Diakonie-Präsident Lilie: Menschenwürdige Arbeit muss sichergestellt sein

Katholischer Theologe Kossen will Fleischlabel für faire Arbeitsbedingungen

Der sogenannte 'Arbeiterstrich': Dortmunder Mallinckrodtstraße zwischen Café Europa und Nordmarkt

„Der Arbeiterstrich“ wird die Dortmunder Mallinckrodtstraße zwischen Café Europa und dem Nordmarkt genannt. Es gibt ihn, seit Rumänien und Bulgarien 2007 der EU beigetreten sind und immer mehr der neuen EU-Bürger ihr Glück hier versuchen.

Lengerich/Berlin (epd). Diakonie-Präsident Ulrich Lilie wirbt dafür, generell mehr gegen Ausbeutung und Menschenhandel in Deutschland zu tun. „Die Corona-Krise leuchtet viele Themen aus, die vorher politisch eher unterbelichtet und gleichwohl unhaltbar waren“, sagte Lilie am Freitag in Berlin. Deshalb begrüße die Diakonie Deutschland den Vorstoß von Arbeitsminister Hubertus Heil, die in der Fleischindustrie weit verbreitete Arbeitsausbeutung abzuschaffen. Gleichzeitig fordert Lilie die Bundesregiertung auf, den Blick auch auf Betroffene in anderen Branchen zu richten.

Lilie bezeichnete die Lebens- und Arbeitsbedingungen vieler Arbeitnehmer, insbesondere aus anderen EU-Ländern, im Niedriglohnsektor in Deutschland als „unhaltbar“. Ob auf dem sogenannten „Arbeiterstrich“ für Tagelöhner oder oft auch in Industrie, Logistik oder Hotel- und Gaststättengewerbe, in der Saisonarbeit und Landwirtschaft, oft seien Menschen unter teils skandalösen Bedingungen und zu Niedrigstlöhnen beschäftigt.

Kossen: Faire Arbeitsbedingungen mit Label unterstützen

Der katholische Pfarrer Peter Kossen hatte ein Label für faire Arbeitsbedingungen und Entlohnung in der Fleischindustrie vorgeschlagen. Damit könnten die Verbraucher ein angemessenes Verhalten von Unternehmern unterstützen und die in der Branche bislang übliche Ausbeutung von Leih- oder Werkvertragsarbeitern boykottieren, sagte Kossen dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Kossen betonte, immer mehr Menschen seien bereit, einen Euro mehr für Fleisch und Wurst zu bezahlen, wenn die überwiegend aus Osteuropa stammenden Arbeiter anständig behandelt würden. Bislang sei aber nicht erkennbar, wo und unter welchen Bedingungen das Fleisch verarbeitet worden sei. Der Priester ist im nordrhein-westfälischen Lengerich in der Nähe von Osnabrück tätig. Er hatte sich schon während seiner Tätigkeit im Offizialatsbezirk Vechta für die Rechte osteuropäischer Arbeiter in der Fleischindustrie starkgemacht und Missstände angeprangert.

Unwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen

Kossen sagt, die Corona-Krise lenke jetzt das Licht der Öffentlichkeit auf die menschenunwürdigen Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitsmigranten. Er hoffe, dass dadurch endlich auch die Politik reagiere und die verbotenen Praktiken des Lohndumpings und der Massenunterbringung zu Wuchermieten beende. Die Leiharbeit in den Betrieben müsse insgesamt begrenzt werden.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hält ein Label für nicht praktikabel und wenig erfolgversprechend. Die 2015 eingeführte freiwillige Selbstverpflichtung der Fleischindustrie habe sich überhaupt nicht ausgewirkt, sagte eine Sprecherin. Die notwendige Kontrolle bei einem verbindlichen, flächendeckenden Label sei aber aufwendig und müsste von staatlichen Stellen vorgenommen werden.