Umsetzung europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien

Gemeinsame Stellungnahme des Bevollmächtigten des Rates der EKD und des Kommissariats der deutschen Bischöfe

Stellungnahme des Kommissariats der deutschen Bischöfe, des Bevollmächtigten des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union, des Deutschen Caritasverbandes, des Diakonischen Werkes der EKD zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien

  1. Allgemeine Bewertung

    1. Als Ebenbilder Gottes und in ihrer Würde unantastbar sind alle Menschen gleich. Ihre Diskriminierung widerspricht deshalb dem christlichen Menschenbild. Das Recht auf Schutz vor staatlicher Diskriminierung zählt zu den grundlegenden Menschenrechten. Zu den Zielen und Aufgaben der Kirchen einschließlich ihrer Wohlfahrtsverbände gehört es, den Einzelnen in seiner Würde und Einmaligkeit zu schützen und Entwicklungen entgegen zu treten, die zu Benachteiligung und Ausgrenzung Einzelner führen. Dementsprechend engagieren sich die Kirchen und ihre Einrichtungen gegen Fremdenfeindlichkeit und setzen sich für die Beseitigung von Diskriminierungen ein. Diskriminierungsverbote, die zur Wahrung der Menschenrechte Signalwirkung entfalten sollen, sind dort zu schaffen, wo sie zum Schutz der Menschenwürde und für ein gedeihliches Zusammenleben und zur Sicherstellung des sonst in diskriminierender Weise verwehrten Zugangs zu öffentlich angebotenen Gütern und Dienstleistungen notwendig sind. Die Kirchen begrüßen daher im Grundsatz die mit dem Entwurf verfolgten Ziele und befürworten erforderliche und angemessene Maßnahmen, die geeignet sind, Diskriminierungen in sozial- und rechtsverträglicher Weise abzubauen und zu verhindern.

    2. Grundsätzlich befürworten es die Kirchen, dass sich die Europäische Union des Anliegens der Antidiskriminierung annimmt. Der vorliegende Entwurf entspricht hinsichtlich des Katalogs der Diskriminierungsmerkmale in seinem arbeitsrechtlichen Teil den europarechtlichen Vorgaben (Richtlinie 2000/78/EG); im zivilrechtlichen Teil ist europarechtlich zwingend jedoch nur eine Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft (Richtlinie 2000/43/EG) sowie wegen des Geschlechts (Richtlinie 2004/113/EG) zu verhindern oder zu beseitigen, so dass der Entwurf hier über die europarechtlichen Vorgaben hinaus geht. Bemerkenswert ist dabei allerdings, dass ähnliche Diskriminierungsgründe wie die politische Anschauung – anders als beispielsweise in den Niederlanden – nicht in den Katalog aufgenommen worden sind. Wenn der Gesetzgeber nämlich eine Unterscheidung wegen der Religion verbietet, liegt es nahe, auch eine Unterscheidung wegen der politischen Anschauung zu untersagen.

    3. Die Umsetzung der einschlägigen EU-Richtlinien ist von großer Tragweite für unsere Rechtsordnung und unsere Rechtskultur. Die hohen Erwartungen an das Gesetz sind nicht nur auf die Verhinderung von Diskriminierungen gerichtet, sondern auch auf die Wahrung des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit. Der Gesetzgeber muss die berechtigten Anliegen und Interessen aller Beteiligten zu einem gerechten Ausgleich bringen und, wie die Entwurfsbegründung (S. 23) zu Recht betont, die Vertragsfreiheit respektieren. Die Regelungen müssen hinreichend bestimmt und eindeutig sein. Diesen Anforderungen genügt der Gesetzentwurf noch nicht. Die hohe Regelungsdichte des Entwurfs etwa dürfte verbunden mit der Häufung unbestimmter Rechtsbegriffe, die der gerichtlichen Klärung bedürfen, nicht nur zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen, sondern auch dem Rechtsfrieden nicht zuträglich sein und nicht zuletzt in die Privatautonomie eingreifen. Die Folge des Ansatzes des Entwurfs ist es schließlich, dass jede unterschiedliche Behandlung tatbestandlich als Diskriminierung stigmatisiert wird, auch wenn sie von dem Entwurf im Ausnahmefall für zulässig erklärt wird.

    4. Insbesondere wegen der Aufnahme des Merkmals "Religion oder Weltanschauung" in den Katalog des Art. 1 § 1 des Entwurfs sind in besonderer Weise die Kirchen und ihre Einrichtungen selbst betroffen, aber auch die den Kirchen nicht unmittelbar zuzuordnenden konfessionellen Vereinigungen sowie konfessionell gebundene natürliche Personen.

    5. Die Regelungen eines Antidiskriminierungsgesetzes müssen die Religionsfreiheit im umfassenden Sinne gemäß Artikel 4 GG gewährleisten und ebenfalls das verfassungsrechtlich verbürgte kirchliche Selbstbestimmungsrecht (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Absatz 3 WRV) respektieren. Dies steht im Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben, denn die EU-Richtlinien sind bei ihrer Umsetzung in nationales Recht auszulegen im Lichte von Artikel 6 Absatz 3 EU-Vertrag in Verbindung mit der Protokollerklärung Nr. 11 zur Schlussakte des Amsterdamer Vertrages, die künftig in Art I-52 des Europäischen Verfassungsvertrages primärrechtlich verankert ist. Hinsichtlich des zivilrechtlichen Teils des Gesetzes ist der Gesetzgeber ohnehin nur teilweise europarechtlich gebunden. Aber auch der Umsetzungsspielraum bei der Richtlinie 2000/78/EG ist größer, als dies dem Gesetzentwurf zugrunde liegt. Dies ergibt sich schon aus den Erwägungsgründen, die bei der Umsetzung ebenfalls beachtet werden müssen. So muss der arbeitsrechtliche Teil des Gesetzes in Bezug auf die Kirchen dem Erwägungsgrund 24 der Richtlinie 2000/78/EG entsprechen, in dem es heißt: "Die Europäische Union hat in ihrer der Schlussakte zum Vertrag von Amsterdam beigefügten Erklärung Nr. 11 zum Status der Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften ausdrücklich anerkannt, dass sie den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen und Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, achtet und ihn nicht beeinträchtigt und dass dies in gleicher Weise für den Status von weltanschaulichen Gemeinschaften gilt". Aus diesem Erwägungsgrund ergibt sich zweifelsfrei, dass der Europäische Gesetzgeber nicht in die von den jeweiligen nationalen Systemen gewährten Entscheidungsfreiheiten der dortigen Kirchen eingreifen will. Dass die Erwägungsgründe bei der Umsetzung der Richtlinie zu beachten sind, ist den Entwurfsverfassern nicht fremd. Beispielsweise trägt Art. 1 § 20 Abs. 5 nach der Begründung (S. 40) "den Maßgaben des Erwägungsgrundes 4 der Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG Rechnung, wonach der Schutz der Privatsphäre und des Familienlebens sowie der in diesem Kontext getätigten Geschäfte gewahrt bleiben soll". Im übrigen gilt gemäß Art. 243 Abs. 3 EG-Vertrag, dass die Richtlinien für den Staat "hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich" sind, jedoch "den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel überlassen".

      Art. 140 GG i.V.m. Art 137 Absatz 3 WRV garantieren den Religionsgemeinschaften und den ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform Freiheit bei der Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze. Die Ordnung und Verwaltung umfasst die karitativ-diakonische Tätigkeit ebenso wie das kirchliche Dienst- und Arbeitsrecht, aber auch die Verwaltung des eigenen Vermögens. Die Religionsausübungsfreiheit nach Art. 4 GG bedeutet in den Worten des Bundesverfassungsgerichts zudem das "Recht des Einzelnen, sein gesamtes Handeln an den Lehren einer religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung auszurichten und dieser Überzeugung gemäß zu handeln (vgl. BVerfGE 32, 98, 106)". Eine legitime Ausübung der Religion kann es deshalb auch sein, den Anderen mit derselben Religion zu bevorzugen.

      Entgegen der in der Begründung zum Ausdruck kommenden Intention der Entwurfs-Verfasser sind die Religionsfreiheit und das kirchliche Selbstbestimmungsrecht im Entwurfstext nicht zweifelsfrei gesichert. Er bedarf deshalb der Präzisierung und Konkretisierung, gelegentlich auch der Korrektur. Im folgenden sollen für die Kirchen und die Verbände der Diakonie und Caritas zentrale Probleme dargestellt werden.

  2. Zum arbeitsrechtlichen Teil des Gesetzentwurfs

    1. Für Art. 1 § 9 Abs. 1 und Abs. 2 des Entwurfs wird folgende Formulierung vorgeschlagen:

      "§ 9 Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung

      (1) Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften und ihre Einrichtungen unbeschadet ihrer Rechtsform sowie Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen, auch zulässig, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung nach dem Selbstverständnis der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Weltanschauungsvereinigung eine gerechtfertigte Anforderung darstellt.

      (2) Das Gesetz berührt nicht die Berechtigung der in Absatz 1 genannten Religionsgemeinschaften oder Weltanschauungsvereinigungen und ihrer Einrichtungen, von ihren Beschäftigten ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses zu verlangen."

      Begründung:

      1. Wie oben schon ausgeführt, will die Europäische Gemeinschaft mit der einschlägigen Richtlinie 2000/78/EG nicht in die von den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen gewährten kirchlichen Entscheidungsfreiheiten eingreifen. Auf diese Richtlinie kann sich also nicht berufen, wer es den Kirchen verwehrt, selbst zu bestimmen, in wie weit für welche Tätigkeiten die Zugehörigkeit zu ihrer Kirche Voraussetzung ist und welche Loyalitätsobliegenheiten mit dem Dienst in der Kirche verbunden sind. Den staatskirchenrechtlichen Status quo berührt die Richtlinie ausdrücklich nicht.

      2. In Art. 1 § 9 enthält der Gesetzentwurf eine Sonderregelung für die Beschäftigung durch Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen; nach Abs. 1 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung auch zulässig, "wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung angesichts des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung nach der Art der bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingung ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt". Diese Bestimmung schließt Eingriffe in das geltende Staatskirchenrecht, insbesondere in das nach deutschem Verfassungsrecht garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen nicht aus.

        Es ist u.a. auf folgende Aspekte hinzuweisen:

        • Nach geltendem Recht können die Kirchen - wie beispielsweise politische Parteien hinsichtlich ihrer Mitglieder - bei der Einstellung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bevorzugt auf Bewerberinnen und Bewerber der eigenen Konfession zurückgreifen. Es ist fraglich, ob der Entwurf dies zulässt. Wenn beispielsweise von einer Kirchengemeinde ein konfessionsverschiedener Organist - und sei es nur in Ermangelung geeigneter Bewerber der eigenen Konfessionszugehörigkeit - eingestellt wird, ist zu befürchten, dass sie diese Stelle später nicht mehr bevorzugt für Bewerber ihrer Glaubensüberzeugung ausschreiben kann. Die Einstellung eines andersgläubigen Organisten könnte nämlich ein Indiz dafür sein, dass die Zugehörigkeit zu der jeweiligen Religionsgemeinschaft nach eigenem Selbstverständnis keine wesentliche berufliche Anforderung für die Organistentätigkeit darstellt. Die Verfassungsgarantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts umfasst jedoch auch die Festlegung der Vorgaben für die Personenauswahl unabhängig von der Art der Tätigkeit oder den Bedingungen ihrer Ausübung. Kirchliche Einrichtungen können den Abschluss eines Arbeitsvertrages davon abhängig machen, dass die Bewerberin oder der Bewerber der jeweiligen Kirche angehört. Sie werden dazu aber keineswegs gezwungen, um ihre Sonderstellung zu bewahren. Mit der Verfassungsgarantie ist weder eine Zwangssäkularisierung noch eine Zwangsghettoisierung zu vereinbaren.

        • Die Verfasser des Gesetzentwurfs nehmen – das macht das Abstellen auf die Art der bestimmten beruflichen Tätigkeit deutlich – an, eine Differenzierung beziehungsweise Abstufung der kirchlichen Grundverpflichtungen je nach Tätigkeit vorgeben zu können. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 70, 138 ff) ist es dem Staat jedoch nicht erlaubt zu bestimmen, dass bei der Religionszugehörigkeit und den Loyalitätsobliegenheiten im kirchlichen Dienst nach Tätigkeiten zu differenzieren ist. Die Entscheidung, welche kirchlichen Grundverpflichtungen als Gegenstand des Arbeitsverhältnisses bedeutsam sein können, fällt unter das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen. Sie bestimmen deshalb, ob beispielsweise die Religionszugehörigkeit für eine Sekretariatstätigkeit eine wesentliche berufliche Anforderung darstellt. Der Staat erkennt an, dass die Kirchen die Geltung ihrer Glaubens- und Sittenlehre nicht von der Wahrnehmung einer bestimmten Funktion abhängig machen müssen.

        • Schließlich wird entgegen dem verfassungsrechtlich verbürgten Selbst-bestimmungsrecht der Kirchen staatlicher Fremdbestimmung zugewiesen, ob die Religionszugehörigkeit nach der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Hiervon geht auch die Begründung (S. 33) aus. Sie anerkennt zwar die Berechtigung der Religionsgemeinschaften, die Religion oder Weltanschauung als berufliche Anforderung für die bei ihnen Beschäftigten zu bestimmen, betont jedoch zugleich, dass diese Anforderung in Bezug auf die Tätigkeit gerechtfertigt sein muss.

          Zur Wahrung des verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts der Kirchen sind in Art. 1 § 9 Abs. 1 des Entwurfs die Worte " nach der Art der bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung" sowie " wesentliche, rechtmäßige und (...) berufliche" zu streichen. Zugleich sind die Worte "angesichts des Selbstverständnisses" durch die Worte "nach dem Selbstverständnis" zu ersetzen.

      3. In Art. 1 § 9 Abs. 2 wird bestimmt, dass "das Verbot unterschiedlicher Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung (...) nicht die nach anderen Rechtsvorschriften bestehende Berechtigung der (...) Religionsgesellschaften oder Weltanschauungsvereinigungen (berührt), von ihren Beschäftigten ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen zu können." Diese Bestimmung birgt wegen der Beschränkung auf die Diskriminierungsgründe "Religion oder Weltanschauung" die Gefahr in sich, dass die Kirchen künftighin die Loyalität ihrer Mitarbeiter nur im Hinblick auf den Grund "Religion oder Weltanschauung" verlangen können, nicht jedoch soweit die in die Freiheit der Selbstbestimmung gesetzten Loyalitätsanforderungen mit anderen Diskriminierungsgründen kollidieren. Genährt wird diese Befürchtung durch den Wortlaut des Art. 1 § 4 sowie durch die Begründung zu Art. 1 § 9 Abs. 2 (S. 33), wonach "in diesem Zusammenhang auch die Regelung über mehrfache Benachteiligungen in § 4" zu beachten ist. Ferner ist unklar, was mit den "anderen Rechtsvorschriften" gemeint ist. Deswegen sind in Art. 1 § 9 Abs. 2 die Worte "das Verbot unterschiedlicher Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung" zu ersetzen durch die Worte "das Gesetz"; die Worte "nach anderen Rechtsvorschriften bestehende" sind zu streichen.

      4. Zu recht wird in der Begründung zu Art. 1 § 9 Abs. 1 darauf hingewiesen, dass neben den Kirchen und sonstigen Religionsgesellschaften und Weltanschauungsgemeinschaften "auch den der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform das Recht zusteht, über Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten selbstständig zu entscheiden" (S. 32). Gleichwohl werden diese den Kirchen zugeordneten Einrichtungen weder in Art. 1 § 9 Abs. 1 noch in Abs. 2 des Entwurfs eigens aufgeführt. Dies entspricht nicht den ansonsten üblichen Gesetzesformulierungen (vgl. § 118 Abs. 2 BetrVG, § 112 BPersVG, § 1 Abs. 4 S. 2 MitbestG, u.v.m.). Deshalb sind in Art. 1 § 9 Abs. 1 und Abs. 2 jeweils - wie in der oben vorgeschlagenen Formulierung - die Worte "und ihrer Einrichtungen unbeschadet ihrer Rechtsform" beziehungsweise "und ihrer Einrichtungen" aufzunehmen.

      5. Während in Art. 1 § 9 von den "Religionsgesellschaften" die Rede ist, wird in Art. 1 § 21 Satz 2 Nr. 4 von "Religionsgemeinschaften" gesprochen. Bei einer Harmonisierung empfiehlt es sich, einheitlich den Begriff "Religionsgemeinschaft" zu benutzen.

    2. In Art. 1 § 11 des Entwurfs ist geregelt, dass ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen Art. 1 § 7 Abs. 1 (Benachteiligungsverbot) ausgeschrieben werden darf. Es ist zu prüfen, ob dieser Verweis auf Art. 1 § 7 ausreichend oder ein Zusatz nötig ist in dem Sinne, dass Art. 1 §§ 8 bis 10 unberührt bleiben, um z.B. sicherzustellen, dass die Kirchen bei Stellenausschreibungen auf die Bedingung der Religionszugehörigkeit öffentlich hinweisen können.

    3. Eine Vielzahl konfessioneller Verbände, Berufsverbände, Einrichtungen, Medien usw., die den verfassten Kirchen allerdings nicht im engeren Sinne zuzuordnen sind, gleichwohl ebenso wie Einrichtungen mit politischen Zielsetzungen unter § 118 Abs. 1 BetrVG fallen, befindet sich in einer vergleichbaren Situation wie die Kirchen und ihre Einrichtungen selbst, indessen ohne sich auf Art. 1 § 9 bei der Einstellung von Personal oder der Aufnahme von Mitgliedern berufen zu können. Um ihren konfessionellen Charakter und die religiöse Ausrichtung ihrer Tätigkeit zu wahren, bevorzugen diese konfessionell geprägten juristischen Personen ebenfalls bei der Einstellung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Bewerberinnen und Bewerber, die der eigenen Kirche angehören, ohne dass das Personal in der Regel konfessionell homogen ist. Entsprechendes gilt für die Aufnahme von Vereins- oder Genossenschaftsmitgliedern. Es ist sicherzustellen, dass diese Praxis unter dem Regime eines dem Entwurf entsprechenden Antidiskriminierungsgesetzes weiterhin zulässig ist.

  3. Zum zivilrechtlichen Teil des Gesetzentwurfs

    1. Für Art. 1 § 21 Satz 2 Nr. 4 des Entwurfs wird folgende Formulierung vorgeschlagen:

      "§ 21 Zulässige unterschiedliche Behandlung

      Eine Verletzung des Benachteiligungsverbots ist nicht gegeben, wenn für eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters, der sexuellen Identität oder des Geschlechts ein sachlicher Grund vorliegt. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn die unterschiedliche Behandlung...

      4. im Hinblick auf die Ausübung der Religions- oder Weltanschauungsfreiheit oder auf das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen unbeschadet ihrer Rechtsform sowie der Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen, nach deren Selbstverständnis gerechtfertigt ist."

      Begründung:

      1. Die Bestimmungen des Art. 1 § 20 f des Entwurfs werfen erhebliche Fragen auf. So ist es unklar, ob sich Art. 1 § 20 nur auf die in Art. 1 § 2 Abs. 1 Nr. 5 bis 8 aufgeführten Bereiche bezieht. Davon ist abhängig, ob auch der Zugang zu konfessionell geprägten Vereinen von dem Gesetz geregelt wird. Dies gilt entsprechend für die Aufnahme von Mitgliedern bei kirchlichen Genossenschaftsbanken.

        Zugleich findet sich weder im Wortlaut des Art. 1 § 20 Abs. 1 Nr. 1 noch in der zugehörigen Begründung eine ausreichend klare Abgrenzung des Massengeschäfts und vergleichbarer Schuldverhältnisse von anderen Schuldverhältnissen, die nicht unter das Gesetz fallen. Die Tragweite des Entwurfs für die Kirchen hängt jedoch wesentlich auch von der Definition des Massengeschäfts ab. Ist etwa die Vermietung oder Veräußerung von Wohnraum durch kirchliche Siedlungswerke ein Massengeschäft (Kirchliche Siedlungswerke vermieten und veräußern Wohnraum häufig bevorzugt an kirchenzugehörige junge Familien mit Kindern)? Handelt es sich um ein Massengeschäft o.ä., wenn die Kirchengemeinde eine Wohnung in ihrem aus drei Wohnungen bestehenden Haus vermietet, oder wird daraus erst ein Massengeschäft, wenn das Haus aus vier oder sechs oder zehn Wohnungen besteht? Betroffen von der Rechtsunsicherheit sind im kirchlichen Bereich beispielsweise die sozialen Einrichtungen der Kirchen, die kirchlichen Mutter-und-Kind Stiftungen, die kirchliche Studentenförderung, die Vergabe von Erbbaurechten sowie die Bildungseinrichtungen der Kirchen wie die Kindergärten und Schulen. Beispielsweise bei den kirchlichen Schulen werden konfessionszugehörige Kinder in der Regel bevorzugt aufgenommen, wobei die Praxis von Region zu Region und von Einrichtung zu Einrichtung völlig unterschiedlich sein kann. Diese Aufzählung ist keineswegs abschließend.

      2. Eine unterschiedliche Behandlung ist nach dem Entwurf zulässig, wenn ein sachlicher Grund vorliegt. Ein solcher sachlicher Grund kann nach Art. 1 § 21 Satz 2 Nr. 4 gegeben sein, wenn die Ungleichbehandlung "an die Religion oder Weltanschauung eines Menschen anknüpft und im Hinblick auf die Ausübung der Religions- und Weltanschauungsfreiheit oder auf das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften sowie der Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen, gerechtfertigt ist." Diese Bestimmung trägt der Religionsfreiheit nicht in ausreichendem Maß Rechnung und enthält erhebliche Risiken für den staatskirchenrechtlichen Status quo:

        • Die Anknüpfung "an die Religion oder Weltanschauung eines Menschen" stellt eine Engführung dar. Eine – nach geltendem Recht zulässige – unter-schiedliche Behandlung kann auf den Glaubenssätzen einer Religion beruhen, ohne dass sie dabei an die Religion oder Weltanschauung des Vertragspartners anknüpfen muss.

        • Zudem bleibt offen, ob eine "Bevorzugung" von Angehörigen der eigenen Religionsgemeinschaft auf Art. 1 § 21 Satz 2 Nr. 4 des Entwurfs gestützt werden kann, etwa bei der Vergabe von Erbbaurechten durch eine Kirchengemeinde oder die Vermietung von Wohnraum durch kirchliche Wohnungsunternehmen (unterstellt, es handelt sich dabei um ein Massengeschäft).

        • Es muss dabei bleiben, dass die Kirchen nach ihrem Selbstverständnis über den Zugang zu ihren Einrichtungen, Angeboten usw. selbst entscheiden. Damit würde es sich schließlich auch nicht vertragen, wenn sich der Gesetzgeber in Art. 1 § 21 Satz 2 Nr. 4 - wie der Entwurfstext nahe legt – eine Prüfung der Rechtfertigung unterschiedlicher Behandlung durch die Gerichte vorbehält und nicht zugleich anerkennt, dass sich diese Rechtfertigung aus dem Selbstverständnis der Kirchen ableitet.

        Infolgedessen sind in Art. 1 § 21 Satz 2 Nr. 4 die Worte "an die Religion oder Weltanschauung eines Menschen anknüpft und" zu streichen sowie hinter dem Wort "machen," die Worte "nach deren Selbstverständnis" einzufügen.

      3. Hinsichtlich der Einrichtungen der Kirchen und ihrer Aufnahme in Art. 1 § 21 Satz 2 Nr. 4 des Entwurfs gilt das oben zu II. 3. Gesagte entsprechend. Auch in Art. 1 § 21 Satz 2 Nr. 4 sind die den Kirchen zugeordneten Einrichtungen unbeschadet ihrer Rechtsform versehentlich nicht eigens aufgeführt. Dies ist – wie in dem Formulierungsvorschlag vorgesehen – nachzuholen.

    2. Aus Gründen der Gerechtigkeit und aus familienpolitischer Sicht wird begrüßt, dass Kosten für Schwangerschaft und Entbindung gemäß Art. 1 § 21 Satz 2 Nr. 5 des Entwurfs nicht mehr einseitig zu Lasten von Frauen in die Berechnung von Versicherungsprämien einfließen dürfen.

  4. Zu den Diskriminierungsgründen Behinderung, Alter und Staatsangehörigkeit

    Aufgrund ihrer Anwaltschaft für ausgegrenzte oder von Ausgrenzung bedrohte Menschen erwarten die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände insbesondere in den Arbeitsfeldern der Migration, Alten- und Behindertenhilfe, dass die EU-Richtlinien und ihre Umsetzung in einem nationalen Antidiskriminierungsgesetz eine klare Signalwirkung haben. Die "rechtliche Signalwirkung" muss ergänzend durch Maßnahmen im Bereich von Politik und Öffentlichkeitsarbeit untermauert werden.

    Die Kirchen treten in besonderer Weise dafür ein, die abwendbaren Erschwernisse, denen Menschen mit Behinderungen ausgesetzt sind, abzubauen und Diskriminierungen zu verhindern. Sie erhoffen sich von einem Antidiskriminierungsgesetz eine nachhaltige Verbesserung der Situation behinderter Menschen, weisen aber zugleich darauf hin, dass ein wirksamer Diskriminierungsschutz ohne qualifizierte Leistungsgesetze nicht auskommt. Ein diskriminierungsfreier Umgang mit behinderten Menschen findet hier den Maßstab, an dem der Staat selbst zu messen ist. Dieser Aspekt kommt in dem Entwurf zu kurz, indem die sich aus Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG ergebenden Förderungsobliegenheiten des Staates nicht aufgegriffen worden sind.

    Die Beschäftigungssituation älterer Menschen gibt Anlass zu großer Besorgnis. Die Kirchen erwarten, dass ein neues Antidiskriminierungsgesetz durch die Aufnahme des Diskriminierungsgrundes "Alter" im beschäftigungsrechtlichen Teil des Gesetzes dazu beiträgt, Ausgrenzungen älterer Menschen auf dem Arbeitsmarkt abzubauen.

    Die Kirchen engagieren sich insbesondere auch in den Arbeitsfeldern der Migration. Angesichts der dort gesammelten Erfahrungen regen die Kirchen an zu prüfen, ob einer eventuellen Benachteiligung wegen der "Staatsangehörigkeit" im Arbeits- und Zivilrecht bereits hinreichend durch die Merkmale Rasse und ethnische Herkunft begegnet wird.

  5. Arbeitsvermittlung

    Sowohl die Kirchen als auch politische und konfessionelle Einrichtungen unterfallen den Regelungen des § 118 BetrVG als auch des § 36 SGB III. Als Folge des Antidiskriminierungsgesetzes (Art. 1 des Entwurfs) wird § 36 Absatz 2 Satz 2 SGB III neu gefasst und in Satz 3 das Wort "Religionsgemeinschaft" gestrichen (Art. 3 (8) Nr. 2 und Nr. 3 des Entwurfs).

    Zur Vermeidung von Anwendungsschwierigkeiten in der Praxis, die durch die bloße Verweisung auf das Antidiskriminierungsgesetz entstehen, sollte die geltende Fassung des § 36 Absatz 2 Satz 2 SGB III beibehalten werden.

    Die Streichung in § 36 Abs. 2 Satz 3 SGB III führt dazu, dass bei bisher gleich behandelten "Tendenzunternehmen" zukünftig unterschiedliche Regeln gelten sollen. Um auch die Freiheit religiöser Einrichtungen, die nicht im engeren Sinne den verfassten Kirchen zuzuordnen sind, zu wahren (vgl. oben auch II. 4.), ist Satz 3 ebenfalls unverändert zu erhalten.

Berlin, 03. März 2005