„Luther-Oratorium als gelebte Ökumene“

Interview mit dem Texter und Pfarrer Christian Meißner

Martin Luthers Texte unterhaltsam aufbereitet: Der Berliner Pfarrer Christian Meißner setzt sich in seinem Text für das Oratorium Wir sind Bettler mit Ideen des Reformators auseinander. Den Anstoß gab der Komponist Daniel Pacitti aus Italien der ist zwar Katholik, kommt aber regelmäßig in Meißners Gottesdienste. Das Oratorium ist also gelebte Ökumene, sagte Meißner dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Schirmherrschaft übernahm Wolfgang Huber, ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland. Am 28. Juni wird das Oratorium in der Berliner Philharmonie uraufgeführt.

Pfarrer Christian Meißner
Der Berliner Pfarrer Christian Meissner hat den Text für das Luther-Oratorium „Wir sind Bettler“ geschrieben.

Herr Meißner, warum haben Sie aus Luther-Texten ein Oratorium geschrieben?

Christian Meißner: Daran ist der Komponist Schuld. Ich kenne Daniel Pacitti schon lange. Er ist eine meiner treuesten Gottesdienstbesucher, obwohl er katholisch ist. Das Oratorium ist also wirklich gelebte Ökumene. Pacitti wollte zunächst nur ein kurzes Stuck über Luther und die Liebe komponieren. Dafür habe ich ihm das Libretto geschrieben, orientiert an Luthers „Traubüchlein für die einfältigen Pfarrherren“. Als der Text fertig war, wollte Pacitti plötzlich anlässlich des 500. Reformationsjubiläums ein richtiges Luther-Oratorium mit großem Chor und Orchester schreiben. Da musste ich erst mal schlucken, weil das natürlich eine ganz andere Aufgabe ist. Aber ich habe es sportlich genommen und bin in meiner Freizeit tief in Luthers Texte und seine Sprache eingetaucht.

„Luther war widersprüchlich.“

Christian Meißner
Christian Meißner Pfarrer und Texter des Luther-Oratoriums „Wir sind Bettler“

Worum geht es Ihnen inhaltlich?

Meißner: Es geht um die Reformation, Luthers Kampf gegen den Ablasshandel und seinen Bruch mit dem Papsttum in Rom. Luther war widersprüchlich. Auf der einen Seite nutzte er eine wundervolle Sprache, die uns bis heute in den Bann zieht. Auf der anderen Seite war er sarkastisch und polemisch. Ich will Menschen, die bisher emotional und intellektuell noch nicht viel von der Reformation mitbekommen haben, neugierig machen. Ich möchte ihnen das Thema in zugleich allgemeinverständlicher und biblisch-theologisch gebundener Sprache nahebringen.

Welche Erfahrungen haben Sie beim Schreiben gemacht?

Meißner: Ich habe Phasen der Stagnation erlebt, in denen es mir fast bis ins Körperliche wehgetan hat, dass ich nicht richtig vorangekommen bin. Zwischendurch hatte ich auch immer wieder Zweifel, ob ich mich vielleicht übernommen habe. Als ich im Familienurlaub in Österreich auf dem Balkon saß, hatte ich einen richtigen Durchbruch. Ich habe mich entschieden, keine Collage aus Luther-Texten zu machen. Mich haben Bibelverse und Originaltexte inspiriert – die Dramaturgie habe ich mir selbst ausgedacht.

Das Interview führte Theresa Liebig (epd)


Das Luther-Oratorium „Wir sind Bettler“ wird am Mittwoch, 28. Juni um 20 Uhr in der Berliner Philharmonie aufgeführt.