Perspektiven für diakonisch- gemeindepädagogische Ausbildungs- und Berufsprofile

Tätigkeiten – Kompetenzmodell – Studium, Hrg. EKD-Texte 118, 2014

1. Auftrag des Rates, Ziele der Arbeit, Arbeitsprozess der Kommission

Im Raum der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sind Mitarbeitende mit diakonischen und gemeindepädagogischen Berufsprofilen in zahlreichen kirchlichen Handlungsfeldern sowie in Arbeitsfeldern der Diakonie, der Entwicklungsarbeit und der Bildung tätig. Professionell gestalten sie diakonisch-gemeindepädagogische Aufgaben in der kirchlichen Kinderund Jugendarbeit, in Kinderund Jugendgottesdiensten, in Besuchsdiensten, in der Hospizund Behindertenarbeit, in Kleiderund Tafelläden, in diakonischen Zentren und in der Erwachsenenbildung. Sie unterrichten an Schulen im Religionsunterricht, arbeiten in der Schulsozialarbeit oder in der schulnahen Jugendarbeit, sie bauen Brücken zu Kindertagesstätten oder zu diakonischen Unternehmen, bringen diakonische Projekte voran oder wenden sich zielgruppenorientiert der Arbeit mit Familien oder Menschen im dritten und vierten Lebensalter zu. Sie kommunizieren das Evangelium in Tat und Wort.

Ebenso vielfältig wie das Aufgabenfeld ist die Ausbildung, die in einer historisch gewachsenen, oft regional spezifizierten Ausbildungslandschaft erfolgt, deren Standards unterschiedlich sind und die eine ständige Klärung der Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen in den Gliedkirchen erzwingen. Dadurch erleben die in diakonisch-gemeindepädagogischen Berufsprofilen Tätigen unzureichende Mobilitätsund Entwicklungsmöglichkeiten. Für Studieninteressierte ist kaum zu erkennen, welches Studium oder welche Ausbildung in allen Gliedkirchen Anerkennung findet und welche beruflichen Weiterqualifizierungsoptionen es gibt. Diese Situation hat sich seit der Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge im Zuge des Bologna-Prozesses nochmals verschärft. Auch durch veränderte Anerkennungsverfahren entstanden neue Hochschulen und Studiengänge für die diakonischen und gemeindepädagogischen Berufsfelder auf einem internationalen Bildungsmarkt. Die mangelnde Transparenz in der Vergleichbarkeit von Studien- und Ausbildungsgängen, die erschwerte Mobilität innerhalb der EKD sowie die unzureichenden beruflichen Weiterentwicklungsmöglichkeiten beeinträchtigen die Attraktivität der diakonisch-gemeindepädagogischen Berufsfelder und ihrer Studien- und Ausbildungsgänge.

Daher hat der Rat der EKD im Januar 2011 die Ad-hoc-Kommission „Diakonische und gemeindepädagogische Ausbildungsund Berufsprofile“ eingesetzt, die im Juni 2011 ihre Arbeit aufnehmen konnte. Der Rat hat der Kommission zuerst die Aufgabe gestellt, Module und Zertifikate kirchlicher und diakonischer Ausbildungsstätten und -gänge sowie deren Anerkennung durch die Gliedkirchen transparenter aufeinander abzustimmen und auf diese Weise Durchlässigkeit zu verbessern. Eine im Raum der EKD einheitlichere Standardisierung und Anerkennung für diakonisch-gemeindepädagogische Ausbildungsabschlüsse sollte in den Blick genommen werden, um die qualitative Weiterentwicklung der diakonischen und gemeindepädagogischen Berufsprofile in der Kirche und ihrer Diakonie voranzubringen sowie die Mobilität der beruflich Tätigen und ihre berufliche Weiterentwicklung genauso wie die Nachwuchswerbung zu befördern. Denn angesichts des durch den demographischen Wandel verursachten Fachkräftemangels in den Pflege-, aber absehbar auch in den sozialen und pädagogischen Berufen sind die evangelische Kirche und ihre Diakonie darauf angewiesen, ihre Berufe attraktiver zu gestalten und die Nachwuchsförderung und Fachkräftegewinnung für kirchliche Berufe in den kommenden Jahren zu verstärken. Vor diesem Hintergrund verdichten sich die Handlungsnotwendigkeiten auch im Blick auf die Ausbildungen und das Studium für die diakonischen und gemeindepädagogischen Aufgabenfelder: Nur wenn Klarheit und Transparenz hinsichtlich der Anerkennung von Abschlüssen bzw. der Vergleichbarkeit von Studienleistungen geschaffen werden, wenn berufliche Entwicklungsperspektiven deutlich sind und berufliche Mobilität realisierbar ist, werden sich junge Menschen auch weiterhin für diakonisch-gemeindepädagogische Berufsprofile gewinnen lassen. Im Blick auf die Gestaltung und die Anerkennung von kirchlichen und diakonischen Ausbildungsund Studiengängen bietet die Orientierung am Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) die Chance, bei professioneller Tätigkeit in der Kirche und ihrer Diakonie deutschlandweit und europäisch anschlussfähig zu sein.[1]

Der Vergabe des Arbeitsauftrages an die Kommission vorausgegangen war im März 2010 ein Hearing in Kassel zum Thema „Berufsprofile und Abschlusszertifikate in Diakonie, Gemeindeund Religionspädagogik“ unter breiter Beteiligung der Evangelischen Hochschulen, der Vertreterinnen und Vertreter der gemeindebezogenen Dienste aus den Gliedkirchen der EKD, des Verbandes evangelischer Diakoninnen und Diakone, der Diakonissen-Mutterhäuser und der missionarischen Ausbildungsstätten. Das Ergebnis dieses Hearings, die „Kasseler Erklärung“, wurde im Januar 2011 bei Einrichtung der Ad-hoc-Kommission im Rat der EKD diskutiert. Die Ad-hoc-Kommission sollte die Ziele der „Kasseler Erklärung“ aufgreifen.

Jährlich erwerben etwa 1.200 Absolventinnen und Absolventen aus diakonischen oder gemeindepädagogischen Ausbildung- und Studiengängen im Bereich der EKD einen berufsqualifizierenden Abschluss für die Tätigkeit in der evangelischen Kirche und der Diakonie.[2] Diese Zahl entspricht in etwa der Anzahl derer, die jährlich in allen Gliedkirchen der EKD das Vikariat beginnen. Sie weist hin auf das große Potential besonders unter den jüngeren Menschen, die in der evangelischen Kirche und ihrer Diakonie im diakonisch-gemeindepädagogischen Berufsfeld tätig werden wollen. Das ist angesichts des demographischen Wandels und des damit verbundenen Fachkräftemangels ein großer Schatz für unsere Kirche, der aber auch eine Herausforderung beschreibt für die Entwicklung der Berufsfelder wie der Ausbildungsgänge.

Damit die Kirche mit ihrer Diakonie auch in Zukunft nahe bei den Menschen das Evangelium in Wort und Tat kommunizieren und die befreiende und tröstende Kraft des Evangeliums von Jesus Christus durch konkrete Taten der Nächstenliebe und das Engagement für Bildungsgerechtigkeit erfahrbar machen kann, ist sie darauf angewiesen, dass sich die unterschiedlichen Berufsprofile in der Kirche gegenseitig ergänzen und bereichern. Das Spezifikum der diakonisch-gemeindepädagogischen Berufsprofile ist die interprofessionelle Tätigkeit für wechselnde Zielgruppen oder Aufgabenfelder.[3] Die Kommunikation des Evangeliums erfolgt dabei in den Modi des Lehrens, der Hilfe zum Leben und der Gestaltung zielgruppenadäquater gemeinschaftlicher liturgischer Feier.

Für diese Begleitung in spezifischen Lebenslagen und auf dem Weg des Glaubens fördern und integrieren diakonisch-gemeindepädagogisch Tätige die Expertise freiwillig Mitarbeitender.

Die Formen bildenden Handelns, die in Kirche und Diakonie nötig sind, um Menschen das Evangelium zu erschließen und seine Bedeutung für gelebtes Leben sowie für reflektierten und gelebten Glauben auch der nächsten Generation zu zeigen, sind auf theologische und pädagogische Kompetenz aus verschiedenen Fachwissenschaften angewiesen. Auch in allen Formen des unterstützenden bzw. helfenden Handelns profitiert die Kirche mit ihrer Diakonie von der Rezeption der Kompetenz und der Innovationen der Beratungs-, Pflege- und Sozialarbeitswissenschaften, um die biblische Tradition der Nächstenliebe mit der nötigen Professionalität zu aktualisieren. Kirche und Diakonie müssen hier im eigenen Interesse eine Interprofessionalität ihrer diakonisch-gemeindepädagogischen Mitarbeitenden fördern. Letztere ist durch den beachtlichen Anteil von doppelten Qualifikationen an den Studienbzw. Ausbildungsabschlüssen inzwischen vielerorts umgesetzt. Allerdings erlaubt eben eine „doppelte Qualifikation“ alleine noch keine Aussage zum Niveau oder zum Umfang der diakonisch-gemeindepädagogischen Qualifikation,[4] vielmehr ist stets kritisch nach den erworbenen Kompetenzen zu fragen.

Auch vor diesem Hintergrund haben die Verantwortlichen an den Evangelischen Hochschulen und Ausbildungseinrichtungen sowie in den Gliedkirchen der EKD und der Diakonie Deutschland die Arbeit der Kommission mit großer Aufmerksamkeit begleitet: Die Erwartung, die zukünftigen Erfordernisse für das diakonische und gemeindepädagogische Aufgabenfeld zu klären, haben in drei Konsultationen bzw. Fachtagen im Kontext des Arbeitsprozesses der Ad-hoc-Kommission ihren deutlichen Ausdruck gefunden.

Aufgrund der oben skizzierten Aufgabenstellung des Rates der EKD an die Kommission wie auch der mit ihrer Besetzung gewonnenen Expertise sind Grenzen des Arbeitsauftrages gezogen; hierzu gehören vor allem die Fragen nach einer eigenen Theologie der diakonischen bzw. gemeindepädagogischen Berufe in der evangelischen Kirche sowie die Diskussion um den Diakonat als geistliches Amt. Normative Setzungen zu den Berufsfeldern und ihrer Perspektive wie auch zu den Ausbildungsund Studiengängen zu erarbeiten, war nicht Auftrag der Ad-hoc-Kommission. Ausgeklammert blieben ferner die in der „Kasseler Erklärung“ mit aufgenommenen Berufsfelder der Pflege und der Elementarpädagogik[5] sowie die damit verbundenen Ausbildungsund Studiengänge. Um diese Lücke zu schließen, wäre an eine fachlich mit der spezifischen Expertise zu besetzende Ad-hoc-Kommission ein entsprechender Arbeitsauftrag zu vergeben.[6] Die Ad-hoc-Kommission „Diakonische und gemeindepädagogische Ausbildungs- und Berufsprofile“ entwickelte durch die Auswertung von aktuellen Dienstanweisungen  und  Arbeitsplatzbeschreibungen Perspektiven für  die  Profilierung des Berufsfeldes und der damit verbundenen Kerntätigkeiten. Zudem brachte sie die rechtlichen Ordnungen in den Gliedkirchen und diakonischen Einrichtungen, die den diakonisch-gemeindepädagogischen Dienst regeln, in einen systematischen Überblick. Insgesamt sind zurzeit mehr als 46 rechtliche Ordnungen in Geltung, die Ausbildung und Beruflichkeit regeln. Im Zusammenhang ihrer Empfehlungen zeigt die Kommission den Handlungsbedarf für den Bereich der EKD auf.

Über die Evangelische Hochschule Ludwigsburg wurde eine Gesamterhebung der diakonischen und gemeindepädagogischen Studien- und Ausbildungsgänge in Deutschland in Auftrag gegeben und durchgeführt, deren Ergebnisse in diesem Text in Auszügen dokumentiert sind. Aus den bestehenden Studien- und Ausbildungsgängen heraus erhob und beschrieb die Kommission Kriterien mit dem Ziel, eine Systematik zur Darstellung profilbezogener Merkmale von Studien- und Ausbildungsgängen zu entwickeln. Mit dieser Systematik können Studiengänge zügig überblickt und leichter eingeordnet werden.

Als Scharnier zwischen den Fragen der Beruflichkeit und denen der Ausbildung wird das diakonisch-gemeindepädagogische Kompetenzmodell vorgestellt. Dieses Kompetenzmodell zeigt sich als weitgehend anschlussfähig an Kategorien des DQR, geht allerdings insofern über ihn hinaus, als die Haltung gegenüber dem kirchlichen Auftrag als inhaltliche Kategorie mit einbezogen werden muss. Außerdem bleibt Niveau 6 des DQR für kirchlich-diakonische Ausbildungsund Berufsprofile zu unscharf. Zugleich wurde auf eine Anschlussfähigkeit des Kompetenzmodells für die diakonisch-gemeindepädagogisch Tätigen an Beschreibungen der theologischen sowie theologisch-religionspädagogischen Kompetenz im Pfarrdienst bzw. im Lehramt Evangelische Religion geachtet.[7]

Die Inhaltsbereiche der Kompetenzen und deren spezifischen Verknüpfungen machen das besondere Profil der diakonischen und gemeindepädagogischen Berufe deutlich. In ihrem Handeln im Dienst am Evangelium und an den Menschen, das sich aus dem kirchlichen Auftrag sowie den Bedarfen der Einzelnen und in Orientierung an den allgemein geltenden fachlichen Standards ableitet, weisen sie hin auf die Liebe und missio Gottes, die allem Volk gilt. Mit der Fachlichkeit und dem heterogenen Wissen aus verschiedenen Disziplinen verknüpft sind bei der beruflichen Handlungsfähigkeit deshalb auch berufsethische und religiöse Einstellungen und persönliche Haltungen.

Empfehlungen zur Beruflichkeit und zur Ausbildung der diakonisch-gemeindepädagogischen Dienste werden am Ende ausführlich vorgestellt. Zur Reform der diakonischen und gemeindepädagogischen Ausbildungsund Berufsprofile und zu deren abgestimmter Weiterentwicklung ist die Einrichtung einer zunächst befristet tätigen Fachkommission zur vergleichenden Darstellung und Bewertung der für diese Beruflichkeit qualifizierenden Ausbildungsund Studiengänge dringlich. Die dafür grundlegende, Vergleiche ermöglichende Darstellungssystematik für Ausbildungsund Studiengänge hat die Ad-hoc-Kommission vorbereitet. Eine zukünftige Fachkommission für die Ausbildung im diakonisch-gemeindepädagogischen Bereich könnte über die Sichtung der Studien- und Ausbildungsgänge hinaus Schritte zur Umsetzung der Empfehlungen der Ad-hoc-Kommission begleiten.

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