Zuwanderungsgesetz

Gemeinsame Stellungnahme des Bevollmächtigten des Rates der EKD und des Kommissariats der deutschen Bischöfe zum Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union der Bundesregierung vom 28. März 2007

A. Einleitung

Die beiden großen Kirchen haben bereits am 30. Januar 2006 zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union ausführlich Stellung genommen. Auf diese Stellungnahme wird hier ausdrücklich verwiesen. Im Folgenden möchten die Kirchen ihre Position zu ausgewählten Fragen nochmals verdeutlichen sowie einige neu aufgetretene Fragestellungen aufgreifen.

Dem Schutz von Ehe und Familie muss aus Sicht der Kirchen auch im Aufenthalts- und Asylrecht eine besondere Bedeutung zukommen. Daher haben sich die Kirchen in ihrer vorangegangenen Stellungnahme ausdrücklich gegen die geplanten Beschränkungen des Rechts auf Ehegattennachzug ausgesprochen. Die Änderungen des Gesetzentwurfs in der Zwischenzeit konnten die Bedenken der Kirchen nicht vollständig ausräumen. Insbesondere kritisieren die Kirchen, dass am Erfordernis des Nachweises einfacher Deutschkenntnisse vor der Einreise festgehalten werden soll. Hierin sehen die Kirchen im Ergebnis einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Ausländern und Deutschen gleichermaßen zukommende Grundrecht auf eheliches Zusammenleben. Statt die Einreise von Ehegatten an fehlenden Sprachkenntnissen scheitern zu lassen, sollte die Integration zugewanderter Ehegatten nach deren Einreise noch intensiver als bisher gefördert werden.

Im Bereich des Flüchtlingsschutzes weisen die Kirchen nochmals darauf hin, dass die Vorgaben der so genannten Qualifikationsrichtlinie der EU vollständig in das deutsche Recht umgesetzt werden müssen. Die Qualifikationsrichtlinie sieht insoweit einen gegenüber der deutschen Rechtslage verbesserten Schutz vor, als sie auch Beeinträchtigungen der Religionsausübung in der Öffentlichkeit für asylrechtlich relevant erklärt und Opfern willkürlicher Gewalt im Rahmen bewaffneter Konflikte einen Anspruch auf individuellen Schutz einräumt. Diese Vorgaben werden in dem Gesetzentwurf nicht ausreichend berücksichtigt.

Die Integration von Ausländern soll nach dem Gesetzentwurf noch stärker als bisher auch mit Sanktionsdrohungen erreicht werden. Die Kirchen teilen die Überzeugung, dass zuwandernde Ausländer eine erhebliche Verantwortung für das Gelingen ihrer Integration tragen. Zugleich appellieren die Kirchen jedoch an den Gesetzgeber, mit Augenmaß vorzugehen und die Angemessenheit der vorgeschlagenen Maßnahmen besonders sorgfältig zu prüfen, dies insbesondere angesichts der bereits im geltenden Recht verankerten Sanktionsmöglichkeiten. Sie bedauern außerdem, dass durch entsprechende Sanktionsmöglichkeiten Signale gesetzt werden, die den positiven Integrationsbemühungen etwa im Rahmen des Nationalen Integrationsplans entgegen laufen.

Die Bleiberechtsregelung für langjährig im Bundesgebiet lebende Ausländer, die nunmehr Eingang in den Gesetzentwurf gefunden hat, stellt aus Sicht der Kirchen einen Schritt in die richtige Richtung dar. Zu begrüßen ist insbesondere, dass zumindest die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht von der Sicherung des Lebensunterhalts durch eigene Erwerbstätigkeit abhängig sein soll. Die Kirchen hatten sich für ein Bleiberecht bereits bei ernsthaften Bemühungen um eine Arbeit eingesetzt, da es den Betroffenen aufgrund der obligatorischen Vorrangprüfung bisher kaum möglich war, eine Arbeit zu finden. Erfreulich ist in diesem Zusammenhang, dass geduldete Ausländer künftig nach vier Jahren unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt haben sollen. Im Einzelnen besteht bei der Bleiberechtsregelung aber noch erheblicher Verbesserungsbedarf. Aus Sicht der Kirchen muss auch alten und kranken Menschen eine Chance auf ein Bleiberecht eingeräumt werden, und das Kindeswohl muss vorrangig berücksichtigt werden. In keinem Fall darf ein Fehlverhalten eines Familienmitglieds zum automatischen Ausschluss einer ganzen Familie vom Bleiberecht führen. Die Kirchen weisen außerdem darauf hin, dass der Gesetzentwurf die künftige Entstehung von Kettenduldungen nicht verhindern wird.

Die Einbürgerung soll durch eine Reihe von Änderungen im Staatsangehörigkeitsgesetz künftig noch anspruchsvolleren Voraussetzungen unterliegen. Die Kirchen halten es für angemessen, den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit vom Nachweis fortgeschrittener Integration abhängig zu machen. Von den gesetzlichen Regelungen zur Einbürgerung muss jedoch das Signal ausgehen, dass der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit als Ausdruck der Hinwendung des Einbürgerungsbewerbers zur deutschen Gesellschaft und zum deutschen Staat begrüßt und unterstützt wird. In diesem Zusammenhang beobachten die Kirchen es mit Sorge, dass die Zahl der Einbürgerungen in Deutschland weiterhin hinter den Erwartungen zurückbleibt und auch viele Zuwanderer, die die Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfüllen, sich zu diesem Schritt nicht entschließen. Sofern, wie in dem vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehen, der Nachweis von Kenntnissen der deutschen Rechts- und Gesellschaftsordnung zur Bedingung der Einbürgerung gemacht wird, ist dafür Sorge zu tragen, dass auch Zuwanderer mit geringer Schulbildung entsprechende Prüfungen erfolgreich bewältigen können.


B. Anmerkungen zu einzelnen Bestimmungen

Artikel 1: Aufenthaltsgesetz

Nr. 3 - § 2 Abs. 3 S. 2 AufenthG-E

Die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis setzt in der Regel die Sicherung des Lebensunterhalts ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel voraus. § 2 Abs. 3 S. 2 AufenthG-E stellt klar, dass der Kinderzuschlag dabei außer Betracht bleibt. Aus Sicht der Kirchen dürfen gerade bei Familien keine unverhältnismäßigen Anforderungen an die Sicherung des Lebensunterhalts gestellt werden. Die entsprechende Klarstellung ist daher zu begrüßen.

Nr. 10 - § 9 a) Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AufenthG-E

Die Vorschrift soll der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2003/109/EG betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltberechtigten Drittstaatsangehörigen dienen. Art. 4 Abs. 1 räumt Personen, die sich fünf Jahre lang ununterbrochen rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufgehalten haben, einen Anspruch auf ein Daueraufenthaltsrecht ein. § 9 a Abs. 2 Nr. 1 AufenthG-E setzt jedoch einen fünfjährigen Aufenthalt mit Aufenthaltstitel voraus. Unberücksichtigt blieben damit Personen, die zwar keinen Aufenthaltstitel innehatten, deren Aufenthalt aber dennoch (z.B. wegen Erlaubnisfiktion oder Erlaubnisfreiheit) rechtmäßig war. Diese Lücke ist zu schließen.

Darüber hinaus nimmt § 9a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG-E Inhaber von Aufenthaltstiteln nach Abschnitt 5 (humanitäre Gründe) pauschal von der Erteilung der Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG aus. Soweit davon auch solche Ausländer betroffen sind, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG besitzen, ist die Regelung von Art. 3 Abs. 2 b)-d) der Richtlinie 2003/109/EG nicht gedeckt. Nach diesen Vorschriften sind Personen, die vorübergehenden Schutz erhalten, subsidiär Geschützte, Flüchtlinge sowie solche Personen von der Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG ausgeschlossen, die eine dieser Schutzformen beantragt haben und über deren Antrag noch nicht entschieden wurde. § 23 Abs. 1 AufenthG bietet jedoch die Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus anderen als den genannten Gründen. Insbesondere würden künftig solche Ausländer darunter fallen, denen ein Bleiberecht gemäß § 104a AufenthG erteilt würde. Diese Personen dürfen von der Erteilung der Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG nicht ausgeschlossen werden.

Nr. 12 c) - § 15 Abs. 5 AufenthG-E

Die Vorschrift würde in Verbindung mit § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG-E die Inhaftierung von Asylantragstellern ermöglichen, deren Asylantrag – insbesondere aufgrund der Verordnung (EG) 343/2003 zur Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats ( so genannte Dublin-II-Verordnung) - möglicherweise in die Zuständigkeit eines anderen Staates fällt. Nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG-E soll es genügen, dass „Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein anderer Staat … für die Durchführung des Asylantrages zuständig ist“.

Da, anders als nach geltendem Recht, nicht auf § 62 AufenthG insgesamt, sondern lediglich auf § 62 Abs. 3 AufenthG verwiesen wird, könnte Zurückweisungshaft angeordnet werden, ohne dass die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 und 2 AufenthG vorlägen. Insbesondere müsste dem Betroffenen also keine Fluchtgefahr nachgewiesen werden.

Im Ergebnis könnte die Regelung dazu führen, dass Personen allein aufgrund der Stellung ihres Asylantrages in Haft genommen würden. Dies widerspräche dem in Art. 18 der Richtlinie 2005/85/EG über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedsstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft zum Ausdruck kommenden Grundsatz, wonach die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Gewahrsam nehmen, weil sie ein Asylbewerber ist. 

Die Kirchen, die bereits die bisher bestehenden ausländerrechtlichen Möglichkeiten der Inhaftierung als zu weitgehend kritisieren, lehnen die geplante Ausdehnung ab.

Nr. 12 c) - § 15 Abs. 6 AufenthG-E

Die Vorschrift soll laut Begründung vornehmlich die Fälle erfassen, in denen einem Ausländer nach Durchführung eines Asylverfahrens am Flughafen und der Ablehnung seines Asylantrages als offensichtlich unbegründet die Einreise nach § 18a Abs. 3 AsylVfG verweigert wird. Die Begründung stellt diesen Fall des Gewahrsams nach Abschluss des Asylverfahrens dem Gewahrsam während des Asylverfahrens gleich. Letzteren hat das Bundesverfassungsgericht, worauf in der Entwurfsbegründung (S. 278) verwiesen wird, in seiner Entscheidung vom 14. Mai 1996 weder als Freiheitsentziehung noch als Freiheitsbeschränkung gewertet. Da der Schutzbereich der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 und Art. 104 Abs. 1 und 2 GG demnach nicht betroffen ist, bedarf der Flughafengewahrsam keiner richterlichen Anordnung. Diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bezieht sich jedoch ausdrücklich nur auf den Gewahrsam bis zur Entscheidung über den Asylantrag. Die gesetzlichen Vorschriften über das Flughafenverfahren schaffen danach für die behördliche Entscheidung über Asylanträge einen Rahmen, in dem ein Mindeststandard eines fairen und effektiven Verwaltungsverfahrens gewahrt werden kann (vgl. BVerfGE 94, 166, 167 – Leitsatz 3b). Ob sich die rechtliche Bewertung des Flughafengewahrsams nach Abschluss des Asylverfahrens ändert, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten (vgl. GK AsylVfG § 18a Rn. 92).

Da auch die Begründung des Gesetzentwurfes jedenfalls die Nähe des Transitgewahrsams zu einer Freiheitsentziehung einräumt (S. 278), sollte seine Anordnung in jedem Fall von vornherein dem Richter vorbehalten sein. Es ist nach Überzeugung der Kirchen nicht hinreichend, eine solche Anordnung erst nach 30 Tagen einzuholen. Hinweisen möchten die Kirchen auch darauf, dass das Bundesverfassungsgericht für den Aufenthalt im Flughafentransit eine maximale Dauer von 19 Tagen für zulässig erklärt hat (BVerfGE 89, 98, 101; E 89, 101, 105; E 89, 106, 109; E 89, 109, 113).

Nr. 17 b) - § 25 Abs. 3 AufenthG-E

Nach der geltenden Fassung dieser Vorschrift soll einem Ausländer, der die genannten Voraussetzungen erfüllt, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Richtlinie 2004/83/EG (Art. 18 in Verbindung mit Art. 24 Abs. 2) sieht jedoch eine zwingende Erteilung von Aufenthaltstiteln an subsidiär Geschützte vor. Da die Richtlinie für die Mitgliedstaaten verbindlich ist, ist § 25 Abs. 3 S. 1 AufenthG-E entsprechend zu ändern.

Nr. 17 c) - § 25 Abs. 4 AufenthG-E

Der Anwendungsbereich der Vorschrift soll nun ausdrücklich auf noch nicht vollziehbar Ausreisepflichtige eingegrenzt werden. Dies entspricht der bereits bisher vom Bundesministerium des Innern in seinen Vorläufigen Anwendungshinweisen zum Aufenthaltsgesetz zugrunde gelegten Rechtsauffassung. Die Kirchen bedauern, dass hierdurch ohne zwingenden Grund und entgegen der ursprünglich mit dem Zuwanderungsgesetz verfolgten Zielsetzung die Möglichkeiten des Übergangs von der Duldung zur Aufenthaltserlaubnis weiter eingeschränkt werden.

Nr. 18 - § 26 Abs. 1 AufenthG-E

Subsidiär Geschützten kann bisher ein Aufenthaltstitel mit dreijähriger Gültigkeit ausgestellt werden. Die in § 26 Abs. 1 AufenthG-E vorgesehene Verkürzung der Gültigkeitsdauer auf ein Jahr ist auf der Grundlage des in der Entwurfsbegründung zitierten Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG zwar möglich, jedoch keineswegs zwingend. Die Kirchen bedauern, dass die  Rechtsposition subsidiär Geschützter ohne erkennbaren Grund verschlechtert werden soll.

Nr. 19 a) - § 27 Abs. 1a Nr. 2 AufenthG-E

Selbstverständlich unterstützen die Kirchen die Bemühungen, Zwangsverheiratungen, die schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen darstellen, entgegenzuwirken. Die Einreiseverweigerung bei Vorliegen einer Zwangsehe ist eines von mehreren vorstellbaren Instrumenten. Allerdings muss sichergestellt sein, dass die Einreise nicht zu Unrecht verweigert wird, dass also der Ehegattennachzug nur dann versagt wird, wenn wirklich eine Zwangsehe vorliegt. Dies erscheint aufgrund der vorgeschlagenen Formulierung („wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass einer der Ehegatten zur Eingehung der Ehe genötigt wurde“) nicht gewährleistet. Diese Formulierung steht auch mit der Vorgabe des Art. 16 Abs. 2 a) der Richtlinie 2003/86/EG nicht in Einklang, wonach die Mitgliedstaaten die Einreise eines Familienangehörigen erst dann ablehnen dürfen, wenn „feststeht, dass … andere ungesetzliche Mittel angewandt wurden“. Dieser Nachweis muss also geführt werden; das bloße Vorliegen von Anhaltspunkten genügt insoweit nicht.

Die Kirchen bedauern darüber hinaus, dass der Entwurf keine weitergehenden Bestimmungen zum Schutz der Opfer von Zwangsverheiratungen, sondern lediglich repressive Maßnahmen vorsieht. Wünschenswert wäre insbesondere die Einführung eines Wiederkehrrechtes für solche Personen, die zum Zweck der Zwangsverheiratung in das Ausland verschleppt wurden.

Nr. 20 - § 28 Abs. 1 S. 2 bis 4

Entsprechend einer im Bericht zur Evaluierung des Zuwanderungsgesetzes vom Bundesministerium des Innern unterbreiteten Empfehlung soll künftig in besonders gelagerten Fällen die Versagung eines Aufenthaltstitels zum Zweck des Ehegattennachzuges zu Deutschen möglich sein, wenn der Lebensunterhalt nicht gesichert ist. Besondere Umstände sollen laut Entwurfsbegründung dann vorliegen, wenn die Begründung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Ausland zumutbar ist, was bei Doppelstaatlern sowie bei Deutschen angenommen wird, die geraume Zeit im Herkunftsland des Ehegatten gelebt haben. Durch die Regelung sollen einerseits die Integration gefördert und andererseits Missbrauch verhindert werden (Begründung S. 293/294).

Zwar ist es selbstverständlich wünschenswert, dass sich zuwandernde Ehegatten möglichst schnell sozial und wirtschaftlich integrieren. Ihnen sollte intensive Förderung zuteil werden, gerade auch um die Arbeitsaufnahme zu ermöglichen. Das eheliche Zusammenleben darf jedoch wegen der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel nicht verhindert werden.

Die Kirchen haben gegen die Regelung erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Sie kann sowohl den deutschen als auch den ausländischen Ehegatten in ihren Grundrechten aus Artikel 6 Abs. 1 GG verletzen.

Artikel 6 Abs. 1 GG – deutscher Ehepartner

Die Versagung des Nachzuges eines ausländischen Ehepartners nach Deutschland zu seinem hier lebenden deutschen Ehepartner stellt auch einen Eingriff in dessen Grundrecht aus Artikel 6 Abs. 1 GG dar. „Denn eine solche Versagung macht auch dem hier Anwesenden das eheliche Zusammenleben unmöglich“ (BVerfGE 76, 1, 45). An die Rechtfertigung eines solchen Eingriffs in das Grundrecht des deutschen Ehepartners aus Artikel 6 Abs. 1 GG hat das Bundesverfassungsgericht – bezogen auf die Aufenthaltsbeendigung – strenge Anforderungen gestellt. So rechtfertige selbst die Straffälligkeit des ausländischen Ehepartners regelmäßig noch nicht dessen Ausweisung. Das grundrechtlich geschützte Interesse des deutschen Ehepartners daran, „seine Ehe als eine Lebensgemeinschaft gleichberechtigter Partner im Bundesgebiet fortzusetzen“, legitimiere eine Ausweisung des ausländischen Partners daher erst dann, wenn die Straftat besonders schwer wiege und deshalb ein dringendes Bedürfnis nach Abschreckung anderer Ausländer von der Begehung solcher Straftaten bestehe (vgl. BVerfGE 51, 386, 397).
Bei der Entscheidung über den Zuzug eines Ausländers zu dessen deutschem Ehepartner stellt sich dessen Rechts- und Interessenlage vergleichbar dar. Auch in diesem Fall muss die Verhinderung des ehelichen Zusammenlebens als Eingriff in das Grundrecht des Deutschen aus Artikel 6 Abs. 1 GG durch den Schutz höherrangiger Güter gerechtfertigt sein. Ob allein der Bezug von Sozialhilfe eine hinreichend schwerwiegende Gefährdung öffentlicher Interessen darstellt, erscheint höchst fraglich.

Zweifelhaft ist auch, ob die Zumutbarkeit für die deutschen Ehegatten, die eheliche Lebensgemeinschaft im Herkunftsland ihrer ausländischen Ehepartner herzustellen, damit begründet werden kann, dass es sich um Doppelstaatler oder solche Deutsche handele, die lange Zeit im Herkunftsland des Ehepartners gelebt hätten (Begründung S. 293). Diese Umstände vermögen nichts daran zu ändern, dass deutsche Staatsangehörige sich uneingeschränkt auf ihr Grundrecht aus Art. 11 Abs. 1 GG und damit auf ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland berufen können. Eine Abschwächung des Grundrechtsschutzes anknüpfend an die andere Staatsangehörigkeit oder den früheren Aufenthalt in einem anderen Land ist nicht zulässig.

Artikel 6 Abs. 1 GG – ausländischer Ehepartner

Zwar gewährt Artikel 6 Abs. 1 GG dem ausländischen Ehepartner keinen grundrechtlichen Anspruch auf Ehegattennachzug. Aus der Dimension des Art. 6 GG als „wertentscheidende Grundsatznorm“ folgt jedoch ein „Anspruch (des nachzugswilligen Ausländers) … darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren … die bestehenden ehelichen und familiären Bindungen des Antragstellers an im Bundesgebiet lebende Personen in einer Weise berücksichtigen, die der großen Bedeutung entspricht, welche das Grundgesetz dem Schutz von Ehe und Familie erkennbar beimisst.“ (BVerfGE 76, 1, 49/50). Dabei sind staatliche Maßnahmen insbesondere am Maßstab der Verhältnismäßigkeit zu überprüfen. Innerhalb der bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung anzustellenden Abwägung kommt dem Umstand entscheidende Bedeutung zu, dass der im Bundesgebiet lebende deutsche Ehepartner, wie oben dargelegt, wegen seines Grundrechts aus Artikel 6 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden kann, seinem ausländischen Ehepartner zum Zweck der Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft in dessen Herkunftsland zu folgen. Stellt sich die Versagung des Nachzuges des ausländischen Ehepartners nach der vorgeschlagenen Bestimmung somit als Verletzung des Grundrechts seines deutschen Ehepartners dar, so kann sie keine verhältnismäßige Beeinträchtigung der Rechtsposition des nachzugswilligen Ehepartners sein. Denn dafür müsste an der Verhinderung des Nachzuges ein die privaten Interessen überwiegendes öffentliches Interesse bestehen. Eine Maßnahme, die Grundrechte verletzt, kann jedoch niemals im öffentlichen Interesse liegen.

Soweit für die Regelung ins Feld geführt wird, der bereits hier lebende deutsche Ehepartner werde durch sie zur Integration ermutigt, trifft dies ersichtlich nur für eingebürgerte Deutsche zu. Diese haben jedoch die Integrationsanforderungen erfüllt, die der deutsche Gesetzgeber zur Voraussetzung für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit gemacht hat. Ist ihnen demzufolge die deutsche Staatsangehörigkeit verliehen worden, erscheint es nicht mehr legitim, ihnen grundlegende Rechte unter Hinweis auf noch ausstehende Integrationserfolge vorzuenthalten. Sollten die vorgeschlagenen Änderungen des Staatsangehörigkeitsgesetzes, durch die die Einbürgerung erschwert würde, in Kraft treten, würde dies in verstärktem Maße gelten.
Offene oder verdeckte Unterscheidungen zwischen Deutschen von Geburt und eingebürgerten Deutschen sind darüber hinaus unzulässig, da die Einbürgerung die uneingeschränkte Rechtsstellung als Deutscher vermittelt.

In der Begründung (S. 293/294) wird ferner geltend gemacht, die bisherige Regelung habe es ermöglicht, sich allein durch Vortäuschen einer ehelichen Lebensgemeinschaft einen Aufenthaltstitel zu verschaffen. Selbst wenn man die Richtigkeit dieser Annahme, die in der Begründung allerdings nicht belegt wird, unterstellt, ist die missbräuchliche Inanspruchnahme eines Rechtes für sich genommen noch kein Argument für seine Einschränkung. Eine solche Maßnahme trifft außerdem immer auch diejenigen, denen kein Missbrauch zur Last gelegt werden kann. „Scheinehen“ bzw. „Zweckehen“ sollen zudem bereits durch § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG-E verhindert werden.

Nr. 20 - § 28 Abs. 1 S. 5 AufenthG-E
Nr. 22 a) - § 30 Abs. 1 AufenthG-E

Nach § 30 Abs. 1 AufenthG-E soll künftig der Anspruch auf Ehegattennachzug zu Ausländern von einem Mindestalter sowie dem Nachweis einfacher Sprachkenntnisse abhängig sein. Gemäß § 28 Abs. 1 S. 5 AufenthG-E sollen diese Anforderungen auch für den Ehegattennachzug zu Deutschen gelten.

An dem im Referentenentwurf vorgesehenen, verfassungsrechtlich bedenklichen Mindestalter von 21 Jahren wurde nicht festgehalten. Dies ist zu begrüßen. Mit dem nun vorgesehenen Mindestalter von 18 Jahren ist jedenfalls sichergestellt, dass mit Erreichen der Ehemündigkeit auch die vollen Rechtswirkungen der Ehe, insbesondere das Recht auf eheliches Zusammenleben, eintreten.

Unverändert geblieben ist dagegen der Vorschlag, das Nachzugsrecht von ausländischen Ehegatten vom Nachweis einfacher Sprachkenntnisse abhängig zu machen. Die Kirchen bekräftigen die Bedenken, die sie bereits in ihrer Stellungnahme vom 30. Januar 2006 erhoben haben.

Entsprechend dem oben zu § 28 Abs. 1 S. 2 bis 4 AufenthG-E Ausgeführten sehen die Kirchen auch durch das Erfordernis des Nachweises von Sprachkenntnissen die Grundrechte beider Ehepartner aus Artikel 6 Abs. 1 GG verletzt.

Der mit diesem Erfordernis verbundene Eingriff in die Grundrechte beider Ehepartner aus Artikel 6 Abs. 1 GG müsste, um gerechtfertigt zu sein, insbesondere der Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten. Er müsste also zur Erreichung eines legitimen Zieles geeignet, erforderlich und angemessen sein.
Die Verhinderung von Zwangsehen, die die Menschenrechte der von ihnen Betroffenen verletzen, stellt zweifellos ein legitimes Ziel dar. Jedoch ist zu beachten, dass die geplanten Einschränkungen freiwillig verheiratete Paare in gleicher Weise treffen würden. Diesen gegenüber tritt das Ziel der Zwangsehebekämpfung als Eingriffsrechtfertigung zurück (vgl. hierzu BVerfGE 76, 1, 68).
Die Verhältnismäßigkeit der Eingriffe in die Grundrechte der freiwillig verheirateten Paare ist vorrangig an dem in der Entwurfsbegründung (S. 296) gleichfalls genannten Ziel der Integrationsförderung zu messen. Dieses ist ein legitimes und hochrangiges Ziel. Verständlich ist auch der Wunsch, die Integration der zuzugswilligen Ausländer so früh wie möglich beginnen zu lassen. Die Kirchen begrüßen es sehr, wenn Einwanderer bereits vor ihrer Einreise deutsche Sprachkenntnisse erwerben. Das Ziel der Integrationsförderung wird jedoch verfehlt, wenn das eheliche Zusammenleben unter Umständen dauerhaft am Fehlen einfacher Sprachkenntnisse scheitert. Das verlangte Niveau einfacher Sprachkenntnisse mag sich zwar auf den ersten Blick als leicht zu bewältigende Anforderung darstellen. Jedoch sind die Möglichkeiten in den Herkunftsländern, die deutsche Sprache zu erlernen, unterschiedlich ausgeprägt. Für Personen aus ländlichen Gegenden, in denen keine Sprachkurse angeboten werden, kann selbst der Nachweis einfacher Sprachkenntnisse vor der Einreise nach Deutschland eine Überforderung darstellen. Dies gilt insbesondere für Personen mit geringem Bildungsgrad. Die Verwirklichung des Rechts auf eheliches Zusammenleben darf jedoch keinesfalls vom Bildungsniveau abhängen. Ebenso wenig darf es für die Möglichkeit der Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft entscheidend sein, ob jemand über die finanziellen Mittel verfügt, um z.B. Sprachkurse in weiter entfernten Städten seines Heimatlandes zu besuchen. Eine Differenzierung nach Bildungsgrad und materiellen Mitteln ist in dem Gesetzentwurf jedoch insoweit angelegt, als den Ehegatten von Hochqualifizierten, Forschern und Selbständigen ein Sprachnachweis nicht abverlangt wird (§ 30 Abs. 1 S. 2 AufenthG-E).
Die Verhinderung des ehelichen Zusammenlebens, die die geplante Regelung zur Folge haben kann, stellt sich insbesondere deshalb als unverhältnismäßig dar, weil dem Anliegen bestmöglicher Integration auch ohne derartige Grundrechtseingriffe gedient werden kann. Nach der Einreise einsetzende Integrationsmaßnahmen würden den Spracherwerb sogar weit wirkungsvoller fördern als eine Regelung, die in vielen Fällen keine Lernanreize schafft, sondern dem Zuzug der Ehegatten entgegensteht. Wird die Einreise trotz Fehlens von Sprachkenntnissen zugelassen, kann „integrationspolitischer Schaden“ durch gezielte, intensive Sprachförderung unmittelbar nach der Einreise effektiv begrenzt oder völlig verhindert werden. Für eine solche intensivierte Vermittlung deutscher Sprachkenntnisse sprechen die Kirchen sich nachdrücklich aus.

Halten die Kirchen demnach die vorgeschlagene Regelung zur Erreichung des Zieles der Integrationsförderung für unangemessen, gilt dies in noch höherem Maße, wenn mit dem Sprachstandskriterium nicht in erster Linie die Integrationsförderung, sondern vielmehr die Zuzugsbegrenzung angestrebt wird. Zwar darf der Gesetzgeber das Ziel der Zuzugsbegrenzung legitimer Weise verfolgen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sollen einwanderungspolitische Belange allerdings regelmäßig vom Familienschutz zurückgedrängt werden, wenn die familiäre Lebensgemeinschaft nur im Bundesgebiet verwirklicht werden kann (BVerfGE 80, 81/95). Zudem hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass eine dreijährige Wartefrist, die dem Zweck der Zuzugsbegrenzung diente, „den Rahmen dessen, was dem Schutz- und Förderungsgebot des Art. 6 GG noch angemessen ist, erheblich überschritten“ hat (BVerfGE 76, 1, 68). Die völlige Verhinderung des Nachzuges wäre folglich in jedem Fall unverhältnismäßig.

Sofern die Regelung, wie nach § 28 Abs. 1 S. 5 AufenthG-E vorgesehen, auch auf Deutsche erstreckt werden soll, ergibt sich ihre Unverhältnismäßigkeit zusätzlich daraus, dass Deutsche sich – anders als Ausländer – nicht nur auf Artikel 6 Abs. 1 GG, sondern auch auf ihr Grundrecht auf Freizügigkeit nach Artikel 11 GG berufen können. Das uneingeschränkte Aufenthaltsrecht des deutschen Ehepartners ist von zentraler Bedeutung. Artikel 6 Abs. 1 GG gebietet es in diesen Fällen regelmäßig, den Nachzug des ausländischen Ehegatten zu erlauben (vgl. v.Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Bonner GG, Art. 6 Abs. 1 Rn. 125).

Ferner könnte die vorgeschlagene Regelung insofern mit der Richtlinie 2003/86/EG unvereinbar sein, als in Art. 7 der Richtlinie den Mitgliedstaaten lediglich freigestellt wird, die Einreise von Drittstaatsangehörigen von der Teilnahme an Integrationsmaßnahmen abhängig zu machen. Lediglich für Kinder über 12 Jahre dürfen Integrationskriterien normiert werden (vgl. Art. 4 Abs. 1 Unterabsatz 3 der Richtlinie). Anders als Integrationskriterien beinhalten Integrationsmaßnahmen nicht das Erreichen eines bestimmten Erfolges, also etwa eines definierten Sprachstandsniveaus. Auch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften geht in seiner Entscheidung vom 27. Juni 2006 (C-540/03 Rn. 75) davon aus, dass Integrationsmaßnahmen und Integrationskriterien unterschiedliche Tatbestandsvoraussetzungen darstellen. Demnach erlaubt die Richtlinie 2003/86/EG es den Mitgliedstaaten allenfalls, von einreisewilligen Ehegatten die Teilnahme an Sprachkursen zu verlangen. Allerdings müsste dann auch sichergestellt sein, dass solche Kurse tatsächlich zur Verfügung stehen.

Nr. 23 - § 31 Abs. 1 S. 2 AufenthG-E

Vorgesehen ist der Ausschluss eines eigenständigen Aufenthaltsrechts von Ehegatten bei Auflösung der Ehe für die Fälle, in denen der Stammberechtigte lediglich ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht besitzt. Diese Regelung würde zugleich auch der Anwendung der Härtefallregelung des § 31 Abs. 2 AufenthG-E entgegenstehen.
Zur Begründung wird vorgebracht, der Ehegatte könne angesichts der begrenzten Aufenthaltsperspektive seines Ehepartners nicht auf die Erteilung eines eigenen längerfristigen Aufenthaltsrechtes vertrauen (vgl. Begründung S. 303). Er soll also nicht in rechtlich geschützter Weise über seinen Aufenthalt in Deutschland disponieren können. In Härtefällen, also atypischen Problemlagen, ist von einem solch kalkulierten Verhalten des Ehegatten jedoch gerade nicht auszugehen. Ihn auf die humanitären Bestimmungen des AufenthG zu verweisen, ist aus Sicht der Kirchen angesichts der sehr einschränkenden Interpretation dieser Vorschriften nicht hinreichend. Dies gilt in besonderem Maße für die Härtefallregelung des § 23a AufenthG, die dem Einzelnen ausdrücklich keine subjektiven Rechte vermittelt, eine Prüfung seines Anliegens also nicht sicherstellen kann.

Nr. 25 - § 33 AufenthG-E

Nach bisheriger Rechtslage wird einem in Deutschland geborenen Kind von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, wenn die Mutter eine Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis besitzt. Die vorgesehene Änderung des § 33 AufenthG soll eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25.10.2005 (BVerfG, ZAR 2005, 417) umsetzen, in dem das Gericht die bisher geltende Anknüpfung in § 33 AufenthG allein an den Aufenthaltsstatus der Mutter für gleichheitswidrig erklärt hatte. Künftig soll ein in Deutschland geborenes Kind nur dann von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, wenn beide Elternteile oder der allein sorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt/EU besitzen (§ 33 S. 3 AufenthG-E). Hat nur ein Elternteil einen entsprechenden Aufenthaltstitel, kann von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden (§ 33 S. 1 AufenthG-E).

Die in § 33 AufenthG-E vorgesehene Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts führt jedoch zu einer Schlechterstellung von Kindern verheirateter oder gemeinsam erziehender Paare. Insbesondere werden bei einem unsicheren Aufenthaltstatus des Vaters Kinder bevorzugt, deren Mütter unverheiratet sind und dem Vater kein Sorgerecht einräumen. Diese Regelung benachteiligt daher Kinder aus intakten Familien und widerspricht damit gleichermaßen dem Kindeswohl wie dem Ziel einer gemeinsamen Sorge der Eltern für die Kinder. § 33 AufenthG sollte aus diesen Gründen dahingehend geändert werden, dass das Kind von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erhält, wenn Vater oder Mutter eine Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt/EU besitzen.

Nr. 35 c) - § 44a Abs. 3 S. 1 AufenthG-E

Nach geltendem Recht kann die Verletzung der Pflicht zur Teilnahme an einem Integrationskurs die in § 44a Abs. 3 AufenthG-E genannten Sanktionen nach sich ziehen. Insbesondere können also die Verlängerung des Aufenthaltstitels und seine Verfestigung abgelehnt werden. Vorgeschlagen wird nun, diese Sanktionen auch an das Nichtbestehen des Abschlusstests zu knüpfen. Die Kirchen halten es für legitim, von zugewanderten Ausländern das aktive Bemühen um Integration zu verlangen. Hierzu zählt auch die regelmäßige Teilnahme an einem Integrationskurs. Nicht in allen Fällen ist es aber angemessen, aus dem Nichtbestehen des Abschlusstests auf mangelnde Mitwirkung und Eigeninitiative zu schließen. Gerade Ausländer mit geringer Schulbildung werden möglicherweise trotz intensiver Bemühungen den gestellten Anforderungen nicht entsprechen können. In solchen Fällen wäre eine Sanktionierung unangebracht.

Nr. 43 c) - § 55 Abs. 2 AufenthG-E

In § 55 Abs. 2 AufenthG sollen neue Regelbeispiele der Ermessensausweisung aufgenommen werden, um besonders integrationsfeindliches Verhalten insbesondere gegenüber Familienangehörigen zu sanktionieren. Eine Ausweisung soll u. a. dann möglich sein, wenn ein Ausländer eine andere Person „in verwerflicher Weise“ davon abhält, sich in Deutschland zu integrieren oder gezielt und andauernd auf Jugendliche einwirkt, um Hass auf Angehörige anderer Religionen und ethnischer Gruppen zu erzeugen (vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 9 und 10 AufenthG-E). Das Vorliegen eines entsprechenden Ausweisungsgrundes hat gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 AufenthG in der Regel auch zur Folge, dass ein beantragter Aufenthaltstitel nicht erteilt bzw. verlängert werden darf.

Die Kirchen nehmen die bestehenden Integrationsdefizite, die teilweise durch innerfamiliäre Strukturen in Migrantenfamilien perpetuiert werden, sehr ernst. Diesen Defiziten muss aus Sicht der Kirchen jedoch vorrangig durch positive Integrationsmaßnahmen begegnet werden. In jedem Fall muss eine Sanktionierung integrationsfeindlichen Verhaltens durch Ausweisungsbefugnisse allgemeinen rechtstaatlichen Anforderungen entsprechen und mit den Grundrechten in Einklang stehen.

Die in § 55 Abs. 2 Nr. 9 u. 10 AufenthG-E vorgesehenen Regelbeispiele der Ermessensausweisung sind mit dem im GG verankerten Bestimmtheitsgebot nicht vereinbar. Zweifel bestehen außerdem an ihrer Verhältnismäßigkeit und an ihrer Vereinbarkeit mit Art. 6 und Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG.

Aus dem Bestimmtheitsgebot folgt, dass den Einzelnen belastende hoheitliche Maßnahmen einschließlich einer Ausweisung oder Versagung der Verlängerung eines Aufenthaltstitels eine hinreichend klare gesetzliche Grundlage haben müssen. Für die Betroffenen muss vorhersehbar sein, aufgrund welcher Verhaltensweisen sie mit entsprechenden Sanktionen rechnen müssen. Der Gesetzgeber muss die Voraussetzungen einer Aufenthaltsbeendigung daher so bestimmt wie möglich fassen (vgl. BVerfGE 49, 168/181, BVerfGE 35, 382/400). Den in § 55 Abs. 2 AufenthG normierten Regelbeispielen der Ermessensausweisung kommt dabei die Funktion zu, den (als solchen nicht hinreichend bestimmten) allgemeinen Ausweisungsgrund der Beeinträchtigung öffentlicher Interessen i. S. d. § 55 Abs. 1 AufenthG zu konkretisieren (vgl. BVerfGE 50 166/173; BVerfGE 35, 382/400).

Aus den in § 55 Abs. 2 Nr. 9 u. 10 AufenthG-E vorgesehenen Regelbeispielen der Ermessensausweisung wird nicht hinreichend deutlich, unter welchen Voraussetzungen die Betroffenen mit einer Ausweisung oder der Versagung der Verlängerung eines Aufenthaltstitels rechnen müssen. Ursache hierfür ist insbesondere, dass weder der Gesetzestext des § 55 Abs. 2 Nr. 9 und 10 AufenthG-E noch die Gesetzesbegründung erkennen lassen, in welchem Verhältnis die neuen Regelbeispiele zu bestehenden Ausweisungsgründen und strafrechtlichen Tatbeständen stehen.

Obwohl § 55 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG-E die gleichen Schutzgüter betrifft wie § 55 Abs. 2 Nr. 8 lit. b AufenthG (Ausweisung von Hasspredigern) und § 130 StGB (Volksverhetzung), weicht die Formulierung des § 55 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG-E von den entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen in § 55 Abs. 2 Nr. 8 lit. b AufenthG und § 130 StGB ab. Daher ist unklar, ob eine Ausweisung nach § 55 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG-E auch bei einem Verhalten möglich sein soll, das die entsprechenden Voraussetzungen der §§ 55 Abs. 2 Nr. 4 lit. b AufenthG, § 130 StGB nicht erfüllt, und aus welchem Grunde eine entsprechende Abweichung erforderlich ist. Ähnliches gilt für § 55 Abs. 2 Nr. 10 AufenthG-E. Durch das in § 55 Abs. 2 Nr. 10 AufenthG-E sanktionierte Verhalten dürfte regelmäßig der Tatbestand einer mehrfachen oder fortdauernden Nötigung gem. § 240 StGB verwirklicht sein, sodass eine Ausweisung bereits nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG-E möglich ist. Ob eine Ausweisung bereits unterhalb der Schwelle einer Nötigung in Betracht kommt und warum dies der Fall sein soll, wird aus Gesetzestext und -begründung des § 55 Abs. 2 Nr. 10 AufenthG-E wiederum nicht deutlich.

Aus den gleichen Gründen bestehen auch Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der in § 55 Abs. 2 Nr. 9 bis 10 AufenthG-E vorgesehenen Regelbeispiele. Denn es ist nicht ersichtlich, warum die durch eine entsprechende Gesetzesänderung verfolgten Zwecke nicht durch eine Anknüpfung an oder Anwendung der bereits bestehenden Ausweisungs- und Straftatbestände erreicht werden können. Die in § 55 Abs. 2 Nr. 9 und 10 AufenthG-E vorgesehene Erweiterung der Regelbeispiele der Ermessensausweisung ist daher nicht erforderlich. Bedenken bestehen darüber hinaus hinsichtlich der Vereinbarkeit mit Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 6 GG. Denn die dort vorgesehenen Ausweisungsgründe betreffen Verhaltensweisen, die sich typischerweise im innerfamiliären Bereich abspielen. Dieser Bereich ist  jedoch gegen staatliche Eingriffe durch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) und die in Art. 6 GG garantierten Rechte in besonderem Maße geschützt.

Nr. 44 b) - § 56 Abs. 2 S. 3 AufenthG-E

§ 56 Abs. 2 S. 3 AufenthG-E sieht eine Abschwächung des Ausweisungsschutzes für Heranwachsende vor. Der besondere Ausweisungsschutz für im Bundesgebiet aufgewachsene Heranwachsende, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis sind, soll danach nicht mehr bestehen, wenn die Betroffenen wegen serienmäßiger Begehung nicht unerheblicher vorsätzlicher Straftaten, wegen schwerer Straftaten oder einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt worden sind. In der Gesetzesbegründung wird hierzu lediglich auf den erheblichen Unrechtsgehalt entsprechender Straftaten verwiesen.

Die Kirchen sind der Auffassung, dass sich unsere Gesellschaft der Verantwortung für in Deutschland aufgewachsene Heranwachsende aus Migrantenfamilien auch bei einem gravierenden Fehlverhalten der Betroffenen stellen muss. Die Straftaten der Betroffenen müssen – ebenso wie bei deutschen Heranwachsenden - mit den Mitteln des (Jugend-)Strafrechts geahndet werden. Eine Ausweisung und Abschiebung in einen Staat, mit dem die Betroffenen oft kaum etwas verbindet und in dem sie auf sich allein gestellt sind, widerspricht dem im Jugendstrafrecht verankerten Erziehungsgedanken und dem Ziel einer Resozialisierung. Sie kommt außerdem einer doppelten Bestrafung gleich, die sich zumindest im Hinblick auf in Deutschland aufgewachsene Migranten kaum rechtfertigen lässt.

Nr. 48 a) cc) - § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG-E

Nach § 60 Abs. 1 S. 5 AufenthG-E sind die maßgeblichen Normen der Richtlinie 2004/83/EG zur Definition der Flüchtlingseigenschaft (Qualifikationsrichtlinie) „ergänzend anzuwenden“. Aus dieser Formulierung wird nach Auffassung der Kirchen nicht hinreichend deutlich, dass die Qualifikationsrichtlinie für das deutsche Recht verbindliche Maßstäbe setzt. Da die Qualifikationsrichtlinie in einer Reihe von Punkten einen gegenüber der deutschen Rechtslage verbesserten Schutz für Flüchtlinge vorsieht, sollten ihre Vorgaben ausdrücklich im deutschen Recht verankert werden.

Eine besondere Bedeutung hat für die Kirchen dabei der Schutz von Flüchtlingen vor religiöser Verfolgung. Nach Artikel 10 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2004/83/EG umfasst der Begriff der Religion „insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind.“ Geschützt ist also auch die Glaubensbetätigung in der Öffentlichkeit, einschließlich einer Beteiligung an öffentlichen Gottesdiensten oder auch missionarischer Aktivitäten. Diese Vorgaben der Qualifikationsrichtlinie sind aus Sicht der Kirchen auch deshalb positiv zu werten, weil die Kommunikation und die religiöse Identitätsbildung im Austausch mit anderen unverzichtbare Bestandteile der Glaubensausübung darstellen.

Die entsprechenden Vorgaben der Qualifikationsrichtlinie gehen eindeutig über den bisher in Deutschland gewährten Schutz hinaus, weil in der deutschen Rechtsprechung bislang grundsätzlich nur die Verletzung des so genannten religiösen Existenzminimums als asylrelevant angesehen wurde. Das religiöse Existenzminimum wird dabei im Wesentlichen als Glaubensbetätigung „abseits der Öffentlichkeit“ definiert. Zudem zeigen die Hinweise des Bundesministeriums des Innern zur Anwendung der Richtlinie 2004/83/EG vom 13. Oktober 2006 und eine Reihe verwaltungsgerichtlicher Urteile, dass trotz der unmittelbaren Anwendbarkeit der Qualifikationsrichtlinie seit Ablauf ihrer Umsetzungsfrist am 11. Oktober 2006 vielfach davon ausgegangen wird, dass die zum so genannten religiösen Existenzminimum entwickelten Grundsätze weiterhin anwendbar sind. Ohne eine ausdrückliche Verankerung im Gesetz besteht daher die Gefahr, dass die Vorgaben der Qualifikationsrichtlinie zum Schutz bei religiöser Verfolgung keine ausreichende Beachtung finden.

Nr. 48 d) - § 60 Abs. 7 S. 2 und 3 AufenthG-E

Nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG-E ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes ausgesetzt ist. Diese Regelung soll Art. 15 lit. c der Richtlinie 2004/83/EG umsetzen, der Abschiebungsschutz bei „einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts“ verlangt. Nach § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG-E sind Gefahren nach S. 1 oder S. 2, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG zu berücksichtigen. Ein Schutz kann in entsprechenden Fällen also nur durch die Anordnung eines Abschiebestopps durch die Innenminister gewährt werden.

Die unvollständige Umsetzung und insbesondere die Erstreckung der „Sperrklausel“ in § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG-E auf den Abschiebungsschutz für Opfer bewaffneter Konflikte hat einen gegenüber den Vorgaben der Qualifikationsrichtlinie erheblich eingeschränkten Schutz zur Folge. Denn die Bestimmung in Art. 15 lit. c der Richtlinie soll dem Einzelnen Schutz vor den unvorhersehbaren wahllosen Folgen willkürlicher Gewalt bei innerstaatlichen oder internationalen bewaffneten Konflikten bieten (vgl. Marx, Handbuch zur Flüchtlingsanerkennung, § 40 Rn. 49) und verlangt – in Verbindung mit den weiteren maßgeblichen Bestimmungen zum Abschiebungsschutz in der Richtlinie – ausdrücklich die Gewährung eines individuellen Schutzes bei entsprechenden Gefahren. Demgegenüber sieht die deutsche Rechtsprechung Gefahren, die ihren Ursprung in bewaffneten Konflikten haben, grundsätzlich als „allgemeine Gefahren“ an, die nicht zu einer Gewährung individuellen Schutzes führen. Unter „allgemeinen Gefahren“ hat die Rechtsprechung zur Vorgängerregelung des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG etwa Gefährdungen durch Kampfhandlungen, Lebensmittelknappheit oder Druck der jeweiligen Kriegspartei, sie finanziell zu unterstützen, verstanden (BVerwGE 99, 324, 329). Dieser generelle Ausschluss soll nur dann durchbrochen werden, „wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist der Fall, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (BVerwGE 114, 397, 382 m.w.N.).

Die vorgesehene Einschränkung des Schutzes für Opfer bewaffneter Konflikte durch die „Sperrklausel“ in § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG-E wird in der Gesetzesbegründung unter anderem auf Erwägungsgrund 26 der Richtlinie gestützt, wonach Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt sind, für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung darstellen, die als ernsthafter Schaden oder ausreichender Grund für einen Abschiebungsschutz nach der Richtlinie zu beurteilen sind. Zunächst stellt dieser Erwägungsgrund jedoch lediglich klar, dass allgemeine Gefahren „für sich genommen“ noch keine individuelle Bedrohung darstellen, die als ernsthafter Schaden zu betrachten wäre und verweist damit auf die Notwendigkeit, eine individuelle Bedrohung nachzuweisen. Die in der Entwurfsbegründung zugrunde gelegte Interpretation des Erwägungsgrundes 26 der Qualifikationsrichtlinie, wonach bei Vorliegen allgemeiner Gefahren eine individuelle Bedrohung schlechterdings auszuschließen ist, würde den in Art. 15 lit. c geforderten individuellen Schutz für Opfer willkürlicher Gewalt bei bewaffneten Konflikten leer laufen lassen. Zudem sind „allgemeine Gefahren“, wie oben ausgeführt, mit „willkürlicher Gewalt“ nicht gleichzusetzen. Art. 15 lit. c soll einen Schutz gegen spezifische Gefahren infolge wahlloser und willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung im Rahmen bewaffneter Konflikte gewähren und verfolgt damit einen von dem Schutz vor allgemeinen Gefahren zu unterscheidenden Schutzzweck. Darüber hinaus geben die Kirchen zu bedenken, dass Erwägungsgründe bei der Auslegung von Richtlinienbestimmungen herangezogen werden können, entsprechende Bestimmungen aber in keinem Fall entgegen ihrem Wortlaut einschränken können.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass weder die Richtlinie 2001/55/EG (vorübergehender Schutz) noch die Qualifikationsrichtlinie einen Vorrang der Gewährung vorübergehenden Schutzes durch einen entsprechenden Ratsbeschluss vorsieht. Auch wenn ein entsprechender Beschluss nicht ergeht, muss den Betroffenen individueller Schutz nach der Qualifikationsrichtlinie gewährt werden. Auch aus diesem Grund steht die in § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG-E vorgesehene Verknüpfung der beiden Schutzformen im Widerspruch zu den europarechtlichen Vorgaben.

Nr. 49 c) - § 60 a Abs. 5 S. 4 AufenthG-E

In den Fällen, in denen die Duldung wegen Ablaufs der Geltungsdauer erlischt, soll künftig die Abschiebung auch bei Personen, die länger als ein Jahr geduldet waren, nicht mehr einen Monat vorher angekündigt werden.
Die Kirchen sehen keine Notwendigkeit, die ohnehin schwierige Situation Geduldeter noch weiter zu verschlechtern und lehnen die vorgesehene Änderung daher ab.

Nr. 51 b) - § 62 Abs. 4 AufenthG-E

Die Vorschrift soll den für den Antrag auf Anordnung von Abschiebehaft zuständigen Behörden das Recht zur vorläufigen Festnahme ohne vorherige richterliche Anordnung einräumen. Diese Bestimmung erweitert - ebenso wie die Zurückweisungshaft in § 15 Abs. 5 AufenthG-E – die Möglichkeiten zur Inhaftnahme von Ausländern. Die Kirchen fordern dagegen bereits seit langem, die Vorschriften zur Abschiebungshaft unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu überprüfen. Sie bedauern daher die in den §§ 15 Abs. 5 und 62 Abs. 4 AufenthG-E zum Ausdruck kommende gegenläufige Tendenz und betrachten diese Regelungsvorschläge mit besonders kritischer Aufmerksamkeit.

Artikel 104 Abs. 2 S. 1 GG, der das Grundrecht der Freiheit der Person vor willkürlichen Eingriffen schützen soll, bestimmt, dass über Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung nur der Richter zu entscheiden hat. Die Verfassung geht also „vom präventiven Rechtsschutz als Regelfall aus“. Artikel 104 Abs. 2 S. 2 GG „wertet die nicht-richterliche Freiheitsentziehung als Ausnahme“ (Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Artikel 104 Rn. 41).
Angesichts der in Artikel 104 Abs. 2 S. 2 GG zum Ausdruck kommenden Wertung dürfen die vorläufige Festnahme durch die Ausländerbehörden und die erst nachträgliche Einholung der richterlichen Anordnung nicht zum Regelfall werden. Unzulässig ist nach Überzeugung der Kirchen eine generelle Unterstellung dahingehend, dass Ausländer sich dem gerichtlichen Verfahren zur Anordnung von Haft entziehen wollen. Gerade die Tatsache, dass ein Ausländer sich zur Ausländerbehörde begibt und sich den Behörden offenbart, widerspricht einer solchen Vermutung. Auch der Bericht des Bundesministeriums des Innern zur Evaluierung des Zuwanderungsgesetzes vom Juli 2006 hält es diesem Gedanken folgend für erwägenswert, aus dem Vorliegen einer Meldeanschrift zu schließen, dass sich der betreffende Ausländer nicht der Abschiebung entziehen wollte (Bericht Seite 161).
Die Kirchen würden es sehr bedauern, wenn durch eine neu eingeführte Befugnis der Ausländerbehörden zur vorläufigen Festnahme das Vertrauen von Ausländern in die Behörden weiter ausgehöhlt würde. Die zu Recht eingeforderte Bereitschaft von Ausländern zur Kooperation mit den Behörden würde durch eine solche Regelung konterkariert.

Nr. 59 - § 73 Abs. 1 AufenthG-E

Die Verfassungsschutzorgane sollen nach dieser Vorschrift weitgehenden Zugriff auf Daten zu Visumantragstellern, Einladern, „Bürgen“ und „sonstigen Referenzpersonen“ erhalten. Bereits bisher können Daten der antragstellenden Person und des Einladers vom Auswärtigen Amt an die Verfassungsschutzbehörden zur Prüfung von Versagungsgründen nach § 5 Abs. 4 AufenthG übermittelt werden. Vorgeschlagen wird nun eine doppelte Erweiterung dieser Übermittlungsbefugnis: Sie soll auf Daten von Personen, die die Sicherung des Lebensunterhalts des Ausländers garantieren, sowie auf Daten „sonstiger Referenzpersonen“ ausgedehnt werden. Neben dieser Erweiterung des betroffenen Personenkreises soll auch ein zusätzlicher Zweck hinzutreten, nämlich die Prüfung „sonstiger Sicherheitsbedenken“.

Diese Ausdehnung von Datenübermittlungsbefugnissen, die Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Artikel 2 Abs. 1 und Artikel 1 Abs. 1 GG darstellen, bedarf der Überprüfung am Maßstab der Verhältnismäßigkeit. Aus Sicht der Kirchen bestehen Zweifel an der Angemessenheit der vorgeschlagenen Regelung. Dies gilt insbesondere in Zusammenschau mit § 73 Abs. 3 AufenthG-E, wonach Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste einer Nachberichtspflicht während des Gültigkeitszeitraums des Aufenthaltstitels unterliegen sollen. Die Daten nicht nur des Visumantragstellers und seines Einladers, sondern auch die Daten von Personen, die Verpflichtungserklärungen abgegeben haben und von sonstigen Referenzpersonen würden danach evtl. über mehrere Jahre gespeichert. Unklar ist, wer als „sonstige Referenzperson“ im Sinne der Vorschrift zu betrachten wäre. Besonders problematisch wäre es, wenn davon Personen betroffen wären, die auf ihre Qualifizierung als Referenzperson keinen Einfluss und möglicherweise gar keine Kenntnis von ihrer Erfassung hätten. Der Zugriff auf ihre Daten, deren Übermittlung und Speicherung wären dann noch bedenklicher als die Verwendung der Daten von Personen, die diese durch ihr Verhalten steuern können.

Nr. 78 a) bb) - § 98 Abs. 2 Nr. 4 AufenthG-E

Die Nichtteilnahme an einem Integrationskurs entgegen einer vollziehbaren Anordnung soll künftig bußgeldbewehrt sein, wobei die Geldbuße nach § 98 Abs. 5 AufenthG bis zu 1000 Euro betragen kann.

Die Kirchen sind zwar der Auffassung, dass Migranten eine wesentliche Verantwortung für das Gelingen ihrer Integration tragen. Angesichts der bereits bestehenden Sanktionsmöglichkeiten ist jedoch sehr fraglich, ob eine zusätzliche Ahndung der Nichtteilnahme an einem Integrationskurs als Ordnungswidrigkeit erforderlich ist. Bereits nach geltendem Recht kann die Weigerung, an einem Integrationskurs teilzunehmen, weitreichende Sanktionen nach sich ziehen. So kann eine solche Weigerung insbesondere bei der Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltstitels (§ 8 Abs. 3 AufenthG) sowie über die Gewährung von Sozialleistungen (§ 31 Abs. 1 und 2 SGB II) berücksichtigt werden. Bei fortwährenden Verstößen gegen Teilnahmepflichten kommt zudem die Ermessensausweisung nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG in Betracht. Ferner kann bei Verletzung der Teilnahmepflicht der voraussichtliche Kostenbeitrag vorab durch Gebührenbescheid erhoben werden (§ 44a Abs. 3 S. 3 AufenthG). Ein hinreichender Grund für eine zusätzliche Sanktionierung als Ordnungswidrigkeit ist nach Auffassung der Kirchen nicht ersichtlich.

Nr. 82 - § 104a AufenthG-E

Die Kirchen begrüßen es grundsätzlich, dass eine Regelung zu einem Bleiberecht für langjährig geduldete Ausländer Eingang in das Gesetz finden soll. Sie haben sich für ein solches Aufenthaltsrecht seit langem eingesetzt. Nach Überzeugung der Kirchen könnte vielen geduldeten Ausländern allerdings bereits durch eine sachgerechte Anwendung von § 25 Abs. 4 und 5 AufenthG geholfen werden. Sie bedauern es daher, dass der nun vorliegende Entwurf eine weitere Einschränkung der dort angelegten Möglichkeiten vorsieht (s. oben zu § 25 Abs. 4 AufenthG).

Positiv ist es insbesondere zu beurteilen, dass zumindest die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 AufenthG-E nicht von der Sicherung des Lebensunterhalts durch eigene Erwerbstätigkeit abhängig sein soll. Nach Absatz 5 der Vorschrift wird die Verlängerung einer nach Absatz 1 erteilten Aufenthaltserlaubnis jedoch an die Sicherung des Lebensunterhaltes durch eigene Erwerbstätigkeit geknüpft. Die hierfür gemäß Absatz 6 vorgesehenen Ausnahmen reichen nach Überzeugung der Kirchen nicht weit genug, insbesondere soweit erwerbsunfähige und ältere Menschen betroffen sind. Viele von ihnen werden nicht in der Lage sein, ihren gesamten Lebensunterhalt einschließlich einer etwa erforderlichen Betreuung und Pflege aus eigener Kraft zu sichern. Ihnen sollte dennoch der weitere Aufenthalt im Bundesgebiet ermöglicht werden. In jedem Fall muss gesichert werden, dass die entsprechenden Ausnahmeregelungen auch auf nur teilweise erwerbsunfähige Menschen Anwendung finden.

Außerordentlich kritisch beurteilen die Kirchen außerdem, dass in § 104a Abs. 3 AufenthG-E sämtliche Familienmitglieder von der Bleiberechtsregelung ausgeschlossen werden, wenn ein Familienangehöriger straffällig geworden ist. Diese Regelung wird in der Gesetzesbegründung unter anderem mit dem negativen Einfluss des straffälligen Familienmitglieds auf die anderen Familienmitglieder und mit der Aufsichts- und Erziehungspflicht der Eltern begründet. Aus Sicht der Kirchen ist ein solcher automatischer Ausschluss von einem Bleiberecht auf Grund eines Fehlverhaltens eines Familienmitglieds nicht akzeptabel. Zu den Grundsätzen moderner Rechtsstaatlichkeit gehört es, dass Familienmitglieder für ein Fehlverhalten anderer Familienmitglieder nur dann verantwortlich gemacht werden können, wenn sie eine entsprechende rechtliche Verpflichtung trifft. Dies muss auch im Ausländerrecht gelten.

In die falsche Richtung weist ferner die in Absatz 7 der Vorschrift den Ländern eingeräumte Möglichkeit, Angehörige bestimmter Staaten von der Bleiberechtsregelung auszuschließen. Diskutiert wurde dies insbesondere für irakische Staatsangehörige. UNHCR hat jüngst auf einer internationalen Konferenz in Genf auf die katastrophalen Zustände im Irak aufmerksam gemacht. Die Kirchen erhalten immer wieder Berichte, wonach sich gerade die Lage von Christen im Irak in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert habe. Vor dem Hintergrund der Krise im Irak muss alles dafür getan werden, um Flüchtlingen aus diesem Land zu helfen.

Bedauerlich ist es schließlich, dass Ausländer, die ihren Lebensunterhalt noch nicht durch eigene Erwerbstätigkeit sichern können, aufgrund einer Länderöffnungsklausel auch nach der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis weiterhin auf Sachleistungen entsprechend den Vorschriften des Asylbewerberleistungsgesetzes verwiesen werden können (Artikel 6 Abs. 9 Nr. 3 - § 70 SGB II-E).

Die Kirchen stehen dem Asylbewerberleistungsgesetz, das für bestimmte Gruppen von Ausländern Leistungen unterhalb des Sozialhilfeniveaus vorsieht, grundsätzlich ablehnend gegenüber.
Ferner war es den Kirchen stets ein Anliegen, dass langjährig Geduldete mit der Erteilung eines Aufenthaltsrechtes nicht nur formal besser gestellt werden, sondern dass ein ihnen gewährtes Bleiberecht ihnen auch die volle Eingliederung in die Gesellschaft ermöglicht. In diesem Zusammenhang ist folgendes zu bedenken: Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll gemäß § 1 SGB II dazu beitragen, dass die Hilfebedürftigen ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können. Diese Grundsicherung umfasst die Eingliederung in Arbeit und die Hilfe zum Lebensunterhalt. In § 2 SGB II ist der Grundsatz des Forderns verankert. Danach wird der Hilfeempfänger dazu angehalten, seine Unabhängigkeit von staatlichen Hilfen aktiv anzustreben. Die Erreichung des Zieles, mittel- und langfristig eine Belastung der öffentlichen Haushalte durch die Bleiberechtsregelung zu verhindern, ließe sich demnach mit Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB II wirkungsvoller fördern als mit den sehr eingeschränkten Leistungen nach dem AsylbLG. Diese werden ausdrücklich damit gerechtfertigt, dass bei den von ihnen betroffenen Personen kein Integrationsbedarf bestehe. Sie fördern daher die Integration der Betroffenen nicht, sondern haben stattdessen eine ausgrenzende Wirkung. Bei den von der Bleiberechtsregelung begünstigten Ausländern besteht jedoch ein Integrationsbedarf. Auch wenn gemäß § 104a Abs. 1 S. 3 AufenthG-E eine Verfestigung des Aufenthaltes zunächst unterbleibt, haben die Betroffenen doch bei späterem Nachweis eines Arbeitsverhältnisses nach § 104a Abs. 5 einen Regelanspruch auf die Verlängerung ihres Aufenthaltstitels. Die Kirchen plädieren daher dafür, Ausländern, denen ein Bleiberecht nach der Altfallregelung des § 104a erteilt wird, bei Hilfebedürftigkeit Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.

Nr. 82 - § 104b AufenthG-E

§ 104b AufenthG-E soll die Erteilung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts für gut integrierte Kinder zwischen 14 und 17 Jahren ermöglichen, deren Eltern von der Bleiberechtsregelung ausgeschlossen sind, etwa weil sie über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände vorsätzlich getäuscht haben oder straffällig geworden sind (vgl. § 104a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 u. 6 AufenthG-E). Dieses eigenständige Aufenthaltsrecht ist jedoch daran geknüpft, dass die Eltern vorher ausreisen. Laut Begründung (S. 371) sollen auf diese Weise humanitäre Probleme mit Blick auf in Deutschland aufgewachsene Kinder gelöst werden. Diesen soll das rechtsuntreue Verhalten ihrer Eltern, die etwa die Behörden über ihre Identität getäuscht oder Straftaten begangen haben, nicht zugerechnet werden.

Diese Zielsetzung unterstützen die Kirchen ausdrücklich. Besonders unverständlich ist dann allerdings die Regelung in § 104a Abs. 3 AufenthG-E, wonach die Straffälligkeit eines Familienmitglieds allen anderen, also auch den Kindern, zugerechnet wird.

Die Kirchen begrüßen es zwar im Grundsatz, dass die humanitären Bedürfnisse hier aufgewachsener Jugendlicher besonders in den Blick genommen werden. Gerade unter dem Aspekt des Kindeswohls, auf den es in diesem Zusammenhang maßgeblich ankommt, kann jedoch eine Trennung von Familien nicht die richtige Lösung sein. Die Verknüpfung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts mit der tatsächlichen Ausreise der Eltern sollte aus Sicht der Kirchen daher entfallen.


Artikel 3: Asylverfahrensgesetz

Nr. 9b) - § 14 Abs. 3 S. 3 AsylVfG-E

Die Fortdauer der Abschiebehaft über den Zeitraum von vier Wochen nach Stellung eines Asylantrags hinaus, die bisher lediglich in den Fällen der Ablehnung als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet möglich war, soll nun auf Fälle der Zuständigkeit eines anderen Staates nach den Dublin-Bestimmungen erstreckt werden. Diese Ausdehnung der Inhaftierung von Asylsuchenden lehnen die Kirchen ab.

Nr. 14 - § 18a Abs. 6 AsylVfG-E

Nach Artikel 20 der Richtlinie 2003/9/EG über Aufnahmebedingungen für Asylbewerber müssen Personen, die Folter, Vergewaltigung oder andere schwere Gewalttaten erlitten haben, im Bedarfsfall die erforderliche Behandlung erhalten. Dies müsste aus Sicht der Kirchen dazu führen, dass solche Personen nicht im Flughafentransit festgehalten würden. Denn dort kann der in Artikel 20 der Richtlinie beschriebene Bedarfsfall nicht angemessen festgestellt werden. Den betroffenen Personen müsste daher in jedem Fall die Einreise nach Deutschland gestattet werden.

Nr. 24b) - § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG-E

Künftig sollen nach diesem Vorschlag im Rahmen des § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG auch solche Asylanträge von Kindern als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden, die gemäß § 14a AsylVfG als gestellt gelten. Eine solche Regelung würde dem Sinn der Vorschrift, eine Verfahrensverzögerung durch rechtsmissbräuchliche Asylantragstellung zu verhindern, zuwiderlaufen. Denn ein aufgrund Gesetzes als gestellt geltender, vom Willen des Betroffenen völlig unabhängiger und seinem Einfluss entzogener Asylantrag kann schlechterdings nicht rechtsmissbräuchlich sein. Dementsprechend hat auch das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 21.11.2006 (1 C 10.06, DVBl. 2007, 446) festgestellt: „Ein nach § 14 a Abs. 2 AsylVfG als gestellt geltender Asylantrag kann nicht als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden.“ Dies bezieht sich nicht lediglich auf die geltende Gesetzesfassung, die diesen Tatbestand nicht enthält. Vielmehr argumentiert das Gericht mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift, Missbrauch zu sanktionieren. An der Gültigkeit dieses Einwands würde sich auch durch die vorgeschlagene Neuregelung nichts ändern.

Nr. 28 - § 34a Abs. 2 AsylVfG-E

Die vorgeschlagene Regelung führt dazu, dass der bisher nur für Abschiebungen in sichere Drittstaaten geltende Ausschluss des Eilrechtsschutzes nunmehr auch auf Abschiebungen in Staaten ausgedehnt wird, die nach der Dublin II-Verordnung für die Prüfung des Asylantrages zuständig sind.

Dies wird (vgl. S. 406) damit begründet, dass alle an der Dublin-Verordnung oder dem Dubliner Übereinkommen teilnehmenden Staaten gleichzeitig sichere Drittstaaten seien. Dies ist jedoch nicht das einzige nach den Dublin-Bestimmungen maßgebliche Kriterium. Vielmehr wird Asylbewerbern in diesen das Recht eingeräumt, ihr Asylverfahren in einem bestimmten Staat zu durchlaufen, sofern hierfür Anknüpfungspunkte (familiäre Bindungen, Schutz unbegleiteter Minderjähriger etc.) bestehen. Wird eine Abschiebung in einen anderen Staat lediglich aufgrund der Annahme der Verfolgungssicherheit sofort vollzogen, laufen diese humanitären Garantien der Verordnung (EG) 343/2003 ins Leere. Die vorgesehene Änderung kann insbesondere dazu führen, dass Mitglieder von Flüchtlingsfamilien, die auf verschiedenen Wegen nach Europa gelangt sind, für die Dauer des Asylverfahrens voneinander getrennt werden.

Die Kirchen fordern, effektiven – d.h. auch einstweiligen – Rechtsschutz gegen Entscheidungen über die Abschiebung in Dublin-Fällen zu gewährleisten.

Nr. 46a) - § 73 Abs. 1 AsylVfG

In einem früheren Stadium der Beratungen des Entwurfs war diskutiert worden, § 73 Abs. 1 AsylVfG um die Klarstellung zu ergänzen, dass sich die Situation im Herkunftsland grundlegend und dauerhaft verändert hat. Die Kirchen bedauern, dass eine entsprechende Klarstellung keinen Eingang in den nun vorliegenden Gesetzentwurf gefunden hat.

§ 73 Abs. 1 AsylVfG soll seinem Inhalt nach Art. 1 C Nr. 5 S. 1 GFK entsprechen (vgl. BVerwG 1 C 21.04 vom 1.11.2005, InfAuslR 2006, S. 244, 245). Danach dürfte der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung erst dann in Frage kommen, wenn die Verhältnisse im Herkunftsland sich grundlegend und dauerhaft verändert haben und aufgrund dieser Veränderungen sichergestellt ist, dass der Betroffene im Herkunftsland effektiven Schutz erlangen kann. Von einer effektiven Schutzgewährung ist erst dann auszugehen, wenn eine funktionsfähige Regierung und grundlegende Verwaltungsstrukturen vorhanden sind und eine angemessene Infrastruktur es den Einwohnern ermöglicht, ihre Rechte auszuüben. Eine rein physische Sicherheit für Leib und Leben ist nicht ausreichend (vgl. UNHCR, Richtlinien zum Internationalen Schutz: Beendigung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Artikels 1 C (5) und (6) GFK, Genf, 10. Februar 2003, Ziffer 14).
Demgegenüber stellt die deutsche Rechtsprechung lediglich darauf ab, ob die Verfolgungsgefahr entfallen ist. Das Fortbestehen allgemeiner Gefahren soll dagegen lediglich im Rahmen der allgemeinen ausländerrechtlichen Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes zu berücksichtigen sein (BVerwG a.a.O.). Diese Auffassung widerspricht der Intention des internationalen Flüchtlingsschutzes, neben dem unmittelbaren Schutz vor erlittener oder drohender Verfolgung dauerhafte Lösungen für Flüchtlinge zu schaffen. UNHCR betont, dass „Flüchtlinge Sicherheit haben müssen, dass ihr Status nicht ständig aufgrund vorübergehender Veränderungen – von nicht grundlegender Natur – der in ihrem Heimatland herrschenden Verhältnisse überprüft wird“ (Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, Nr. 112).


Artikel 6 Abs. 2:  Asylbewerberleistungsgesetz

Nr. 2 - § 2 Abs. 1 AsylbLG-E

Die Dauer des Bezuges der abgesenkten Leistungen nach dem AsylbLG soll von gegenwärtig 36 auf 48 Monate verlängert werden. Zur Begründung wird auf die vorgesehene Änderung der BeschVfVO verwiesen, nach der Geduldete künftig nach vier Jahren Aufenthalt unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt haben sollen. Die Kirchen begrüßen den erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt, sehen aber keine Notwendigkeit einer Verknüpfung mit einer weiteren Beschränkung der Sozialleistungen für Asylbewerber. Die Kirchen haben das AsylbLG, das für die dort genannten Personengruppen geringere Leistungen vorsieht als für Bezieher von Sozialhilfe und das immer wieder humanitäre Notlagen hervorbringt, stets grundsätzlich abgelehnt. Sie stehen einer zeitlichen Ausdehnung seiner Anwendbarkeit daher sehr kritisch gegenüber.

Die Etablierung eines verringerten Leistungsniveaus für bestimmte Ausländergruppen wird unter anderem damit begründet, dass diese Personen wegen der Vorläufigkeit ihres Aufenthaltes keinen Bedarf nach einer umfassenden wirtschaftlichen und sozialen Integration hätten. Selbst wenn man, anders als die Kirchen, dieser Argumentation folgt, wird deren Legitimation umso fragwürdiger, je länger der Aufenthalt der Betroffenen in Deutschland tatsächlich dauert.

Im Hinblick auf die weiteren Vorschriften des AsylbLG bedauern die Kirchen außerdem, dass verbindliche Vorgaben der Richtlinie 2003/9/EG über Aufnahmebedingungen für Asylbewerber durch den vorliegenden Gesetzentwurf nicht umgesetzt werden:

So sieht das AsylbLG entgegen Art. 20 der Richtlinie 2003/9/EG nach wie vor keinen Anspruch auf Behandlung für Opfer von Folter, Vergewaltigung oder anderen schweren Gewalttaten vor. § 6 Abs. 2 AsylbLG räumt bisher lediglich Inhabern von Aufenthaltserlaubnissen gemäß § 24 Abs. 1 AufenthG einen entsprechenden Regelanspruch ein.

Auch § 4 AsylbLG bedürfte im Hinblick auf Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2003/9/EG einer Erweiterung. Denn nach der Richtlinie ist die erforderliche Behandlung sicherzustellen, wohingegen § 4 Abs. 1 AsylbLG den Anspruch auf akute Erkrankungen und Schmerzzustände beschränkt. Die erforderliche Versorgung chronisch Kranker ist dadurch nicht gewährleistet. Wie die Praxis zeigt, kann diese Lücke nicht adäquat über die Auffangregelung des § 6 Abs. 1 AsylbLG geschlossen werden.                                                


Berlin, den 14. Mai 2007


Prälat Dr. Stephan Reimers 
Prälat Dr. Karl Jüsten