Bedford-Strohm schlägt öffentlich-rechtliche Internetstruktur vor

Der oberste Repräsentant der deutschen Protestanten hält es für möglich, Facebook, Google und Co. die Stirn zu bieten und das Internet zu einem besseren Ort zu machen.

Heinrich Bedford-Strohm

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland

Mainz (epd). Aus Sicht des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sollte die Macht privater Konzerne im Internet gebrochen und über eine öffentlich-rechtliche Struktur nachgedacht werden. Die Demokratie sei bedroht, wenn die Logik des Kommerzes im Internet dominiere, sagte der oberste Repräsentant der deutschen Protestanten am Dienstag beim 6. Evangelischen Medienkongress. Stattdessen müsse eine Diskurslogik leitend sein.

Der bayerische Landesbischof sprach sich für eine Struktur auf europäischer Ebene analog zu den öffentlich-rechtlichen Medien aus. „Warum sollten wir das nicht einfach mal wagen zu denken?“, fragte Bedford-Strohm, der sich ein an der Menschenwürde orientiertes Internet wünscht und Hass und Demokratiefeindlichkeit in den etablierten Netzwerken beklagte.

Die Informatikerin Constanze Kurz warf Google und Facebook bei dem digitalen Kongress demokratiegefährdende Intransparenz vor. „Wir wissen immer noch zu wenig, wie diese Konzerne eigentlich funktionieren“, sagte die Sprecherin des Chaos Computer Clubs. Die Enthüllungen der Facebook-Whistleblowerin Frances Haugen hätten zwar einen Imageverlust zur Folge, werden nach Ansicht der Expertin aber das Agieren des Unternehmens nicht grundlegend ändern.

„Software ist kein Wetterphänomen oder passiert. Software wird gestaltet, hat Auftraggeber“, sagte Kurz. Es sei ein Popanz zu sagen, dass ein Algorithmus entscheide, was Internetnutzern gezeigt wird. Manipulation in Netzwerken werde gestaltet. „Oder jemand hat nicht verhindert, dass es so gestaltet wird“, sagte Kurz.

Gleichwohl habe jeder einzelne die Chance, sich gegen die Macht der Werbe-Netzwerke zu wehren, indem er sich besser informiert und eine entsprechend bewusste Entscheidung über deren Nutzung trifft. „Aber es wäre auch wichtig, dass die politischen Entscheider sehr viel stärker Einfluss nehmen“, sagte sie.

Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung äußerte sich im Gespräch mit Kurz ratlos, welche Schlüsse die evangelische Kirche aus der Dominanz der Konzerne und den Gefahren der Manipulation für ihre eigene Kommunikation ziehen soll. Mit eigenen technischen Plattformen würden nur wenige Menschen erreicht, gleichwohl sehe man Präsenzen bei Facebook und ähnlichen reichweitenstarken kommerziellen Netzwerken kritisch. „Ich sehe da im Moment keinen gangbaren Weg“, sagte Jung, der im Rat der EKD für Medienthemen zuständig ist.

Der „Spiegel“-Journalist und Buchautor Thomas Schulz pflichtete Jung bei. Wer sich aus den großen Netzwerke verabschiede, verliere den Kontakt zu sehr vielen Menschen. Es sei schwierig, alternative Plattformen aufzubauen.

Der am Mittwoch endende zweitägige Evangelische Medienkongress widmet sich dem Thema „Kitt oder Keil? - Zur gesellschaftlichen Rolle der Medien“. Wegen der Corona-Pandemie findet er in diesem Jahr digital statt. Der Kongress wird alle zwei Jahre von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) veranstaltet, die in diesem Jahr mit dem ZDF in Mainz kooperiert.

Evangelischer Medienkongress

Thema „Kitt oder Keil? - Zur gesellschaftlichen Rolle der Medien“