Kirche und Jugend. Lebenslagen, Begegnungsfelder, Perspektiven

Eine Handreichung des Rates der EKD, 2010, Hrsg. Gütersloher Verlagshaus, ISBN 978-3-579-05961-7

3. Kirche und Jugend - vielfältige Begegnungsfelder

3.1 Vielfältige Begegnungsfelder

Kirche begegnet Jugendlichen auf sehr unterschiedlichen und vielfältigen Feldern, an denen viele Menschen beteiligt sind. Dies wahrzunehmen ist ein wichtiger Schritt in der Profilierung des Verhältnisses der Kirche zur Jugend. Viele Begegnungsfelder überlappen sich und lassen sich nicht trenn scharf beschreiben. Jugendliche sind wie Erwachsene Kirche. Nur in der Zusammenschau lässt sich erfassen, was Kirche als Institution mit Jugendlichen bisher leistet und ausmacht und welche Möglichkeiten sie dafür eröffnet, dass sich Jugendliche selber begegnen. In vielen Bereichen haben sich in den letzten Jahren veränderte Arbeitsformen entwickelt, die bereits in der Praxis auf neue Formen der Verhältnisbestimmung zwischen Kirche und Jugend deuten. Daher lassen sich aus der Praxis Anregungen zur Weiterentwicklung des Beziehungsfeldes ziehen, es zeigen sich aber auch Probleme und Handlungsbedarf.

Da die Vielfalt der Möglichkeiten so groß ist, kann dieses Feld nicht in einer stringenten Ordnungslogik beschrieben werden. Der folgenden Darstellung liegt eine lebensweltliche Annäherung aus der Perspektive Jugendlicher zugrunde. Sie beschreibt verschiedene, sich gleichwohl überschneidende Orte der Begegnung von Kirche und Jugend.

Evangelische Jugendarbeit

Ein breites Begegnungsfeld der Kirche mit Jugendlichen ist die evangelische Jugend arbeit. Darunter werden örtliche Jugendgruppen, Jugendgottesdienste und Jugendkirchen, die offene Jugendarbeit und viele weitere Formen von Jugendarbeit zusammengefasst und die Gesamtzahl der außerschulischen Angebote der evangelischen Kirche, die nicht Teil der Jugendhilfe sind, beschrieben. Diese erreichen mit einer Viel falt unterschiedlicher Angebote eine große Zahl Jugendlicher. Eine Untersuchung der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend (aej) in Zusammenarbeit mit der Freien Universität Berlin aus dem Jahr 2007 stellt dar, dass 10% aller Jugendlicher in Deutschland und damit ca. 30% der getauften evangelischen Jugendlichen im Laufe ihrer Biographie Angebote der Evangelischen Jugend wahrnehmen. Wesentliche Motive der Teilnahme sind der Wunsch nach Kontakt und Gemeinschaft mit Gleichaltrigen, nach eigenen Entwicklungsmöglichkeiten, nach einer sinnvollen Tätigkeit und das Interesse an religiösen Inhalten. Evangelische Jugendarbeit bietet jungen Menschen Räume zur Selbstgestaltung und Selbstentfaltung sowie für soziale Lernerfahrungen. Ein Schwerpunkt wird auf religiöse Bildung gesetzt: Sie ermöglicht eine altersspezifische Reflexion des christlichen Glaubens. Sie orientiert sich an den Jugendlichen mit ihren Bedarfslagen, Bedürfnissen und Kompetenzen. Die Jugendlichen selbst sind wesentliche Subjekte und Ko-Produzenten und nicht nur Adressaten der Jugendarbeit und des Gruppengeschehens. Evangelische Jugendarbeit wird darum in vieler Hinsicht durch die jugendlichen Nutzerinnen und Nutzer bzw. durch ehrenamtliche Jugendliche gestaltet und verantwortet. Häufig ist die Jugendarbeit altersheterogen; ehrenamtliche Jugendgruppenleiter engagieren sich für jüngere Jugendliche oder leiten Kindergruppen. Ältere Ehrenamtliche und Hauptberufliche haben als Impulsgeber, pädagogisch kompetente Beratende und als Vorbilder die Funktion der Ermöglichung, der Unterstützung und Begleitung. Jugendarbeit ist mit ihren informellen und non-formalen Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten ein wichtiges Feld der Persönlichkeitsbildung und der (religiösen) Sozialisation. Sie bietet ein wichtiges Feld für aktuelles und späteres Engagement in Kirche und Gesellschaft.

Die evangelische Jugendarbeit ist in sich wiederum heterogen. Als institutionalisierte Evangelische Jugend (aej) umfasst sie die Gemeindejugend ebenso wie Jugendverbände, sie eröffnet Möglichkeiten des institutionellen Engagements, der Jugendkulturarbeit und des ökumenischen Lernens. Begrifflich werden sehr unterschiedliche Dinge damit verbunden. Nicht alle Angebote der Kulturarbeit mit Jugendlichen, des institutionellen Engagements oder der Jugendkulturarbeit verstehen sich als Evangelische Jugend.

ChurchNight - Reformation 31.10.

Seit 2006 organisiert das Evangelische Jugendwerk in Württemberg jährlich die bundesweite Kampagne "ChurchNight" zur Feier des Reformationstages. Die "ChurchNight"-Geschäftsstelle vernetzt vorhandene und neu entwickelte Angebote, sie unterstützt lokale Veranstaltungen (Abend- und Jugendgottesdienste, Film- und Gebetsnächte, Konfirmandenprojekte und Konzerte) und stellt mit einer Medienkampagne Öffentlichkeit her. Kirchengemeinden, Jugendwerke, Einrichtungen des CVJM und evangelisch engagierte Gruppen können durch Kooperation Teil der Kampagne werden. Ehren- und Hauptamtliche bereiten Gottesdienste und Veranstaltungen vor und setzen sich dabei aktiv mit den Kernpunkten und der Grundbotschaft der Reformation auseinander. Die Veranstaltungen sollen Lust auf eine moderne, lebendige, sich bewegende Kirche machen und Interesse am Glauben wecken. 2009 wurde der Angst als gegenwärtigem Lebensgefühl von Jugendlichen und Erwachsenen unter dem Motto "KeinAngstHase" die Botschaft "Fürchte dich nicht" entgegengesetzt und an mehr als 100 Orten in Deutschland im Rahmen einer "ChurchNight" konkretisiert.

Örtliche Jugendgruppen

Ein zentraler Ort der Begegnung von Kirche und Jugendlichen im Kontext der evangelischen Jugendarbeit sind evangelische Jugendgruppen. Die bereits erwähnte aej-Studie hat noch einmal deutlich gemacht, dass solche Gruppen für Jugendliche attraktiv bleiben - trotz oder gegen alle Individualisierungstendenzen. Häufig kommen Jugendliche mit diesen Gruppen vor oder nach der Konfirmation in Kontakt. Besonders günstig ist es, wenn der Kontakt zu Jugendgruppen während der Konfirmandenzeit gezielt eröffnet wird. Manchmal sind es die Familien, oft die Gleichaltrigen, die den Kontakt zu einer solchen Gruppe vermitteln. Diese "Jugendgruppen vor Ort" organisieren sich als Jugendgruppen einer Gemeinde (Junge Gemeinde oder Gemeindejugend) oder eines Jugendverbandes, wie zum Beispiel dem Christlichen Verein Junger Menschen (CVJM) oder dem Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP). In vielen Gruppen stehen für Jugendliche die Beziehungen zu den Gleichaltrigen im Vordergrund; der Bezug zur Kirche als Institution ist häufig wenig bedeutsam. Auch von vornherein auf eine begrenzte Zeit angelegte und auf ein bestimmtes Projekt hin konzentrierte Zusammenarbeit ist eine den Zeit- und Verpflichtungsbedürfnissen von Jugendlichen entgegenkommende Form von Gruppenarbeit. Viele dieser Angebote werden von Jugendlichen selbst organisiert und in unterschiedlichem Maße von beruflichen Mitarbeitenden unterstützt. Manchmal sind es Gemeindereferentinnen und -referenten, Diakoninnen und Diakone, die diese Arbeit anbieten, manchmal agieren Hauptamtliche im Hintergrund auf Kirchenkreis- oder landeskirchlicher Ebene und ermöglichen damit den administrativen und konzeptionellen Rahmen für diese Arbeit.

Eine Jugendgruppe in Hannover

Seit über dreizehn Jahren existiert in einer hannoverschen Gemeinde kontinuierlich eine Jugendgruppe von 13- bis 17-Jährigen mit 30, manchmal bis zu 40 Dauerteilnehmenden, die sich als Gruppenmitglieder verstehen, sowie wechselnden Gästen. Die Gruppe zeigt fast ideal typisch die wesentlichen Merkmale einer evangelischen Jugendgruppe:

Die Gruppe entsteht aus der Konfirmandenarbeit: Am Anfang dieser Gruppe steht eine Initiative einiger Teenies, die zwei Einheiten der Konfirmandenarbeit gestalten und begeistert von ihren neuen Plänen der Gründung einer Jugendgruppe erzählen. Es gelingt ihnen, die Gruppe für eine gemeinsame Pfingstfreizeit zu interessieren fast alle wollen mit.

Ein kompetentes Team: Das Mitarbeitendenteam besteht aus zwei pädagogisch erfahrenen "Älteren" (40 Jahre) und drei Jugendlichen. Sie bringen Zeit, (christliche) Motivation, eigenen Spaß an der Sache, Kreativität, Führungsqualität und "Charisma" mit sie sind authentisch und attraktiv für die jungen Leute.

Subjektorientierung: Das Team definiert sich nicht als Gegenüber, sondern als Kristallisationskern der Gruppe. Die Teamsitzungen werden für alle geöffnet. Die wöchentlichen Vorbereitungssitzungen werden nach einiger Zeit zum eigenen Event, an dem fast alle Kernmitglieder der Gruppe teilnehmen. Die Jugendlichen bestimmen die Inhalte wesentlich mit und identifizieren sich mit der folgenden Gruppenstunde.

Zugänge: Die Jugendlichen gewinnen ihren Zugang zur Gruppe durch ihre (religiöse) Sozialisation in Familie und Gemeinde, vor allem aber durch ihre Freunde, die begeistert von der Gruppe erzählen. Gemeinschaft: Die Jugendlichen bauen ein Beziehungsnetzwerk auf, das weit über die wöchentliche Gruppen stunde hinausgeht. Sie treffen sich in unterschiedlichen Konstellationen, aber ohne die ursprünglichen Teamer vielfach während der Woche.

Das Programm ist nicht der erste Attraktor, aber wesentlich für die dauerhafte Anziehungskraft: Es setzt auf ein Höchstmaß an Kreativität und Mitgestaltung durch Jugendliche. Inhaltlich sind Spiritualität (religiöse Erfahrungen), Glaubensfragen und Lebensthemen Jugendlicher und "Spaß" bestimmend.

Integration in die Gemeinde: Die Gruppe agiert eigenständig. Sie hat ihr eigenes Budget und niemand regiert in ihr Programm hinein. Die Gruppe nimmt am Gemeindeleben teil. Nach und nach werden zwei Jugendliche in den Kirchenvorstand gewählt, die Gruppe gestaltet regelmäßig den Hauptgottesdienst (mit) und baut zu anderen Gemeindegruppen (sogar zum Seniorenkreis) Kontakte auf. Sie ist im Gemeindeleben akzeptiert und darin integriert.

Jugendgottesdienste und Jugendkirchen

Jugendgottesdienste sind ebenfalls ein Teil der evangelischen Jugendarbeit und erwachsen oft aus der Arbeit mit Jugendlichen in kirchlichen Jugendgruppen, in der Konfirmandenarbeit und in Verbänden, wie zum Beispiel dem CVJM. Häufig sind es die Jugendlichen selbst, die Jugendgottesdiensten mit ihrer Kultur, ihren Lebensthemen und Fragen ihren unverwechselbaren Charakter geben und als Akteure den Gottesdienst als Erfahrungsfeld des evangelischen Glaubens selbst gestalten. Jugendgottesdienste erreichen häufig eine Zielgruppe, die über die Teilnehmerschaft einer Jugendgruppe am Ort hinausgeht. Dieses gilt insbesondere für Großveranstaltungen, zum Beispiel auf Kirchentagen, und für Events wie Landesjugendcamps oder das Christival. Sie haben damit auch missionarisches Potenzial in dem Sinne, dass sie junge Menschen, die kirchenfern oder glaubensdistanziert sind, in Kontakt mit dem Evangelium und mit authentischen und jugendkulturell angebundenen Erfahrungsfeldern des Glaubens bringen können. Die Studie "Konfirmandenarbeit in Deutschland" (2009) hat gezeigt, dass viele Jugendliche den Gottesdienst in der Konfirmandenzeit als "langweilig" erleben. Deswegen kommt Bemühungen um jugendgemäße und für Jugendliche attraktive Gottesdienste eine besondere Bedeutung zu. Die Möglichkeit, selbst Gottesdienst mitzugestalten, spielt dabei eine wichtige Rolle.

Die in den letzten Jahren an vielen Orten entstandenen Jugendkirchen wollen Jugendkulturen bzw. jugendliche Lebensthemen mit dem Evangelium in Beziehung setzen.

  • Jugendkirchen als "räumliches Angebot" bieten Jugendlichen einen sakralen Raum (eine alte Kirche beispielsweise) zur Aneignung und setzen dabei auf die "spirituelle Sprache des Raumes" ebenso wie auf inhaltliche, von Jugendlichen mitgestaltete Angebote.
  • Jugendkirchen als "Jugendgemeinden" sind oft aus Jugendgottesdiensten entstanden und legen den Fokus auf die Entwicklung einer geistlich geprägten Sozial gestalt und das Beziehungsnetz einer "jungen Gemeinde", die sich um den Gottes dienst zentriert, aber auch weitere vielgestaltige Formen von Gemeinde (Haus kreise, Bibelstudium, Gebets kreise, diakonische Arbeitskreise etc.) einschließt.
  • Jugendkirchen als "missionarische Gemeindegründungen" wollen in säkularisiertem Umfeld Gemeinde aufbauen und entwickeln sich von einem eher auf junge Menschen konzentrierten Angebot hin zu altersgemischten Gemeinden.

"HolyDays" ­ ein Jugendkirchenkonzept für den ländlichen Raum

Jugendkirchen erfordern normalerweise viele Ressourcen: einen Kirchenraum, Hauptberufliche und ehrenamtlich Mitarbeitende, Geld etc. Nicht von ungefähr existieren darum fast alle Jugendkirchenformen in Großstädten und Ballungsgebieten, selten in kleineren Städten. In ländlichen und, kirchlich gesehen, strukturschwachen Gebieten sind im Regelfall die Ressourcen zum Aufbau einer Jugendkirche nicht vorhanden. Das Jugendwerk der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Landeskirche hat darum ein Jugendkirchenmodell für den ländlichen Raum entwickelt: "HolyDays" die mobile Jugendkirche auf Zeit: Das Jugendwerk bietet Gruppen und Gemeinden in kleineren Orten und Dörfern an, für eine Woche mit einem Team anzureisen und gemeinsam mit den Jugendlichen und Mitarbeitenden vor Ort eine Woche eine Jugendkirche zu gestalten. Dazu können gemeinsames Leben (Schlafen, Essen, Hausaufgaben etc.) im Gemeindehaus gehören, Andachten, Freizeitgestaltung, Themenabende, spannende Aktionen und ein gemeinsam gestalteter Sonntagsgottesdienst. Und natürlich jede Form interessanter Aktivitäten "rund um Glauben und Leben", die Jugendliche und Teamer zusammen vorbereiten. Das Grundkonzept ist das Jugendkirchenkonzept: Jugendkultur und Glauben im Raum von Kirche zusammenzubringen. Das Projekt läuft seit zwei Jahren und das Team ist ausgebucht.

Offene Jugendarbeit

Formen der offenen Jugendarbeit, zum Beispiel Jugendclubs und Jugendzentren, bieten Jugendlichen eine niedrigschwellige Unterstützung, Lebenshilfe und sinnvolle Freizeitbeschäftigung. Die Grenzen zwischen offener Jugendarbeit und anderen Formen kirchlicher, gemeindebezogener oder verbandlicher Jugendarbeit einerseits wie auch zur diakonischen Arbeit andererseits sind fließend und nicht trennscharf. Offene Jugendarbeit umfasst eine Vielzahl von Facetten. Dazu gehören zum Beispiel Angebote der Jugendsozialarbeit, religiöse Angebote (u. a. in Jugendkirchen), unterschiedliche Bildungs- und Freizeitangebote wie auch die mobile Jugendarbeit und Streetwork-Arbeit. Ihre Offenheit ist durch einfachen Zugang charakterisiert. Offene Jugendarbeit bietet "Räume" in lokalem und inhaltlichem Sinn für Jugendliche unterschiedlicher Milieus und Bildungsgrade an. Arbeitsform ist primär nicht die verbindliche und durch inhaltliche Merkmale bestimmte Gruppe, sondern ein freies Gesellungsgebilde Jugendlicher - auch wenn Jugendliche dies als "Gruppe" und Gemeinschaft werten oder wenn mit der Zeit Gruppen mit festerer Struktur entstehen. Ziel ist es, Jugendliche über die kirchlichen Binnenzirkel hinaus zu erreichen. Offene Jugendarbeit ist sozialraumorientiert; ihre Nutzung durch Jugendliche ist durch die jeweils dort beheimateten Milieus und Bildungsschichten bedingt. In der Streetworker-Arbeit werden Jugendlichen in besonders schwierigen Lebenslagen Unterstützungssysteme geboten. Diese Form evangelischer Jugendarbeit ist häufig als Angebotsstruktur durch hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geprägt. In diesem Bereich sind Professionalität und eine kontinuierliche und finanziell abgesicherte Arbeit ohne vordergründige Erfolgs nachweise von hoher Bedeutung.

Jugendcafé in Leipzig

100 Kinder im Alter von 7 bis 25 Jahren besuchen das Jugendcafé des CVJM Leipzig e.V. pro Woche. Zwei hauptamtliche Mitarbeitende mit Praktikanten und den Besuchern setzen ganzheitliche freizeitpädagogische Methoden und niedrigschwellige Beratungssettings ein. In den gemeinsam frisch renovierten Räumen und im neu eröffneten "Kinderabenteuerland" (Außengelände) wird getanzt und geboxt, geklettert und gehüpft, gespielt, gekickt und ge-wii-t, getrommelt und gekocht, gebastelt, experimentiert und fotografiert. Konflikte werden ausgetragen, Ideen geschmiedet und Enttäuschungen geteilt. Hausaufgaben werden gemacht, Bewerbungen geschrieben und das Denken geschult. Feste werden gefeiert und Gottes Wirken in der Welt reflektiert.

TANDEM

Mit dem Projekt "TANDEM Bildungsförderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund" unterstützt die Evangelische Jugend in Kooperation mit den örtlichen Jugendmigrationsdiensten bundesweit Kinder und Jugendliche anderer Herkunft in ihrem sozialen Integrationsprozess. Die Projektpartner organisieren unter Beteiligung der Kinder und Jugendlichen verschiedene Aktionen von Musik-, Tanz- und Theaterprojekten, Kochgruppen und Fußballturnieren bis zur interkulturellen Konfliktmediation. Besonders wichtig ist es, die Zugangsschwellen zu Freizeiten zu senken.

Konfirmandenarbeit

Kirchliches Handeln von und mit Jugendlichen ereignet sich in der Gemeinde nicht zuletzt über die Konfirmandenarbeit. Sie gründet im Taufauftrag Jesu Christi (Mt 28,18ff.) und führt hin zur Konfirmation bereits getaufter bzw. zur Taufe noch nicht getaufter Jugendlicher im Alter von 14 Jahren. Konfirmandenarbeit ist ein Angebot für junge Menschen, um sie in ihrer religiösen Selbstbildung zu begleiten. Sie erreicht fast alle evangelischen Jugendlichen. Für viele von ihnen ist sie eine erste intensive Begegnung mit dem kirchlichen Christentum, obwohl die Mehrheit der Jugendlichen bereits vor der Konfirmandenzeit etwa mit kirchlichen Kinder- und Jugendgruppen in Kontakt war.

Die Konfirmandenarbeit wird im Rahmen landeskirchlicher Rahmenordnungen von der Gemeinde verantwortet und von Pfarrerinnen und Pfarrern und Diakoninnen und Diakonen bzw. Gemeindepädagoginnen und -pädagogen sowie vielen Ehrenamtlichen, besonders auch aus der Jugendarbeit, durchgeführt. Zwischen Ost- und Westdeutsch land gibt es beträchtliche Unterschiede in der Teilnahme an der Konfirmation. In Westdeutschland werden große Teile der Bevölkerung (mehr als 30% eines Jahrganges) mit der Konfirmation er reicht. In Ostdeutschland lässt sich ebenfalls die Mehrzahl der Getauften konfirmieren, aber diese machen nur einen kleinen Teil eines Jahrgangs aller Jugendlichen aus. Im Rahmen der Konfirmation gewinnt auch die Taufe an Bedeutung. In Ostdeutschland nimmt nach wie vor eine deutlich größere Zahl von Jugendlichen an der Jugendweihe teil.

Die lange Zeit vorherrschende Pfarrerzentriertheit in der Konfirmandenarbeit nimmt ab. Es wirken zunehmend Ehren amtliche mit, wie bereits konfirmierte Jugendliche oder junge Erwachsene ("Teamer"). In jüngerer Zeit gibt es darüber hinaus innovative Formen einer von mehreren Gemeinden gemeinsam verantworteten Konfirmandenarbeit wie regionale Konfirmandentage, regionale Gottesdienstangebote und "Konfi-Camps" sowie mehrwöchige Freizeiten, die bei den Jugendlichen große Zustimmung finden. Durch die Beteiligung von Ehrenamtlichen und durch regionale Angebote kommt es zum Teil zu neuen Formen der Vernetzung und Kooperation (vor allem) mit der evangelischen Jugendarbeit, die zugleich noch deutlich weiter ausgebaut werden könnten. Manchmal übernehmen auch die Eltern und Familien von Konfirmandinnen und Konfirmanden wichtige Aufgaben, etwa bei der Anmeldung zur Konfirmation, in der Unterstützung von Konfirmandenfreizeiten oder als Fahrdienst im ländlichen Raum.

Lutherspass.de

Das Internationale Konfirmandentreffen wird veranstaltet durch die Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt und findet jährlich am 30./31. Oktober in Wittenberg statt. Es hat sich in der Vergangenheit als eine Veranstaltung etabliert, die eine gute Ergänzung zur Konfirmandenarbeit in den Gemeinden vor Ort darstellt. Dabei stößt das Angebot deutschlandweit auf Resonanz. Die Teilnehmerzahl ist auf 500 Personen begrenzt. Spiel und Spaß gehören dabei genauso zu den Inhalten wie thematische Workshops, Andachten, eine Stadtrallye sowie ein Jugendgottes dienst und ein Umzug durch die Stadt am Reformationstag. Das Ambiente und die historische Bedeutung des Ortes sowie die mittlerweile achtjährige Erfahrung in der Vorbereitung des Konfirmandentreffens mit dem Aufbau eines wichtigen und erfahrenen Netzwerkes von freiwilligen Helfern, kulturellen Einrichtungen und Wirtschaftsbetrieben der Stadt und der Umgebung führten in der Vergangenheit zu einer großen Resonanz der Veranstaltung.

KonfiCastle

Konfirmanden verbringen ein Konfi-Wochenende mit ihrer Pfarrerin oder ihrem Pfarrer. Viele Konfirmanden fahren skeptisch mit, entdecken dann aber ein ganz anderes Konfirmandenwochenende, als sie es vermuteten. Das CVJM-KonfiCastle nimmt sie in seiner eigenen Dynamik mit. Jeweils von Freitag bis Montag begeistert es die Konfis und zunehmend mehr Pfarrer und Kirchengemeinden. Jedes Castle füllt mit ca. 220 Personen aus fünf bis zehn Gemeinden die Burg bis auf den letzten Platz. Der Leitsatz lautet: "KonfiCastle mehr als ein Erlebnis". Das Wochenende wird zu einer Zeit, um sein Leben und den Glauben neu zu sehen und zu erspüren. Hierbei ist das ganz persönlich ins Leben der Konfirmanden gesprochene Wort Gottes zentrales Anliegen. In der "PowerHour", im Gottesdienst und Abendgebet wird einladend verkündigt. Junge Christen sollen nicht nur als Mitarbeitende erlebt, sondern als Christen und Vorbilder authentisch greifbar werden. Singen und christliche Gemeinschaft bei Sport und Spiel aktiv zu erleben, ist für viele eine neue Erfahrung. Der Höhepunkt des KonfiCastles ist ein Gottesdienst, in dem das Kreuz in den Mittelpunkt gerückt und mit dem Leben verbunden wird. Das Kreuz wird erklärt, es wird gezeigt und gewinnt für manche eine neue Bedeutung. Junge Christen erzählen, wie sie ihren Glauben erleben: "Jesus für dich!" Das ist die Botschaft. Die Konfirmanden erfahren dies auch ganz konkret in Bezug auf ihre Konfirmation.

Neben dem Modell der Konfirmandenarbeit im Alter von 12 bis 14 Jahren hat sich in einigen Landeskirchen das Konzept einer zweiphasigen Konfirmandenzeit im Alter von 9/10 und 13/14 Jahren entwickelt. Damit soll eine längerfristige Begleitung von Jugendlichen und ein intensiverer Kontakt zu deren Familien erreicht werden. Die Erfahrungen mit diesem Modell sind gut. Das Angebot stößt bei allen Beteiligten auf positive Resonanz. Angebote für Kinder und Familien können in der Zeit zwischen den beiden Phasen dieses Konzept stützen. Dabei muss deutlich bleiben, dass ein Angebot der Konfirmandenarbeit in der Kindheit nicht auf Kosten von Angeboten für Jugendliche gehen darf. Erfolgreiche Arbeit im Kindesalter macht die Begleitung Jugendlicher nicht überflüssig.

Konfiweb.de

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern hat 2001 mit Konfiweb.de Motto "Abtauchen kannst Du woanders!" eine Kommunikations-Plattform für Konfirmandinnen und Konfirmanden eingerichtet. Die Initiatoren der Website haben sich zum Ziel gesetzt, aktuell und in jugendgemäßer Sprache Themen aufzugreifen, die Jungen und Mädchen im Konfirmationsalter beschäftigen: Konfirmation, Religion, Schule, Ausbildung, Freundschaft, Liebe, Sexualität, Filme, Medien. Über die verschiedenen Foren der Plattform können Konfirmandengruppen miteinander ins Gespräch kommen, sie können sich dort auch mit ihren Sorgen und Fragen an eine Online-Seelsorgerin wenden oder in den Online-Gewinnspielen mit der Bedeutung von "Christ-Sein" und den Kriterien für ein erfülltes und glückliches Leben spielerisch auseinandersetzen. Ziel ist es, Kreativität, Einfühlungsvermögen und die Reflexion von Glaubensfragen und Sachthemen sowie den Dialog untereinander und mit anderen Konfirmandengruppen zu fördern. Die verschiedenen Aktivitäten des Teams von Konfiweb.de beschränken sich nicht auf die Internet-Plattform. Man begleitet auch Konfi-Camps und unterstützt den Konfi-Cup und die regionalen Konfirmandentage.

Familienarbeit

Auch für Jugendliche sind häufig Familien der prägende Ort religiöser Sozialisation. Jugendlichen begegnet kirchliches Handeln in diesem Kontext überall dort, wo sie über ihre Familien mit der Institution Kirche in Kontakt kommen, zum Beispiel im sonntäglichen Gottesdienst und bei Kasualien im Verwandtschaftskreis. Die große Bedeutung von Familien wird häufig durch die Kirche nicht wahrgenommen.

In wenigen, aber zunehmend mehr Fällen brauchen Familien für diese Arbeit Unterstützung. Eltern und Paten stehen vor der besonderen Herausforderung, religiöse Sprachfähigkeit in einer multireligiösen und säkularisierten Welt zeigen zu müssen. Sie werden mit schwierigen Fragen konfrontiert, denen die Familien sich in unterschiedlichem Maße stellen. Eltern und Paten werden durch Gemeindearbeit, durch Familienbildungsstätten sowie durch diakonische Institutionen, wie zum Beispiel Erziehungsberatungsstellen in der Gemeinde, dem Kirchenkreis oder der Landeskirche, unterstützt. Aufmerksamkeit und Unterstützung bedürfen auch diejenigen Jugendlichen aus konfessionslosen oder kirchenkritischen Familien, die sich - oftmals auch gegen ihre Familien - zur Teilnahme an Gruppen und Angeboten der Kirche entscheiden. Hier drehen sich die Aufgaben um; nicht mehr der Jugendliche wird von der Familie in die Religion sozialisiert, sondern er muss die eigene Religiosität vor der Familie rechtfertigen. Manche Kirchen bieten für diese Situation spezifische Formen der Unterstützung, zum Beispiel Gespräche mit Eltern oder Informationsmaterial.

Unterstützung von Familien durch Briefe

"Konfi-Eltern-Briefe" beschäftigen sich mit Alltagsfragen von Familien rund um das Thema Pubertät: Streit, Schule, Freunde, Loslassen, Geld, Liebe, Sucht, Trennung und Scheidung, Werte. In den Briefen findet man Telefonnummern von Beratungsstellen, Buchtipps und Internet-Adressen zur Vertiefung einzelner Themen; beleuchtet werden die Themen zudem in christlicher Perspektive. Ziel ist es, Eltern zu sensibilisieren, ihnen Informationen gebündelt und verständlich weiterzugeben sowie konkrete Hilfestellungen anzubieten. Seit September 2005 gibt es zum Beispiel "Konfi-Eltern-Briefe" in der pfälzischen Landeskirche. Die Elternbriefe wurden in der Pilotphase zunächst in sieben Dekanaten über die jeweiligen Pfarrämter verteilt. Einige Kirchengemeinden boten flankierend Elterngespräche und Info-Abende zu einzelnen Themen an.

Schulische Bildung

In Mitverantwortung für die Zukunft der jungen Generation beteiligt sich die Kirche an der Gestaltung von Schule und eröffnet damit vielfältige Formen der Begegnung von Kirche und Jugend:

  • Religion gehört zum Leben und damit ebenso zum Lebensraum Schule. So gibt es an vielen Schulen von Jugendlichen selbstgestaltete Schülergebetskreise, Schulgottesdienste, Angebote der Schulseelsorge und christliche Arbeitsgemeinschaften. Die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den Kirchen gemeinden braucht ihrerseits Beziehungen zum Lernort Schule, denn dort verbringen die jungen Menschen den größten Teil ihres Alltags; dort setzen sie sich mit zentralen Fragen des individuellen und gesellschaftlichen Lebens einschließlich religiöser Inhalte auseinander. Die bisher wenigen Kooperationen zwischen kirchlicher Jugendarbeit und Schulen werden gerade auch aufgrund der Entwicklung der Ganztagsschulen an Bedeutung gewinnen.
  • Der Religionsunterricht ist eine Aufgabe der staatlichen Schule. Er ist keine Taufund Abendmahlsunterweisung und dient nicht der gemeindlichen Sozialisation (vgl. Identität und Verständigung). Gleichwohl ist er eine Chance für die Kirche, denn er erprobt unter den unterrichtlichen Voraussetzungen der Schule als ein Angebot an alle die Sprach-, Toleranz- und Dialogfähigkeit christlichen Glaubens in der Gesellschaft. Der Religionsunterricht ist angewiesen auf Orte gelebter Religion, praktizierten Glaubens und sichtbar gewordener christlicher Überlieferung außer halb seiner selbst.

"bet & breakfast"

In Niedersachsen hatten Schülerinnen und Schüler die Idee, in der Schule "etwas Spirituelles" zu machen: Damit war der Grundstein gelegt für das Projekt "bet & breakfast", das sie gemeinsam mit evangelischen und katholischen Religionslehrern entwickelten. Kern des Langzeitprojekts sind 20-minütige Andachten mit anschließendem Frühstück, die während der Passions- und Adventszeit in der Schule gefeiert werden. Grundidee bei der Konzeption der ersten "bet & breakfast"-Reihe war es, die Passionszeit als Fastenzeit mit dem Thema "Kreuzweg" stärker ins Bewusstsein zu rücken. In der darauf folgenden Advents-Reihe widmeten sich die An dachten dem Thema "Licht in der Finsternis"; in der dritten "bet & breakfast"-Reihe, wiederum in der Passionszeit, ging es um das Thema "Auf der Suche". Die Reihe "bet & breakfast" hat Einladungscharakter und bietet formal und inhaltlich ein Modell der Lebensdeutung an. Der Teilnehmerkreis setzt sich aus Schülerinnen und Schülern aller Jahrgänge zusammen. Seit Beginn des Projekts waren noch nie weniger als 25 Personen in den Andachten.

  • Daneben gibt es schulkooperative Projekte an außerschulischen Lernorten. In den neuen Bundesländern stellen Projekte wie die "Tage ethischer Orientierung" oder die "Religionsphilosophischen Schulwochen" oft die einzigen Formen der Begegnung von Jugendlichen mit Glaubensfragen und der Arbeit der Kirche dar.

Denkwege und Religionsphilosophische Schulwochen

Das Kultusministerium in Thüringen und die Evangelische Akademie Thüringen haben eine Vereinbarung zur Durchführung von Projekttagen getroffen, deren inhaltliche Schwerpunkte Demokratieerziehung und Grundwerteorientierung sind. Ein konkretes Angebot der Akademie dazu sind die philosophischen Projekttage "Denkwege", die Schülerinnen und Schüler ermutigen und befähigen, über ethische, politische, kulturelle und allgemeine Themen zu philosophieren. Projektarbeit wird als wichtiges Angebot für den Unterricht in Geschichte und Sozialkunde, Politik, Ethik, Religion und Literatur betrachtet.

Die Religionsphilosophischen Schulprojektwochen sind ein religionskundliches und werteorientiertes Angebot für Schülerinnen und Schüler an Gymnasien und Berufsschulen in Brandenburg und Berlin. Engagierte Vertreterinnen und Vertreter des Judentums, Christentums, Islam, Hinduismus und Buddhismus sprechen mit den Schülerinnen und Schülern über ihren Glauben. Exkursionen zu Gebetsstätten der Religionen ermöglichen einen unmittelbaren Einblick in die jeweiligen Religionspraktiken. In Wahlthemen diskutieren Fachleute mit den Jugendlichen über Fragen nach dem eigenen Lebenssinn und möglichen Zukunftsentwürfen. Durch die unmittelbare Begegnung mit fremden Religionen und Kulturen werden gegenseitiger Respekt und Toleranz gefördert.

  • Es gibt einige wenn auch noch wenige Partnerschaftsprojekte kirchlicher Institutionen mit Ganztags schulen. Insbesondere evangelische Tageseinrichtungen, die evangelische Jugendarbeit und die evangelische Kirchenmusik können gelungene Kooperationsprojekte mit Schulen vorweisen.
  • Schulen in evangelischer Trägerschaft sind ein wichtiger Beitrag zur Pluralität des öffentlichen Bildungswesens und eröffnen durch eine bewusst evangelische Prägung Zugänge zum christlichen Glauben (vgl. die Handreichung "Schulen in evangelischer Trägerschaft. Selbstverständnis, Leistungsfähigkeit und Perspektiven", EKD 2008).
  • In staatlichen Schulen unterrichten auch außerhalb des Religionsunterrichts evangelische Lehrerinnen und Lehrer, die sich als Christinnen und Christen um Bildungsprozesse bemühen. Das Wirken der Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Erzieher in Deutschland e.V. (AEED) ist der institutionelle Ausdruck dieses Engagements.

Diakonische Einrichtungen für Jugendliche

Diakonische Einrichtungen bieten ein Netz für Jugendliche, die einer besonderen Unterstützung bedürfen. Jugendberatung, Betreuungshelfer und Erziehungsbeistände sorgen für die ambulante Unterstützung von Jugendlichen bei Erziehungsproblemen, Schulversagen oder Lebenskrisen; Tagesstätten oder Horte ermöglichen nach der Schule eine qualifizierte Betreuung. Fördereinrichtungen und Erziehungsberatungsstellen unterstützen Eltern in ihrer Erziehungsarbeit. Für den Fall, dass das familiale Umfeld keine hinreichende Betreuung und Förderung bieten kann, betreibt die Diakonie zahlreiche Heime mit stationären und teilstationären Angeboten in Verbindung mit Wohngruppen für Jugendliche. Der Kontakt zu den Jugendlichen entsteht in diesen Fällen über die Schul- oder über die Jugendämter. Wichtig sind auch niedrigschwellige Angebote an Jugendliche zu deren Unterstützung, wie Mädchentelefone oder Street-Worker.

"Hand in Hand" Unterstützung von Familien

Familien geraten immer öfter in Situationen, die sie alleine nicht bewältigen können. Staatliche Einrichtungen sind manchmal nicht in ausreichendem Maße zur Unterstützung in der Lage. Das Projekt "Hand in Hand" im Evangelischen Dekanat Dreieich (Evangelische Kirche in Hessen und Nassau) wendet sich an Familien und Alleinerziehende, die sich in schwierigen Lebens lagen für eine begrenzte Zeit Unterstützung wünschen. Das Projekt will das soziale Netz der Familien stärken und einer möglichen Isolation entgegenwirken. Vorrangiges Ziel ist es, die begleiteten Familien zur Selbsthilfe zu befähigen. Eine neu eingerichtete Koordinationsstelle bildet ehrenamtliche Familienbegleiterinnen und -begleiter aus und betreut sie in ihrer praktischen Arbeit. Dazu gehören beispielsweise die Begleitung bei Behördengängen, Hilfestellung bei den Hausaufgaben und Unterstützung bei ihrer Betreuung, Kontakt zur Schule oder einfach nur ein "offenes Ohr" für die Sorgen der Familie.

Nussschale - ein Projekt der evangelischen Jugendhilfe

Manche Kinder und Jugendliche erleben ein Aufwachsen mit Hindernissen und Wirren. Häusliche Gewalt, elterliche Überforderung oder Flucht können dazu führen, dass Jugendliche straucheln und ein Leben führen, in dem Drogen, physische und psychische Aggressionen und Kriminalität auch für sie zum Alltag gehören. In dieser Lage kann Jugendhilfe zur rechten Zeit und in erforderlicher Intensität nachhaltig wirken.

Die evangelische Jugendhilfe bietet für Jugendliche mit gravierenden Verhaltensproblematiken wie beispielsweise Lernbehinderung, seelische Behinderung oder drohende Verwahrlosung sowie Schulverweigerung, Delinquenz oder Suchtgefährdung Möglichkeiten an, wieder Fuß zu fassen. In der Aufnahme- und Klärungsstelle "Nussschale" der diakonischen Einrichtung Herzogsägmühle in Oberbayern finden männliche Jugendliche einen solchen Ort. In einem intensiven Betreuungsrahmen wird den Jugendlichen innerhalb eines klar strukturierten Tagesablaufes und eines festen Regelsystems bei größtmöglicher Individualisierung der äußere Halt geboten, der für ihre Entwicklung notwendig ist. Durch regelmäßig stattfindende Einzelgespräche und ein bewusst gestaltetes Beziehungsangebot wird Verständnis für die Biographie und das individuelle Erleben des einzelnen jungen Menschen gewonnen. Die "Nussschale" ist damit ein erster wichtiger Schritt in ein selbstständiges Leben.

Berufliche Bildung

Die Kirche macht ihre berufsbezogene Bildungsverantwortung u. a. dort deutlich, wo Jugendliche in einer diakonischen Einrichtung, einem diakonischen Betrieb oder in der kirchlichen Verwaltung eine berufliche Ausbildung absolvieren. Darüber hinaus bieten viele evangelische Einrichtungen Maßnahmen im Rahmen der Jugendberufshilfe für Jugendliche mit besonderem Förderbedarf an, zum Beispiel in Form von Berufsgrundbildungsjahren (BGJ) oder Berufsförderungsjahren (BFJ).

Viele Angebote der außerschulischen Jugendbildungsarbeit in evangelischer Trägerschaft sind ebenfalls unmittelbar auf die berufsbiographischen Orientierungsnotwendigkeiten der Jugendlichen ausgerichtet, so etwa die Angebote der evangelischen Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung zum Thema "Jugend und Beruf" an den evangelischen Akademien. Ein bedeutsames gesellschaftspolitisches Signal wird durch dieses kirchliche Handlungsfeld dadurch gesetzt, dass die Angebote für Jugendliche unabhängig von konfessioneller und religiöser Zugehörigkeit zur Verfügung stehen.

Der Religionsunterricht in der beruflichen Bildung stellt ein weiteres wesentliches Praxisfeld dar, auf dem Jugendliche biographische, berufliche, religiöse und ethische Fragen miteinander verknüpfen und sich breite Kompetenzen für die Lebensführung aneignen können. Allerdings ist dieses Angebot im Fächerkanon beruflicher Schulen immer wieder bedrängt, mehr als 20% des vorgesehenen Religionsunterrichts an beruflichen Schulen wird nicht erteilt.

"pack's"

Der Christliche Verein Junger Menschen (CVJM) hat 2008 eine bundesweite Kampagne unter dem Titel "pack's - CVJM aktiv für Ausbildung" gestartet, die Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 27 Jahren ohne Ausbildungsplatz und Bildungsabschluss begleiten, fördern und unterstützen will: Es geht dabei um die Förderung zur Erlangung des Schulabschlusses, um Hilfe bei der Arbeitsplatzsuche und Bewerbung, um Begleitung während der Ausbildung, um (Teil-)Finanzierung eines Ausbildungsplatzes sowie Unterstützung bei Ausbildungsprojekten im Ausland. Es beteiligen sich über 100 örtliche Vereine des CVJM. Diese suchen einen Ausbildungsplatz oder leisten Hilfe beim Schreiben von Bewerbungen; ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des CVJM begleiten die Jugendlichen bis zum Schulabschluss oder durch die Ausbildung und eröffnen ihnen somit Zukunftsperspektiven. Zu den Aufgaben gehört des Weiteren, Schulen anzusprechen, die praxisnah auf den Beruf vorbereiten wollen, sowie Unternehmen, die nach Unterstützung bei der Ausbildung förderungsbedürftiger junger Erwachsener suchen.

Die Arbeit des Christlichen Jugenddorfwerks Deutschlands e.V. (CJD)

Im Übergang von der Schule in den Beruf bietet das CJD jährlich 150.000 jungen und erwachsenen Menschen Orientierung und Zukunftschancen. Sie werden von 8.000 Mitarbeitenden an über 150 Standorten gefördert, begleitet und ausgebildet. Grundlage ist das christliche Menschenbild mit der Vision: Keiner darf verloren gehen. Dabei steht neben der Wissensvermittlung immer auch die ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen, da sie die Voraussetzung dafür ist, erworbenes Wissen für sich und andere verantwortlich anzuwenden. Damit vertritt das CJD eine Auffassung von Bildung, die sich nicht mit formalen Bildungsabschlüssen begnügt, sondern jungen Menschen Orientierung gibt und sie stark macht, ihr Leben selbstbewusst und eigenverantwortlich zu führen. Die CJD-Pädagogik ist geprägt von den vier Kernkompetenzen: Religionspädagogische Bildung, Sport- und Gesundheitspädagogik, Musische Bildung und Politische Bildung.

Jugendkulturarbeit

Die vielfältigen Angebote von Musik, Theater, Sport, Erlebnis-, Spiel- und Medienpädagogik in der Kirche bieten für Jugendliche attraktive Möglichkeiten, ihre Kreativität, ihre Fähigkeiten, ihr Sozialverhalten, ihr Engagement und ihre Spiritualität zu entfalten. Oft verbindet sich dieses Engagement mit Formen von Jugendgottesdiensten. Durch das Engagement in Chören, kirchlichen Bands, Posaunenchören und Theatergruppen sowie bei der Mitarbeit in erlebnis- und spielpädagogischen Projekten eröffnen sich nicht nur Möglichkeiten der musischen, sondern auch der persönlichen Entwicklung. Für Jugendliche bieten diese Aktivitäten generationenübergreifende Begegnungsmöglichkeiten. Die Theaterarbeit hat eine lange Tradition insbesondere in der Form der Verkündigungsspiele im Advent, zu Weihnachten oder Ostern. Angebote der Erlebnispädagogik ermöglichen spirituelle Erfahrungen. Eine besondere Dimension menschlicher Existenz wird in der Spielpädagogik auf gegriffen. Im Spiel spiegelt sich das Leben im Allgemeinen mit seinen Strukturen und Trends, begegnen Menschen sich selbst und dem anderen und werden mit Trauer, Wut, Angst, Freude und Hoffnung konfrontiert. Die Sportarbeit in der evangelischen Jugendarbeit, zum Beispiel im CVJM, ist ein wichtiges Handlungsfeld, auf dem junge Menschen in ihrer Lebenswelt angesprochen werden. Sie bietet mehr als Gewinnen und Verlieren. Sie ermöglicht es, den eigenen Körper wahrzunehmen und Spaß mit anderen zu haben. Sie leitet dazu an, die Menschenwürde in Training, Spiel und Wettkampf zu achten. Aktive Medienpädagogik eröffnet es Jugendlichen nicht nur, sich aus einer vorwiegend rezeptiven Haltung Medien gegenüber zu lösen; sie setzt darüber hinaus Kreativität frei und fördert, als Teamarbeit angelegt, Kommunikation sowie Kooperation. Ausgangspunkte für medienpädagogische Projekte können sowohl lebensweltliche Alltagsthemen als auch religiöse Fragen der Jugendlichen sein. Experimentieren mit Medien wie Video oder Computer in Verbindung mit inhaltlichen Themen erweitert das Spektrum, sich zu artikulieren und sprachfähig zu werden.

Zentrum für soziales Lernen (ZfsL) Magdeburg

Das ZfsL ist ein erlebnispädagogisches Projekt der Evangelischen Jugend in Magdeburg. Hier engagieren sich Jugendliche und junge Erwachsene ehrenamtlich für benachteiligte Kinder und Jugendliche mit Angeboten im naturnahen Raum mitten in der Stadt. Im "Parcours der Achtsamkeiten" mit erlebnispädagogischen Elementen und einem begehbaren Labyrinth verbinden sich Naturerfahrungen mit sozialem Lernen und spirituellen Erlebnissen. Die erlebten elementaren Ereignisse führen häufig zu einem Aufbrechen alter Muster. In den Reflexionen des Erlebten (in Einzel- und Gruppensettings) spiegelt sich der oftmals problematische Alltag der Kinder und Jugendlichen. Was unter freiem Himmel aufgebrochen ist, findet seinen geschützten Ort im an schließenden Gespräch, wo Erfolge und Stolz, aber auch Ohnmacht und Wut mitgeteilt werden können. Hier wird Erlebnispädagogik zur sozial-diakonischen Arbeit und mitunter zur Seelsorge an Jugendlichen, denen im säkularisierten Alltag häufig die mitfühlen den Gesprächspartner fehlen.

"Highway to heaven" mit Streetsoccer ­- ein Projekt des CVJM Thüringen

Der CVJM Thüringen besitzt eine Streetsocceranlage, 15 mal 10 Meter. Innerhalb einer halben Stunde verwandelt die Socceranlage einen Marktplatz in eine Sportanlage, die Jugendliche in ihren Bann zieht. Ziel ist es, Jugendliche dort zu erreichen, wo sie sind. Die Ausstattung besteht aus einem LKW, dessen Kofferaufbau zu einem gemütlichen Sitzkasten umgebaut wurde und mit medialer Technik ausgestattet ist, der Socceranlage, einem Bistro und wahlweise einer Hüpfburg oder einer Spiele-Kiste. Ist die Anlage aufgebaut, wird sie bis zum Ende der Einsatzwoche meist ununterbrochen bespielt. Als Höhepunkt findet meist am vorletzten Tag ein Soccerturnier statt. 10 bis 15 Mannschaften kommen zusammen und treten gegeneinander an. Die offene Tür des LKWs mit der Aufschrift "Für Jesus unterwegs" laden ebenso ein wie das Gespräch mit den Mitarbeitenden am Bistrotisch und eine Kurzandacht vor der Siegerehrung.

Gesellschaftliches Engagement ökumenisches Lernen

Evangelische Arbeit mit Jugendlichen bietet - über das bereits genannte Engagement in den Vertretungsformen der Evangelischen Jugend hinaus - eine Vielzahl von Möglichkeiten zu gesellschaftlichem und politischem Engagement auf der Basis des christlichen Glaubens. Sie ermöglicht praktische Anknüpfungsmöglichkeiten für die "Sehnsucht nach Gerechtigkeit" und erprobt die Vision von "Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung" in zivilgesellschaftlichem und politischem Engagement, auch als ökumenisches Lernen. Evangelische Arbeit mit Jugendlichen bietet, quer zu den bereits genannten Feldern, Engagement in ökologischen, entwicklungsbezogenen und diakonischen Handlungsfeldern.

Freiwilligendienste im In- und Ausland bieten Jugendlichen die Chance, sich auszuprobieren, sich persönlich weiterzuentwickeln, eigene Fähigkeiten und auch eigene Grenzen zu entdecken. Gleichzeitig sind Freiwilligendienste gelebte Solidarität mit Hilfsbedürftigen in Deutschland und weltweit. Im Slogan "Für mich und für andere" werden die zwei Seiten der Freiwilligendienste zum Ausdruck gebracht.

Durch die Teilnahme am Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) und am Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ) kommen bei evangelischen Trägern (www.ev-freiwilligendienste.de) Jahr für Jahr über 6.000 Jugendliche in einer wichtigen Phase persönlicher und beruflicher Orientierung mit konkreten Arbeitsfeldern der Kirche und kirchlichen Einrichtungen in Kontakt und erfahren ihre Handlungsmöglichkeiten ganz konkret. Positive Erfahrungen dieser Art sind prägend und motivierend für den weiteren Lebensweg und späteres berufliches oder ehrenamtliches Engagement. Sehr häufig entscheiden sich Freiwillige später für ein Studium oder eine Ausbildung im sozialen oder theologischen Bereich und viele sind später in Kirche und Diakonie tätig.

Neben den Freiwilligendiensten im Inland bieten Träger wie die Evangelischen Freiwilligendienste für junge Menschen auch zahlreiche Möglichkeiten für Freiwilligendienste in ganz Europa und weltweit. Gemeinsam mit "Brot für die Welt" bieten sie beispielsweise Freiwilligeneinsätze in Ländern der Entwicklungszusammenarbeit an. Hier findet globales Lernen direkt vor Ort statt und die Jugendlichen lernen die Lebensbedingungen von Gleichaltrigen in diesen Ländern kennen. Ähnliche Programme gibt es beispielsweise beim Evangelischen Entwicklungsdienst oder beim Internationalen Christlichen Friedensdienst (EIRENE). Durch Aktivitäten des globalen Lernens erleben Jugendliche Perspektiven weltweiten gerechten Handelns und sie lernen Möglichkeiten eigenen Gerechtigkeitshandelns kennen, zum Beispiel im Rahmen des Fairen Handels. Sie lernen und üben die Wahrnehmung gesellschaftlicher und politischer Interessen für ihre eigenen Belange (zum Beispiel im Rahmen von Aktivitäten zur Jugendpolitik) und die Bedarfslage anderer (z. B. Armer und Benachteiligter).

Faire Postkarte

2005 wurde auf Initiative der aej in Kooperation mit dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend die "Faire Postkarte" mit integrierter CD-Rom ins Leben gerufen. Die CD hatte der Evangelische Entwicklungsdienst gefördert. Die Aktion intendierte, den von der Idee des Fairen Handels bereits begeisterten Jugendlichen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie ihre Freundinnen und Freunde auch dafür interessieren können. Die Postkarte ist unter dem Aktionslabel "be fair be friends" erschienen. Die in die Postkarte integrierte CD-Rom beinhaltet unter anderem Informationen zum Fairen Handel, Aktionsvorschläge, thematische Comics sowie ein Gewinn spiel. Alle In halte sind für Jugendliche ab 13 Jahren aufbereitet und sind auch als Material für Gruppenleitende und für den Schulunterricht nutzbar. Bei dieser CD war "Raubkopieren erwünscht", um möglichst viele junge Menschen zu erreichen.

Freiwilliges Soziales Jahr plus

Während des Freiwilligen Sozialen Jahres den Realschulabschluss erwerben das können voll jährige Hauptschulabsolventen zum Beispiel beim "FSJ plus" der Diakonie Württemberg. Mit diesem zweijährigen Modellprojekt will das Diakonische Werk Württemberg der wachsenden Gruppe von Freiwilligen mit Hauptschulabschluss größere berufliche Chancen ermöglichen. Teilnehmende am "FSJ plus" verbessern durch den Erwerb der Mittleren Reife und ihren Einsatz im sozialen Bereich ihre Chancen auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt. Etwa die Hälfte der Zeit arbeiten die Freiwilligen in einer Einsatzstelle der Diakonie Württemberg, zum Beispiel in Wohngruppen für Menschen mit Behinderungen und in Altenpflegeheimen. In der anderen Zeit besuchen sie eine Schule, in der sie auf die Prüfung vorbereitet werden. Daneben bietet das Diakonische Werk Württemberg über die gesamte Dauer hinweg individuelle Unterstützung und ein umfangreiches Seminarangebot an.

Jugendpreis "IQuer" - für engagierte Querdenker

Unter dem Leitgedanken "Demokratie braucht Verantwortungseliten" hat die Evangelische Akademie der Pfalz ihren Jugendpreis "IQuer" für engagierte Querdenker ins Leben gerufen. Der Preis wurde erstmals 2005 vergeben, und zwar für die Planung und Umsetzung eines Stadtjugendparlaments, für die Konzeption einer nicht-kommerziellen Schülerförderung sowie für die Erarbeitung eines naturwissenschaftlichen Projekts zur Nutzung regenerativer Energien. Die Akademie hatte bei der Ausschreibung des Jugendpreises "IQuer" für Querdenker im Alter von 16 bis 24 Jahren kein bestimmtes Thema vorgegeben. Das Spektrum der eingereichten Essays reichte von jugendpolitischem Engagement über Naturwissenschaften, Reflexionen über das Grundgesetz vor dem Hintergrund der Diskussion über innere Sicherheit und Gedanken über Armut und Reichtum bis zu Erfahrungen mit Mediation. Wer ausgezeichnet wird, erhält neben dem Preisgeld vor allem die Chance, sich und die eigenen Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Die Preisträgerin oder der Preisträger wird über einen längeren Zeitraum von einer renommierten Mentorin oder einem Mentor begleitet. Es sind Fachwissenschaftler oder Kultur schaffende, die in zukunftsrelevanten Bereichen arbeiten und forschen.

Möglichkeiten des (kirchen-)politischen Engagements in der Jugendarbeit

Evangelische Jugend auf den Sammelbegriff unterschiedlicher Begegnungsfelder zu reduzieren, griffe zu kurz. Sie ist als kirchliche Organisation auch ein eigenes Tätigkeits- und Bewährungsfeld für Jugendliche. Sie ermöglicht Jugendlichen, als Jugendgruppenleiter Verantwortung für andere wahrzunehmen. Jugendarbeit ist in eigenen Vertretungsstrukturen innerhalb der Kirche ausdifferenziert; sie ist in Kirchenkreisen, auf landeskirchlicher Ebene wie auf Bundesebene organisiert. Evangelische Jugendverbände haben dazu noch eigene Strukturen, sind aber gleichzeitig auch in Kirchen kreisen, landeskirchlichen Strukturen wie auf Bundesebene als Teil der Evangelischen Jugend integriert. Über diese Vertretungsstruktur haben Jugendliche die Möglichkeit, sich politisch wie kirchenpolitisch bis hin in Synoden zu organisieren, ihre eigene Arbeit zu koordinieren und mitzugestalten. Evangelische Jugend ermöglicht deshalb als eine politische Organisationsstruktur in Gemeinde, Kirchenkreis, Landeskirche und auf Bundesebene (kirchen-)politische Partizipation, die Einübung in demokratische Entscheidungsprozesse und die Wahrnehmung öffentlicher Verantwortung. Sie wird damit in dieser Qualität ein eigener Ort der Begegnung von Kirche und Jugend.

Ehrenamt in der Evangelischen Jugend

"Ich habe Freunde und Gleichgesinnte in der Evangelischen Jugend gefunden. Wenn man zusammen und frei willig über Themen und Aufgaben brütet und kreativ arbeitet, verbindet das ungemein. Immer wieder stand ich vor neuen Herausforderungen beim Halten einer spontanen Andacht, in spannungsreichen Konflikten oder beim Ausfall von Hauptamtlichen. Dabei wurde ich wesentlich selbstbewusster und ich habe gelernt, wenn ich mich einsetzte, verändert sich etwas. Ich habe Kirchenpolitik erlebt und >sogar< gemacht und dabei mehr über Politik und Demokratie gelernt als in jedem Politikunterricht meines Lebens. Mir sind Gespräche, Wahlen und offener Meinungsaustausch so vertraut und selbstverständlich geworden, dass ich mir ein Leben ohne nicht vorstellen kann. Es ging und geht mir bei meinem ehrenamtlichen Engagement in der Evangelischen Jugend nicht darum, etwas konkret zu lernen oder eine Fähigkeit zu entwickeln. Ich habe mich gerne engagiert und hatte einfach Spaß dabei. Ich weiß nicht, ob ich ein anderer Mensch geworden wäre ohne die Evangelische Jugend aber ich kann mit Überzeugung sagen, dass mich die Evangelische Jugend geprägt hat."

Studentin der Gemeindepädagogik, Evangelische Fachhochschule Berlin

Ausbildung und Konzeptarbeit: mittelbares kirchliches Handeln im Blick auf Jugend

Darüber hinaus gibt es Arbeitsfelder, in denen der kirchliche Einsatz für Jugendliche und die Arbeit über Jugendliche im Mittelpunkt stehen. Ein wichtiges mittelbares Arbeitsfeld kirchlichen Handelns im Blick auf Jugend ist die Ausbildung für diesen Arbeitsbereich. Wer in kirchlicher Verantwortung mit und für Jugendliche handelt, hat je nach Auftrag und Aufgabe ein bestimmtes Qualifikationsniveau und ein bestimmtes Kompetenzprofil aufzuweisen. Dies gilt selbstverständlich für Hauptamtliche, von wachsender Bedeutung ist die Ausbildung für die große Zahl an ehrenamtlichen und freiwilligen Mitarbeitenden, die sehr häufig jugendliche Mitarbeitende sind.

"Besucht euch selbst"

59 überwiegend ehrenamtliche Mitarbeitende wurden im Jahr 2007 in einer achttägigen Schulung der Evangelischen Jugend Leine-Solling fortgebildet. Die Vorbereitung auf die Leitung einer Gruppe stand unter dem Motto "Besucht euch selbst!"; denn wer Menschen in Gruppen anleiten möchte, der sollte zunächst viel über sich selbst erfahren, seine Grenzen kennen lernen und sich der eigenen Stärken bewusst sein. Daneben standen Programmgestaltung in Gruppen, Spielpädagogik, Gruppendynamik und Fragen der Aufsichtspflicht auf dem Programm.

Eine Vielzahl evangelischer Fachschulen für Sozialpädagogik, theologischer Ausbildungsstätten, evangelischer Fachhochschulen und anderer Ausbildungsstätten bilden Erzieherinnen und Erzieher, Religions- und Gemeindepädagoginnen und -pädagogen, Sozialpädagoginnen und -pädagogen sowie Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter aus. In den Ausbildungsphasen von Religionslehrkräften, Pfarrerinnen und Pfarrern sowie Entscheidungstragenden in der kirchlichen Verwaltung kommen Themen wie Jugend, Jugendarbeit, Jugendrecht vor. Allerdings ist der Umfang sehr unterschiedlich, in manchen Ausbildungsgängen und -stätten werden diese Themen nur als fakultatives Angebot gelehrt oder kommen gar nicht vor. Umso bedeutsamer sind Fort- und Weiterbildung, Schulung, Beratung, Begleitung und Unterstützung durch entsprechende Einrichtungen (Ämter für Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, Pädagogisch-Theologische Institute u. a.). Dabei geht es nicht nur um das breite Spektrum der Entwicklung von pädagogischen und theologischen Kompetenzen, sondern auch um Organisations-, Planungs-, Steuerungs- und Führungsfähigkeiten.

Eine Vielzahl von Organisationen bieten Qualifizierungen für die ehrenamtlichen Mitarbeitenden der Jugendarbeit an. Zum Teil sind es die Jugendverbände und Landesjugendämter selber, die Qualifizierung ermöglichen, zu einem geringeren Anteil auch kirchliche Anbieter außerhalb der Jugendarbeit.

Ein weiteres wichtiges Arbeitsgebiet ist das advokatorische Handeln der Kirche im Bereich der Jugend- und Schulpolitik, wenn es direkt oder indirekt um Belange von Jugendlichen geht, für die diese sich nicht selbst einsetzen können, zum Beispiel in der Jugend-, Bildungs-, Familien- und Beschäftigungspolitik auf kommunaler, regionaler, Länder- oder Bundesebene oder in der Jugendhilfeplanung. Dieses schließt das Bemühen ein, Jugendlichen zu ermöglichen, ihre Belange selbst zu artikulieren und zu vertreten, auch in kirchlichen Entscheidungsstrukturen. Um Jugend und das kirchliche Handeln mit und von Jugendlichen sichtbar zu machen, aber auch um Perspektiv- und Steuerungsentscheidungen zu unterstützen, sind Jugendforschung, Recherchen und Berichterstattung erforderlich. Die evangelische Kirche engagiert sich in diesem Bereich im Hinblick auf die Religion von Jugendlichen, ihre Werthaltungen und Deutungsmuster, ihre Strategien zur Bewältigung der sich ihnen stellenden lebenspraktischen Aufgaben, im Hinblick auf die pädagogische Praxis und deren Rahmenbedingungen an unterschiedlichen Bildungsorten (z. B. Jugendgruppe, Schule) und die jugendlichen Lern- und Lebenswelten.

3.2 Offene Fragen

Das dargestellte Angebot erfährt hohe Resonanz und stößt auf große Akzeptanz. Es ist an vielen Stellen professionell gestaltet. Es zeigt die Vielfalt als Profil der Begegnungsfelder zwischen Jugendlichen und evangelischer Kirche.

Dennoch sind einige Probleme nicht zu übersehen.

  • Viele Familien sind in ihrer eigenen Religiosität unsicher und können Jugendliche mit ihren Fragen und Zweifeln nur wenig begleiten. Manche Familien erweisen sich als fragil und daher auch damit überfordert, Jugendlichen die Unterstützung und Orientierung zu bieten, die diese für ihre religiöse Entwicklung benötigen. Die Shell-Jugendstudien wie auch andere Untersuchungen zeigen, dass sozial benachteiligte Jugendliche seltener als andere Jugendliche über gute Unterstützungsnetzwerke innerhalb ihrer Familie verfügen. Die Kirche muss sich ernsthaft fragen, ob sie an dieser Stelle genug leistet. Sozial benachteiligte Jugendliche finden zu manchen kirchlichen Angeboten kaum Zugang.
  • Die religiöse Sozialisation stellt angesichts der in unterschiedlicher Weise fortschreitenden Entwicklungen der Säkularisierung und Entkirchlichung sowie im Blick auf die zunehmende Multireligiosität und den boomenden quasi-religiösen Markt eine wachsende Herausforderung für die Kirche dar. Die beschriebenen kirchlichen Angebote müssen sich befragen lassen, ob sie sich dieser Herausforderung hinreichend stellen.
  • ­Zudem beschreiben und empfinden kirchliche Mitarbeitende die Angebote häufig als offene Angebote, Jugendstudien hingegen zeigen, dass diese Angebote gerade von vielen kirchenfernen Jugendlichen selber als eher geschlossen und für sie wenig zugänglich wahrgenommen werden.
  • Die gesellschaftliche Integration von Jugendlichen ist kein Automatismus. Die Jugendarbeitslosigkeit ist nach wie vor ein großes Problem. Auch für gut ausgebildete Jugendliche stellt der Übergang in den Beruf eine große Herausforderung dar. Auch Demokratie und Partizipation werden nicht selbstverständlich gelernt. Kirchliche Angebote müssen daraufhin geprüft werden, ob sie, trotz des beschriebenen Engagements, genügend zur gesellschaftlichen Integration beitragen und Jugendlichen hinreichende Möglichkeiten der Einübung in demokratische Strukturen und Formen der Partizipation eröffnen.
  • Manche gottesdienstlichen Formen strahlen nur wenig Attraktivität aus. Die traditionellen parochialen Angebotsformen mit hoher Kontinuität und die typischen Gemeinschaftsformen einer Kirchengemeinde entsprechen den durchschnittlichen Orientierungen und Alltagsrhythmen Jugendlicher ebenso wenig wie die Ästhetik vieler Kirchen und Gemeindehäuser. Die kirchlichen Sprach- und Ausdrucksstile lösen Fremdheits- und Unsicherheitserfahrungen aus; es kann nicht mehr von einer allgemeinen "religious literacy" ausgegangen werden.
  • Durch den Ausbau der Ganztagsschulen verändern sich die Möglichkeiten der Kirchen für das Angebot am Nachmittag. Die neuen Kooperationsmöglichkeiten zwischen kirchlichen Anbietern und Ganztagsschulen werden noch zu wenig genutzt.
  • Eigene kirchliche Studien legen nahe, dass sich das Alter der sich kirchlich beteiligen den Jugendlichen nach unten bewegt. Immer mehr jüngere Jugendliche lassen sich von kirchlichen Angeboten ansprechen. Von daher legt es sich nahe, genau zu prüfen und sich bewusst zu sein, welche jugendlichen Altersgruppen, aber auch welche jugendlichen Milieus durch Angebote erreicht werden können.
  • Viele der Angebote kirchlichen Handelns sind nicht aufeinander bezogen, sodass Jugendliche, die zum Beispiel der Konfirmandenzeit oder einer Jugendgruppe entwachsen, keine passende Anschlussaktivität finden oder Angebote nicht kennen.
  • In der Vielfalt der unterschiedlichen kirchlichen Handlungsfelder gelingt es häufig nicht hinreichend, die Botschaft des Evangeliums angemessen und das heißt in vielfältiger Weise im Sinne der in Kapitel 2 dargestellten Aspekte zu transportieren. Damit verliert das Angebot an Profil gegenüber anderen gesellschaftlichen Anbietern. Viele Jugendliche besuchen kirchliche Angebote, merken aber nicht, dass es sich um ein kirchliches Angebot handelt.
  • Menschen, die Verantwortung in den Strukturen der Kirche übernehmen, fällt es bisweilen schwer, die Vielfalt des kirchlichen Handelns mit und gegenüber Jugendlichen als notwendige Aktivitäten wahrzunehmen und aufeinander zu beziehen. Im Hinblick auf den Bezug regionaler Angebote aufeinander gibt es bisher ungenutzte Potenziale.
  • Kirche verliert professionelle Kompetenz in der Arbeit mit Jugendlichen: Häufig sind es die Unterstützungsstrukturen für die Jugendarbeit, die in Gemeinden, Kirchenkreisen oder Landeskirchen schneller als andere Einrichtungen finanziell gekürzt werden, wenn Kirchensteuern ausbleiben. Arbeitsbereiche für Jugendliche sind häufig entweder unterfinanziert oder von finanziellen Streichungen bedroht.
  • Kirchliche Angebote für Jugendliche werden durch ein breites Netz ehrenamtlicher Arbeit gestützt. Haltbar ist ein solches Netz nur durch professionelle Unterstützung hauptamtlicher Mitarbeitender in der Jugendarbeit der Gemeinden, Kirchenkreise und Landeskirchen. Für die Arbeit mit Jugendlichen sind Stellenanteile massiv weggebrochen. Hauptamtliche Stellen sind in Teilzeitstellen umgewandelt worden. Es ist zu vermeiden, dass sowohl das Netzwerk der Jugendarbeit als auch die Qualität der Angebote durch Reduzierung von Mitarbeitendenstellen gefährdet wird.

Kirche und Jugend. Lebenslagen, Begegnungsfelder, Perspektiven

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