Zur Fortführung der Reform des Lehramtsstudiums Evangelische Theologie / Religionspädagogik

Zur Fortführung der Reform des Lehramtsstudiums Evangelische Theologie / Religionspädagogik

Vorschläge der Gemischten Kommission zur Reform des Theologiestudiums

Herausgeber:

Kirchenamt der
Evangelischen Kirche in Deutschland
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Impulse

"Im Dialog über Glauben und Leben" – unter diesem Titel veröffentlichte das Kirchenamt der EKD 1997 im Auftrag des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland "Empfehlungen zur Reform des Lehramtsstudiums Evangelische Theologie / Religionspädagogik". Diese Empfehlungen wurden von der Fachkommission II "Lehramtsstudiengänge" erarbeitet, einer Unterkommission der sog. "Gemischten Kommission zur Reform des Theologiestudiums". Sie setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Landeskirchen und des Evangelisch-Theologischen Fakultätentages zusammen und ist für die Behandlung und Klärung aller Fragen des theologischen Studiums und seiner Inhalte zuständig, die einer bundeseinheitlichen Regelung bedürfen. Der von der Gemischten Kommission beschlossene Text wurde 1996 von der Konferenz der Referentinnen und Referenten für Bildungs-, Erziehungs- und Schulfragen in den Gliedkirchen der EKD (BESRK), von der Kirchenkonferenz der EKD und vom Evangelisch-Theologischen Fakultätentag zustimmend zur Kenntnis genommen.

Die Reformempfehlungen sollten die Grundlage für bundesweite Regelungen an allen Hochschulen bilden, Anstöße für eine Neukonzeption des Lehramtsstudiums geben und insbesondere in Studien- und Prüfungsordnungen eingehen.
Drei Jahre nach der Veröffentlichung unterbreitet die Gemischte Kommission nun Vorschläge zur Fortführung der Reform, die wiederum die Fachkommission II "Lehramtsstudiengänge" erarbeitet hat. Die Gemischte Kommission will damit neue Chancen für eine vertiefte und erweiterte Rezeption und Umsetzung der Empfehlungen eröffnen und den Reformprozess kontinuierlich begleiten und fördern. Sie wendet sich dabei vorrangig an die Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer sowie an die Fakultäten, Institute und Einrichtungen, die an der Konzeption und Gestaltung des Lehramtsstudiums Evangelische Theologie / Religionspädagogik beteiligt sind, und bittet sie, Reformen einzuleiten und zu intensivieren.

Entwicklungen
Religionsunterricht

Die Aufgaben des Religionsunterrichts im gesamten Bildungsauftrag der Schule werden zunehmend komplexer. Damit steigen die Anforderungen an die Religionslehrerinnen und -lehrer. Insbesondere die didaktischen Herausforderungen, die sich den Lehrenden in der jeweils aktuellen Begegnung mit ihren Schülerinnen und Schülern stellen, erfordern ein hohes Maß an religionspädagogischer Kompetenz sowie Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit. Diese Fähigkeiten müssen im Studium so weit angeeignet werden, dass sie bei der späteren Berufstätigkeit ausgebaut und vertieft werden können. Angesichts des gewandelten Anforderungsprofils für Religionslehrerinnen und –lehrer ist eine Reform des Lehramtsstudiums unumgänglich.

Rahmenbedingungen
Inzwischen haben sich die Rahmenbedingungen für das Lehramtsstudium in mehreren Bundesländern geändert: Der Berufsfeldbezug des Studiums wurde verstärkt, Praxisanteile wurden vermehrt in das Studium einbezogen und integrierte Veranstaltungsformen (z. B. Module aus Seminaren, Tutorien, Vorlesungen und Praktika) empfohlen.

Reformprozess
Eine Reihe von Fakultäten, Instituten und Einrichtungen hat der Situation der Lehramtsstudierenden und ihrem spezifischen Studienbedarf verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet. Anregungen für die Gestaltung von Veranstaltungsformen und Studienkonzepten wurden aufgenommen und umgesetzt. Andererseits hat sich aber auch gezeigt, dass die Empfehlungen von 1997 noch nicht in allen Punkten anschlussfähig sind an die Ausbildungsbedingungen der Fakultäten, Institute und Einrichtungen. Insbesondere besteht im Blick auf das Verhältnis von Fachwissenschaft und Fachdidaktik ein Vermittlungsproblem, das neue Überlegungen erforderlich macht.

Ausbildungssituation
Verschiebungen in der Zusammensetzung der Studierenden der Evangelischen Theologie (Studierende mit dem Ziel des Pfarramts, Diploms, Lehramts oder anderen Zielen) haben die Gewichtigkeit der Lehramtsstudierenden in den Fakultäten, Instituten und Einrichtungen erhöht. Deren gestiegene Bedeutung macht es notwendig, bei der Konzeption und Durchführung von Lehrangeboten mit Nachdruck auf die besonderen Bedingungen und den Studienbedarf der Lehramtsstudierenden einzugehen.

Kernpunkte
Berufsfeldbezug

Leitgedanke der Empfehlungen ist die Frage, wie künftige Religionslehrerinnen und Religionslehrer sachgemäß und fundiert auf die Anforderungen ihres Berufs vorbereitet werden können. Das Ziel, im Studium die Voraussetzungen für eine berufliche Handlungsfähigkeit zu erwerben, bedingt, dass die wissenschaftliche Arbeit stärker mit dem künftigen 'Berufsfeld' der Studierenden verknüpft wird. Mit dem Stichwort 'Berufsfeldbezug’ ist keineswegs die Reduktion des Studiums auf praktikable und im Unterricht verwertbare Inhalte gemeint, sondern dessen Ausrichtung auf spezifische Kenntnisse, Fähigkeiten und Qualifikationen, die im Handlungsfeld Schule und Unterricht unabdingbar sind. Wenn die Studienangebote sich daran orientieren, die 'Religionspädagogische Kompetenz' der Studierenden zu entwickeln und zu fördern, vertieft dieser Ansatz die wissenschaftlich-theologische Arbeit von Studierenden und Lehrenden.

Fachdidaktik
Der Berufsfeldbezug schließt ein, dass die theologische Lehre sich stärker didaktischen Kategorien öffnet. Während die unterrichtspraktische Didaktik und Methodik schwerpunktmäßig Gegenstand der zweiten Ausbildungsphase für das Lehramt sind, werden hier zum einen hochschuldidaktische Desiderate angesprochen, zum andern aber fachdidaktische Prinzipien. Dazu gehören etwa die Konzentration wissenschaftlicher Lehre auf grundlegende Strukturen, Probleme und Schlüsselfragen, auf Exemplarität und Kontextualität sowie auf zentrale methodische Verfahren der Erkenntnisgewinnung. Insbesondere die Durchführung interdisziplinärer Veranstaltungen innerhalb der Theologie (Fachdidaktik der theologischen Disziplinen) und mit anderen Wissenschaften dient der Vernetzung von Kenntnissen, der mehrperspektivischen Wahrnehmung von Problemen und der Schärfung des theologischen Problembewusstseins.

In diesem fachdidaktischen Sinne kann die Kategorie der Didaktik in allen Fachgebieten und Gegenstandsbereichen als Leitkategorie der Lehre mitgedacht und als konstitutives Prinzip zur Konzipierung und Durchführung von Lehrveranstaltungen berücksichtigt werden. Wenn Lehramtsstudierende auf der Grundlage strukturierter und konzentrierter Kenntnisse und Einsichten ein differenziertes fachwissenschaftliches und fachdidaktisches Reflexionsvermögen erwerben, sind sie später in der Lage, selbstständig Probleme und Fragen zu durchdenken, die sich in der unterrichtlichen Praxis in vielfältiger Weise stellen.

Sprachenfrage
Die Empfehlungen plädieren dafür, auf das Lateinische generell zu verzichten und die Kenntnis des Griechischen auf das gymnasiale Lehramt und das Lehramt für die Sekundarstufe II (Gymnasium) zu beschränken. Sie gehen davon aus, dass es möglich ist, die Inhalte eines wissenschaftlichen Theologiestudiums so aufzubereiten, dass eine Kenntnis der alten Sprachen zwar eine wünschenswerte, aber keine zwingende Voraussetzung ist. Diese Position wird zwar von vielen, aber nicht von allen Fakultäten, Instituten und Einrichtungen geteilt. Die Bereitschaft zu einer effektiven Reform des Lehramtsstudiums hängt jedoch nicht von einem Konsens in der Sprachenfrage ab; deshalb sollten hier unterschiedliche Wege gegangen werden können.

Lehramtsstudium und Pfarramtsstudium
Nicht nur an Lehrerinnen und Lehrer für das Fach Evangelische Religionslehre sind besondere religionspädagogische Anforderungen zu stellen. Auch für Pfarrerinnen und Pfarrer ist religionspädagogische Kompetenz sowohl in Handlungsfeldern der Gemeindearbeit als auch für ihre Tätigkeit im Religionsunterricht unabdingbar. Daher ist die Notwendigkeit, den Berufsfeldbezug zu verstärken und das Lehrangebot didaktisch zu fokussieren, nicht auf das Lehramtsstudium beschränkt, sondern gilt in gleichem Maß auch für das Pfarramtsstudium.

Vorschläge
Für Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer bieten sich vielfältige Möglichkeiten, die religionspädagogische Kompetenz der Lehramtsstudierenden (und auch der Pfarramtsstudierenden) zu fördern, z. B. durch


Einführungsveranstaltungen zur Orientierung der Studierenden über den Zusammenhang der theologischen
Fächer und über wissenschaftliche Arbeitsweisen in Theologie und Fachdidaktik;

Überblicksveranstaltungen zu zentralen Sachgebieten der theologischen Disziplinen mit dem Ziel, fundierte Grundkenntnisse zu vermitteln und die Studierenden über grundlegende Probleme, Fragen und Themen der Theologie zu orientieren;

Veranstaltungen mit Fachdidaktikern mit dem Ziel, diejenigen fachwissenschaftlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu erschließen, die im Handlungsfeld Schule und Unterricht unabdingbar sind;

Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit fachdidaktisch kompetenten wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (mit mehrjähriger Praxiserfahrung) oder mit Fachleiterinnen und Fachleitern aus den Studienseminaren zur Verzahnung von Fachwissenschaft und Fachdidaktik;

Veranstaltungen mit Fachvertretern aus anderen theologischen Disziplinen mit dem Ziel, die Mehrperspektivität der Problemwahrnehmung und die Vernetzung der theologischen Kenntnisse und des theologischen Denkens zu fördern;

Veranstaltungen mit Fachvertretern aus anderen Wissenschaften, insbesondere mit Vertretern der Humanwissenschaften, Kulturwissenschaften und der Philosophie, aber auch mit Naturwissenschaftlern oder Wirtschaftswissenschaftlern mit dem Ziel, die Gesprächs- und Argumentationsfähigkeit der Studierenden zu fördern und den Horizont ihrer Fachperspektive zu erweitern;

Beteiligung von Studierenden an der Vorbereitung und Durchführung von Veranstaltungen und Projekten mit dem Ziel, die spezifischen Bedingungen und den Studienbedarf der Lehramtsstudierenden zu berücksichtigen.


Theologische Fakultäten, Institute und Einrichtungen können den Reformprozess u. a. durch folgende Initiativen unterstützen:

Beauftragung der Studienkommission oder analoger Gremien, Anregungen für Studienempfehlungen auszuarbeiten und Studienordnungen zu aktualisieren;

Abstimmung der Lehrenden über ihre Lehrangebote mit dem Ziel, die Angebote für Lehramtsstudierende in einem konsistenten Konzept zusammenzuführen;

Zusammenarbeit mit den Fachleitern für Evangelische Religionslehre an Studienseminaren für die zweite Ausbildungsphase, mit dem Ziel, die erste und zweite Ausbildungsphase stärker aufeinander zu beziehen und ggfs. auch Einblicke in den Religionsunterricht an Schulen zu erhalten;

Gestellungsverträge oder Abordnungen für fachdidaktisch kompetente Theologen und Religionspädagogen als wissenschaftliche Mitarbeiter an Fakultäten, Instituten und Einrichtungen, um Perspektiven und Fragen aus dem Berufsfeld Schule und Unterricht in Veranstaltungen einzubringen;

Anregung und Förderung interdisziplinärer Veranstaltungen (zwischen Disziplinen, mit Vertretern der katholisch-theologischen Fakultäten, mit anderen Wissenschaften);

Einbeziehen von Pfarramtsstudierenden in vorhandene schulpraktische Studien, um ihnen sowohl die für den schulischen Religionsunterricht als auch für die Vielzahl religionspädagogischer Aufgaben und Herausforderungen in der Gemeinde notwendigen Voraussetzungen zu vermitteln;

Initiativen zur Aktualisierung von Studienordnungen, Studienempfehlungen oder Studienplänen für Studierende.

Hannover, im August 2001
 

Kontaktadressen

Folgende Mitglieder der Fachkommission II Lehramtsstudiengänge der EKD stehen für Gespräche mit Fakultäten, Instituten und Einrichtungen über die Fortführung der Studienreform zur Verfügung:

Prof. Dr. Wilfried Härle
Universität Heidelberg
Theologische Fakultät, Wiss. Theologisches Seminar
Kisselgasse 1, 69117 Heidelberg
Tel.: (0 62 21) 54 35 18, Fax: (0 62 21) 54 33 18
E-Mail: Wilfried.Haerle@urz.uni-heidelberg.de

Prof. Dr. Raimund Hoenen
Universität Halle-Wittenberg, Theologische Fakultät
Institut für Praktische Theologie und Religionspädagogik
Franckeplatz 1, Haus 30, 06099 Halle
Tel.: (03 45) 5 52 30 40, Fax: (03 45-) 5 52 71 71
E-Mail: hoenen@theologie.uni-halle.de

Prof. Dr. Rainer Lachmann
Otto-Friedrich-Universität Bamberg,
Evangelische Theologie, Religionspädagogik und -didaktik
Marcushaus, Markusplatz 3, 96045 Bamberg
Tel.: (09 51) 8 63 (0) -18 41, Fax: (09 51) 8 63-48 42
E-Mail: rainer.lachmann@ppp.uni-bamberg.de

Prof. Dr. Reinhold Mokrosch (Vorsitzender)
Universität Osnabrück, Institut für Evangelische Theologie
Neuer Graben / Schloss, 49069 Osnabrück
Tel.: (05 41) 9 69-42 84, Fax: (05 41) 9 69-47 72
E-Mail: evantheo@uni-osna.de

OKR Prof. Dr. Dietmar Pohlmann
Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg, Oberkirchenrat
Philosophenweg 1, 26121 Oldenburg
Tel.: (04 41) 77 01 (0)-1 40, Fax: (04 41) 77 01-2 99
E-Mail: ips@ev-Kirche-oldenburg.de

Prof. Dr. Anna-Katharina Szagun
Universität Rostock, Theologische Fakultät
Schröderplatz 3 - 4, 18051 Rostock
Tel.: (03 81) 4 98 38 71, Fax: (03 81) 4 98 38 88
E-Mail: anna-katharina.szagun@theologie.uni-rostock.de

Die Namen der studentischen Vertreterinnen und Vertreter in der Fachkommission II, die ebenfalls für Gespräche zur Verfügung stehen, können bei der Bildungsabteilung im Kirchenamt der EKD erfragt werden.


Gemischte Kommission für die Reform des Theologiestudiums
Fachkommission II  –  Lehramtsstudiengänge

Landeskirchenrat Dieter Boge, Düsseldorf
Oberkirchenrat Dr. Jürgen Frank, Hannover (Geschäftsführung)
Professor Dr. Wilfried Härle, Heidelberg (ständiger Gast)
Professor Dr. Raimund Hoenen, Halle-Wittenberg
Stud.-phil. Nora Katte, Bad Laasphe (studentische Vertreterin)
Professor Dr. Rainer Lachmann, Bamberg
Oberstudiendirektor Dr. Hartmut Lenhard, Paderborn
Pfarrerin Eva Losert, Kassel (Wissenschaftliche Mitarbeiterin)
Professor Dr. Reinhold Mokrosch, Osnabrück (Vorsitzender)
Oberkirchenrat Professor Dr. Dietmar Pohlmann, Oldenburg
Stud.-theol. Chantal Rosenschon, Marburg (studentische Vertreterin)
Professorin Dr. Anna-Katharina Szagun, Rostock
Oberkirchenrat Dr. Michael Trensky, Karlsruhe (Vorsitzender)
Schulrat Bernd Zeuner, Rudolstadt (Gast)