EKD-Kulturbeauftragter sieht RTL-Event zu Ostern als Chance

Ostergeschichte neu interpretieren

Johann Hinrich Claussen

Johann Hinrich Claussen, EKD-Kulturbeauftragter

Essen (epd). Der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Johann Hinrich Claussen, sieht das geplante RTL-Live-Event „Die Passion“ in Essen als Chance, die Ostergeschichte neu zu interpretieren. Die Passionsgeschichte von Leiden, Sterben und Auferstehung Christi sei nicht Eigentum der Kirche, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Wir erleben, dass wir als Kirchen nicht mehr unhinterfragt die Interpretations- und Deutungshoheit haben, und das müssen wir auch gar nicht.“

Der Kölner Privatsender RTL ist nach Beobachtung des EKD-Kulturbeauftragten schon seit einiger Zeit um mehr Qualität bemüht. Von daher sehe er das geplante Live-TV-Event in der Karwoche als einen „bedeutsamen Versuch, die Passionsgeschichte unter den Bedingungen einer spätmodernen Popularkultur im Fernsehen und nicht nur dort zu präsentieren“. Es sei „ziemlich anspruchsvoll“, die alte Geschichte neu zu erzählen. Zugleich gebe es dafür bewährte Muster und Vorbilder wie die beliebten Oberammergauer Passionsspiele.

Der Theologe begrüßte das Engagement der evangelischen und katholischen Kirchen sowohl vor Ort als auch bundesweit, Begleitprogramme für die Open-Air-Veranstaltung am Essener Dom und eine zeitgleiche Kreuzesprozession anzubieten. Durch begleitende seelsorgliche Angebote und Begegnungen in Gemeinden vor Ort sei das Fernseh-Event eine vielschichtige „Hybridveranstaltung“. Die Kirchen sollten sich „als kompetente Gesprächspartner ins Spiel bringen“ und nicht als Trittbrettfahrer fühlen, rät Claussen: „Auf einen guten Zug kann man gerne aufspringen.“

Angesichts einer plakativen RTL-Werbekampagne mit Jesus als strahlendem Superhelden unter dem Motto „Die größte Geschichte aller Zeiten“ mahnte der Leiter des Berliner Kulturbüros der EKD jedoch auch eine kritische Begleitung an. Knalleffekte seien wichtig, um massenwirksam zu sein, aber es dürfe nicht zum Bild eines „heldischen Christus“ wie im Nationalsozialismus kommen. Zudem sei die Passionsgeschichte immer auch in Gefahr, antijüdisch ausgelegt zu werden. Beides müsse bei einer möglichen Evaluation mit bedacht werden.

Claussen erinnerte zudem daran, dass Ostern Ausdruck für „das Verletzliche, das Zarte und das Verstummende“ sei. In Zeiten von Krieg und Corona, die „die Verletzlichkeit und Gefährdung unseres Lebens“ verdeutlicht hätten, seien aktuell auch diese Aspekte der biblischen Erzählung besonders wichtig. Zu Ostern gehe es um eine Hoffnungsperspektive und darum, zu zeigen, „dass wir solidarisch sind mit Menschen, die leiden“.

epd-Gespräch: Bettina von Clausewitz