Aufenthaltes nicht eingebürgert werden. Dies stellt eine Benachteiligung der betroffenen Personen dar und läuft dem Ziel einer Einbürgerung nach erfolgter Integration zuwider.

    § 12

    Wir bedauern, dass der Entwurf keine Regelung enthält, die eine erleichterte Einbürgerung von Ausländern der sogenannten ersten Generation unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit ermöglicht. Wir hätten es begrüßt, wenn der Entwurf insoweit dem Vorschlag der Unabhängigen Kommission Zuwanderung gefolgt wäre. Diese hatte in ihrem Abschlussbericht (21) eine großzügigere Handhabung der Zulassung von Mehrstaatigkeit gefordert. Migranten, die bis zum Anwerbestopp 1973 nach Deutschland gekommen sind, und ihre Ehepartner sollten demnach generell die Möglichkeit der Mehrstaatigkeit haben.

    4. ARTIKEL 8 – ASYLBEWERBERLEISTUNGSGESETZ

    Die vorgesehene Erweiterung des bezugsberechtigten Personenkreises sowie die Beseitigung der 3-Jahres-Frist in bestimmten Fällen begegnen großen Bedenken.

    Beide Kirchen haben sich in der Vergangenheit wiederholt grundsätzlich gegen das Asylbewerberleistungsgesetz sowie gegen dessen weitere Verschärfungen gewandt. Insbesondere haben sie die Einbeziehung von Bürgerkriegsflüchtlingen kritisiert. Soweit das Asylbewerberleistungsgesetz die Zielsetzung verfolgt, mit der Gewährung von gegenüber dem Bundessozialhilfegesetz verminderten Sozialleistungen den Anreiz für eine Einreise nach Deutschland zu reduzieren, trifft diese Argumentation auf Bürgerkriegsflüchtlinge nicht zu, da diese gerade auf Grund internationaler Vereinbarungen und auf ausdrückliche Anordnung deutscher Behörden nach Deutschland einreisen.

    Die Vertretbarkeit der Absenkung des Existenzminimums wurde stets mit dem Argument begründet, dass diese nur vorübergehend erfolge. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Deutschen Bundestag hatte in ihrer Begründung zum Gesetzentwurf für ein Asylbewerberleistungsgesetz darauf hingewiesen, dass eine Leistungskürzung nur für eine vorübergehende Zeit zumutbar ist. (22) § 2 AsylbLG der derzeit geltenden Fassung sieht dementsprechend vor, dass nach drei Jahren Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz gewährt werden müssen, wenn die Person als schutzbedürftig anerkannt wurde oder das Asylverfahren über drei Jahre andauert. In Zukunft sollen die abgesenkten Leistungen gewährt werden, sofern nicht ein rechtmäßiger Aufenthalt nach §§ 23, 24 oder 25 Abs. 3 bis 5 Aufenthaltsgesetz gewährt wurde. Da im Falle der Zuerkennung von Abschiebehindernissen die Erteilung eines rechtmäßigen Aufenthaltes im Ermessen der Behörde steht, ist nicht sichergestellt, dass alle Personen, die als schutzbedürftig anerkannt wurden, auch Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz erhalten, sofern sie bedürftig sind. Sofern trotz der erfolgten Maßnahmen zur Beschleunigung von Asylverfahren ein Asylverfahren über drei Jahre andauert, ist es nicht mehr gerechtfertigt, dass das Existenzminimum über diesen Zeitraum hinaus abgesenkt bleibt. Auch in diesen Fällen sollte an der bisherigen Regelung festgehalten werden.

Berlin, 14. September 2001

Prälat Dr. Stephan Reimers, Prälat Dr. Karl Jüsten

Anmerkungen

(1) Seite 114

(2) Seite 133

(3) Dies freilich wird durch die Formulierung "Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Erwerbstätigkeit" nicht wiedergegeben. Vielmehr scheint damit die gesetzessystematische Unterscheidung nach dem Zweck des Aufenthaltstitels (vgl. Begründung Seite 114) angesprochen zu sein.

(4) Denkbar wäre etwa die Formulierung: "In den Fällen, in denen die Erwerbstätigkeit nicht von Gesetzes wegen zugelassen ist, kann einem Ausländer die Ausübung einer Beschäftigung nur erlaubt werden, wenn die Bundesanstalt für Arbeit zugestimmt hat ..." Dadurch würde klargestellt, dass die Einschränkung (nachrangiger Arbeitsmarktzugang) nur für die Fälle gilt, in denen die Erwerbstätigkeit nicht ausdrücklich gesetzlich erlaubt ist und dass Personen mit Aufenthaltstiteln zu anderen Zwecken als zu dem der Erwerbstätigkeit nicht benachteiligt werden.

(5) Die Begründung (S. 148) weist zwar darauf hin, dass es wegen der Regelung des § 8 Abs. 1 (Anwendung der Vorschriften über die Erteilung auch auf die Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen) einer solchen expliziten Erwähnung nicht bedürfe. Allerdings regelt der geltende § 32 AuslG ausdrücklich auch die Verlängerung bestehender Titel, obwohl es (§ 13 Abs. 1 AuslG) bereits jetzt eine mit § 8 Abs. 1 AufenthG deckungsgleiche Regelung gibt. Diese Tatsache könnte zu Fehlinterpretationen von § 23 führen. Es könnte in der Rechtsanwendung – entgegen der Intention des Gesetzgebers - die Gefahr bestehen, dass der Anwendungsbereich von § 23 auf illegal oder mit einer Bescheinigung nach § 60 Abs. 11 in Deutschland lebende Ausländer reduziert würde. Diese jedoch würden – jedenfalls zum großen Teil – durch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5, insbesondere durch die Visumspflicht, von der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen ausgeschlossen. Denn § 5 Abs. 3 befreit die von § 23 erfassten Personen nicht zwingend von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen.

(6) Seite 148

(7) Die Begründung, S. 151/152, legt zwar nahe, dass eine solche zwingende Rechtsfolge intendiert ist. Der Gesetzestext räumt den Behörden jedoch Ermessen ein.

(8) Begründung, Seite 165

(9) vgl. Bericht der Unabhängigen Kommission "Zuwanderung", Seite 260

(10) vgl. Bericht der Unabhängigen Kommission "Zuwanderung", Seite 261

(11) vgl. Bericht der Unabhängigen Kommission "Zuwanderung", Seite 251

(12) Zu überprüfen bleibt, inwieweit sich solche Bestimmungen aus allgemeinem Verwaltungsvollstreckungsrecht ergeben. Im Sinne der Rechtsklarheit wäre jedoch in jedem Fall eine Regelung im Aufenthaltsgesetz wünschenswert.

(13) vgl. Bericht der Unabhängigen Kommission Zuwanderung, Seite 168

(14) vgl. Bericht der Unabhängigen Kommission "Zuwanderung", Seite 280 - 281

(15) vgl. Bericht der Unabhängigen Kommission "Zuwanderung", Seite 281

(16) vgl. Bericht der Unabhängigen Kommission "Zuwanderung", Seite 197

(17) vgl. Bericht der Unabhängigen Kommission "Zuwanderung", Seite 198

(18) Begründung, Seite 207

(19) vgl. Art. 13 Abs. 1 S. 1

(20) Begründung, Seite 218

(21) vgl. Seite 249

(22) BT-Drucksache 12/4451, S. 6